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Full text of "Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung"

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EX   LIBRIS 
MARTIN  R  NILSSON 


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MITTHEILUNGEN 

DES  KAISERLICH   DEUTSCHEN 

ÜCBA10L0GISCBIN    INSTITUTS 

ATHENISCHE    ABTHEILUNG 


BAND    XVIII 
1803 

MIT    VIERZEHN   TAFELN 


ATHEN 

VERLAG    VON    KARL    WILBBRG 
1893 


Athen.—   Druck   vuu  GHI5HUKDKK    PERRIS  .  —   Uni vursitaols - SlrJ 


I  N  HALT. 


Seite 

A.  Brueckner  i;m>  E.  Pernice  ,    Ein  attischer  Friedhof 

(Tafel  VI-IX) 73 

A.  Brueckner,   Inschrift  aus  Kephale 209 

»            »            Ein  athenischer  Grabfund  der  geometri- 
schen Periode  (Tafel  XIV).    ...  414 

\\  .  Doeri'feld  .   Die  neuen  Ausgrabungen   in  Troja.    .  199 

»            »             Ausgrabungen   in  Tralles  (Tafel  XIII)  404 

F.  Duemmler  ,   Zwei  Felsinschriften  von  Amorgos.    .    .  32 

B.  Graee,   Grabdenkmal  aus  Bithynien.  II 27 

F.  Hiller  von  Gaertringen  ,  Inschriften  von  Nysa.    .    .  333 

»       »         »              »              Die  samothrakischen  Göt- 
ter in  Bhodos  und  Karpathos 385.420 

C.  H um ann  und  \V.  Doerpfeld,   Ausgrabungen  in  Tral- 

les (Tafel  XII.  XIII) 395 

0.  Kern,    Inschriften  vom  Athos 64 

»        »       Demeter  Chloe 192 

»       »       Inschriften  aus  Thasos 257 

»        »        Inschriflen  aus  Milet 267 

»        »        Inschrift  vom  Athos 334 

»       »       Aus  Samolhrake 337 

A.  Koerte,   Inschriften  aus  Marathon  und  Salamis.    .  208 

»         »         Bezirk  eines  Heilgotts  (Tafel  XI)  .    .    .    .  231 

E.  Maass,  Zur  Hetäreninschrift  von  Paros 21 

»       »        Über  das  Rheaepigramm  aus  Phaistos.    .    .  272 

A.  Milcbhoefer,  Zur  attischen  Localverfassung   .    .    .  277 

.1 .  II.  Mordtmann,    I usehrifteu  aus  Edessa 415 

F.  Noack,  Zum  Friese  von  Gjölbaschi 305 

ES.  Pernice,  Inschriften  aus  Andros  und  Paros.    ...  7 

»  »  Ein  attischer  Friedhof  s.  Bm  eckneb 

C.  Robert,  Sosipolis  in  Olympia 37 


IV  INHALT 

Seite 

B.   ITAHS,    '0  sv  Mapaöüvi  tÜu6o<;  (Ilivaxe;  II-V).     .     .  46 

F.  Stldmczka,   Die  älteste  attische  Inschrift  (Tafel  X).  225 

G.  Weber,  Inschriften  aus  Süd-Phrygien 206 

P.  Wolters,   Sepulkrales  Relief  aus  Athen  (Tafel  I)   .  1 

»          »            Grabstein  mit  Lutrophoros 66 

Litteratur 68.   211.  335.  420 

Funde 212 

Sitzungsprotokolle 72 


•=>  >i-v-K  o 


8EPULKRALES  RELIEF  AUS  ATHEN' 
(Hierzu  Tafel  I) 

Das  auf  Taf.  1.  abgebildete  Melopenrelief  ist  hier  in  Athen 
bei  dem  Hau  der  neuen  Markthalle  in  der  Äolosstrasse,  östlich 
von  der  sogenannten  Stoa  des  Hadrian  gefunden  und  in  das 
Nationalm useum  gebracht  worden  '.  Die  Abbildung  hietet  das 
Monument  nicht  in  seiner  ganzen  Ausdehnung,  es  ist  vielmehr 
rechts  und  links  je  einer  der  Stege  von  den  Triglyphen  weg- 
gelassen worden  um  Raum  zu  gewinnen  ;  es  war  dies  um  so 
eher  erlaubt,  als  links  dieser  Steg  fast  ganz  zerstört  ist. 

Die  ganze  Länge  des  aus  pentelischem  Marmor  bestehen- 
den Blockes  beträgt  l.l?5m,  seine  Dicke  gegen  0,25m;  die 
Triglyphen  sindjeO,3Cm,  dieMetope  0,485"'  breit  und  im  Gan- 
zen 0,505m  hoch.  Hechts  und  links  zeigt  i\w  Marmor  An- 
schlussfläche, und  dass  sich  liier  weitere  Blöcke  anschlössen 
beweist  auch  je  ein  halbes  Klammerloch  (von  der  Form  h) 
obenauf  an  beiden  Enden  ;  ein  gleiches, welches  den  Block  mit 
einem  hinter  ihm  liegenden  Stein  zu  verbinden  diente,  liegt 
oben  etwa  dort,  wo  die  Metope  an  die  Triglyphe  rechts  stösst. 
An  der  entsprechenden  Stelle  links  zeigt  sich  ein  Stemmloch. 
Die  obere  und  die  untere  Fläche  des  Steines  sind,  wenn  auch 
nicht  sauber, für  den  Anschluss  anderer  Steine  hergerichtet.  Auf 
der  Rückseite  zeigt  sich  die  deutliche  Spur  von  der  späteren 
Verwendung  des  Blockes  als  Thürschwelle,  Mörtelreste  auf 
(\w  Vorderseite  beweisen  ebenfalls  eine  zweite  Benutzung,  und 
wenn  man  die.  auch  in  der  Abbildung  sichtbaren  eingeritzten 
Quadrate2  im  Bildfelde  hinzurechnet. welche  wieder  ans  einer 


<  AeXtiov  1892  S.  28, 1. 

2  Es  ist  eine  für  «las  vod  uns  Mühle,  vod  den  heul  igen  Griechen  iwteEBa 
genannte  8piel  bestimmte  Vorritzung,  die  sich  /.  B.  auf  der  Akropolis  so 
vielfach  an  den  antiken  Bauten  findet.  Vgl.  Becq  de  Fouquieres,  / 

des  anricit<;  -  3.  390. 

ATHEN.    MITTHEILUNGEH    Will.  1 


P,    WOLTERS 

anderen  Zeit  herrühren  müssen  als  die  genannten  Benutzungs- 
spuren, aber  jedenfalls  später  siml  als  die  Zerstörung  des  ur- 
sprünglichen Baues,  so  erkennen  wir.  dass  unser  Metopenre- 
lief  schon  mannigfache  Schicksale  erlitten  hat,  und  werden 
nicht  erwarten,  dass  es  an  seinem  ursprünglichen  Aufstel- 
lungsort wieder  zum  Vorschein  gekommen  ist.  In  der  That 
sind  auch  weitere  Reste  des  Baues,  zu  dem  es  gehört  haben 
muss,  nicht  gefunden  worden,  dagegen  unter  einigen  unbe- 
deutenden Bruchstücken  zugleich  auch  das  eines  Totenmahls. 
Die  Metope  zeigt  in  nicht  sehr  hohem  Relief  und  in  flotter, 
gewandter  aber  durchaus  nicht  etwa  unfeiner  Arbeit  die  eng 
zusammengedrängte  Gruppe  dreier  in  tiefe  Trauer  versun- 
kener Frauen.  Wie  kraftlos  unter  der  Wucht  des  Schmerzes 
zusammenbrechend  sitzt  die  eine  dicht  in  ihren  Mantel  ge- 
hüllt  links  auf  einer  niedrigen  Erhöhung,  ganz  im  Gegensatz 
zu  ihrer  Genossin  rechts,  die  auf  einem  würfelförmigen  Block 
aufrecht,  last  steif,  grade  ausblickend  dasitzt,  und  nur  durch 
die  an  das  Kinn  gelegte  Rechte  äusserlich  dem  Schmerz  Aus- 
druck giebt.  dem  sie  in  krampfartiger  Erstarrung  verfallen 
ist.  Wieder  eine  andere  Stufe  derselben  Empfindung  finden 
wir  in  der  mittleren  Gestalt.  Sie  hält  sich  noch  aufrecht,  aber 
nicht  nur  das  gesenkte  Haupt,  auch  die  schlaff  herabhän- 
gende Hand  zeigen  die  Gewalt  der  Empfindung,  welche  ihre 
Glieder  löst  und  ihre  kniee  wanken  macht  :  aber  trotzdem 
bleibt  sie  aufrecht  stehen,  so  sehr  ist  Wille  und  Energie  durch 
die  dumpfe  Gewalt  der  Trauer  gelähmt.  Man  muss  gestehen, 
dass  die  verschiedenen  Wirkungen  tiefen  Schmerzes  in  diesen 
Gestalten  uns  in  überraschender  Anschaulichkeit  vor  Augen 
treten,  und  ich  glaube  nicht,  dass  wir  dem  Künstler  des  Reliefs 
zu  viel  zumuten,  wenn  wir  an  seiner  Gruppe  nicht  nur  den 
einheitlichen  aber  jeder  strengeren  Symmetrie  offenbar  aus- 
weichenden Aufbau  und  die  Einheitlichkeit  der  gesamten 
Stimmung  bewundern,  sondern  darüber  hinaus  in  den  einzel- 
nen  Gestalten  feine  und  bewusste  Abwandelungen  jener  einen 
Empfindung  spüren.  Und  so  werden  wir  nicht  zögern  hier, 
wo  Erfindung  und  Ausführung  sieh  so  völlig  entsprechen,  die 


.-  i:lM  I.KH  ALES    RELIEF    AUS    ATUKN  3 

Originalarbeit  eines  treulichen  Künstlers  bereitwillig  anzuer- 
kennen. 

Die  drei  trauernden  Frauen  zeigen  nichts,  das  für  eine  be- 
stimmte Situation  der  Sage  charakteristisch  wäre.  Wir  haben 
nach  keinem  Namen  für  sie  zu  suchen  :  es  sind  Klageweiber. 
Seitdem  uns  der  prächtige  Sarkophag  von  Sidon  bekannt  ge- 
worden ist.  der  in  Form  eines  ionischen  Tempels  gestaltet 
ringsum  zwischen  je  zwei  Säulen  eine  solche  trauernde  Frau 
zeiut,  ist  es  nicht  nötig,  das  weitläufig  zu  erhärten.  Und  grade 
dort  finden  wir  in  den  Giebelfeldern  überraschend  ähnliche 
nur  lockerer  angeordnete  Gruppen  von  je  drei  Klageweibern, 
die  wie  die  Frauen  unserer  Melope  auf  mehr  oder  weniger 
hohen  Erhebungen  des  Bodens,  auf  würfelförmigem  Stein, 
zum  Teil  auch  auf  der  flachen  Erde  sitzen1.  Der  Sarkophag 
ist  ein  Erzeugniss  der  ausgebildeten  ausgereiften  attischen 
sepulkralen  Plastik  des  vierten  Jahrhunderts,  das  lehrt  der 
erste  Blick,  das  lehrt  jede  erneute  Vergleichung  wieder.  Xeu 
aber  ist  die  Erkenntniss,  welche  erst  das  Metopenrelief  uns 
vermittelt,  dass  schon  in  Attika  Grabmäler  in  ausgebildeter 
Tempelform  existirt  haben,  und  dass  zum  architektonischen 
Schmuck  solcher  Bauten  Darstellungen  der  trauernden  Frauen 
verwendet  wurden.  Denn  ich  halte  es  für  eine  unabweisbare 
Folgerung,  dass  ein  Gebäude,  dessen  .Meinpen  mit  Klagewei- 
bern geschmückt  waren,  ein  Grabmal  ist. 

Die  Masse  der  Melope  und  der  sie  einschliessenden  Trigly- 
phen  entsprechen  fast  genau  denjenigen  ilvs  unteren  Stock- 
werkes der  Attaiosstoa 2.  Ergänzen  wir  uns  darnach  das  ur- 
sprüngliche Grabmal  mit  vier  Säulen  in  der  Front,  so  wür- 
den wir  einen  stattlichen  Bau  von  beinahe  N'"  hänge  und  fast 
gleicher  Höhe  erhalten,  den  vorne  neun  Metopen  geziert  hät- 
ten. Das  ist  im  Vergleich  zu  den  üppigen  kleinasiatischen 
Denkmälern  vielleicht   nicht   übermässig    gross,   würde   aber 


1  Vgb  0.  Hamdy-Bej  and  Th.   Reinach,   Um  nicropole  royale  ä  Sidon 
Taf.  ts. 

2  R.  Botin,  Die  Stoa  König  Attalos  des  Zweiten  eo  Athen  Taf.  2. 


4  P.    WOLTERS 

in  Attika  übertrieben  erscheinen  ',  und  so  werden  wir  uns  wol 
richtiger  einen  bescheideneren  Bau  vorstellen,  etwa  in  der 
Form  eines  Anten tempels,  der  dann  immerhin  eine  Breite  von 
mehr  als  3ID  haben,  und  an  der  Vorderseite  drei  Metopen  zäh- 
len müsste  Die  erhaltene  würde  dann  die  mittelste  sein,  rechts 
und  links  wurde  noch  je  ein  Block  mit  einer  weiteren  Metope 
und  dem  Ecktriglyphen  anstossen.  In  dem  offenen  Tempel- 
chen,  dem  man  keine  grosse  Tiefe  geben  möchte,  kann  man 
sich  statuarische  Werke  aufgestellt  denken. 

Schon  eines  der  ältesten  attischen  Grabmäler,  das  in  Lam- 
brika  wieder  aufgefundene,  bereits  von  Fourmont  notirte2,  zeigt 
neben  dem  Verstorbenen  trauernde  Gestalten;  es  sind  dies- 
mal die  Angehörigen,  und  ihre  Bilder  sind  auf  die  Nebensei- 
ten  zurückgedrängt.  Dieser  Fall  ist  unter  den  Marmorreliefs 
bisher  ganz  vereinzelt  auf  Grabmälern  anderer  Art  kam  al- 
lerdings  eine  ausführlichere  Darstellung  der  trauernden  Ver- 
wandten  vor3.  Die  Grabmäler  des  fünften  und  vierten  Jahr- 
hunderts schildern  dann  zwar  zunächst  vor  allem  die  Familie 
in  ihrem  traulichen  Beisammensein,  aber  auch  hier  zeigt  sieh 
ein  Ausdruck  der  Trauer,  besonders  in  den  Nebenpersonen, 
den  Dienerinnen.  Ein  Schritt  weiter  ist  es,  wenn  diese  dann 
selbständig  dargestellt  die  Klage  um  den  Verstorbenen  veran- 

DO  ~ 

schaulichen4,  und  auch  die  Verwendung  solcher  trauernder 
Gestalten  in  mehr  dekorativer  Art  ist  nicht  ungewöhnlich,  es 
genügt  hierfür  an   die  Sirenen  und  Klageweiber  in  den  Ste- 

CO  o 

lenbekrönungen  zu  verweisen.  Der  Grabesbau,  dessen  Meto- 
pen mit  klagenden  Frauen  geschmückt  ist.  erscheint  also  zwar 
als  eine  besonders  prächtige  aber  folgerichtige  Weiterentwicke- 
lung des  gebräuchlichen  attischen   Grabmals.    Statuarischen 


1  Besonders  kostspielige  Grabmäler  nenot  W.  A.  Becker,  Cbarikles  *  III 
8.  108. 

2  Conze,  Die  attischen  Grabreliefs  I  Nr.  19. 

3  'E?r,;j.EV.;  isy aioXoy.z/;   1888  S.   181   IT. 

1  Furtwängler,  Sammlung  Sabouroff  I  Taf.  17.  Kavvadias,  rXunra  toü 
'EOvtxou  Moucrefow  I  3.  396,  325. 


SEPULKRALES   RELIEF   AUS   ATHEN  5 

Schmuck1  müssen  wir,  wie  gesagt,  bei  ihm  voraussetzen,  aber 
über  dessen  Art  und  Ausdehnung  vermögen  wir  nichts  Siche- 
res zu  ermitteln.  Dass  solche  Bauten  dann  ihrerseits  die  Anre- 
gung zu  der  prächtigen,  wenn  auch  vielleicht  etwas  zu  sehr  mit 
hergebrachten  Motiven  wirkenden  Schöpfung  des  sidonischen 
Sarkophags  gegeben  haben,  ist  einleuchtend. 

In  dieser  Urkenntniss  liegt  zunächst  der  Wert  des  neuen 
Monumentes,  darüber  hinaus  geht  seine  künstlerische  Bedeu- 
tung, die  ich  oben  zu  umschreiben  versucht  habe.  Dass  ich 
es  darnach  für  eine  frischere,  originalere  Schöpfung  halte  als 
den  Sarkophag,  ist  klar2,  alter  auch  älter  scheint  es  zu  sein. 
In  den  scharfgeschnittenen,  bestimmten  Faltenzüuen  fehlt  noch 
\üllig  jenes  Bestreben,  weiche,  wollige  Stoffe  durch  rauhe 
Oberfläche  und  viele  parallele  gebohrte  Rillen  zu  charakleri- 
siren,  das  wie  es  scheint  unter  Praxiteles'  Einfluss  weit  und 
breit  Nacheiferune  fand,  in  den  Musenreliefs  aus  Mantinea 
wenigstens  schon  bewusst  und  ausgeprägt  auftritt.  Anderer- 
seits wird  man  mit  der  Metope  kaum  über  das  vierte  Jahr- 
hundertweithinaufgehen können,  und  nach  diesen  verschie- 
denen  Erwägungen  seine  Entstehungszeil  ansetzen.  Den  Ver- 
fertiger  wüsste  ich  nicht  mit  Wahrscheinlichkeit  zu  erschlies- 
sen.  dass  es  aber  ein  namhafter  Künstler  gewesen  ist.  scheint 
mir  sicher.  Wir  dürfen  uns  von  dieser  Auffassung  nicht  durch 
die  Thalsache  abschrecken  lassen,  dass  es  ein  Grabmal  ist, 
um  dessen  Beste  es  sich  handelt.  Tansanias  I,  2,3  nennt  in 
der  Nekropole  von  Athen  ein  Grab  i-'.0r,y.x  i'/wv  gtixtiuttv 


1  Furlwängler,  Sammlung  Sabouroff  I  zu  Taf.  IT  Anm.  tu  nimmt  die 
Leipziger  Berichte  I8t>1  Taf,  ■>/>.  5c  abgebildete  attische  Statue  als  sepul- 
kral  in  Anspruch.  Die  siatue  einer  siehenden  Dienerin  mit  Kästchen  (ganz 
ähnlich  wie  Conze,  Die  attischen  Grabreliels  [  Taf.  36,79.  63.307.67,? 
'!i,ii:i.  100,425)  offenbar  Teil  einer  statuarischen  Gruppe  von  der  Art  der 
Grabreliefs  befindet  sich  in  Bei  (Athen.  Mittheilungen  1887  S. 

-  im  nur  eine  Einzelheit  hervorzuheben:  man  vergleiche  die  mittlere 
Klajrefrau  der  einen  Schmalseite  des  Sarkophags  Taf.  8  mit  der  stehenden 
der  Metope.  Die  erstere  könnte  gradezu  von  dieser  abhängig  sein,  bat  aber 
durch  die  behagliche  l  tesamlhaltung,  besonders  die  Stellung  der  Heine,  einen 
grossen  Teil  ihres  Ausdrucks  verloren, 


6  P.    WOLTERS,      SEPULKIULE8    RELIEF   ALS   ATHEN 

'.--ov  *xi  tov  ^TpxT'.toTr.v  swoiYjffev  '  und  sichert  uns  so  die  Be- 
rechtigung, unter  den  erhaltenen  Grabmälern  Werke  wirk- 
licher  Künstler  vorauszusetzen,  welche  uns  die  Vorzüglichkeil 
von  Arbeil  oder  Erfindung  auch  ohnehin  giebt.  So  geht  bei- 
spielsweise die  mehrfach  erhaltene  Composition  mit  »lein  nack- 
ten Jüngling,  welcher  in  nachdenklichem  Sinnen  dazustehen 
scheint  während  sein  aller  Vater  ihn  trauernd  anblickt, sicher 
a li  1  die  Schöpfung  eines  bedeutenden  Mannes  zurück,  deren 
Original  uns  vielleicht  sogar  noch  erhallen  ist2  Mit  Sicher- 
heit  lässt  sich  vor  allem  das  prächtige  Grabmal  des  Aristo- 
nautes3.  das  an  Originalität  ^\^v  Erfindung  und  an  Güte  der 
Arbeit  weit  über  dein  Durchschnitt  der  gewöhnlichen  Grab- 
mäler  steht,  als  Werk  eines  namhaften  Kunstlers  in  Anspruch 
nehmen.  Bei  diesem  dürfte  man  vielleicht  sogar  an  Skopas 
denken. 

Athen.  April  1893. 

PAUL  WOLTERS. 


'  Dasselbe  Werk  ist  geraeint  bei  l'linius  X.  II.  30,  20  opera  eins  sunt 
Athenis  m  Ceramico  Brunn,  Geschichte  dergriech.  Künstler  I  S.  .üi  dachte 
daran,  diese  Erwähnung  auf  die  von  Pausanias  1,  2,  i  genannte  Gruppe  De- 
meter, Persephone,  lakchos  zu  beziehen,  die  doch  wol  nicht  so  unbestimmt 
angeführt  worden  wäre;  \:-rl  dagegen  Cicero,  De  legibus  II.  26,  64  amplitu- 
dines  sepulcrorum,  quas  in  Ceramico  videmus.  So  gewinnl  die  Ansicht  eine 
neue  Stütze,  dass  Pausanias  seine  eigentliche  Sladlheschreibung  beim  t>i- 
pylon  beginnt. 

-  Kavvadias,  rXwcTä  rou  'EOvixoQ  Mouacfou  I  S.  ilti.  869. 

3  Ebenda  I  8.  350,  738. 


INSCHRIFTEN  Ars  ANDROS  UND  PAROS 

Ein  mehrtägiger  Aufenthalt  in  Andres  im  September  1892 
gab  mir  Gelegenheit,  die  seit  Weil's  Heise  (Athen.  Mitth.  I 
S.  235  ff.)  hinzugekommenen  neuen  Inschriften  abzuschrei- 
ben sowie  die  von  Miliarakis  ('V-oy.vr.uy.T*  töv  Kux^&Suv  vtj- 
ortov  S.  123  ff.)  veröffentlichten  einer  Revision  zu  unterziehen. 
Da  Inschriften  in  Antlros  besonders  viel  verschleppt  werden, 
was  ich  an  längst  bekannten  Stücken  vielfach  beobachten 
konnte,  werden  die  folgenden  Mitteilungen  nicht  unwillkom- 
men sein. 

1.  Paläopolis,  in  einem  Häuschen  am  Meere  eingemauert. 
Weisser  .Marmor,  auf  der  1.  Seite  gebrochen.  Über  der  Inschrift 
ist  die  Profilirung  abgeschlagen  worden.  Von  Wolters  und 
mir  abgeschrieben.  II.   19"u,    Br.  58cm. 

TIOYTOY       E       P       M       I       OY 
KAI  HPAKAEI 

I         MHN04>IAOY  0EOÄOPOI       AIOAOTOY 

ATOI         ZAN0OY  APIITON         AIUHniAAOY 

I  AIOAQPOY  IHNQN  TT  A  O  Y  T  I  A  A  O  Y 

Ol      APIITOMAXOY  T7AOYTIAAHI       nAOYTIAAOY 

I         ATTOAAQNIOY  A  n  O  A  A  n  N  I  A  H  I  A  TT  O  A  A  O  N  I  A  C 

Z         milBIOY  A  nO  A  AON  IOI  A  H  M  H  T  P  I  O  Y 

YITONOY  IOI  in  ATPOIM  N  All  TIMOY 
)Z       KTHIHNOI 
APIITOÜAEOYI 
fc    Q    K    O    Y 

Ei7C(     .   .   .    TT'.O'J    TO'j     'EofMOU 
l'car,     y.y.i     1 1  cx/.Xei 
.  .  .  .;   Mrvo-^iXo-j  8söS(üD0?   AlO$OTOU 

.  .  .aTO;  jlxvOo'j  'Apicruv    ' A^x.Vr.-'.zSo'j 

.  .  .?  AioStopo'j  7,r,vcov   IIao'jtizSo'j 


!•.    PKK  NICK 


.0;  'AptCTOUxyo'j  Il^ouT'.ic&r^  II^O'jtix&O'j 

..;   'A-oXXü)vio'j  'AttoXXcovuVo:   'AtcoXXg)vio[ou] 

.  .5  Eoxiimou  'AiroXX(imo€  A'o j.'Otoio'j 

.  .  .['YJ^ivövou  — wai-axpo?  Mvaaixiao'j 

.  .  O?   KT7)<T(OV0S 

....  'Ap'.aTOvt'Xso'j; 

....  KÜXO'J 


\\  ie  viel  an  der  linken  Seite  fehlt,  ist  nicht  ganz  sicher,  wahr- 
scheinlich standen  zwei  Kolumnen  von  Namen  unter  der  Über 
schrift  ;  auf  so  viel  kommen  wir,  wenn  wir  als  die  mit  Herakles 
verbundene  Gottheit  Hermes  annehmen.  Dass  diese  Annahme 
wahrscheinlich  ist.  ergiebt  die  Vergleichung  von  Inschriften 
wie  C.  I.  G.  4682,  in  welcher  die  namentlich  angeführten 
u.fAAa/.s;  eine  Weihung  an  Hermes  und  Herakles  machen.  Kine 
andere  Weihinschrift  an  diese  Götter  [Bull,  de  corr.  /icll.N 
S.  482)  enthält  eine  Liste  von  Kpheben  nebst  Angabe  des 
Übungszweiges,  in  welchem  sie  gesiegt  haben.  Fast  alle  In- 
Schriften  dieser  Art  (Preller- Robert,  Griech.  Myth.  I  S.  415) 
sind  auf  Gymnasien  bezügliche  und  die  Beziehungen  von  Her- 
mes und  Herakles  zur  Palast ra  sind  bekannt.  So  werden  die 
Namen  unter  der  Überschrift  die  der  weihenden  Epheben  sein. 
Die  oberste  Zeile  enthielt  dann  den  Namen  des  Gymnasiar- 
chen.  Die  Inschrift  gehört  wol  dem  ersten  nachchristlichen 
Jahrhundert  an. 

2.  Paläopolis.  bei  Leonidas  Ylamis.  Kleines  Altiirchen  von 
weissem  Marmor,  H.  30"",  Br.  22"".  Oben  profilirt,  unten  ge- 
brochen. 

A    I    O    N    Y    1    Q  Aiovüacp 

METAAQEYXHN  MsyxX(»  eupjn 

<t>  A  A  B  I  A  «I'Xa&a 

l~l  A  I  A  E  P  Q.  T  I  riatSepom 

•'!.  In  Paläopolis  in  einer  Kelter  am  Meere  als  Bodenplatte 
benutz!  liegt  die  Inschrift  Boss,  Inscr.  ineditie  81).  Zu  be- 
merken ist,  dass  das  Cognomen  <\w  zweiten  Inschrift  TAAAC 


INSCHRIFTEN   AUS   ANDROS   UND    PAROS  9 

d.  h.  Txllo'  gelesen  werden  muss.  Das  vorhergehende,  sicher 
von  Ross  als  r  A  E  I  T  I  O  N  gegebene  Gentilicium  ist  aus  latei- 
nischen Inschriften  als  Glitius  bekannt  (C I  L.Y,  6974-6987; 
vgl.  fnscr.  graec.  Sic.  et  I tat.  2278).  Oberhalb  dieser  In- 
schrift, gleichfalls  noch  als  Bodenplatte  dienend,  liegt  ein  Mar- 
morblock von  mindestens  1,30'"  Länge  und  57""  Höhe, der  zu 
einem  grossen  Monument  gehörte.  Darauf  ist  mit  10,m  hohen 
Buchstaben  geschrieben 

W  N  T  h 
Iilin  weiterer  Block  desselben  Monumentes  nur  ein  C-  enthal- 
tend, liegt  nicht  weit  davon.  Aus  der  Bearbeitung  des  Blockes. 
der  über  der  Inschrift  ein  Profil  hat,  wird  wahrscheinlich, 
dass  beide  Steine  den  Architra\  eines  grossen  Monumentes 
bildeten. 

4.  Paläopolis  An  dem  Wege,  welcher  am  Hause  des  G.  Lu- 
kresis  vorüberführt.  ist  etwa  50  Schritt  von  eben  diesem  Hause 
in  einer  Umfassungsmauer  ein  grosser  unbearbeiteter  Block 
aus  gewöhnlichem  Felsstein  verbaut,  welcher  auf  einer  Seite 
die  Buchstaben 

A  I  O  Z  Aiö; 

MEAIXIC  u.O,vfyyj 

trägt  (Buchstabenhöhe  7cm).  Da  der  Stein  sehr  schwer  ist. 
nicht  aus  Marmor  besteht  und  in  einer  geringen  Mauer  ohne 
Rücksicht  auf  die  Buchstaben  versteckt  ist.  ist  nicht  anzuneh- 
men, dass  er  wie  die  meisten  Inschriftsteine  aus  Marmor  von 
der  unteren  Paläopolis  hierher  verschleppt  ist.  Wir  haben  den 
Bezirk  des  Zvj;  u.-v.\iy\oc,  zu  welchem  der  Stein  als  Grenzstein 
gehört,  in  unmittelbarer  Nähe  des  Steines  selbst  anzunehmen. 
Zu  den  Kultstätlen  des  Meilichios.  welche  ausser  Athen  für 
Chalkis,  Orchomenos,  Sikyon,  Argos  (Preller-Robert,  Griech. 
Myth.   I  S.   131)   bekannt  sind,  kommt    jetzt   Andros  hinzu  '  ; 

1  Ich  benutze  die  Gelegenheit,  um  eine  Notiz  bei  Miliarakis  zu  berichti- 
gen. IicimjIIh'  spricht  s.  S3  n.icli  Hörensagen  \"ii  einer  Inschrift  bei  Varidi, 
welche  das  Wort  'Apxcßtetov  enthalte.  In  V.  befindet  ^ i »*l i  aber  nur  eine  In- 
schrift (Weil,  Athen.  Mitth.  IS.  243  j   mil   den  Namen  N'^otc  xai  'A6pa- 


10  E.    PERNIGE 

iu\iyjo;  für  u.v.\iyio;  ist  eine  Bildung,  für  welche  es  an  Analo- 
gien fehlt,  wenn  es  nicht  orthographisches  Versehen  ist. 

5.  In  Paläopolis,  in  dem  Bauernhause  unweit  des  alten 
Thores  über  derThür  eingemauert;  sowol  von  LeBas  II  1812 
als  von  Miliarakis  S.  123  ungenau  herausgegeben.  Weisser 
Marmor,  ohen  profilirt.  II.  36.  Br.  32,U1. 

2    Q    T    H    P   I 
I  K  T  I  2  T  H  TH  Z 

OIKOYKENH2 
•YTOKPATOPI 
TPAIANQAAPIANQ 
O    a    y    MT    Q 


V, 


!cot95oi  Jca[l]  xticty)  zriQ  oixo'jas'vy)?  aÜTO/.oaTOp'.  Tpaiavw  'A^pta- 

Die  Inschrift  ist  nachlässig  einsiehauen.  Das  O  ist  bald  gross 
bald  klein  geraten,  ebenso  das  A.  Besonders  bemerkenswert 
ist  die  Kühnheit,  welche  sich  der  Steinmetz  bei  den  Ligatu- 
ren erlaubt  hat ;  im  Druck  lassen  sich  diese  nur  unvollkom- 
men wiedergeben,  gar  nicht  die  sonst  nicht  nachweisbare  von 
AA  (Z.  5),  welche  als  A  mit  eingezeichnetem  gebrochenem 
Querstrich  des  A  erscheint.  MT  für  M  TT  I  erinnert  an  Buch- 
stabenkomplexe wie  C.  I.  A.  III,  1,60. 

6.  In  demselben  Hause  wurde  mir  ein  Fragment  aus  weis- 
sem  Marmor  (L.  10"".  II.  8cm )  gezeigt  mit  den  späten  Buch- 
staben. 


A 

A 

tz 

P 

r 

O 

1 

C 

M 

TT 

P 

o 

c 

TT 

h 

E 

^ÄPOCÄWPI 
Paläopolis.    Dicht  am  Meere  als  Stufe  in  einem  Saum- 


axeia.  Trotz  mehrstündigen  Aufenthaltes  in  V.  konnte  ich  von  keiner  wei- 
teren Inschrift  als  dieser  erfahren. Wahrscheinlich  wird  es  daher  eben  diese 
sein,  von  der  mau  M.  berichtet  bat;  dass  die  Angabe,  es  stehe  auf  dem 
Steine  'ApTepfoiov,  nicht  der  Thatsache  entspricht,  ist  nicht  wunderbar. 


INSCHRIFTEN   ALS   AVDR0S   UND    PAROS  11 

wege  benutzt.  Gewöhnlicher  Felsstein.  Die  Buchstaben  sind 
stark  verwittert.  Leider  war  es  nicht  möglich,  an  einem  Ab- 
klatsch die  unzureichende  Abschrift  zu  kontroliren.  Ich  gebe 
dennoch,  was  ich  habe  lesen  können,  weil  die  Gefahr  des 
Zerbrechens  oder  Verschwindens  hier  besonders  gross  ist.  an- 
dererseits weil  der  Stein  schon  in  den  abgeschriebenen  Buch- 
staben manches  Bemerkenswerte  enthält. 

rOPTYNIOIAATAriAIIO i  MEZ  .  .  .  IO 

AYTTIOlOinPOIEYEPr I  I0YMNAIOT.  .HTAEIOI OrOIZM.  .  . 

0.AAIIIIIQ.  .  .AAYPIOIOIAIIO TA0IO EPTA A  .  IKAQMAIE 

AAT..  DEY 

Deutlich  ist  in  der  ersten  Zeile  ropxüvioi,  in  der  zweiten 
Aumoi  ol  -cö;...;  in  derselben  Zeile  ist  sodann  mit  Sicherheit 
'Piöupaiot  zu  lesen.  Fs  wird  dadurch  die  Form  'Piöupa  wel- 
che Ptoleraaeus  und  Plinius  geben,  für  die  kretische  Stadt  als 
richtig  bestätigt.  Das  Ethnikon  'Piöuavaioi  ist  bisher  nicht 
nachgewiesen.  Stephanos  von  Byzanz  giebt  'PiöupiatTT)?  (vgl. 
Lykophr.  AI.  76)  und  'PiSupio?  an.  Über  die  Lage  von  Ri- 
thymna  handelte  zuletzt  Svoronos,  Numismatique  de  la 
Crcte  ancienne  I  S.  309.  In  derselben  Zeile  folgten  vielleicht 
die  'It&vio-..  die  Bewohner  von  "Ixxvoi;,  wenn  das  N  für  E  ver- 
lesen ist, vielleicht  auch  die  T<fcviot.  Nach  Analogie  der  beiden 
ersten  Zeilen  werden  wir  auch  in  den  folgenden  nach  kreti- 
sehen  Städten  suchen.  Die  Buchstaben  EPTA  können  zu 
'Epxouo'.  ergänzt  werden,  ein  Ethnikon,  das  aus  einer  bei 
Rnosos  gefundenen  metrischen  Inschrift  bekannt  ist  (Svoronos 
a.  a.  O.  S.  138).  Ob  das  erste  Wort  der  Reihe  dem  zweifel- 
haften Orte  Thalassa  angehört,  oder  als  Adjectiv  die  nähere 
Ortsbestimmung  einer  Stadt  giebt,  ist  nicht  zu  entscheiden. 
Das  Folgende  wurde  man  zu  'EmSaupioi  ergänzen,  wenn  nicht 
nur  kretische  Städte  genannt  wären.  In  der  letzten  Zeile  schei- 
nen die  Azt'.oi  genannt  gewesen  zu  sein.  Um  was  es  sich  in 
der  ursprünglich  sehr  grossen  Inschrift  (die  Zeilen  halten  an 
70  Buchstaben)  handelte,  ist  aus  den  allzu  spärlichen  Resten 
schwer  zu  erkennen. 


1?  B.    PEHNICE 

8.  fn  Mesathuri  in  der  Nähe  des  heutigen  Hauptortes  von 
Andros  bei  Demetrios  Vardaris  am  Hause  eingemauert  (Mi- 
liarakisS  125). Weisser  Marmor,  II.  1 4",  Br.  50em,  links  ab- 
gearbeitet. 

\AAS0AIAKOZ 
ÄINIBOYAAIAN 
..ONEIAEßTfiAHMa 

Neben  der  Inschrift  ist  ein  Teil  eines  Tischfusses  mit  leidlich 
gearbeitetem  Panterkopf  eingemauert  (II.  30cm). 

9.  Über  der  Eingangsthür  von  Hag.  Eustathios  in  der  Nähe 

CO  o 

des  heutigen  Andros  eingemauert  (Miliarakis  S.126).  Leider 
ist  die  Inschrift  so  stark  mit  Kalk  überzogen. dass  einige  Stellen 
nicht  mit  Sicherheit  zu  entziffern  sind.  Sie  gehört  am  ehesten 
dem  zweiten  vorchristlichen  Jahrhundert  an  (L.75cm,  H.  ^O01"). 

.QMIIZHAAS!HZt-lllBASAIAnPAIMATAnOAA 

KAI  riANTQNAEQAQNNEIfcOIENErKAMEN 
ANAPIOIAIANAHITE..nMirAiQAENITYMBn 

CElMAIABAIÜANTOinAlICPATEPnNrONEnN 
OYXmnHAEIAHKMATPOlIAAAniMEIAIAPII 

MOIIIAIOIIAIIII<t>OEIIOYXOIIAIIPOTANAIX 
AAAAnATPOIMENEIIEiOAYPC 

MU-^uonENOAAEHAIZT"" 

'PJüu.yi?  "?)&'  'AffiY)?  [=tci]qx?  ^'.x  -pxyt/.XTa  -oYk'x 

xat  xxv-wv  äsOXwv  vst>.o;  £vsyx.zy.Ev[ocj 
Avopio«;  A'lxxior,;  refjtvjw  »i.iya  töo' evi  rüabcp 

xeijxat   'Aßxax.avTO?  wai?  /.paTgpüv  yove'wv 
O'j/  cö;  rirAsiS-/)?  <piXxpoi<;  iXV  cög  |/iya£  "Ap7)[? 

ptoipiöioi?  AT/ij/^Oc!;  O'j/  öffiai;  ßordcvai? 
aXXa  7:0.700;  luv  gaefo  (?; 

y.r,Tr,p  7rsvöa!Xe7] 

Die  beiden  ersten  Distichen  bieten  inhaltlich  keine  Schwie- 
rigkeiten; die  Ergänzungen  sind  durch  die  Buchstabenreste 
sichergestellt.  Zu  rexv^  [«ya  vgl.  Kai  hei.  Epigr.  gr.  386,  1. 
Die  weiteren    Distichen    sind  dunkel.    Die   Ergänzung   f«ya$ 


INSCHRIFTEN    AUS   ANDHOS    UND    PAHOS  13 

"Apn?  scheint  sicher,  hinter  dem  vi  kann  nur  noch  ein  Buch- 
stabe gestanden  haben.  Vielleicht  ist  xXXüx;  zu  lesen  und  das 
ganze  auf  Unlü^r^  zu  beziehen,  dann  würde  oö/  w:  II.  durch 
ä.\Yx  icarpos  aufgenommen  werden. 

10.  Paläopolis.  Grabstein  in  Form  eines  Xaiskos,  in  einem 
Hause  nicht  weit  vom  Meere,  H.  38cm,  Br.  20"".  Weisser  Mar- 
mor. Darauf  in  Belief  ein  stehender  Jüngling,  der  in  der  Lin- 
ken einen  Vogel,  in  der  Beeilten  einen  undeutlichen  Gegen- 
stand (Traube?)  halt.  Sehr  verscheuert. 

ZfillMION  Zuffipov 

ONHII<|)OPOf|  'OvY)(r£<popo  -: 

XPHSTOIXAlf//  £pr,<7fol  XaiLP6T6]- 

1  \ .   Paläopolis.   Grabstein  in  einem  Hause  am  Wege  nach 

M-arai  eingemauert.  II.  5.Y,n,  Br.  40cm.  Flüchtige  späte  Buch- 
staben. 

ÄHMHTPIEEPrQNlÄOY  \r,?:},-y.i   'EpYWviSou 

IftZAPIONÄlOÄQ    O  Zcocrxpiov  AioSw[p]o[u] 

TYNHAe      El  IQ  yuvyj  8e  'Epyca(vi&oy) 

EPrQNlÄAÄ  'EpywviSa  A(-.oScüpou) 

XPH2TEXAIPE     E  XP7»^«  XaIP6 

In  der  dritten  Zeile  wollte  der  Steinmetz  offenbar  'Ecyw- 
viSo'j  schreiben,  in  der  vierten  AioSwpou.  Das  zweite  E  der  letz- 
ten Zeile  sollte  wol  ursprünglich  das  =  von  xa*P6T6  werden; 
das  ging  aber  wegen  des  yzr^ii  nicht  an;  der  Stein  ist  viel- 
leicht nie  verwendet  gewesen. 

12.  Paläopolis.  Im  Hause  des  D.  Sterianos.  II.  18"",  L.  35cm. 
Weisser  Marmor. 

a  E  a  <$>  i  a  o  ->: 

T  H  2 
E  Y  T  Y  X  O  Y 

13.  Paläopolis.  Im  Hause  des  D. Sterianos.  H.35cm,  Br.  40c"\ 
Weisser  Marmor. 


15  fe.    PERM  CK 

AOPOKAHIOAY  AwpoxWfc   *0>u[f«cia&ou] 

OAYMniAAHIA  'OX-juxiä^  Ajwpoj&eou?] 

MHTI..H.      ATAG  Mr,t[poxV)>i[Yj  'Aya6[ojcXe'ouc] 

AAMII.A       AT  Aap[i]a   'Ay'aQox^'ou;] 

TYNHAE     OAYN  yuv/]  Se   'OXu^hciaSou] 

ATAOOKAH^O  'AyaOo/.Ar,;  'O^up/JciaSou] 
^^AAAKOT 

14.  MwaTffi  im  Hause  der  A.  Kosomiti  an  der  Treppe  ein- 
gemauert,  von  Miliarakis  S.  126  ungenau  herausgegeben.  Ab- 
geschrieben von  Wollers.  Weisser  Marmor.  II.  53"".  Br.  38cm. 

o 

["lYPriftNinAlllOY  nupyicov  üaizioM 

EnOlHIENTO  iicoi-ncev  to 

MNHMAEAYTQTE  p9)[/.a  h^w  t£ 

K  A  I  r  Y  N  A  I  K  I  M  O  Y  2  A  I  xat  yuvaix'  Mouoaf- 

A  I  K  A  I  T  E  K  N  O  I  2  K  A I  T  O  i  S-.  Jtai  tex.voi;  x.ai  to£- 

ZErrONOI^AYTfiN  ?  iyyovot?  aürwv. 

ATAGHMEPEXPHZTE  'Aya0yj{Aep6  xpr,<m 
XAIPE  XatP6- 

15.  An  dem  von  Weil,  Athen.  Mitth.  I  S.239  herausgege- 
benen dritten  Psephisma  der  Andrier  muss  nach  einer  vorge- 
nommenen genauen  Revision  so  viel  geändert  werden,  dass 
eine  Wiedergabe  des  Textes  notwendig  erscheint. 

1-3  Buchstabenreste  nicht  zu  ergänzen. 

.    .   .    TO'J     Lf.eSltlVOU      0~O)?    XV    O'JV    siÖüJT'.V    X7CXVTSS    OTt 

5       \.-\n--j-'j.<.  6  r^ao;  yxz<-y.;   y.i  ix:  äTCo]^t|_Sövat] 

[toi;]  £uspy£Tat<;  67t[aiv£  <?ai 

/.•/'.    <jTe<pavöaai  ypua$  <JTe<pav<p 
[«wo  .  .1  8payjx,[ü)v]  ap  stt,  ;  Üve[xJ6[v]  xai  £uv[oia;] 
[tyj?]  ei;  tov  Sviiiov  tcöv   'Avöpiwv  tov  oe  yp[a|/.[/.XTea] 
10       t-?,;  ßov]Xrj$  ä.-ayy£iAai  tövSe  tov  cte  ^xvov] 

[Atovuat  oi<  TpaycüSäiv  tu>  iyövi,  £iva-.  J$e  aüiü] 
x  od  x'/ao  xva06v  iupeo9at  ffap«  toö  ö7)(A0u  [outivo?] 
bcv  ^o/.ei  a;io<;  tivai.  taaiveaai  äi  x[a]i  [tJo[u$ 


INSCHRIFTEN   AUS   ANDROS    UND    PAROS  lo 

[cTp]aTid)Ta?  oto'.  tx;  yoiix;  7cape<JYOVT[o  tJ£>  or,- 
15      [|*ij>]  *[ai]  <j'jvrJpy7)'7av  ei?  to  ffirov  eu{xa.pe<m  pov 

giffayeiv]  tsC  tcöaei,  tov  Ss  ypav.aa.TEo.  tcjv  7cpura  veoov] 
[ivjaypx'^a'.  toÖe  to  ^TioiTy.«.  sv  <rrr)AY)v  Xi9i[vrjv 
itai    gt7)<t<X(  iv  ty]  xyopä  -zo^iz  to0  (jG'jasv  Tvjpio'j 
to  Se  ävÖAcoiAa  to  vevöfJLEVOv  £'!?  ttjv    iva-j 
20      [yI0*?'^  ^°^vai  To^  Txaiac  ä.~o  tcüv  7tpo<yd  Swv" 

[tÖv]    TY)S    TCÖASCi)?. 

Die  Inschrift  gehört   wol  noch    dem   vierten   Jahrhundert 

an.  Von  welchem  kriegerischen  Ereignisse  die  Rede  ist,  ist 
um  so  weniger  zu  ermitteln,  als  der  Name  des  Geehrten  voll- 
ständig verschwunden  ist.  Die  Formel  des  Dekretes  stellt  sich 
nach  der  neuen  Lesung  genau  den  übrigen  dieser  Art  zur  Sei- 
te, über  welche  zulezt  Schmitthenner.  De  coronarum  apud 
Athenienses  honoribus  {  Berlin  1891)  gehandelt  hat  (vgl.  dort 
S.  19  über  das  Aller  der  Formel  ä-ö  .  .  8pa-/p.d>v).  Z.  16  ist 
Ypa|/.aaTea  töv  rtpurave'wv  sicher  zu  ergänzen,  und  danach  auch 
in  dem  ersten  Psephisma  der  Andrier  Z.  9  einzusetzen  (Weil 
a.  a.  0.  S.  236.  "237).  Z.  17  ist  iv  (tttjXyjv  ein  Versehen  des 
Steinmetzen.  Bemerkenswert  ist  noch  Z.  16  rei  -oas-.  und  Z.13 
o'jtivo;  av  ooxei  für  tyj  r.okv.  und  outivo?  av  Soxvi.  Die  seltenere 
Form  ä-ayy=fAac  für  ivsiTCEiv  oder  ivayopeöffai  ist  vollkommen 
sicher. 

Ich  füge  dieser  Aufzählung  zwei  Inschriften  hinzu,  welche 
ich  bei  einem  Aufenthalte  in  Paros  abschrieb. 

\ .  In  einem   Hause  d 
der  Westküste  der  Insel 


1.   In  einem   Hause  des   Liguni  genannten  Landstriches  an 


OJ  Z  / 
NOYNTAKAITTO ui 

KEIMEOAUUAEkATUUENTUUAI 
WNIMH    AENEXONTESHETTANW 
TE2ZAPE2TTAAKE2TTAPAKAAW 
AE2E0YrATHPZUI2IMH 
METATHNEMHNKOIMIZIN 


lli  K.    PEHNICK 

TOI2MEkATA2TH20Y2IN 
I2TONAIUUNIONOIKONAUU 

2    llEUITüüAIIAPlAOkTUJ 

voövxa  xai  tco xetij.eOa  u>o£  xaxw  iv  tu  aldivt  [//rjoev 

£70V7£C    ^    £-XVd)    TEffffapg?    TT^äxSC.    TTapaxald)    0£    <7£    0'jyoCT7)p    ZfaXjify.Y) 

u.£tx  TTjV  £u.r,v  3toi.at<ytv   toi?  p.£  xaTaGTTjTO'jciv    Ic,  tov  atwviov    o'lx>ov 
ScoTt;   i/,i.n-(si    iffff&pta  ö/.-rco. 

Die  Inschrift  ist  etwa  dem  dritten  bis  vierten  nachchrist- 
lichen Jahrhundert  zuzuschreiben.  Sic  enthält  auffallend  viele 
Heispiele  von  lotacismus.  Jeder  von  den  Totengräbern  soll 
nach  der  Bestattung  acht  i<y<i(fcpia  für  seine  Bemühungen  haben. 

2.  Inhaltlich  weitaus  wichtiger  ist  die  folgende  grössere  In- 
schrift, welche  sich  in  dem  Hauptort  Parikia  in  einem  Pri- 
vathause  dicht  bei  dem  des  Stavros  Minda  beiludet  (es  ist  das 
gleiche  Haus,  in  dessen  Stalle  die  archaische  Inschrift  Bühl 
Imag.  S.  50,1  eingemauert  ist).  Der  Stein,  weisser  Marmor, 
ist  in  zwei  aufeinander  passende  Stücke  zerbrochen. 

_ft  ^ 

EllAPXoNTol0Eo(t)PoHolToYAEI  . 
.    oYHEfikoPoYHTolAkEIIol 
UIIOIITP . vUEPHIEAorEYIE. 
5    ElIEÜlIkE  YHHTHHPHHHIUI 
ToYBQMoYKAIToYOAAAMoY 
MYAA IIXAPHTolEÜN .TOEYATr 
I(t)IAAh   QEYArorAüTTAZiAXAPH 
EMNHZIoMTIMHSIEZAZTTAZIATEIZHC 

10  nAIAAPXHTIMHrOlA.IIATIMHIIC 
EPA2ITTTTHAPXEA.  EMEAINioMMHH2IC 
IMYAAlIKPITn.LTIMAPETHTIMHIIC 
EPAIinnHMHHCMAAOloHEniAHAI 
MAAOloH^IAQENAYTnroProYI 

15     \  Pn  A  A  H  TT  Po  2  0  E  E  TT  E  k  ft  T  I  M  AT  .  . 
,ANoAlkHTTAP._rMAAOloNTTPo20l 


INSCHRIFTEN   AUS   ANDROS   UND   PAROS  17 

XT  FftTftMNHrTIMAPETHroProY. 
AEIHAIßTTYOinrTIMAPETHKAI.  . 

TIMAPETHETTIANAIEPA2ITTHKPA.   . 
20   APXlIAPXETIB^PYHIS^r'.   *  .  .  . 

.oPrilkAIO/N.ATIMHIAPHT.   .   .   . 

AITTAIIAATTABEIIIOHAEZIO  . 

,HAinilMH  AATAAII 

.   .   .ftAAllirAHTAIIAAAEZAAA 
25    .  .  Y  K  I      .  .  A  .  .  ATBo<J)l  A  A  0  I  Afll 

.  .  ITA  .  IAHiA  .f  PZßTEIPAAH? 

.  .  .  AA  .  X  .  .  APXZIinSIMHAIXPIA 

.  .  I^loh  oEoAQB^aTPaAKESIOZA 

oZ~HAAKAEonATPA5: 

30    .     .  .  .  HrTHMHTPoAEYHMEPIArAYI 

....  HMHZnKAAI2MHHAIQ2IMH 

AkAPoATTPftToAiaTIXH 

ATAAI^OEO^OMIAIAKAA 

EIAKAA  -EYTENEIA     .  . 

35 EIA^ATTATHTTPA?— EAi.  . 

Z\h  loNEYHMEAftPAlA 

'AAKEZIOSA 


'Er'  apyovTO«;  0so<ppovo;  toO  AsTv- 
Kai;  O'l^Tp  o]ö$(?)  Upvj?  i^öysuffefv] 

5        Et?    £-'.G)tS'jr,V   TT]?   Kp7)V7)£   7.7.1 

tou  ß<of/.oö  Kai  toö  OaXäao'j 
M'jaai;  Xzp-/]T0;e'.   riv(\rT(i>  E'jayo(pO'j) 
£■'.  'InXa-Aco  E'jayö(pou)  y'.    'Aa-xsia  Xap-/](T0<;) 
e'.  Mv^ctov  Tif7.rj(j(io'j)  is*'.    'AtfTTXGty.   iY.G7,(vopo?)  f f. 
10      riaioap^ic  Tiu.y](sio'j)  y'.  $i>  i]a<ja  Tiu,yj<s(iou)  tr'. 
'Epactawn   'Ap^g>[4](ou)  e'.  MsXiviov  Mvt)<ti8(Iou) 
^'.  MuA>a<;  KptTü>(vo?)  [tr']-  Tij/.apeTV)  T'.ar,c(iou)  i^'. 
'Epa<jix7w7i  Mvr((cio'j)  c"'-  MxaÖiov   'Erciäva^TOs)  i'. 
MzaO'.ov  «I>i>('o   'Ev^'jtw  Topyo'j  i.\ 

ATHEN.    MITTHEILUNGEN   XVIII.  2 


18  E.   PERN1GE 

15     'ApTTäVf,  IIpo<j9£'(vou)  'Ex£/cdi  Ttu3ty(öpoo) .  . 

[(I>javoSiy.7;  riäpLü)  (vo<;)  y'.  Mi^Öiov  IlpocOe(vou) 

a'.  LÜpjcoTO)  Mvt)(<jiou)  y'.  Tiaap£TY)  Töpyo'j.  . 

Aeivoaa)  II'jOi-(TCO'j)  y'.   Tit/.ap£TY)  KXi(v£0u).  . 

TtaapsTT)   'E~tiva(>cro?)  i'.    'EpaciT^)?]  Kpa(xa)voi;). 
20     'Apyi;   'Apysx^ao'j)  €'.  (I>puvi<;  KXs 

[FJopytGx.a.  .  .  .a  Tiu.'/;c(iou)   'Api<7T[oviy.Y)] 

'A<T7wa<Jta   'AxTaSsiatov   Ae£iö(you) .  . 

7)  a'.  Z(0<yiu,Y]  a'.    'AyXai; 

y'.    'Ac-acia   'A>£^7.[v](Spou)  a'. 

25     jTX]u>u[a] a'.  TpotpiXa.  <I>iX(i>(vo;)  i'. 

?.   ~cö-r£'.pa.  Ar,({/.ou)  9. 

[IIxt]Sx[p]jr».5  'Ap/_£(Tt[xou)  i'.  Zü)oi{/.y]  Alypi(ou)  a' 

[Mv7)j(7lOV    @£oS(i)(pOu)    £'.     UtoTpä)    'A*£GlO;    a'. 

o£eva  a'.  KX£o:raTpa  £. 

30      ['EpaatwjwTi  Mv)Tpo(Swpou)  a'.  Eur,j/.spia  rXu(y.(i>vo;)  t 

r,Go>  Ka5.i:  Mvt^giou)  a'.   Zcosiuy: 

.....  'A)tapO«(?)  IIp(OTo(y£vou<;)  a'.  Zamyr; 

'AyXa!<;  0so(8cöpo'j)  £.    cO[xt)aa  KaX(Xiou) 

£i<x  KacX()kiou)  =  Euye'veia .... 

35      eia  9  .    'A-xtyi  npa(£iou)  9  — 

iviov  EuY][/i(pou)  a'.    'üpaia.  .  . 

a  'A>t£ijio?  a'. 


Das  Alter  der  Inschrift  ist  aus  den  Formen  der  Buchstaben 
nicht  zu  ermitteln,  doch  scheint  der  Gesamtcharakter  mehr 
auf  die  Zeit  vor  als  nach  Chr.  hinzuweisen.  Das  O  ist  klein, 
das  Q.  hat  einen  niedrigen  Bogen,  das  K  kurze  Hasten.  Die 
rechte  llasta  des  N  ist  kürzer  als  die  linke  etwa  wie  in  der  In- 
schrift bei  Le  Bas,  Inscr.  11  Nr.  2092. 

In  der  Überschrift  ist  die  Bede  von  einer  Collecte,  welche 
zur  Herstellung  der  Quelle,  des  Altars  und  des  Thalamos 
durch  den  Priester  (ispr,;  wie  auf  der  Inschrift  von  Palaoepi- 
skopi  6T.  /.  G.  1513)  angestellt  wird.  Das  weibliche  Ge- 
schlecht der  in  der  Liste  Zahlenden  lassen  als  Göttin  Aphrodite 


INSCHRIFTEN   AUS   ANDROS   UND    PAROS  19 

annehmen1.  Möglich  ist  sogar,  dass  sie  in  der  Überschrift  ge- 
radezu genannt  ist.  Von  ourrpos,  die  Bremse,  im  übertragenen 
Sinne  der  Liebestrieb  (z.  B.  Eur.  Hipp.  1300)  kann  sehr  wo! 
ein  Beiname  der  Aphrodite  Oinzzu  gebildel  sein,  der  allerdings 
nicht  nachweisbar  ist.  Zudem  führt  die  Form  der  Frauenna- 
men und  einige  Namen  selbst  darauf,  dass  die  Spenderinnen 
wenn  nicht  alle,  so  zum  grössten  Teil  Hetären  sind.  Ist  das 
richtig,  so  gewinnt  die  Inschrift  neben  dem  rein  epigraphi- 
schen grosses  sittengeschichtliches  Interesse. 

/.  7  beginnt  die  Aufzählung  der  Namen.  Besonders  auffäl- 
lig ist  in  der  Liste  die  Abkürzung  der  Vaternamen,  welche 
mit  der  gleichen  Freiheit  angewendet  bisher  sich  nicht  gefun- 
den hat.  Fs  handelt  sich  nicht  nur  um  Casusendungen  wie  in 
den  Patronymika  der  attischen  Inschriften,  sondern  die  Ab- 
kürzungen unserer  Inschrift  entsprechen  dem  Standpunkte, 
den  jene  zu  den  Demotika  und  Etbnika  einnehmen  (vgl.C./.-l. 
11,1 ,334).  Die  Ergänzungen  der  Vaternamen  sind  nicht  immer 
mit  Sicherheit  zu  geben.  So  steht  z.  B.  Z.  20  8eoSa>.  Z.  33  0so. 
Vielleicht  ist  im  zweiten  Falle  ein  anderer  mit  0öo.  zusam- 
mengesetzter Name  zu  ergänzen  als  ©eo&topou  z.  B.  ©eoyevo'js 
(C.  I.  G.  2409)  oder  0eot=ao^  (C.  I.  G.  2390).  Die  gleiche 
Schwierigkeit  liegt  vor  Z.  10, wo  TW,,  geschrieben  steht,  wäh- 
rend es  sonst  TW,<7.  heisst.  IIcwto.  in  Z.  32  kann  ebenso  gut 
zu  lIf(i>7oy.-//o'j  u.  a.  ergänzt  werden.  Einige  Namen  sind  nicht 
abgekürzt,  so  'Axetrios  Z.  28  und  37,  röpyou  Z.  1  i  und  17,  Xz- 
Pyjto?  Z.  7  Das  kann  absichtlich  geschehen  sein.  Akesis  we- 
nigstens ist  als  Neokore  Beamter  des  Tempels .  Von  den  in 
der  Liste  sich  findenden  Männernamen  sind  aus  parischen  In- 
schriften folgende  schon  bekannt:  'AXe£avo*po$  ('.  I.  G.  2390, 
Föpyo;  Thierse!).  Über  Paros  und  parische  Inschriften  (Ab- 
handlungen ^v  münchener  Akademie  1855)  S.  601  ;  vgl. 
LeBaa,  Inscr.  II  Nr.  2071.  2088,  eedoupo*  LeBas  II  2087. 
2092.  KetTtav  C.  f.  G.  2399,  NcocOi'vr,;  C.  I.  G.  2385.  2414. 


'  Der  Aphroditekult  für  Paros  wird  erwiesen  durch  die  [nschrifl  bei  LeBas 
II  Nr,  2062. 


20  E.    fERNICt,      INSCHRIFTEN  AUS   ANDROS   UND   PAROS 

LeBa*II2085,  Ilapcov  LeBas  II  2066,  $&<av  LeBas  II  2092, 
Tifiotyopa?  LeBas  II  2062. 

Als  Zahlzeichen  treten  auf  1)  für  die  Vielfachen  der  Zahl- 
einheit die  Buchstaben,  2)  für  die  Teile  der  Einheit  die  Zeichen 
9  =  — .  Es  bedeuten  die  letzteren  ohne  Zweifel  dieselbe  Ein- 
teilung der  Einheit,  wie  wir  sie  zuletzt  für  Oropos  kennen  ge- 
lernt haben  (Keil,  Hermes  XXV  S.  610)  und  wie  wir  sie  für 
Trüzen,  Argos,  Nemea,  Pergamon  kennen  und  es  sind  somit 
die  bezahlten  Summen  hier  gleichfalls  in  Drachmen  zu  ver- 
stehen. Der  kleinste  Betrag  sind  2  Obolen,  der  grösste  16 
Drachmen. 

Greifswald. 

ERICH  PERNICE. 


£  >-.<  <s~ 


ZUR  IIETÄRENINSCHRIFT  VON  I'AK'os 

Der  glückliche  Finder  der  vorstehenden  Inschrift  (S.  16,2) 
nennt  mit  Recht  das  Denkmal  Bittengeschichtlich  interessant. 
Nicht  nur,  dass  wir  hier  einen  Katalog  von  Hetärennamen 
vereinigt  finden,  von  denen  viele,  sicherlich  aber  nicht  alle, 
Spitznamen  gewesen  sein  müssen,  es  ist  auch  die  Schlussfol- 
gerun»;  unabw eislich,  dass  die  aufgezählten  Frauenzimmer 
einen  Thiasos,  eine  religiöse  Vereinigung,  gebildet  haben. 

Zunächst  die  Namen.  Die  neutralen  Formen  sind  wie  be- 
kannt vor  allem  für  Hetären  beliebt.  Kosenamen  auf  -iStov  oder 
-iov  oder  ähnlich  können  freilich  an  sich  auch  Wesen  bezeich- 
nen, deren  Anständigkeit  wir  anzuzweifeln  nicht  das  Hecht 
haben,  Männer  wie  Frauen.  Das  klassische  Beispiel  istAajjwx- 
^iwwtov  Aristoph.  Acharn.  V.  1206.  So  erledigen  sich  Ehe- 
frauen wie  Möayiov,  BoiSiov  u.  a.,  die  z'.  T.  auf  Inschriften 
zerstreut  vorliegen,  z.  T.  von  Fick ,  Personennamen  S.  232 
und  Grasberger,  Stichnamen  S.  30  f.  zusammengestellt  sind1. 
An  der  Auffassung  der  Inschrift,  die  nicht  allein  auf  diesen 
Namenformen  beruht,  wird  diese  Erscheinung  schwerlich  et- 
was ändern  können.  Es  finden  sich  hier  sechs  Beispiele  dieser 
neutralen  Bildung:  Mvfatov,  MeXiviov,  M&X8iov  (zweimal ;  mit 
Vollnamen  Ma.Vixy.-r,  Athen.  XIII  587/')  'Ax raSewiov (?), .  .iviov 
Z.  36.  Wenn  ferner  nicht  weniger  als  drei  'A^scnai  aufge- 
führt werden,  so  ist  diese  Häufung  zwar  oichl  beispiellos,  aber 
doch  auffällig.  Gewiss  hat  die  berühmteste  aller  griechischen 
Hetären,  die  milesiselie  Freundin  des  IVriklcs,  ihren  Namen 
hergegeben.  Ist  das  richtig,  BO  fuhren  die  drei  Aspasien  der 
Inschrift  nicht  ihre  wirklichen,  einst  bei  der  Geburt  verliehe- 


1  Die  sechsjährige  Tochter  eines  dem  Marlial  gehörigen  Sklavenpaares 
hiess  Erotion  (Martial  ed.  Friedländer  1  8.  II). 


22  E.    MAAS8 

nen  Namen,  sondern  Spitznamen.  Sodann  erscheinen  redende 
Namen  wie  'Attxty},  'EvS-jtü  (  =  £vS'jto©6oo?),  'OiuAia  (viel- 
leichl  sogar  vom  geschlechtlichen  Verkehr  gemeint)  und  (I>'.- 
Xaxw,  falls  dieso  Bildung  zu  iptAaxoAouSos  und  nicht  zu  einem 
andern  Compositum  Roseform  ist.  Schliesslich  sind  wir  durch 
die  litterarische  Parallelüberlieferung  ganz  zufällig  in  den 
Stand  gesetzt,  noch  \on  zwei  in  diesem  Denkmal  auftretenden 
Personen  nachzuweisen,  dass  ihre  Namen  zu  anderer  Zeit  und 
in  anderer  Gegend  Hetären  eigentümlich  gewesen  sind.  Athe- 
naeus  schliesst  XIII  583  d  seine  Hetärenliste  aus  Machon  mit 
folgenden  Worten:  f/i^P'  \}-vl  T0'^TCOV  p-vr.aovsöw  tüv  6wo  toö 
Miywvo?  E'!pr,as'v(ov.  ai  yap  xaXai  -/;t/.üv  'Aö^vai  tosoütov  —Ar/Jo? 
yjveyxav  gratp&v,  Tuspt  wv  iwe^sAeucofAai  ocov  ys  §uva[/.ai,  ocov  öy^Aov 
euavopoöca  -ÖA'.c  oux  Injiv.  avayeypaas  yoöv  'AptGTO'pxvr;;  [/.sv  6 
B'j^xvt'.o;  exarov  xai  as',  'A-oAAoScopo;  Ss  toutwv  ttAeiou«;,  6  Top- 
yia?  Sc  TCAeova?,  7capaA6i<p095vat  (päG/.ov-rec  6-6  toG  'Api5TO<pxvou$ 
asTa.  ETatpöv  7CA6i6v(j)v  xai  tztSs  .  .  .  ttjv  IIzpoivov  i-iy.AYiQsIsav 
xai  Aajjwcuptoa  x.7.!.  Eumpcauv/jv"  aur/)  §£  r,v  yvaoeö)?  6uyaT7)p.  aypa.- 
epot  S'  s-Itlv  aÜTÜ  (Aristophanes)  (xai)>  Mgyicnr),  'AyaAAi;,  öxu- 
ij-y.p'.ov.Bsöx.Aeta  ( aox'/i  oi-S/caAsiTO  Kop(j>v7)),^l7jya«ro«yoTOc,,'4oT|)al 
TviOaiva  xai  Taur/j^  GuyaTpiSv)  Fvaöaiviov,  x.a>.  Siyr]  xai  Suvwpt; 
(yj  AO^vo;  6WtxaAou{jt.ev7j)  xai  EuxAeia  xai  rpu(/.ea  xai  ©pvaAAti;,  sti 
Xipaipa  xai  \y.y-i;.  Das  Wortungeheuer  AvjvaiTOxuoTO?  hat 
Meineke  (sehr  wunderlich!)  in  ATjvaioxuaöos  ändern  wollen. 
Die  Heilung  muss  vielmehr  mit  der  Thatsache  rechnen,  dass 
auch  "Aaxpa  nicht  unversehrt  sein  kann:  es  isl  kein  Name, 
und  'AffTpaia,  ein  Vorschlag  Kaibel's,  nicht  wahrscheinlich, 
weil  diese  Bildung  meines  Wissens  nur  zur  Bezeichnung  der 
Dike-Astraia  verwendel  worden  ist,  von  welcher  zu  dem  Kreise 
der  Hetären  keine  Verbindung  überleite!  '.  Vielmehr  muss  an- 
ders getrennt  und  dann  leicht  einendirl  werden.  Ich  denke, 
aus  AnvaiTO  KuffTOcaarpa  ist  Avjvaiw  KXeorcarpa  ZU  machen  wie 


1  Nauck,  Aristoph.  Byz.  fragm.  S.  278  Anni.  12  will  Ai)voit<Jxuot«  ändern. 
Übrigens  isl  dorl  von  Nauck  einiges  für  das  interessante  Kapitel  der  Hetä- 

rennamen  zusam agetragen.  Ein  Gesamtverzeichniss  aller  Hetärennamen 

wäre  eine  lohnende  Aufgabe, 


ZUR   HETAERENINSCHRIFT  VON  PAROS  23 

auf  der  Inschrift  von  Paros :  denn  in  Ah.vx-.w  birgt  sich  Ar- 
vxiu  ohne  Zweifel.  Also  waren  diese  Namen  unter  don  He- 
tären mindestens  seit  dem  dritten  Jahrhundert  (denn  vor  Ari- 
stophanes  von  Byzanz  müssen  die  dem  Athenaeus  aus  der 
Litteratur  bekannt  gewordenen  Trägerinnen  der  beiden  Xamen 
gelebt  haben)  als  Spitznamen  ganz  gebräuchlich.  Es  mag 
sein,  dass  die  sagenberühmte  Kleopatra,  Meleagers  schöne 
Gattin,  das  Namenvorbild  geliehen  hat.  Die  Schönheit  der 
Gestalt  trägt  'AyXai?  jedenfalls  im  Namen  (zwei  Personen)1. 
Wie  die  fJ>p<jvi;  unsrer  Inschrift  sich  von  der  berühmten  $puvy), 
so  unterscheidet  sich  auch  'AyXafy  von  'AvlyAx,  der  Charitin, 
nur  durch  die  Endung.  IlpwTcö  Z.  17  führt  sogar  einen  Xe- 
reidennamen  (Ilias  XVIII  43).  Auch  'E^saü  mag  hierher  ge- 
stellt werden.  Als  Langform  wüsste  ich  nur  'E-ex.ztty)  vorzu- 
schlagen, das  sich  zu  'Etzv/Aozy,  verhalten  würde,  wie  'Ap/s- 
Aop;  zu  'Ap/iAoyo?.  Es  wäre  'E-v/.i.GT-ri  eine  umgekehrte  Ka- 
<jt£7T£ia,  und  KaAAt£7T£ta  in  der  Bedeutung  gleich.  Schliesslich 
wird  'ApxaV/i  aus  'Apxy.Vr/.r,  gekürzt  sein. 

Ausserlich  sondern  sich  die  aufgezählten  Erauen  in  solche, 
denen  der  Vatersname  beigegeben  ist.  und  solche,  die  ihn 
nicht  haben.  Das  ist  in  dieser  Sphäre  schwerlich  Zufall.  Wir 
werden  der  zweiten  Gruppe  nicht  Unrecht  thun,  wenn  wir  an- 
nehmen, dass  die  in  ihr  enthaltenen  Hetären  incerto  patre 
geboren  waren.  Es  sind  das  die  folgenden  :  Z.  23  -y]  und  Zco- 
ci(A7],  Z.  29  -o£eva  (unionisch)  und  IvAco-arpa,  diese  freilich 
trüge  als  incerta  ihren  Namen  wie  zum  Hohn,  vorausgesetzt 
dass  er  nicht  nachträglich  erst  angenommen  worden  ist. 

Haben  wir  an  einer  erheblichen  Zahl  dieser  Frauennamen 
die  hetären hafte  Eigenheit  aufzuzeigen  vermocht,  so  sind  wir 
umgekehrt  nocli  heute  in  der  Lage,  an  einigen  Beispielen  das 
Gegenteil  erweisen  zu  können.  Es  ist  eine  oft  beobachtete  Er- 
scheinung, dass  Vater- und  Sohnes-,  bez.  Tochtername  in  ei- 
nem  Bedeutungsverhältniss  zu  einander  stehn :  'AwoXXoSwpo? 


1  üb  'AyaXXCf  bei  Athenaeus  aus  'AyXaff  verdorben  ist,  Iftssl  sieb  nicht 
wissen. 


24  K.    MWSS 

IlcAuSupo'j.  TiuöSauo;  TtaoXxo'j,  EuSo^o;  K^eaiverou  und  viele 
andre  Combinationen  sind  in  allen  Gegenden  Griechenlands 
beobachtet.  Diesen  Brauch  auf  unsre  Inschrift  angewendet, 
sehen  wir  ohne  Weiteres,  dass  IIvutw  Euayopou  ihren  Ursprung* 
liehen  Namen  nicht  aufgegeben  hat  (denn  IIvjto)  ist  aus  IIvu- 
Tayöpa  gekürzt),  auch  nicht  'Apyi?  'ApysTiuou  (denn  'Apyt? 
lässt  sich  auffassen  als  zur  Langform  'ApysTiur,  oder,  wie  Z.27 
in  der  Verbindung  IlouSapyi«;  Apveu^ou,  zu  IlaiSxpyi;  gehörig). 
Auch  Ti|jt.ap6T7]  l\ur,<nou  und  -strpo)  'Axlaio?  sind  so  zu  beur- 
teilen. Wir  haben  allen  Grund,  in  den  Vätern  parische  Ein- 
gesessene zu  seilen.  Ildcpwv  Z.  16  ist  beweisend,  und  der  Her- 
ausgeber hat  Parallelen  für  den  parischen  Ursprung  von  Na- 
men wie  HpocOevY);  u.  A.  beigebracht.  Fraglich  ist  nur,  ob  die 
Identität  der  Vatersnamen,  wie  in  MiAXl$  XdcpviTOs  und  'Ac^a- 
gLx  Xäp'OTo;,  auch  die  Identität  der  Personen  miteinschliesst 
oder  nicht. 

Von  etwa  der  Hälfte  aller  auf  dieser  Inschrift  vorkommen- 
den Frauen  ist  es  also  sicher  oder  doch  wahrscheinlich,  dass 
sie  Hetären  waren.  Für  die  übrigen  ist  dann  das  Gleiche  ein- 
fach  vorauszusetzen.  Oder  sollen  wir  glauben,  dass  ehrbare 
Frauen  und  Gassendirnen  sich  an  derselben  religiösen  Stiftung 
gemeinsam  beteiligten?  Waren  aber  alle  namhaft  gemachten 
ihres  Zeichens  Hetären,  so  wissen  wir  auch,  dass  eine  Gruppe 
parischer  Hetären  einen  gemeinsamen  Kult  mit  Priester  (UpriO 
und  Küster  (vswjtöpo?)  besass.  für  den  sie  in  dem  vorliegenden 
Falle  freiwillig  steuerte.  Mit  einem  Wort:  diese  Hetären  bil- 
deten eine  organisirte  Kultgenossenschaft. 

Auch  auf  anderem  Wege  gelangen  wir  zu  demselben  Schlüs- 
se. Ehefrauen  sind  in  der  Inschrift  nicht  genannt;  diese  wür- 
den ohne  Begleitung  oder  Nennung  ihrer  Männer  schwerlich 

DO  o 

erscheinen.  Es  werden  aber  nur  Väter  genannt,  und  bei  de- 
nen wohnen  allem  Anschein  nach  auch  die  genannten  Ge- 
schwister.  Mädchen  aber  mit  z.  T.  so  bedenklichen  Namen 
und  gruppii't  um  den  noch  bedenklicheren  Kult  der  Oirrxpö) 
sind  unter  den  Aufgezählten  auch  nicht  zu  erwarten.  Ich  kenne 
keinen  Beleg  dafür,  auch  nicht  aus  hellenistischer  Zeit,  dass 


ZUR   HETAERENINSCHRIFT  VON  PAROS  ?5 

Mädchon  für  sich  einen  Privatverein  zu  religiösen  Zwecken 
liätten  bilden  dürfen.  Und  so  fasse  ich  die  ipavicrrpiai  auf  der 
Inschrift  bei  Foucart,  Les  associations  religieuses  S.  22*2 
( Awpi;,  'EXtüi;,  <I>iaa(J,  Nsasiz?.  EO/.oaov,  EüxXea,  Aeövtiov.  NiXYjff«, 
Sooov,  MeXiTta,  Atv7)<7tov,'Apt<rr<i>  usw.)  als  Hetären  auf.  Nsaei? 
ist  ja  nach  Athenaeus  XIII  587c*  bekannter  Hetärenname  ge- 
wesen :  xai  Nsu.sio'o;  Se  tt;;  aüVr.Tpio'o;  'Y7cepeiör,;  [tv7)|tovEU6i  £v 
tw  7cepl  Ilarpox.'Xeo'j;,  7cept  r(;  ä£tov  8au|A»,6W  tgj;  Trepteioov  'AOr,- 
vaioi  0'jtü>;  TTOOTaYOps'JOaevr/V  tyjv  Tuopvviv  Trav^yopsco;  £voo;oTaTr,<; 
övduaTi  x6*/p*o(/.£V7iv'  £/.£x.ci)^'jto  yap  t<x  TOiauTa  Ttöeadai  ovoaaTa 
ou  [aovov  Tai;  Iraipouffais  <xk~kx  x.ai  Tai;  aAAai;  So'j'Xai;,  (i;  qpjffi 
IloAEacov  ev  toi;  EUpi  'AjcpowöXeus  (Fr.  3  Preller).  Auch  die 
Priesterin  rXaöx.ov,  der  ihr  Verein  auf  der  im  Piräus  gefunde- 
nen Inschrift  bei  Foucart  S.  195  Ehren  bezeigt,  scheint  He- 
täre gewesen  zu  sein,  desgleichen  AiOspiov,  die  mit  zwei  an- 
dem  Weibern,  'EpuTi;  und  'Uvr/ix,  an  einem  sonst  nur  von 
Männern  gebildeten  Verein  Teil  nimmt  (Foucart  S.  221:  Sa- 
lamis). Endlich  sei  kurz  auf  ein  für  die  weiblichen  Oiasoi  be- 
deutsames Epigramm  des  Kallimachos  (XL  bei  \\  ilamowitz) 
verwiesen.  Dort  nennt  sich  eine  Priesterin  der  Demeter  (spä- 
ter der  Kabiren  und  dann  der  Hhea  vom  Dindymon),  übri- 
gens eine  verheiratete  Frau  und  Mutter,  tcoaaojv  wpooTaaw)  vswv 
yuvai/cwv.  Ich  kann  darunter  nur  die  Vorsteherin  von  einem 
(oder  mehreren)  Frauenvereine  verstehen,  der  religiöse  Zwecke 
verfolgte;  vgl.  die  Inschrift  bei  Conze,  Reise  auf  Lesbos  18, 
Foucart  S.  238. 

Die  Gottheit,  welcher  der  Hetärenverein  von  Paros  Brun- 
nen Altar  und  Thalamus  neu  herrichten  Hess,  war  natürlich 
die  des  Thiasos.  Sie  führt  den  noch  unbelegten  Namen  Oittco), 
war  also  weiblich.  Ohne  Weiteres  denkt  man  an  Aphrodite 
llopvr, ',  und  in  der  Thal  ist  Otcrpw  Koseform  zu  olaTpocpöpo; 
( oilcr  ähnlichen  Bildungen),  wie  anderswo  'A<ppcö  zu  'A^poSiTn 
und  Hunderte  von  Beispielen.  Da  ist  es  sehr  hübsch,  dass  wir 


1  Es  ist  die  Aphrodite,  der  /..  B  — tuov  f(  ^spi^ouo?  iix<{v'  x&tijj  u.  A.  schenkt 

Kallimachos  Epigr.  38). 


26  E.   MAASS,   ZUR   HBTAERENINSGHRTPT  VON  PAROS 

mit  Hülfe  unsrer  Inschrift  wieder  einem  Litleraturproduct  zum 

Verständniss  verhelfen  und  umgekehrt  der  erst  erschlossenen 
religionsgeschichtlichen  Thatsache  durch  jenes  Bestätigung  ver- 
schaffen können.  Paullus  Silentiarius,  ein  später  aber  gut  un- 
terrichteter Dichter,  hat  A.  P.  V  234  ein  Epigramm  hinter- 
lassen, in  dem  er  sich  als  Anhänger  der  Aphrodite  Porne  also 
bekennt : 

6  rpiv  äiux'X9xy.T0i<Jiv  utco  cppsclv  t^^jv  ev  rfii\ 

Oc<7xpo<pöpou  Hacpi-Ai;  Oscraöv  aTC£iw4:(/,6vo?, 
yuio^opoi!;  ßeXeeuaiv  ave'u.€<XTO<;  6  Tirpiv  'EpwTwv, 

aü/sva  (70i  x.>ivd),  Kuwpt,  [/.eoattTCÖAio?, 
&g£o  ae  y.jcyyaAowTa,  <70cpriv  ort  [IaAA&oa  vix.a? 
vuv  tcXeov  7i  tÖ  icapo?  |X7]Acp  £<p'  'EaTtspiScov. 

Ob  wir  uns  die  Aphrodite  Olirrpü-Otirrporpopo;  des  parischen 
Hetärenvereines  als  Bremsenträgerin  im  eigensten  Wortsinne 
vorstellen  müssen  oder  ob  der  Beiname  in  übertragener  Be- 
deutung zu  nehmen  sein  wird,  kann  ein  Monumentenkundiger 
vielleicht  rasch  entscheiden.  Subjectiv  bekenne  ich  mich  zu 
der  Ansicht,  dass  diese  Otcxpcö  die  Bremse,  ein  passendes 
Symbol,  wirklich  auch  gehalten  hat. 


Greifswald,  8  Februar  1893. 


ERNST  MAASS. 


—~o*«t£*<o-.- 


GRABDENKMAL  AUS  BITHYNIEN.  II. 

Die  Bemerkungen  auf  S.  80  ff.  des  vorigen  Jahrgangs  die- 
ser Zeitschrift  waren  nicht  lange  gedruckt,  als  Herr  General- 
direktor von  Kühlmann  mir  gütigst  Mitteilung  von  noch  zwei 
ähnlichen  Denkmälern  machte.  Die  ohen  (S.  85)  versuchte 
Beurteilung  des  Denkmals  ist  also  nicht  zutreffend:  nicht  aus 
der  wunderlichen  Laune  eines  Einzelnen  sondern  aus  der 
einer  ganzen  Landschaft  scheint  die  Form  entstanden  zu  sein. 


^j 


wfci 


Von  dem  einen  jener  beiden  neuen  Denkmäler,  welches 
sich  in  Badji-köi  befindet,  hat  Herr  von  Kühlmann  inzwi- 
schen dem  Institut  Photographien,  Zeichnungen  und  Ab- 
schriften der  Inschriften  zu  senden  die  grosse  Freundlichkeif 
gehabt,  und  wir  verdanken  ihm  die  .Möglichkeit,  dieses  inte- 
ressante Denkmal  im  Folgenden  näher  bekannt  zu  machen. 


28  H.   GRAEF 

Die  vorstehende  Abbildung  zeigt  einen  Auf  bau, welcher  im 
Wesentlichen  dorn  von  Atschik-kaja  entspricht.  Das  Denk- 
mal ist  etwas  reicher  ausgestattet,  vor  allem  zwischen  den 
Eckpalmetten  des  Unterbaues  durch  die  Gruppe  eines  von  ei- 
nem Löwen  niedergeworfenen  Stieres  geziert1.  Die  Haupt- 
masse, welche  einer  genauen  Aufnahme  von  der  Hand  des 
Architekten  Herrn  Milosovic  verdankt  werden,  sind  folgende: 
die  drei  Unterstufen  sind  je  0,61'"  hoch,  und  an  der  Vorder- 
seite 4,24  bez.  3,16  und  2,58"'  breit,  der  altarförmige  Un- 
terbau ist  an  seiner  schmälsten  Stelle  1,64  breit  und  l,43,n 
tief  bei  einer  Gesamthöhe  von  3,60'".  Der  daraufliegende  Stein 
ist  1,80  breit,  unten  1.8(5  lang.  Der  Bau  steht  nicht  ganz  al- 
lein, sondern  ist  wie  man  sieht  umgeben  von  einer  grossen 
Masse  von  Trümmern,  aus  welchen  sich  rechts  und  links  an 
das  eigentliche  Denkmal  anschliessend  zwei  augenscheinlich 
an  ihrer  ursprünglichen  Stelle  betindliche  Blöcke  hervorhe- 
ben. Sie  sind  beide  mit,  Inschriften  versehen  ;  der  linke  ist 
2,90"'  lang,  1,51  hoch,  der  rechte  2,9.),n  lang  und  1,33  hoch. 

Auf  dem  Architrav  beginnend  steht  auf  dem  Denkmal  die 
folgende  Inschrift: 

AniATTAniOYNOMIKni 
ZHIANTIETHMATEPYAAANH 
TTTON-'"MOY"7^      T  ^lANAPIKAIEAYTH 
TOMNHKEIONKA-EIKEYAIEN 
KAOnznEPIOIKOAONHTAISYN 
TAIinEPIKEIMENAII 
OIKIAIZ  FTA2AIS 

ANEZOAIA2TON 

IllaTTia  IIa— io'j  No[M%$  C.iQO'avTt  tTf\  y.%'  rep'A^avy)  Il-ro^ei/.aio'j 
^öa[öt]  iG>  ävop;.  jcai  e-/jtyj  to  ftvyjjxeiox  y.y.riny.vjxaEv  y.aOü;  -scioi- 
y.ooou.YjTa'.  'j'jv  xai;  Trspix.s'.uivai;  0'!/„iai<;  TCocrat;  ävs^oSiaTxov. 


1  Vgl,  über  diese  häufige  Gruppe  Usener,  De  Iliadis  carmine  quodam  Pho- 
caico  8,  !D. 


GRABDENKMAL   aus   BITHYNIEN.   II  29 

Die  Buch staben form  ist  im  Wesentlichen  der  von  der  Grab- 
schrift  des  Diliporis  gleich,  namentlich  der  Überschrift.  Nur 
kommen  auf  der  neuen  Inschrift  etwas  mehr  Ligaturen  vor. 
Sonst  ist  zu  bemerken,  dass  A  mit  nicht  durchgehendem  Quer- 
strich neben  solchem  mit  durchgehendem  vorkommt,  ferner 
die  Formen  des  A  mit  oben  abgeschnittener  Spitze,  Z  dessen 
unterer  Teil  dem  Z  ähnlich  ist,  HE  mit  nicht  durchgehendem 
Querstrich,  N  mit  über  den  schrägen  Verbindungsstrich  her- 
ausragenden  Hasten  Für  0,  ft,  TT,  M,  2  findet  sich  nur  eine 
und  zwar  die  einfachere  Form,  nicht  zwei  verschiedene  neben- 
einander wie  in  der  Inschrift  des  Diliporis. 

Wir  werden  also  im  Grossen  und  Ganzen  das  neue  Denk- 
mal für  dem  alten  gleichzeitig  halten  dürfen. 

Der  Name  VipAlxvr,  erscheint  soviel  ich  sehe  hier  zum  er- 
sten Male;  FepsUavr,  s.  Athen.  Mitth.  1884  S.  263,  FepuXXo? 
Bulletin  de  corr.  hell.  1882  S.  19.  36.  42. 

Die  Worte  xaöü>;  Trspioiy.oSöii.viTat  cüv  ra.l<;  oixiaic  Twäaais  ent- 
sprechen genau  der  Angabe  uuv  ra.X<;  oiatiai?  kocOw;  TceptetXvjTTTai 
auf  der  Inschrift  des  Diliporis,  in  welcher  man  also  das  Tweptei- 
X7)7rrai  nicht  in  übertragener  Bedeutung  aufzufassen  hat,  wie 
ja  an  sich  möglich  war,  sondern  durchaus  in  seinem  eigent- 
lichen Sinn.  Fs  ergiebt  sich  also  für  beide  Fälle  das  Vorhan- 
densein einer  grösseren  Anlage  und  man  würde  erwarten,  dass 
die  einzelnen  oixtat  durch  eine  gemeinsame  Umfassungsmauer 
zu  einem  Familienbegräbnissplatze  vereinigt  gewesen  wären. 
Darüber  könnten  nur  Grabungen  Auskunft  "eben. 

Die  Möglichkeit  des  Vorhandenseins  einer  Umfassungs- 
mauer wird  für  Badji-köi  von  den  Augenzeugen  bestätigt. 
Aber  die  beiden  Blöcke  jederseits  des  Denkmals  für  Beste  der- 
selben zu  halten,  scheint  schon  ihre  Gestalt,  noch  mehr  die  auf 
dem  einen  angebrachte  Inschrift  zu  verbieten.  Fs  steht  näm- 
lich auf  dem  einen  Stein  nach  der  Zeichnung  des  Architekten 
Herrn  MÜobov  ic 

L^KEYOYA2EN2YMTHI2KA(j) 

ANEZOAIAITON 


30  6.   GRAEfr 

also:      to  iavyju6Tov  KaTJeoxsuouaaev '  cov  t^i  cx.x<p[7)i 

ävecoSiacTOv 


Danach  muss  man  annehmen,  dass  ein  Sarkophag  auf  die- 
sem Block  stand.  Zulässig  wenigstens  ist  dieselbe  Annahme 
auch  für  den  anderen  Stein,  auf  welchem  sich  nur  noch  der 
Schluss  einer  ähnlichen  Inschrift  befindet: 

ANEZOAIA2TON 

Er  könnte  sehr  wol  die  Unterlage  zu  der  folgenden  Inschrift 
gebildet  haben,  welche  in  zwei  Stücke  gebrochen  in  der  Nähe 
des  Grabmals  des  Papias  liegt.  Von  den  beiden  Stücken  lie- 
gen mir  zwei  Abschriften  vor,  eine  ziemlich  mangelhafte  ei- 
nes Ungenannten,  eine  zweite  bessere  von  Herrn  Grafen  Mü- 
linen;  letzterer  hat  auch  bereits  die  Zusammengehörigkeit  der 
beiden  Stücke  erkannt,  sie  ist  ohne  Weiteres  einleuchtend. 
Die  Abschrift  des  Grafen  Mülinen  giebt: 

TTATTIOYAPXI  KTONIZHSAN 

AANHITTTOAE  AIOYTOIEAY 

EIONKATEN  YOYA2EN 

Die  andere  Abschrift  hat  in  der  dritten  Zeile  nach  der  Lücke 
vor  dem  Y  noch  ein  E,  der  Buchstabe  vor  der  Lücke  ist  auch 
dort  ein  N  und  in  der  zweiten  Zeile  findet  sich  an  vierter 
Stelle  ein  E,  an  fünfter  dasselbe  unbequeme  I,  wie  in  der  obi- 
gen Abschrift;  aber  die  Formen  des  H  mit  nicht  durchgehen- 
dem Querstrich  erklärt  es  zur  Genüge.  Man  darf  daher  wol 
unbedenklich  wie  folgt  ergänzen,  wobei  der  Beginn  der  drit- 
ten Zeile  unter  der  Annahme  einer  Ligatur  von  M  N  H  keine 
Schwierigkeit  bereiten  würde. 

ftp  8«vi]TTATTIOYAPXI[TE]KTONIZH2:ANT[IETH  .  . 
rEPYA]AANHnTOAE[M]AIOYTfllEAY[THZYini 
TO  MNH  M]  E I O  N  K  AT  E  [Z  K]  E  Y  O  Y  AZE  N 


1  Zu  dieser  Schreibung  v«l.  üben  1892  S.  82. 


GRABDENKMAL   AUS    BlTHYNIEN.    Ü  31 

Die  Erbauerin  des  Grabmals  ist  dieselbe  Geryllane  wie  in 
der  ersten  Inschrift,  der  Verstorbene,  wiederum  der  Sohn  ei- 
nes .Papias  —  und  auch  für  seinen  Namen  empfiehlt  der 
verfugbare  Kaum  dieselbe  Ergänzung  —  wird  ihr  Sohn  gewe- 
sen sein.  Wir  besitzen  also  hier  sicher  ein  zweites  Grabmal 
derselben  Familie,  in  dem  einen  Stein  zur  Seite  des  Haupt- 
denkmales ein  drittes  zugehöriges  und  wenn  der  Stein  mit 
dem  Worte  xve^oSiasTov  nicht  mit  dem  zerbrochenen  zusam- 
mengehört, möglicherweise  sogar  ein  viertes. 

Berlin. 

BOTHO  GRAEF. 


ZWEI  FBLSINSOHRIFTEN  VON  AMORGOS 

1 .  Nachstehend  abgebildete  Inschrift  wiederholt  das  F'acsi- 
mile  von  F.  Halbherr  aus  dem  Museo  itaiiano  di  antichitä 
classica  I  S.  227,  von  dessen  Zuverlässigkeit  ich  mich  im 
Herbst  1885  an  Ort  und  Stelle  überzeugt  habe1.  Übrigens 
stimmt  die  halbherr'sche  Copie  in  allem  Wesentlichen  mit  der 
von  Ross.  Inselreisen  II  S.  54  überein,  wonach  Röhl  l.G.A. 
Nr.  390  die  Inschrift  giebt.  Diese  belindet  sich  zu  ebner  Erde 
auf  dem  Felsen  links  von  der  Strasse,  welche  von  dem  heu- 
tigen Hauptort  Kastron  (oberhalb  des  antiken  Minoa)  nach  der 


nordöstlichsten  Niederlassung  Aigiale  führt.  Bechtel,  Die  In- 
Schriften  des  ionischen  Dialekts  S.  42  teilt  diese  und  die  fol- 
gende Inschrift  gar  nicht  mit.  weil  er  sie  nicht  verstehe,  wel- 
cher Umstand  sie  aber  doch  nicht  eigentlich  vom  ionischen 
Dialekt  ausschliesst.  Die  Deutungsversuche  bei  Röhl  und 
Comparetti  sind  ziemlich  verzweifelter  Natur  und  sehen  einem 
Verzicht  auf  Verständniss  eigentlich  ahnlicher.  Wo  möglich 
noch  unmöglicher  ist  Röhl's  in  den  Addendis  zu  Nr.  390 
vorgeschlagene  Lesung(?),  welche  Cauer  Nr.  512  allerdings 
mit  zwei  Fragezeichen  reproducirt.  Einer  Kritik  überhebt  mich 
vvol  der  Umstand,  dass  beide  nicht  unerhebliche  und  gar  nicht 
motivirte  Verschreibungen  annehmen   müssen.  Ihre  Versuche 


•  Vgl.  Athen.  Mltth.  XI  S.  100,  2. 


F.    DUEMMLER,      ZWEI   FELSINSCHRIFTEN   VON   AMORGOS  33 

zeigen,  dass  die  Crux  in  dem  fünftletzten  Buchstaben  der  er- 
sten Zeile  steckt,  denn  an  dem  vorausgehenden  deutlichen  E 
mit  Comparetti  zu  rütteln  ist  gar  kein  Grund.  Aber  auch  je- 
ner Buchstabe  bietet  keine  ernstliche  Schwierigkeit.  Man 
muss  sich  nur  erinnern,  dass  in  sehr  alten  Inschriften  die 
Richtung  der  Zeichen  vielfach  noch  beliebig  ist.  wie  in  Zeile 
2  unsrer  Inschrift  ja  auch  das  P  auf  dem  Kopf  steht.  Dann 
wird  man  das  Zeichen  als  Koppa  fassen  und  die  Inschrift  würde 
lauten  : 

Dass  gutturale  Tennis  nicht  nur  unmittelbar  vor  0- und  U- 
Lauten,  sondern  auch  vor  Silben,  die  solche  enthalten,  durch 
o  wiedergegeben  werden  kann,  ist  ja  bekannt.  Ich  erinnere 
an  die  Schreibung  Aoppo?  in  dein  naupaktischen  Epoikiege- 
setz  I.G.A.  Nr.  321,  an  die  Schreibung  H^toc.  q/Oto;,  Piz\- 
9Xuij.£voi;  und  Hi-TCaXPuo;  auf  korinthischen  Vasen  l.  Allerdings 
sind  unter  den  bis  jetzt  bekannten  Beispielen  keine  Composita 
mit  Präpositionen,  doch  hat  die  Ausdehnung  der  graphischen 
Gewohnheit  auf  diese  so  wenig  etwas  Befremdliches,  wie  etwa 
die  Assimilation  ihres  Auslauts  an  den  Anlaut  des  Verbums. 
Dass  -..  das  am  Schluss  ergänzt  werden  muss,  kann  flach  ge- 
schrieben gewesen  und  verscheuert  sein. 

Ist  die  vorgeschlagene  Deutung  richtig,  so  würde  die  In- 
schrift  von  einem  Mädchen  herrühren,  welches  wünscht,  dass 
ihr  Kopio:  Erasis  (Kurzform  für  Erasistratos)  sie  dem  Epamei- 
non  vermählen  möge.  Der  Ursprung  der  Inschrift  ist  vielleicht 
kein  rein  lyrischer,  vielleicht  liegt  das  ßedürfniss  vor,  den 
säumigen  Freier  anzutreiben  ;  die  Schrift  ist  fest  und  deutlich 
und  der  Ort  dicht  neben  der  Landstrasse  auffällig  genug  ne- 
wählt.   Ob  das  in  der  Nähe  unsrer  Inschrift  befindliche  Al- 


1  Blass  in  Collitz'  Sammlung  Nr.  3130.  3135.  3140.  Mii  Recht  erklärt 
sich  an  letzterem  <  >rl  Blass  wegen  des  Koppa  gegen  die  Ergänzung — 0X9(1)- 
[toj  (Robert,  Kretschmer).  Die  richtige  Form  Hippalkmos  ist  erhallen  bei 
Plutarch  Quaest.  Gracm  37  und  Schob  Eurip.  Orest.  5,  bei  Apollodor  1  9,16 
und  sonst  in  Hippalmos  verderbt.  —  Vgl.  auch  Gerhard  A.  \'.  111  Tat.  190. 
191.  237.  Athen.  Mitth.  XV  Taf.  I: 

ATHEN.    MITTHEILUNGEN   Will.  3 


34  P.  DUEMMLEU 

phabetfragment,  das  Comparetti  anders  fasst,  eine  Vorübung 
der  Schreiberin  ist,  oder  mit  unsrer  Inschrift  gar  nichts  zu 
1 1 1 li ii  hat,  lässt  sich  nicht  entscheiden. 

2.  Die  Felsinschrift  von  Brutzi  wird  hier  gleichfalls  nach 
Halbherr's  Copie  aus  dein  Museo  italiano  1  S.  225  wieder- 
holt. Der  Deutungsversuch  Gomparetti's  a.  a.  ().  hal  den  dop- 
pelten Übelstand,  dass  er  keinen  verständlichen  Sinn  ergiebt 
und  dass  er  sich  weit  mehr  auf  die  fehlerhafte  Copie  von  Lo- 


giotatides  (Röhl  Nr.  391)  als  auf  die  halbherr'sche  Abschrift, 
deren  Genauigkeit  ich  gleichfalls  geprüft  habe,  zu  stützen 
scheint ;  auch  die  beiden  Hexameterschlüsse  Röhl's  in  den 
Addendis  zu  Nr.  391  bleiben  wol  am  besten  auf  sieh  beruhen. 
Wenn  ich  eine  neue  Deutung  vorschlage,  die  sich  in  der  Sphä- 
re des  für  die  vorige  Inschrift  Ermittelten  bewegt,  so  bin  ich 
mir  ihres  problematischen  Charakters  wol  bewusst,  glaube 
alter  doch  sie  mitteilen  zu  sollen,  weil  sie  möglicherweise  auf 
andere  Graffiti  Licht  werfen  oder  von  ihnen  rectificirt  werden 
könnte.  Ich  möchte  vorschlagen  zu  schreiben  : 

2otTpi7)$  ttot'  Iparö?'    69&(<jtaY)ve  jj.iv   Mev [Sjä|xa>.i(?)  -ia- 

Als  Schreiberin  denke  ich  mir  wieder  ein  Mädchen,  viel- 
leicht nicht  aus  den  besten  Kreisen.  Im  ersten  Wort  suche  ich 
einen  Namen.  2ut>it]  oder  -/,;  ist  nicht  griechisch  und  steht 
sicher  nicht  da,  -xTÄir,«;  wurde  das  Erhaltene  lauten,  wenn  es 


ZWEI   FELSINSCHRIFTEN   VON  AMORGOS  35 

vollständig  wäre;  da  das  aber  auch  nicht  griechisch  ist,  nehme 
ich  eine  geringe  Verscheuerung  des  £  an.  Ich  verstehe  also: 
'Satries  war  einst  liebenswert;  (jetzt  aber)  hat  ihn  verzau- 
bert Men  .  .  .  [welche  Buchstaben  zu  einem  Frauennamen  zu 
ergänzen  sind.  Menippe  oder  Menaichme  oder  Menekratis],  die 
Sz;;.7A.:  des  Slapli  vles '.  Unter  dem  später  poetischen  und  auch 
hier  ursprünglich  bildlichen  Szy.xA-.:  ist  nach  dem  Ursprung 
des  Wortes  vielleicht  eher  'das  Liebchen'  als  die  Tochter  zu 
verstehen,  obwol  ich  letztere  Möglichkeit  nicht  ganz  ausschlies- 
sen  möchte.  Bedeutet  Sa^aAi?  die  Freundin,  so  ist  der  Zusatz 
natürlich  vorwurfsvoll,  -obwol  sie  in  Staphyles  schon  einen 
Liebhaber  besass'.  Bei  meiner  Lesung  des  letzten  Mannsna- 
mens würde  0  =  u  neben  vierstrich igem  £  stehen,  wie  sonst 
meines  Wissens  nur  noch  in  der  Inschrift  von  Arkesine  'E<pn- 
aacU  y.?/.  1884  S.  56  ( Bechtel  Nr.  29  S.  41).  Man  könnte  ja 
auch  daran  denken,  die  Endung  -eou  oder  -etou  zu  lesen;  vgl. 
indess  über  den  sehwankenden  Charakter  der  amorginischen 
Schrift  Kirchhoff,  Studien  4  S.  35.  Bisher  liess  ich  die  drei 
Buchstaben  in  der  obersten  Zeile  unbeachtet.  Ich  möchte  ver- 
muten, dass  die  Schreiberin.  oder  Jemand  anders,  nachträg- 
lich zu  s€i(<7)>tY;ve  hinzufügen  wollte  oy.c(u.x-/.oi:.  ohne  die  In- 
schrift zu  vollenden.  Jedenfalls  kann  bei  der  Anordnuno;  der 
zwei  Hauptzeilen  nur  an  einen  Nachtrag  oder  an  eine  zweite 
selbständige  Inschrift  gedacht  werden.  Beschädigt  ist  nach 
meiner  Erinnerung  nur  das  rechte  Ende  der  zweiten  Zeile 
durch  Abspringen  der  Oberfläche  des  Steins,  die  übrige  In- 
Bchrift  nur  massig  durch  Verwitterung.  So  wird  /..  B.  auch  das 
/weite  H  ursprünglich  die  geschlossene  Form  gehabt  haben. 
Dass  meine  Deutung  dieser  Inschrift  unsicher  ist.  gebe  ich 
zu.  nicht  alter.  d;iss  sie  deshalb  unsicher  ist.  weil  ich  den  Be- 
wohnern  von  Amorgos  im  \  II.  bis  VI.  Jahrhundert  eine  zu 
freie  Äusserung  ihrer  Subjectivitäl  zutraue.  Erzählt  uns  doch 
der  Führer  der  samischen  Epoikie  nach  Amorgos,  der  lam- 
biker  Semonides  gerade  von  (\i'\'  individuellen  Mannichfaltig- 
keil der  amorginischen  Frauen.  Dass  die  attischen  Vasenmaler 
des  VI.  bis  Y.  Jahrhunderts  ihre  Gelasse  mit  allerhand  sub- 


36  F.    DUEMMLER,      ZWEI    FELSINSCHRIFTEN    VON    A.MORGOS 

jectiven  Gefühlsergüssen  verzierten1,  ist  bekannt  genug  und 
bereits  Gegenstand  einer  Speciallitteratur  ;  die  Sitte,  die  W  iinde 
zu  beschmieren,  die  uns  aus  Aristophanes  bekannt  ist-,  tritt 
uns  Jahrhunderte  später  in  Pompeji  lebendig  entgegen 3,  und 
es  ist  vielleicht  kein  Zufall,  wenn  sich  für  die  amorginische 
Inschrift,  wie  ieli  sie  deute,  die  beste  Erläuterung  nächst 
Theokrits  Pharmakeutriai  in  Lukians  Hetärengesprächen 
findet  '. 

Ahnliche  Ergüsse  schon  früh  auf  Felswänden  zu  linden  darf 
nicht  befremden  ;  die  I lauswände  werden  damals  für  diesen 
Zweck  noch  unbequemer  gewesen  sein,  als  der  gewachsene 
Fels.  Am  wenigsten  darf  uns  diese  Erscheinung  auf  den  ioni- 
schen Inseln  Wunder  nehmen,  der  Heimat  des  lambos5.  Aber 
auch  unter  den  theräischen  Felsinschriften  gehört  das  Prä- 
dicat  auf  Nr.  455  nicht  unter  die  nomina  masistratuum  und 
bei  einer  Revision  von  Nr.  4GG  und  467  müsste  man  die 
Möglichkeit  einer  ganz  persönlichen  Gefühlsäusserung  ins  Auge 
fassen. 

Wenn  meine  Lesung  richtig  ist,  so  wurden  beide  Inschrif- 
ten in  der  Bezeichnuni'-  der  e-  Laute  sich  der  von  Dillen  beruer 
festgestellten  Orthographie  der  Kykladen  anschliessen.  Ob  es 
ratsam  ist,  auf  Grund  der  unzureichenden  Nachrichten  über 
die  Bevölkerung  von  Amorgos,  die  Inschriften  der  Insel  als 
Anhang  zu  den  naxischen  und  den  samischen  zu  behandeln, 
wie  es  ßechtel  thut,  ist  mir  fraglich. 

Basel  29.  Januar  1893. 

FERDINAND  DÜMMLER 


1  Das  bedenklichste  Beispiel  der  Art  isl  besprochen  Berliner  philol.  Wo- 
chenschrift 1891  S.  4G9. 

2  0.  Jahn,  Vasensammlung  König  Ludwigs  8.  CXXII. 
:t  0.  Jahn,  Leipziger  Berichte  1857  S.  191  ff. 

•'■  I  ii i  die  Pharmakeia  vgl.  Dial.  mer.  I,  für  Liebesintriguen  durch  Wand- 
inscbriften  4  und  namentlich  10.  Lukians  Vorbilder  sind  dem  Herondas 
verwandter  gewesen,  als  Theokril  oder  du-  via  Ktimufila. 

:>  Auch  die  Inschrift  von  Arkesine  Bull,  de  corr.  hell.  VI  S.  189  (Bcchlel 
Nr.  3U  8.  41),  die  mit  K*9wi  4v8pl  beginnt,  scheint  irgend  eine  persönliche 
VerwünschuiiL'  zu  einhalten. 


SOSIPOUS  IX  OLYMPIA 

Die  Lage  des  Eileithyiaheiligtums,  in  dem  ausser  dieser 
Göttin  auch  der  Daimon  Sosipolis  vereint  wurde,  bezeichnet 
Tansanias  VI,  2U,2  folgendermassen  :  jv  8e  toi?  Tre'pact  tou  Kpo- 
vio'j  xaxä  to  ~po;  Tr,v  apy.Tov  egtiv  ev  i/.sgü)  tcöv  Or,ca'j:cöv  x.xi  tou 
öpo'j«;  Up6v  E'lXstO'jtx:,  sv  ö£  xi>T(j)  —  wri— oXt£  'H).sioi?  l-'.^coc.o;  Sxi- 
awv  £/£-.  Ttaz?.  Diese  Ortsangabe  enthält  einen  inneren  Wider- 
spruch ;  ev  toi?  niooLvi  to-j  Kpovfou  kann  nur  lieissen  am  Fuss 
des  Kronoshügels  wie  V,  "21,2  die  Schatzhäuserterrasse  als 
y.y.zx  to  7T£pa;  tou  opou?  tou  Kpoviou  gelegen  bezeichnet  wird; 
die  nähere  Bestimmung  v.t-k  to  -po:  t->,v  xpxTov  führt  uns.  falls 
das  Kronion  selbst  als  Orientirungspunkt  gemeint  ist.  auf  den 
von  der  Altis  abgekehrten  Nordabhang  des  Hügels;  allein 
der  weitere  Zusatz  h  ^.(aat  töjv  övjaaupöv  y.y.l  tou  opou?  verweist 
uns  in  schroffem  Gegensatz  hierzu  auf  die  Südseite.  Wie  ist 
nun  dieser  Widerspruch  zu  lösen  ? 

Eis  ist  nur  ein  Notbehelf  und  sicher  auch  nur  als  ein  solcher 
gemeint,  wenn  Flasch  die  Ortsangabe  '  unter  der  Voraus- 
setzung einer  Strasse, die  in  Windungen  gegen  Norden  die  Höhe 
hinanzog'  verständlich  findet.  Der  Widerspruch  bleibt,  aber 
es  kann  vernünftiger  Weise  darüber  kein  Zweifel  obwalten, 
dass  die  Ortsbestimmung  nach  den  Schatzhäusern  und  nicht 
dir  Angabe  der  Himmelsrichtung  massgebend  ist.  'Am  Ab- 
hang des  Kronion  oberhalb  (\cv  Schatzhäuser '  so  bezeichnet 
Löschcke  (( )stliche  Giebelgruppe  von  Olympia  S.  9  )  die  Lage, 
den  Zusatz  xxtx  to  -pö;  tyjv  xpjcTov  mit  Hecht  ignorirend.  Aber 
erklären  müssen  wir  den  Zusatz  doch,  und  dafür  giebt  es  ver- 
schiedene Möglichkeiten.  Kinmal  isl  es  durchaus  nicht  ausee- 
schlössen,  dass  Pausanias  in  Bezug  auf  die  Himmelsrichtung 

sich  getäuscht   hat:   bezeichnet  er  doch  auch  VI,   19,1  die  Läge 
der  Schatzhäuserterrasse  als  xpö;  äpxTov  toö  'Hpxio'j.  während 


3S  C.   ROBERT 

ßie  fast  direkt  östlich  liegt.  Wahrscheinlicher  aber  ist  es  mir, 
dass  Textverderbniss  vorliegt,  sei  es.  dass  hinter  -:ö:  z-h  *:- 
x.tov  (\cv  Orientirungspunkt  ausgefallen  ist  und  toö  'llcxio'j 
oder  tt)?  'AXt6ö>?  dastand,  sei  es,  dass  -:ö;  zry  xpxrov  selbst 
verdorben  und  7cpo$  zry  '  .Y/-<m  zu  sein  eilten  ist.  Sei  dem,  wie 
i  1 1 in  wolle,  SO  viel  darf  als  feststehend  betrachtet  werden,  dass 
das  Heiligtum  des  Sosipolis  am  Südabhang  dos  Kronoshügels 
in  dev  Nähe  der  Schatzhäuserterrasse  zu  suchen  ist. 

\)rv  Espo?  Xöyo?  des  Heiligtums  lautet  bei  Pausanias  wie  folgt. 
Bei  einem  Einfall  der  Arkader  in  Elis  erschien  vor  den  Feld- 
herrn  der  Eleer  eine  Frau  mit  einem  Knäblein  an  der  Brust. 
Ein  Traumgesicht,  so  erklärte  sie.  habe  ihr  geboten,  dieses 
ihr  jüngsl  geborenes  Kind  den  Eleern  zum  Verbündeten  zu 
geben.  Da  setzten  die  eleischen  Feldherrn  das  nackte  Knäb- 
lein mitten  vor  ihre  Schlachtreihe;  als  nun  die  Arkader  her- 
ankamen, verwandelte  es  sieh  plötzlich  in  eine  Schlange.  Da 
erschraken  die  Arkader  und  ergriffen  die  Flucht,  die  Eleer 
aber  verfolgten  sie  und  errangen  einen  glänzenden  Sien  —  un- 
ter  Führung  der  Schlange  müssen  wir  uns  denken,  obgleich 
es  Pausanias  nicht  ausdrücklich  sagt.  Nach  der  Schlacht  aber 
kroch  tue  Schlange  in  die  Erde  und  verschwand.  Die  Eleer 
aber  nannten  den  neugeborenen  Gott,  der  sieh  ihnen  erst  als 
Kind  und  dann  als  Schlange  gezeigl  halle.  Sosipolis,  und  an 
der  Stelle,  wo  er  ihren  Blicken  entschwunden  war.  errichte- 
ten sie  ihm  ein  Heiligtum;  aber  auch  der  Geburtsgöttin  ge- 
dachten  sie.  die  zu  ihrem  Heil  grade  zur  rechten  Zeit  dies 
Götterkind  ans  Licht  gebracht  hatte,  und  darum  verehrten  sie 
in  dem  neu  gegründeten  Heiligtum  neben  dem  Daimon  Sosi- 
polis auch  die  Eileithyia.  D;is  Massengrab  aber  der  in  jener 
Schlachl  gefallenen  Arkader  zeigte  man  auf  einem  Hügel  west- 
lieh  vom  Kladeos.  ohne  Zweifel  einem  der  Ausläufer  des  Ber- 
ges, auf  dem  heule  Druwa  liegt. 

So  erzählt  Pausanias.  Die  Modernen  identificiren  meist  das 
historische  Ereigniss,  an  das  die  Legende  anknüpft,  mit  dem 
Arkaderkrieg  von  Ol.  104.  Schon  die  hohe  Altertümlichkeit 
der  Kultgebräuche  hätte  vor  dieser  Jdentiiicirung  warnen  sol- 


SOSIPOLIS   IN   OLYMPIA  39 

len ;  dieshal  Löschcke  vollkommen  richtig  empfunden  ;i  a.O. 
S.  9). Wenn  er  aber  sagt,  dass  ein  früherer  Arkaderkrieg  nicht 
bezeugt  sei.  so  bat  er  Paususanias  V.  4,7  übersehen.  Wie  je- 
dem Leser  des  Tansanias  bekannt  ist,  pflegt  dieser  Schriftstel- 
ler vor  der  Besprechung  jeder  Landschaft  ein  Kapitel  einzu- 
schalten, in  dem  er  die  ruhmvollen  Kriegsthaten  der  Bewoh- 
ner in  Form  eines  evxwuiov  summarisch  aufzählt.  Er  beginnt 
regelmässig  mit  der  Teilnahme  am  Zuge  gegen  Troja  und  an 
den  Perserkriegen,  berücksichtigt  mit  Vorliebe  Herodot.  Thu- 
kydides  und  Xenophon  und  schliesst  die  Aufzählung  der 
Kriegsthaten  bald  früher,  bald  später  ah.  Das  eyxwpov  töv 
'IlÄacov  steht  V.  4,7-5,1.  Es  beginnt,  wie  üblich,  mit  dem 
trojanischen  Krieg  und  den  Perserkriegen, die  schon  als  Kämpfe 
gegen   Barbaren  zusammengehören.    Dann   heisst  es  weiter: 

Ü-£c€xVTO)V     Ö£      Ö-70'.     G'^IG'.V     £y£V0V70     -/UvS'JVO'.     T.zhz    [ll<TaiOU£   TS     /.%'. 

'Ap/.7.Sa;  Gx£p  ttj;  StaOsGSüx;  to'j  äycövo;  toO  sv  '0).'jl/.-iz,  cjvsts- 
ßxlov  u.£v  Aa*£Saiuovtot;  äx.O'jcicoi;  |e  tt,v  'AOvivaitov  und  PS  folgen 

weitere  Kriegsthaten  aus  dem  peloponnesischen  Kriege  und 
der  Zeit  des  Agis.  Sollte  hier  wirklich  Pausanias  an  die  Käm- 
pfe aus  dem  vierten  Jahrhundert  denken  und  nicht  an  eine 
weit  frühere  Zeit?  Sollte  er  nicht  in  seinen  Ouellen  die  wol 
begründete  Vorstellung  gefunden  haben,  dass  sich  die  Conso- 
lidirung  der  olympischen  Festfeier  unter  beständigen  Kämpfen 
nicht  nur  mit  (\vn  Pisaten,  sondern  auch  mit  den  Arkadern 
vollzogen  hat?  In  diese  Urzeit  gehört  auch  die  ätiologische 
Legende  von  Sosipolis,  die  im  Lichte  des  vierten  Jahrhun- 
derts ein  Unding  ist '. 

Als  Kind  und  als  Schlange  hat  sich  Sosipolis  den  Eleern 
offenbart,  als  Kind  und  als  Schlange  wird  er  auch  im  Kult 
verehrt.  Die  alte  Wartefrau  (?)  7rpec6öTi?  ■?,  86pa7C6Üou<ja  töv  So>- 
ffiwo^iv),  die  allein  den  inneren  Tempelraum  betreten  darf, 
bringt  dem  Kinde  Bäder  und  der  Schlange  süsse  Honigkuchen. 


1  Man  bat  die  Sage  von  der  Epiphanie  des  Apollon  und  der  weissen 
Jungfrauen  beim  Keltensturm  auf  Delphi  verglichen;  aber  der  Unterschied 
ist  handereiflich, 


40  C.    ROBERT 

Dass  dem  Sosipolis  so  wonig  wie  dem  attischen  Zeus  Txxto? 
mit  Wein  liliii!  weiden  darf,  deutet  ebenfalls  auf  das  hohe 
Alter  dv>  Kultes. 

Am  Fuss  des  Kronoshüsels  in  unmittelbarer  Nähe  der  ural- 
ten  Kultstätte  der  Meter  ein  zusammen  mit  Eileithyia  verehr- 
tes göttliches  Kind,  was  kann  das  anders  sein  als  eine  Hypo- 
stase  des  Zeuskindes  oder  richtiger  das  Zeuskind  selbst,  und 
/war  das  kretische,  das  ja  auch  in  der  Sehol.  Arat.  46  über- 
lieferten kretischen  Saue  in  Schlaneeneestalt  erscheint1.  Das 
bestätigt  zunächst  der  Name.  Die  Verehrung  des  Zeus  Icot-^o 
ist  ausserordentlich  verbreitet2  und  wir  dürften  ihn  schon  an 
sich  dem  ^coti-oa-.:  unbedenklich  gleichsetzen;  doch  ist  über- 
dies ein  Zeus  Sosipolis  durch  Strabo  XIV  648  ausdrücklich 
bezeugt,  worauf  mich  0.  Kern  hingewiesen  hat.  Kine  weitere 
Bestätigung  giebt  das  Gemälde  in  der  Sosipoliskapelle  der 
Stadt  Elis.  Das  Bild,  dessen  Zeit  sich  allerdings  nicht  ermit- 
teln  lässt,  stellte  das  Kind  dar  in  einer  bunten  mit  Sternen 
geschmückten  Chlaniys,  das  llorn  der  Amalthca,  seiner  Amme, 
in  der  Hand  3. 

Die  göttliche  Frau,  die  einst  vor  das  Heer  der  Eleer  mit 
dem  Sosipoliskinde  auf  dem  Arm  hingetreten  war,  ist  natür- 
lich die  Meter  selbst;  aber  auch  der  Eileithyia,  die  bei  der 
Gehurt  des  Heilands  hilfreich  der  Rhea  zur  Seite  umstanden 
hatte,  vergass  man  nicht.  War  ihr  Kult  doch  auch  in  Kreta 
früh  bekannt,  falls  er  nicht  überhaupt  dort  seine  eigentliche 
Heimat  hat.  Nach  diesem  allem  wa^e  ich  nicht  mehr  wie  frü- 
her4  daran  zu  zw  ei  lein,  dass  die  kretische  Gcburtssage  nicht 


1  Vgl.  Eratosthenis  catasterismorum  rel.  S.  25.  62. 

-  Vgl.  die  Zusammenstellung  in  Preller's  Griccli.  Mythologie  *  I  8.151,2. 

:t  Purgold's  Hypothese  (Hist.  und  phil.  Aufsätze  E.  Curtius  gewidmet  8. 
227),  dass  das  Knäblein  des  Boelhos,  das  im  Hcraion  vor  der  Aphrodite 
des  Kirim  aufgestellt  war,  gleichfalls  den  s ( > -> i j > < > l i >  dargestellt  habe,  bat 
durch  >> In .'>•  Darlegung  freilich  ihre  historische  Grundlage  verloren.  Möglich 
bleibt  Nif  indessen  doch;  für  die  Verbindung  mit  Aphrodite  liesse  sich  die 
Lage  des  3osipolistempels  neben  dem  Heiligtum  der  Aphrodite  Urania  gel- 
lend machen. 

*  In  der  vierten  Auflage  von  Preller's  Griech.  Mythologie  1  .s.  137,3. 


80SIP0LIS   IN   OLYMPIA 


41 


nur  seit  uralter  Zeit  in  Olympia  bekannt,  sondern  direkt  loca- 
lisirt  war. 

2<oT7;p  ü'|ivecp£?  Zg'j,  Kpövtdv  t£  vaiwv  ),doov 
Tiacöv  t'  'AXcpsöv  eupü  pe'ovT'  'I^xiov  ts  ffejxvov  xvxpov 
betet  Pindar  Ol.  V,  40  zu  dem  Zeus  von  Olympia,  dem  So- 
ter,  dem   Sosipolis.    Dass  das  'iSaiov  xvTpov  wie  der  Kronos- 
bügel  und  der  Alpheios  in  Olympia  zu  suchen  ist.  lehrt  der 
ganze  Zusammenhang;  trotzdem  ist  es  in  alter  und  neuer  Zeit, 
auch  früher  von  mir  selbst,  bestritten  worden.  Die  Scholien 
haben  aber  die  wichtige,  leider  fetzenhafte  und  verderbte  No 
tiz  bewahrt:    Iv   "IlAt^i  Ar.jjufjTpio;  6  Sxe^/io?  veüv   öiaxödfiov   lepov 
Atö;1.   Sicherlich   in  der  Nahe  des  Sosipolisheiligtums  wird 
man  diese  Höhle  zu  suchen  haben,  falls  sie  nicht  überhaupt 
mit  ihm  identisch  ist.  Und  wir  dürfen  jetzt  wol  zuversichtlich 
die  Behauptung  aufstellen,   dass  dieser  Sosipolistempel  nicht 
nur  das  älteste  Zeusheiligtum  von  Olympia,   sondern  über- 
haupt der  Ausgangspunkt  des  ganzen  Kultes  ist. 


Am  Fusse  des  Kronoshügels  am  westlichen  Kode  der  Schatz- 
häuserterrasse, recht  eigentlich  iv  fuotp  tcöv  (hoaaupöv  v.x\  toö 
opo'j?,  d.h.  dessen  südlichem  Vorsprung,  haben  die  deutschen 


1  S.  lt.  Gftde,  Demetrii  S<iepsii  quae  supersunI  S.  i7,  Fr.  ">i,  der  Iv  vct&v 
8iaxöa(u.w  zu  schreiben  vorschlägt. 


42  C.    ROBERT 

-Ausgrabungen  ein  sehr  altertümliches  Heiligtum  frei  seiest, 
das  als  'Gebäude  hinter  der  Exedra '  im  II  Bande  des  Werkes 
über  Olympia  (Baudenkmäler  I  Taf.  31,  I)  abgebildet  und  in 
dem  begleitenden  Textband  S  14  f.  von  Dörpfeld  mitmuster- 
hafter Klarheit  besprochen  worden  ist.  Die  last  quadratische 
Cella  lehnt  sieh  mit  ihrer  Rückwand  dicht  an  den  Kronos- 
bügel  an.  '  Die  Cella  wände,  schreibt  Dörpfeld.  sind  an  ihrer 
Innenseite  sorgfältig  geschliffen,  im  Äusseren  dagegen  noch 
mit  ihrem  Werkzoll  versehen.  Dieser  ist  namentlich  an  den 
hinteren  locken  noch  so  rauh,  dass  der  Bau  hier  niemals 
sichtbar  uewesen  sein  kann,  sondern  ähnlich  wie  ein  Grot- 
tenheiligtum  in  den  Bers  hinein  schaut  gewesen  sein 
muss".  Die  sehr  schmale  aus  Holz  auf  steinernem  Fundament 
hergestellte  Vorhalle  ist  ungefähr  ebenso  tief  wie  die  Cellathür 
breit,  und  konnte  nur  einer  einzelnen  Person  als  Durchgang 
dienen.  In  der  Cella  ist  das  Allerheilisste  nochmals  durch 
eine  hölzerne  Schranke  abgeschlossen.  In  der  Mitte  dieses  letz- 
teren  Raumes  ist  ein  verhältnissmässig  grosses  quadratisches 
Fundament,  sei  es  von  einem  Altar,  sei  es.  was  Dörpfeld  für 
wahrscheinlicher  hält,  von  der  Basis  eines  Knltbildes.  Vor 
diesem  kleinen  Tempel  befindet  sich  ein  grosser  Altar,  dessen 
Zugehörigkeit  zu  dem  Heiligtum  Dörpfeld  hei  seiner  Stellung 
unmittelbar  vor  dem  Finsans  für  sehr  möglich,  man  kann 
sogar  sagen  wahrscheinlich'  erklärt.  Auf  allen  vier  Seiten  des 
Altars,  sowol  nacli  dem  kleinen  Tempel  wie  dem  Schatzhaus 
der  Sikyonier  und  der  Exedra  des  Herodes  hin,  bleibt  für  die 
Opferhandlung  und  andere  Kultbräuche  hinlänglich  Platz. 

Vergleichen  wir  mit  diesem  Pundbestand  die  Schilderung 
des  Pausanias  VI,  '2(1.  3:  h  u.h  Sri  tu  elittoocöev  toö  vaoO  (Si- 
itXouc  yap  ort  -i~rjvr~x<.)  zr^xi  EtXetöuia?  (äcoiio;  y.ai  ecoöo?  i; 
■j.-j-'j  S«tiv  ivöpcI>7C0i;,  iv  öe  tm  evxö;  6  ^oj^i-o)/.:  v/t'.  -'.'/■'/.;  v.y\  'ino- 
60$  rj'jy.  EffTl  ~Ar,v  xri  Osca-S'jO'j^r,    tÖv    8e6v    ir.i  t/,v  x.-oa/./.v  nai  TO 

TT -Ö 'TG.)  770  V    £^et)aV7ü.£Vr,    O'pO?   ^£'J/.Öv,    TTapOtVOt    §S  6V  T&  T7){   ElXsiSuia? 

uffOf&evouaat  xai  Yuvaixs;  ufJivov  xoouai,  KaBayiCouffai  [  Kaöctyi^ouat 
codd.  oe  /.-/'.  öujjtiaaaTa  rcavTOia  xur$  67ci<jrcevoeiv  ou  voi/.iC,ou(Jiv 
olvov.    .Man    wird,    denke   ich,  zugestehen   müssen,   dass  das 


SOSIPOLIS   IN  OLYMPIA  43 

Heiligtum  hinter  der  Exedra  dieser  Beschreibung  durchaus 
entspricht.  Wir  haben  den  äusseren  Raum  des  Heiligtums  mit 
dem  Altar  der  Eileithyia  Olympia:  hier  nahmen  unter  Füh- 
rung der  jährlich  gewählten  Priesterin  der  Eileithyia '  die 
Frauen  und  Mädchen  Aufstellung,  um  den  heiligen  Hymnos 
zu  singen  ;  wir  haben  den  kleinen  Tempel  des  Sosipolis,  den 
nur  die  Wartefrau  des  göttlichen  Kindes  mit  verhülltem  Ant- 
litz durch  den  schmalen  Vorraum  betrat,  um  auf  dem  Altar 
—  denn  von  einem  solchen,  und  nicht  von  einem  Kultbild, 
würde  dann  das  Fundament  herrühren  —  den  Krug  mit  dem 
Badewasser,  die  Honigkuchen  und  die  8u(/.idaaTa  -^avToia  nie- 
derzulegen, die  ihr  die  draussen  verharrenden  Frauen  und 
Mädchen  zur  Opferung  anvertraut  hatten.  Man  wird  auch  zu- 
geben müssen,  dass  der  grottenartige  Charakter  des  Tempel- 
chens und  seine  Lage  dicht  am  Fuss  des  Kronoshügels  ebenso 
vortrefflich  zu  dem  'iSaiov  xvxpov  des  Pindar,  der  Geburtsstätte 
des  Zeuskindes,  wie  zu  der  Stelle  passt,  wo  der  schlangenge- 
staltige  Sosipolis  in  die  Erde  verschwand. 

Hierzu  kommt  aber  noch  ein  weiteres  Indicium.  In  der 
Nähe  des  Eileithyiaheiligtums  lagen  die  Trümmer  eines  Tem- 
pels der  Aphrodite  Urania;  Pausanias  VI,  20.  6  nk-wiw  Sk  -r,; 

ElXe'.O'jtx;  spetTia  'AocoSity,;  Oüpavia<;  ispoO  ~ki<-i-rj.'.,  Ououci  hi  x.xt 
aÜTÖOt  im  tcöv  ßwacöv.  Und  in  der  That  liefen  westlich  neben 
der  beschriebenen  Örtlichkeit  die  Beste  eines  zweiten,  etwas 
grösseren  Tempelchens,  das  wir  unbedenklich  als  das  der 
Aphrodite  Urania  ansprechen  können.  Jetzt  sind  freilich  nur 
noch  die  Beste  der  N.  ().  Ecke  sichtbar,  das  Übrige  wird 
durch  die  Exedra  des  Hemdes  bedeckt.  Aber  dieser  Umstand 
scheint  mir  eher  für  als  gegen  die  vorgeschlagene  Identifici- 
rung  zu  sprechen.  Ein  ohnehin  schon  zerfallenes  Heiligtum, 
an  dessen  Wiederaufbau  Niemand  dachte,  konnte  die  Priester- 
schaft von  Olympia  den  Bauplänen  des  Herodes  ruhig  preis- 
geben. 


{  Pausanias  VI,  20, 2 :   i»;v  [üv  orj  E!Xe!0yiav  inovo^iX0^'^  'OXuuitiay,  tsp«- 
aoaev7)v  aipoyviat  iij  OuTi  xaTÖt  ero;  ixasTOv. 


M  C.    ROBERT 

Man  hat  bisher  den  von  mir  der  Eileithyia  zugewiesenen 
Altar  für  den  dos  Herakles  oder  der  Kureten  gehalten,  der  nach 
Tansanias  *  in  der  Nähe  des  Schatzhauses  der  Sikyonier  Lag, 
und  ist  sogar  so  weil  gegangen,  den  Tempel  seihst  dem  Hera- 
kles zuzuweisen,  obgleich  die  Existenz  eines  Heraklestempels 
für  Olympia  weder,  wie  Dörpfeld  auch  mit  Recht  betont, 
bezeugt,  noch,  wie  ich  hinzusetze,  wahrscheinlich  ist.  Aber 
abgesehen  davon,  dass  ja  bei  weitem  nicht  alle  von  Tansanias 
erwähnten  Altäre,  auch  solche,  deren  Lacre  er  ziemlich  genau 
angiebt,  gefunden  sind,  scheint  mir  der  vor  der  Westfront, 
also  an  der  Rückseite,  des  Metroons  jjeleo-ene  Altar,  den  man 
meist  der  Besitzerin  dieses  Tempels  zuteilt,  mindestens  den 
gleichen  Anspruch  zu  haben,  für  den  Altar  der  Kureten  zu 
gelten2.  Dass  übrigens  dieser  Kult  der  Spielkameraden  des 
Zeuskindes,    mögen  sie  nun  ursprünglich   Kureten  oder  Da- 

O  I  ~ 

ktylen  geheissen  haben,  aufs  engste  nicht  nur  mit  der  Meter, 
sondern  auch  mit  dem  Sosipolis  zusammenhängt,  will  ich  na- 
türlich in  keiner  Weise  in  Abrede  stellen.  Erst  nach  der  do- 
rischen Wanderung  wurde  der  eine  mit  Herakles  identilicirt, 
während  die  übrigen  vier  andere  Individualnamen  erhielten. 
Ein  Bedenken  bleibt  allerdings  Wenn  Pausanias,  wie  ich 
annehme,  wirklich  das  'Gebäude  hinter  der  Exedra'  nebst 
dem  davor  liegenden  Altar  beschreibt,  so  durfte  er,  wenn  er 
sich  ganz  correct  ausdrücken  wollte,  das  Gesamtheiligtum 
nicht  als  vao?  bezeichnen,  wie  er  VI,  20,3  thut:  sv  yap  tu  sa- 
wpoffSsv  to'j  vaoO,  Si— Xoü;  yxo  $■•/)  7ceTCOiY)Tai  -/.xX.,  denn  die  Be- 
zeichnung vicö?   kommt  strenggenommen  nur  dem  Sosipolis- 


'  V,  li,!l  rcXrjafov  6s  tou  Etxutovfcüv  örjaaupoö  ^-01  Koup7Jriov  rt  toj  'AXxtj.rjv7]; 
Iitiv  'IIpax.XEou;,  Xc'fETa'.  yip  xott  a\L<f6xepa. 

-  Da  Pausanias,  wie  ich  Hermes  XXIII  8.  430  gezeigt  habe,  bei  der  Al- 
Larperiegese  zwei  verschiedene  Quellen  mit  einander  verarbeitet,  halle  ich 
rs  nicht  für  ausgeschlossen,  dass  dieser  Altar  mit  dem  vorhei  erwähnten  Y, 
li.T  identisch  ist:   [ieta  toutov  nercodjTat   ji.lv  'IipaxXet  ßcoptöj  inixX7]<jtv   Ilaca- 

z-.xzrt,  -ir.'j'.r-.T.:  o:  xa'l  tOÖ  'HpaxXe'oUf  TOtj  aOcX^poI?  'Knia/jo:;  /.at  "loa  /i:  llai'o- 
valuiti  /.a;.  'Iaaoi'  rov  8s  rou  "loa  ßtopöv  'AxeaiSa  &reö  Irlpiov  oiSa  xaXoutisvov. 
Denn  wenn  auch  Pausanias  hiervon  fünf  Altären  zu  sprechen  scheint,  so 
kann  dies  sehr  wol  auf  Missverständniss  seiner  Quelle  beruhen. 


SOSIPOLIS    IN    OLYMPIA  46 

tempelchen  zu,  also  dem,  was  Pausanias  tö  Ivtg;  (tou  vaoö) 
nennt.  Er  hätte  also  correct  Lepoö  schreiben  müssen,  wie  vor- 
her VF,  20.2  (=cöv  EiA£t9'jia?.  Ich  habe  den  Gebrauch  von  vcto« 
hei  den  übrigen  Schriftstellern  der  Kaiserzeit  nicht  untersucht. 
bei  Pausanias  aber  glaube  ich  wenigstens  einen  Fall  nachwei- 
sen zu  können,  wo  \on  einem  Tempelgebäude  nicht  die  Rede 
sein  kann,  vaö?  aber  seiner  ursprünglichen  Bedeutung  zum 
Trotz  völlig  synonym  mit  fepöv  sieht;  I,  27,  3  schreibt  er:  tö 
vxu>  §£  Trtc  'AOvivJc;  IlavSpöuo-j  vaö;  <7'jv£/r,?  ia-iv.   Sollte  wirklich 

im  Pandrosion  eine  kleine  Kapelle  gestanden  haben,  was  mir 
sehr  unwahrscheinlich  ist,  so  kann  doch  von  einem  archite- 
ktonischen Zusammenhang  (cuvex^s)  zwischen  ihr  und  dem 
Poliastempel  schlechterdings  keine  Rede  sein.  Wir  haben  also 
hier  denselben  laxen  Gebrauch  von  vacö;,  wie  wir  ihn  bei  der 
Beschreibung  des  Sosipolistempels  voraussetzen.  Auch  Pollux 
1,  G  y.xl  to  acv  ywpiov  iv  w  Gsca-s'Joy.sv  toÖ;  Oeovc  iscov  y.  x  [ 
v£G)c  scheint  die  Annahme  eines  synonymen  Gebrauchs  der 
beiden  Worte  in  der  Kaiserzeit  zu  bestätigen.  Andererseits 
lässt  sich  ein  Altar,  wie  der  der  Eileithyia  nach  der  Schilde- 
rung des  Pausanias  gewesen  sein  muss,  kaum  anders  als  ev 
Ö7cai6p<p  denken. 

Doch  dem  sei,  wie  ihm  wolle.  Situation,  Anlage,  Alter  und 
Charakter  des  Bauwerks  sprechen  nachdrücklich  für  seine 
Identität  mit  dem  Heiligtum  des  Sosipolis.  Ob  diesen  Indicien 
gegenüber  ein  incorrecter  und  vielleicht  missverständlicher 
Ausdruck  des  Pausanias  Gewicht  genug  hat,  um  die  vorge- 
schlagene Benennung  in  Frage  zu  stellen,  muss  ich  dem  Er- 
messen des  Lesers  anheinweben. 

Halle  a.  S. 

CARL  ROBEirr. 


O   EN  MAPA0QNI  TVMBOS 
(IKvaxes  II-V) 

'Awo  tt;;  ev  AeXtico  (1890  atl.  123)  Syiu.ggisuce(i)(;  tüv  oc-tcote- 
Xeguxtcdv  tt;<;  TTpürr,?  aTTOTTEipaaaTix.r;?  äva^x-acp^i;  tou  ev  MapaOcövt 
Toaoou  x.octx  Mi  tov  tou  etou;  1890,  ot;  u.ev  extote  6  tuu€o?  üte- 
ßXvjOr;  6t?  ty;v  So/up.acriav  T7)<;  GxaTrxvv);  (xaxa  Mxiov  tou  1891  x.ai 
'O/.Tcoopiov  to'j  aÜToO  etou;)  tx  ä— 0TsX£(7{/.XTa.  öaco?  tüv  Suo  ts- 
Xe'jTatwv  toutwv  xvx<7x.a<pa>v,  Ei  xai  tx  [/.aXx  cxouSaia,  Sev  e^ete- 
Oyigxv  xu-.sgüx;  ev  o7)|/.ociEU(T6i  tivi,  S7rt  tyj  TTpocoV/tix  tyj;  5Xy)?  xvxgkx- 
or,;  tou  tüuoou. 

'EtceiSt;  ouco;  e'vex.x  7rapsli/.€aXXo[/.s'v<i)v  (WyspEicöv,  xai  sxv  fr/) 
te'Xsov  EyjcaTOtXsi^öfj  to  «jyiStov  zr,c,  oXixy)?  tou  tu|/.6ou  ävx<7>tx<p7l<;, 
ttxvtcix;  gu.u;  Öx  ßpxouvrj  auTY],  STüiXxu-.Savoasv  tyj?  Ex6eae<i>{  xai  twv 
TfiXsuTattov  ECayo^Evwv.  'Ette'.ötj  oe  §ix  tüv  Suo  tsXeutxiwv  toutwv 
avaTx.acp'.x.dJv  ipsuväv,  <I>v  yj  u.sv  4'  (i'Ss  cyj'Siov  <?sX.49)  [A?))tou{  Trspt- 

TCO'J    U.6T0COV   30  X.X'.    TtXxtO'J?     5    [iETpWV'     V)    Ss    5'    [A7))C0U?    TTEpi-OU    24 

xx!  nrXxTO'JS  asviTTO'j  15.  emoov  e£y)peuvt)0y)  to  tcXeittov  tou  tuj/.6ou 
—  x.xOotov  o'j  y.övov  ott  öüo  TrpöÖTXi  Ttxp' yju.üW  ysvöu.£vai  TOaat  (tos 
gve'o'.ov  ev  AsXtiu  e.  x. )  xXXx  xoci  ai  Otto  tou  SyXisaav  ysvöi/.£vat 
öeov  vx  Xoytad&atv  lv  tt,  Epsüvr)  tou  uro  to  yüjj.x  aTOtouaTO;  —  exe'.Sy) 
XeyoptEV  jl/.stx  tx?  TOpta?  Tauta?  Ta;  VEvojjtEva?  ewi  tou  tüu-.Sou  to 
utoXsi^Oev  äv£^£p£Üvr;Tov  |/.s'po?  tou  üto  to  yüy.x  CTpwaaTO;  Eivs 
oXtyov  '.    öuvxu.sOx,    opovoGysv,   vi    06ü>pr)a<i>u.sv  tov  TUU.OOV  (ö;  Ux- 

V(I>;    E$Y)p6UVr)U.£VOV    7)07),    tva     TTeptXxßtofAEV     EV    TYJ     TCOfpöUffVJ    I)t0EffEt    EV 

GuvTOptia  ttxv  to  ä^optüv  ei?   to  ev§o£ov  toüto  luvt)  jae  tov.  lipo;  touto 


1  Aa(i.6^V0VTE(  [xi'/.'.T.iL  6jc'  8<J»lV  tö  otl  oJ/;.  a~a;  ö  ru[j.?o;  xaXäntEl  tö  aTOwiia  TÖ 
r:v.).a;j.oä/Ov  Ta  o-Tä,  ä/.'/a  [ig'po;  toifdü,  'o^  ä-£0£:'^a|i£v  3v  TT]  npoTc'oa  })(iöv  c'/.Oe'- 
Bci  (AeXt^ov  £.  ä.  iteX.130),  8üv^(ie0a  «-i  [j.e!^ovo;  ßs6ai({TT)T0{  vi  6rtootr)p^üj(xgv 
Otl  to  nXcToTOV  TOU  Jno  tov  Tii(i6ov  arow[j.aTO;   £tve  rfit]  e;r|p£uvr)|XE'vov  8'.ä  t«öv  yEvo- 


B.  STAH2,   0  EN  MAPA6QNI  TrMBOE  47 

Ss  ivacYxr]  elvs  ou  [aövov  v' ävaoV^AOsu'jOf,  to  ev  Asatiw  1890  ~iv.  A' 
<rvso\ov  to'j  ToaSo'j,  iaeto.  twv  £7sev£)(8ei<T<5v  <ju|A7c\r;p&><jeci>v  (toe  sea. 
49),  x.ai  vi  $Y)u.offteu6äatv  iv  Eoioi?  TCivacji  ra  /.'jpi<ÜTspa  tüv  Otto  to 
yötia  eupeSevTWV  äyysiwv,  aAAa  xai  vä  i-xvxkr^Hüni.  t'.vx  Iv  icspi- 
Xri^si  Tcüv  sv  -rfj  i?pOTep$  rju.üv  sxOegei  Eip7)u.6vcw  gj;  t:co;  ttjv  epsuvxv 
to'j  t'j'aoo'j  xai  ev  yevei  to  iGTOptxov  auToO. 

'LJ:  yvu><770v  (Vjo  [AÖvov  t<I>v  äpyaiüjv  r7'jyypa<p£ü)v  —otO'jVTa'.  u.vEiav 
toö  tv  MapaOüv.  « Tzcpou  »  toüv  xara  tyjv  7rspiöo:;ov  dxsiv^v  xaTX 
tüv  Ikpsoiv  iaz/y;v  -ecovtgjv  192  'AOyjvaicov,  g  ÖO'jX'j<j*i6r,;  (1,34) 
xai  6  llaucravia;  (1,  29,  4  —  1,  32,  3).  0<J<j*ET£po?  öaco?  toOtcov 
yvwpi'CE'.  rju.iv  äxpi^E?  xt  ~£pi  toO1  Tx<po'j  toutou  tj  to'j  Etöou?  Tr,<;  xa- 
(pvl?  tcöv  t:e<7gvt(i>v  'AOrivaitov.  '0  riautfavia?  aovov  7?po<m67)<J(  tv,v 
XeiCTOuipsiav  oxt  «  s— i  Se  aüxcö  (tw  Tacpw  oy)X.)  sT/i^at  tx  ovoaaTa 
tcöv  aTroOavövTwv  xaxa  cp-jAa;  ExäsTcov  e^o'jtxi  » .  "Ex  tt,?  Xe7CT0|M- 
peia?  ötAco;  Tautr,?  Sev  Öx  rjö'jvaTÖ  ti;  ßsoaiwi;  vx  E^xyxyr,  KatpaXec 
Tt  ouu.7cepaau.a  xept  tou  eI'öous  tou  f/.vr)u,£iou  tojv  u-apaOcovoiAz^ojv, 
ou<$£  EirapxT)?  ä)//;Ö(ü?  Öx  yjto  r,  EtxaffTtXY]  XEpi  toutou  yv<öu.7]  toü 
Leake  (Deinen  von  Attika  ozl.  83)  r\  äpv/iTixö?  ic,xyßv.ax  s;  ete- 
pou  ywpiou  to'j  Ilauaaviou  (  1 ,  32),  exv  u.7)  ü^outo  [AeyxXo-pezES  ov- 

T(0;    UVY)U,£10V    EV    T<ö    fAEGCp    TV]?     TwEpixXsOU?     XOlAxSo?    TO'J     MxpxÖÜVO?, 

6  yvcoctto?  tuiaSo?  6  u<j/o<;  sywv  9  ptixpa  xai  o^ätAExpov  7rsp;.  rä  wsvtt)- 
xovTa.O'j/'  TjTTOv  yj  eXXsuJhc  u.xz-jzix;  tivo?  äaopaAO'j;  7C6pi  tou  repay- 
aaxo?,  7cpox6tu,evou  rspi  u,vyju.siou  o~ö  LaTOptxrjv  s'-oyiv  to^oGtov  a-ou- 
Sato'j,  yjyetpev  eixotco?  ä^a^'.^OAtai;  t'.vx;  reapa  tici  äpy_a'.OA6yoi;  x.ai 
l<TTopixoi?  (wp.Curtius,  Arch.  Zeitung  1853  acX.15'i)  -a;x  xa^ 
(S'.st.ßsSoucbTSic  toO  Leake  v.xl  öcXawv  yvwffTöv  äp/aioloywv  (77p.  Bur- 
sian,  Gcograpliie  von  Griechenland  1  areX.  338),  f,  i^axpiSwffi^ 
Se  toO  TTpy.yiAotTO?  iva77£X£iT0  ei?  t'/-;v  fiy.xizxsr^  y.xl  jaovov  ei?  TauTTjv. 

ToO    £v)T7)UaT0S   TOÜTO'J    T7)V    AUG'.V    67C6X&O6T0     6     [^6Ya?     OVTCO;     äc- 

yaioSiopy)?  'Epp.  2jyXieu,av  xaTa.  to  1884,  ävopüqa?  r&<ppov  2-4  a. 
xaTÖt  to  ävaTOAtx.ov  toö  tuu.€ou  xai  o~r,v  xaxa  to  XEVTpON  TirjTy.ccov 
TSTpaytimxöv  aexpcov  !  A'jct'j^ö»;  öu.co;  r,  ooxiu.a<7TixY)  auTv;  iic'ÖTClipa 
tou  £p£'jvr,T0'j  ttj;  TpwäSo?  ETTETTpoiTO  vä  va'jayr.or,  =vjx.£v  ä-:oo-Ta)v 
X(i)Xuu.ätü)v.  'II  ävacxaor)  Y8V0(/.ev7]  u.sra  Y6iu.6ptvy)V  -oA'joaopiav 
STCviysTO  xupioXfi^si  £vto?  ä^Oova);  äva^A'j'Covxo;  O^aTO?,  ä::£vavTt  TOO 
6t:oio'j   xai   aüxr,   r,    tögov    raYupa   i7Cijxov7]   tou   imy&Xou    ipiuvTjTOÖ 


48  n.   STAHS 

(o^pgiXs  vk  ox'.GQoyofYimr)  !  ToO  cxpwü.aTO^  Ss  tgjv  ottüv  —  x.aOk 
eSeivQt,  ev  Tai;  teae'jtxixk;  ävaT/.aox^  —  eExtcIo'ju.e'vO'j  ircl  iSifpo-j; 
X6ituvou  £•;  rpiciv  asTpcov  ßk8o;  axö  Tri?  aY)U.6piv?}c  ETtoavEiac  tt}; 
x.o'.axöo?,  O'jSev  ^'jci/.üjk;  tote  *))£07)  £<S  9^>?  *a'-  °  xup.€o?  iTcavcopd&dv] 

XX^'JTTTtoV    Ü7CO    TO    ßxpi)    y  (bll.X    TO'J    T3C     £Aa.Cppk    6<jTX     TÜV    Y)pc!)(OV     T7}? 

xaxa.  x(öv  üspcäv  axyric.    'AW  b    HyAiEi/.av  ö'jct'j/cö;    öev  v)pxE<r9v] 

ei?  to  ipvTjTixov  ä.7:0T£A£Gaa  tüv  e'pe'jvgjv  tou.  AtaS^E-oov  Tzxvxxyov, 

G>?    £*     TY}?     ElAffiUTOU     (X'JTtO     ÖpUttfc    TTO OC    TTjV    TTpO'i'jTOp'.X.^V    X.3CAOUJ/.e'vY]V 

vpovix.y;v  7T£ptooov,  u.vyi(u.£ioc  tcöv  ypövwv  ix,£ivwv,  txpxeaGsig  o£  £i?  ö^iva 
Tivk  TEaxyta  XiÖou  Obsidian  EÜpsOE'vTa  sv  tö  ywu.axt  tou  tuu.Sou, 
e^AocSe  to  tevvyitov  ü^cotjt,*  o>;  x.£voTxrpiov  avgygpOsv  £:<;  ETOyxv  dwce- 
youTav  t9}?  —payi/.aT'.x.r,;  x.xtx  TEffffapa?  £x.xTOVTa.£Tr,piöa;  (Zeit- 
schrift für  Ethnologie  1884  cea.  85  icai  e£.).'H  etc«  xva<7*a<p'.xwv 
a-OTEAEcaxTcov  gt^P'.^ou.£vyi  ö'.aS£?aicoTi?  <xuty)  tou  HyAtEaav  ets- 
xoxTr/G£v  eikotüx;  tüv  x-Xüv  uTCoOeffgwv,  oüSeU  §s  YjSuvaTO  vit  xvTetWT). 
2o<p6;  §£  ygpu.a.vö;  ä^ttoaaT'.x.öc,  6  loyxyoc,  Eschenburg,  6  xxt"  ev- 
to^tjv  Tvi;  yspaxvix.vi;  x.u£Epv7;<7E(i>;  r/.-ovr^x;  uipo?  töv  ä::apaaiAA(i)V 
vapröv  TTJ;  'Attix.t^,  £Wi  tcöv  ä— oteXstiaztcov  t9}?  avaGKamuMfa  t<xu- 
tt,?  spEuvr,:  (TTYiptvOei?,  iQyjTYicev  «.XXavoö  tt)?  x.otAxoo;  tov  Txcpov  tcöv 
'AÖTQvaicav  x.ai  guvetcö?  xX^a/oö  v;  £v  tyj  7cpoi7)>touffYj  9e<j6i  10g«  x.aS 
to  xevTpov  TT)?  ev  MapaÖüv.  v-iyr^  (wp.  Topographische,  archäo- 
logische und  militärische  Betrachtungen  auf  dem  Schlachtfelde 
von  Marathon). 

Toöto  sv  ouvTOfJUp  to  EffTOptxov  rr,c  ESspEUVTjffetöC  tou  £v  Mxpa0d>vi 
Top.bou  f/.e'/pi  tou  1890,  6~6te,  EVTOAfi  tvis  ysvix.v}«;  'Ecpopsix«;  TCÜV 
apYaiOTY)T<üv,  ävEAxSotAsv  tt;v  ex.  ve'ou  Si'  ävx<Tx.x(p7K  epeuvav  tou  u*.vy)- 
[AEiou.  'Hp^aueSa  Se  twv  ipyaatwv  Sta  Taopou  Exavö?  eupsia?,  x.aTa 
to  apx.Ttx.öv  tou  ccopo'j,  0.7:6  ir^  Tcepioepeta?  rupö?  to  >t£VTpov. 

'H  TrpwTr,  öaco?  ocüt7]  aicoweipa  yijxöv  Sev  ecvev  E'jvo'ix.coTEpa  är:o- 
tiAinu.xzx  tcjv  äTTOTTEtpöJv  too  2y>ig(jt.av,  x.aOöaov  xal  7]aEi<;,  {zetoc 
V){i.spöv  tivcov  avaaxafprjv,  cpOz^avTE?  si<  ßäÖo;  Otto  ttj?  £?:,.cpav£ia<; 
Tp'.cöv  TZEpirüO'j  [AETptov,  Eupou.Ev  a^Oovov  oooop  ävayx.acav  V)(A&(  Et? 
'J-o/wpY.Tiv.  'Ev  toütoi;  £Qr,xo)vOü9ri'7aa£v  ty;v  ^pyaciav  ^77tyEtp7)aav- 
te;  (Xvt'.Oeto);,  ex.  too  p.Ecr^u-Sp'.vo'j  tt(;  fcepiaepsiac  6pj*7;8eVT65,  p.Ei- 
^ova  Ta(ppov,   7    ^.E'Tpcov    r^aTOu;,    ywpoovTE;    wpö?   to  XE'vTpov,    tva 

CUVTi>£GOf,    O'JTCO;   T]    T0(X7)  TO'J  T'JU.^O'J.    Zx.7.-T0VT£?  §£    ECp'   »XavOV  JTpÖ- 


0    EN   MAPAeQM    TrMBOS 


49 


vov,  y.aO'cv  ou^ev  a&iQV  )vöyO'j  r,  xoaipe<Ti$  too  ycöy.y.TO;  £•!?  *pcö?  r'yx- 
yev,  io0iia|7.£v  teao?  i~[  eö3c<po'j?  uypou  s-!;  ßaöo$  2  a.  iico  ttj?  <r*)- 
u.6ptvYK  67Ci<pav6ia?  Jta8'  öwcav  to  Ix  26  [/..  [a-7,/.o:  tt,;  ra<ppou.  Eu- 
t'jvöj;  7]  wpa.  toC  Itouc, —  x.y.-rk  'Iouvtov —  i~ ETpetpsv  r.y.üv  ttjv  £'!<; 
ftet^ov  (iaOo;  fpeuvc«  roö  iodc<poug  y.a!  oCtw^  7)ouv7)6t){A6V  va.  ivaffxa- 


J/tOLlSV    TCcClTO'J    £V    l/.ETpOV    EICETI    TO   Uypöv    £07  00:    £771    TOV    6~01G'J   (XTTE- 

x.a)OoO-o    TO    tsocooocov    TTpwux,    to    Txpacyöv    yjji.iv   tt,v    ßtoaiO- 
ttjtoc  x£p!  to'j  u.vy)|/.£tou.  To  TTccöy.a  toCto,  xpy6(/.evov  awo  to'j  xxpou 

T7JC     TOU.f,<     ( 07760     Ö  ■/.(•>:     06V     CUV6TC17CT6     *ai     -po:     T7.v    TC6piö6p6iaV 
TOÖ    TUU.ROU,    IC'.V.vyj'JVrry  'vi   y.s'rpov   7]    XXI   7CAE0V    ETI   TCOAAaYOtJ    ä~(0- 
TtpOV     TO'j     KEVTpOU     TOÖ     TUJAüOu)     6$6T«IV6TÖ     TCO;    TO    X.iVTCOV    'TOTX- 
ATHEN.   MITTHEILUNGEN    XVIII.  4 


t>6  h.    STAUE 

yj$  xxi  i<jo~'jkvov,  (XTTOTS^ou^evov  «  Ei;  ÖTrgpgiGf/.aTo;  ex.  öaXa<j<na$ 
aaao'j  xai  [A0t(,Y)$  tivÖ?  ÜTroTCpaatvyi;  gL/.Trgp'.g^ousr,:;  (J/v)Y(xaTa  (Jt,apj/.a- 
puyiou  »'. 'Etci  toö  OxspeirraaTo;  tootoo,  au.*  tyj  äcpatpg'asi  toö  a.770- 
[xsivavTo;  ettityiSe;  Xstttoö  axoöiu.xTo;  ErtyiosEcoi;.  av£<paivovTO  bntx 
aTTOTSfppwaeva  gxeXetgW  aTaxTcos  epp'.aae'vwv  iizl  tt,;  77'jpa;.  Ta  iyvr, 
Taöra —  oioti  ocXr/Ja»;  l'yvy)  u.övov  oi6)cptvovTO — t(öv  ärcoTScppcoaevcov 
gksXstüW  s^7)>,£icpovTO  aaa  t9)  7vpoc|aü(7£t,  S'.'  o  y.ai  £.x.p tOvi  avayxaia 
7)  £7vl  tottou  l^g'Taci;  toö  7cp&Y(zaTO$  utuö  67ciTpo7cyJ5  <juy)tXv}9ei<iTis  i%\ 

TOUTü).     'II    £7rtTp07wY)    aUTT,,    EVCO7710V     T7)$     OTTOta?     E^YlTaGÖY]     ÖCTraTa    7) 

ETricpxvsta  TYJ?  ävscoyÖEiCY]?  tote  Tacppou,    eSeSxiwjS    TY]V  Ü7rap^iv  TOÖ 

TOtOUTOU  <yTpcI)JX3tTO?   OtOC  TCpcOTOX.ÖXXO'J  §Y]U,0'7l£'jO£'vTO;  £V    'Ap^.    AsXtiCj) 

1890  ceX.  67,  Tzot.pz§iyf)y)  Se  G'jvs7rd><;  X3Ü  tov  iGYuptcu.öv  uou  ort 
6  tx  ogtz  Taöxa  xpurrTtov  uiya$  tuulSo;  gv  uiaco  ttj;  xotXäSo;  toö 
MapxOcövo;  &ev  YjSövaTO  vi  va  givg  6  Toccpo?  tcuv  19*2  tcscÖvtwv  'A6yi- 
vaiwv  xaTa  tt]v  7upö;  toö;  Ilspcra;  ic[iO{/.Y7)4u,6veuTOv  exeiv/jv  u.aj(Y]v. 
'EtwI  toö  outw  o  ä7üOy.aX'j(pO£VTO?  c?Tpcou.aTO;  töv  ä-OTE<ppci)uivü)v 
OdTcüv  sxsivTO  EGTrapuE'va  u.t/tpa  /Yy]x.ö9ia  j/.g^avöu.opoa  7rspt  Ta  Tpia- 
xovTa  tÖv  aptOtiöv,  g!<;  rty.xyix  toc  uXetTTa,  e;  <I>v  suovi'Cop-Ev  tce'vte 
EVTaöOa  tüv  Kupiümpcov,  oiSovte;  aaa  toötcov  ßpayjiav  Trgpiypacpyjv. 

Ta  ayyeia  Taöra  cpEpouci  xoiva?  xai  ffuv7)0ei$  TcapacTaaei;,  eigi  ös 
yetpovaxTtXT];  gpyaaia;  7roi7)j/.aTa,  £v$ia<pg'povTa  [/.ovov  ö;  7rpogp^ö- 
p.Eva  ex.  p,v/)|/.eiou  (t>pi<7(/ivY)g  jrpovoXoyia«;  xai  iCTOpwy)?  <r/)u.a<j{a;. 

Toötwv  to  Ott'  äpi9.  1  (EöpY)T7)piov  Tev.  'Eoopda;  1582),  u<j/o; 
i'yov  0,15,  6t)covi£ei  tov  'Hpax'Xvi  ev  j/.e<j(ü  Suo  i<pt7r7ro>v  äu.a£öv<j>v, 
cpepouGcöv  u<]/"/)Xa.  xpavy],  xxTaSäXXovTa  Kicxpov.  Ilap'  aüxa),  £xi 
/.>.äS(ov,  ^EpövTwv  fy-£yÄXo'j;  ).£U/C0u<;  y.apnoö?,  avyjpTy({J!.Eva  tlal  i\).x- 
Ttov  >cai  (papETpa.  Tö  po7raXov  <paiv£Tai  o-icOev  toö  xa7:pou  Xeux.w 
j^p(i)(jt,aTi  (ic>ri'kziy.y.iviö)  yEypav.t/ivov.  '0  'IIpax,Xr(<;  cpepst  epuÖpäv 
Tatviav  77Epi  ttjv  XECpaV^v  y.x\  TE^apiöiva  Xeuxoö  ypwaaTOi;  (e^ti- 
XetauEvou). 

Tö  U7:1  äptÖ.  2  (Eöp.  1897),  ü^ou<;  0,15,  etx.ovt^et  ettigyii;  Söo 
£Cpi7i~ou;  äaaCöva;  x.ai  ev  tw  ^-e'^co  toÖtwv  ttjv  'AÖtiväv  etutiOep.e'vyjv 


1  'II  iccptf^pita  tou  uTiEpaaiiaro;  zaO(ö;  E^ävrj  ev  rrj  toj-uJ  i4 '  8r)Xo'jTai  ev  tw 
T/yy.i')  oii  jj.iy.pöiv  ypa[i[i(IJv,  6  oi  iv.  anyiAtov  awyy.£i[JL£V05  xüxXo;  etv£  tj  xax'  etxaaiav 
j'jjA^Xrjpwaij  aütrjj. 


O    EN    MAI-A0QM    Tl'MnOI 


M 


S'.a  Söoaxo;  Jcaxa  ü-oyoopouvxoi;  oxXixou  (Tiyavxo;)  «pepovro?  xpxvo?, 
aair&a  xal  8opu.  "Iyw,  tpuöpoö  Jtai  XeuxoO  ycciV/xT'.Tuou  öifltxpivovTat 
KULuopcöc  scai  ettI  xt,:  eixövoc  xou  otVYßiou  toutod. 


Tö  üx  äptO.  3  (Eup.  1894),  u-}o:  l'yov  0,15,  iucov&i  8uo  2a- 
xupou;  opyoutxevou?  xal  sv  f/icco  auxcäv  xöv  Aiövuaov  xa6y;i/.evov  xpa- 
xoüvxa  xe'pa<;  Sta  xr,?  yeipöc.     ^'/y\  tpuöpoö  ypwu.axo;. 

Tö  ü-'  apiö.  4  (Eup.  1549)  ud/o?  e'/ov  0,17,  xapicxa  xE'Optxxov 
ou  STCißaivei  vuvt)  r,vtoy oüaa '  xap'  otur^i  o  iotgivtou  oüco  e'xepat  yu- 
vatxetai  {Aopcpai,  rpirif]  Vi  xzOvixai  ex!  e'Spa;  xpö  tqö  apuaxo;.  Iyvvj 
}>euxou  xal  IpuGpou  yptoij.axo;. 

Tö  ux'  äpiQ.  5  (Eup.  1892)  u^o;  £yov  0,26,  xapi<rxx  xEÖpixxov 
äpua,  ou  ETT'.Saivei  ivyjp  toö  xuxg-j  toö  A'.ovücou.  EIXy)<uov  tüjv  i'x- 
xcov  i'cxaxai  yuvyj,  [xaxpov  cpepouua  viTÖva  x.a.1  xpxxooca  xpöxaXx. 
"Eu-xpocOcv  xü>v  ixxoov  ö  'Epu.r,?  xpaxüv  xyicuv.eiov  .  Kai  sx!  xr,s  e'.xo- 
vo;  xauxr,;  S'.axpivovxai  dtu-uöpöc  i'yvr,  dpuöpoö  xai,  Xsuxoö  ypcouaxi- 
oy.ou.  Tä  avcoxepü)  ayyeia  usxa  xtvwv  xapsü.^spaiv  aXXcov  xai  xxXxt; 
{/.exä  Ötxwv  O"y)[/.0fft6u9si<TTK  £v  u.,.xpoypaipia  iv  xco  rcivaxt  xr(;  xpüxris 
Yjacöv  Sr,u.0(7i£UG£(i)?  iv  AeXxüo  1890  (xiv.  A')  r,Gav  xä  acva  EÜpr,- 
[/.axa  xr^  xpcüxr,;  rjaüv  Iv  xcf)  xua€co  ipsüvr,;. 

Ai  Süd)  STSpai  ?)[/.(& V  epsuvai,  x£p;.  wv  sxTEvc'cxepov  6a  6a,.'Xr(<j(ou.£V 
£v  xf,  öiarpt&fl  xaÜTr,  ev^pyryO^aav  xaxa  xö  ös'po;  xal  xö  cpÖ'.vcxcocov 


52  n.  fiTAtiü 

toO  stouc  1891  (wp.As>Tiov  1891  «X.  34.67.97)/H  ^püro  twv 

Epeuvöv  toutcov  (c^e'Stov  ^7)(p.  /l ')  syevsTO  xpo<;  to  [/sGrj^pivcavaToXi- 
xöv  tou  TÜp-Sou,  -apa~^£Üpco;  tv)?  xaTO.  to  7rpoviyou[/.£vov  eto?  ävo- 
puyG£tcrr,(;  Txopo'j,  §'.'  äv.TtvoEiSo'j?  TO(JiV)$  [/.iqxou^  30  ja.  xat  tcX.  5  p 


Kai  xaxa  ttjv  epyadtav  tocutyjv  t>5?  izywaaTWTgü)?  tt,«;  veoc«;  xaopou 
O'jokv  —y.p£Tr;pr,0r,  aC'.ov  '77,a£tGj'7E60<;.  Et;  to  ocuto  ok  ßaOos  toov  rptcüv 

TTEpiTO'J    U.ETp<üV    ä~Ö    TY)^     CTJfJLepiVY)?     ETlCpavEta;    <XV£'jpOU.£V     /„ai   uaXiv 

to  TTpdiaa  tö>v  ooröv  |/.6Ta  tcöv  £<j7:ap|/£va>v  Xy)xu9i<i)v,  äpy6j/,£vov 
xa.6x  xat  £v  Tf,  TcpoTEpa  raopcj).  ouvl  «.wo  T7J5  TTEptfflipeia?  TOÜ  TUlt- 
bo'j  «XX  i;  7.7:o'77  7.'7£oo^  2-3  txETpuv  —AriTiETTspov  r:pö;  to  xeVrpov. 
Ouoev  £i/£  Sc  r,  e^trads  toC  <TTp<i)fX£TOC  toütou  to  t'vS'.aoEpov  p.ey pt 
Tivö^,  x.aO'  Bffov  x.aT' oü^cv  7cap7j'XXa^6  toOto  toO  c-rpcöi/aTOi;  tyj$  rpo- 
T£pa?  T«<ppou.  'A^Xic  7rpOYö)poCvTS5  -po;  to  xevTpov  it(  aTTÖCTactv 
[)cavr/V  i-ö  Tr,;  iccptaepeia;  7fpoffejtpouGa{A6V    et;  y.xTaT/.Eoocsiv.x  :;>.tv- 


ü    EX    MAI'AÖÜNI    TTMBOS  53 

öivov  ewtywixs;  x.xt  crevov,  Xo£oi;  ywpoov  iico  fjteoTf){i6pia;  7rp6;  %p- 
x.xov.  To  x.xxasx.Eux'jp.a  xoöxo  äpy6[/.£vov  ä— o  xoO  evo;  ax.poo  xr,; 
Taq>pou  yjjaöv  eoatvexo  ywpovv  6x6  to  /_wu.a.  toö  pj  iveoxatiuivou 
ert  ävaToXix.o-j  T(JW){AaTo;  toö  tu|a6ou,  oY  o  xat  iSenae  >a  ETCiYeiprj- 
Tcoaev  Tpimv  ivöpufrv  xz/ppou  ävaxoX-.x.cöxscov  xr,;  SeuTepa;  (aveSiov 
4r,<p.  /?').  S'JVTeXeaBetovj;  §£  xat  xx'Jxr,;  x.axx  to  oO-.vÖttcooov  toö 
1891  y)S'jvy;6-/)a£v  vx  i^eTdcdcapisv  öXöxX-yipov  to  7rapx$o£ov  owto 
x.xxai7x.Eua<Tua  to  pixo;  e^ov  5  u.g'xpwv  x.xl  -Xxxo:  1   (oveSiov  -i/ro. 

/").      'A-gTEXflXO    Sg    TOUTO     EX.   "XÄlvOtoV     WU.GJV.     UlJ/O;     EYOUOÖV    0,37 

xxl  ttx/o;  0,  10.  xaöerci);  TgOgij/ivwv  ewt  tv;c  g-ioxvgta;  toö  <7xcw- 
(iäto;  oütcoc,  öjctö  v'  äwoTeXrjTCti  ev  op0oy<i>viov  wapaXXYjXoypau,- 
[xov.  Tive;  Toiv  wXivöuv  xo-jxcov  laravTO  Iti  opöai,  5w&>;  6Te6*|<xav, 
ai  x>£t(jxai  ou-u?  xouxwv  siyov  xaTaiceaei,  k'vsx.x  toö  ßzoov;  toö 
^cÖiaocto?.  evösv  75  Ixei06M  tyj?  auXaxo;  ttj;  syru-xx^ouEvr,;  ix  toö 
öix  xcüv  7rXtv0ü)v  xooxcov  xotycotiaxo;. 

H  g^g'xaTt;  toö  g(7Ct)xgpi>coö  xrj;  a'jXax.o;  xxuxr,;  x.xxe'Se'.^ev  u.iav 
6TI  cpopxv  ävaa(pi^r;xyixov  tyjv  ujrap£iv  ßö6po-j  r]  «  <rovoö  »  cö;  x.oi- 
vü;  gx.Xr,6r)  vj  a>jXa<;  auTY),  vj  xotov  cr-jyvx  eöpioxotteV/]  et;  toi»;  tu«a- 
bou;  xcöv  eXXrjVixöv  ^povav  ev  'EXX&oV.  "O.xt  -xpsTY)pr,Or)  gv  xw 
Tü(i6cp  «BoupS«»  (-p.  Athen.  Mittheilungen  1890  <reX.  320 
*xi  e£.)  o,ti  ev  BeXavio*e£«  ***  äXXa^oö  xaöwTaTai  fyexix.üxg- 
pov  xx  vuv  Siä  xvk  a;coxaXu<{/6<i>;  ttj;  auXaxo;  taut*);  öwo  xöv  im- 
yxv  Tüfxbov  xcüv  lAxcxQtovou.xywv.  'II  x-jXa£  $s  kuty;  rcepieiYe,  c'-w; 
xat  ev  Boup6$  xat  aXXapö,  opxrx  i'/v-/)  u.eyy.Xr,:  wupa;  ava<pÖ6ta>j; 
evxö;  toö  xoiXcöaaxo?  äuttIc,  errt  tyj?  Te'^pa;  &£  x-?j?  gx  tyi?  Trupa? 
owyjpj^ov  a«p6ova  Xet^ava  g'ogajjtaTWv,  olov  öaxa  "(wcov  x.ai  tcttjvöv, 
xgXü<p-/]  (öcöv  /.Xx.  To  TPapaöo^OTepov  öy.co;  ttxvxcuv  elve,  öxr.,  öttw^ 
xai  gv  xat;  aüXa^t  töv  aXXcav  6<p'  7)f/.<5v  ävaax.a'pivTwv  xüu.Swv, 
oüxoi  x.a;.  ev  tu  xuaSw  xo-j  Mapaöaivos,  6  ßöOpo;  TCepisivsv  ei;  Tsaa- 
yta  £<j-app.£va  x.aO'  aicav  xo  ar^o;  kvitoö  (toö8'  OTCßp  x-oSe'.x.vüe-.  xr,v 
ix  7cpo0eos<i>;  ouvTpißriv  aOxoiv )  xä  ev  toi;  -ivx;t  ll-V  ^(loaieuo- 
[^.gva  ayygtx,  ouyxoXXirjöevTa  [aetx  Tr)v  wspiouXXoy>)M  xä>v  xgax/icov 
aüxüiv.  Ta  äyy£tx  Se  xaöxx,  -£pi  cov  /CXTCurgpa)  EvStxxpt'yoagv  gv  Xe- 
7cxoa£p£tz,  tö;  x.xt  ex  xo'j  Tyr,axxo;  aütüv  ipaivsrat,  eypv;oiu.07rotY)- 
orjoav  xxxx  xr,v  TeXeww  ouptwooiou  tivo;  7]  a  wspiSsiwvou  »  öxso  ttxv- 
xw;  x.x;.  gvxxüOx   <)x   gT6Xe'ö8Y]    x.xtx   ttjv    iicoT6©oa>oriv   töv   vexpöv 


54  B.    ETAHE 

?:p6  Tr,?  äveyEpirsüx;  tou  tuuoou.  Ai£7rpxyuxT£<j()7),usv  xXXote  ekteviIx; 

TX  77£p;.   TCüV    ßÖOpWV    y.ai   TCOV    iv    <iyir;:<d    70'JTIOV    TsXouU.s'vtOV    «  TTEp'.SEl- 
77VIOV  ))    7]    <X  iv.XUCltOV     £-'.<DOpd)V  »     £V     TT,     TTEol     BoUpßöi     BxOs'ffSl     y,|J.(öV, 

ty)  oTOtf-oateuOsiaY]  iv  xX),cp  -v'r/v.   tou  icapövTO?  7«piooi)tou  ffUYypau,- 
jxxto«;  (Mittli.    1890  ffeX.  320  jwti  i$.)  S-."  o   )cai    %h   i-xvxXxa€x- 

VOU.SV    ivTxOOx    0<7X    i/.£l    EliOiGXaEV. 

'AXX'  6-co;  x.x;.  e'y.Ei  e^etx^ovte;  to  -pxyux  i6£ci)p-/)<7xa£v  tö;  ßs- 
oxixv,  xai  Evexa  tcöv  yevoi/.e'vcov  — xcxTTicr.GEcov  iv  toi:  xvxTy.xoEisi 
u<p'  7ji/.cöv  tuuSo'.;,  xai  evsxx  tcöv  ffYSTHttöv  storjciecov  -xpx  toi;  xp- 
y^aioig,  Tr,v  teXec.v  cja-o^icov  o'ly.oyEv£'.xx.cöv  y.XTX  ty;v  r,ae'pav  tou 
ivTacp'.acfy.oij,  outco  Jtal  ivTXuOx  oüSöXco;  oy-voiJi/.Ev  vx  ü::o<7TY]pic;couEV 
Öti  xai  r,  xrroy-xXvoOE^x  iv  tu  T'jaScp  toutco  x'jXx£,  ö  ßod^üQ  £ivs 
6  y.XTX<jy.Euxc"6£l;  y.XTX  t'/",v  7)i/.£pxv  toO  ivTXO'.xo-aoO-  tcöv  uxyyitcöv, 
xai  Iv  tö  OTTOico  zapE^wO'/i'jXv  tx  Xei^xvx  y.EyxXou  xai  i:uGr;y.O'j  cja- 
rroaio'j  teXegOe'vto;  e!;  {avt}u.y)V  xÜtcöv,  xxtx  tx  e'O'.tu.e'vx.  Tx  ävE-jpE- 
Öevtx  &£  Ei;  Tsaxy.x  iv  tcö  ßöOpjcp  tO'jtw  xyvEÜx  ßE^xico;  iypr.aiaE-j- 
cxv  cö;  crx.S'jY]  y.XTX  t/jv  te'Xeg'.v  toO  Gja-oatou  tO'jto-j.  'Apy.Ei 
ös  xttXt}  iiövov  TrapxSoXy)  tcöv  xyy£tü)v  to'jtcov  -po;  tx  iv  tcö  ßö6pco 
tou  iv  Bo'jpSx  tuliSo'j  xv£'jp£OivTx  (Athen.  Mitth.  1890  tciv.  XI. 
XII  xai  <teX.  325  xai  326)  Öttco;  xx-TX^Et^Y;  ße€aiov  to  TrpxytAX. 
Aioti  xxi  evtx'jOx,  ottco;  Ixet,  6  ßöOpo;,  rcepteive  Xco-xSx;  xai  xucpo- 
psi;,  yitoi  ffxeuv]  t"o;  oixiaxr,;  vpric£(o?  uaXXov  y)  XarpeuTisca  cö;  xi 
XrjxuÖoi,  tx  xXaoaffTpa  xtX.  ariva  eüpi(7)cou.6v,ti>?  tx  -oaax,  ei;  tou; 
xo'.vou?  rätpo'j:,  eupop.ev  Se  x.xt  iv  tö  ttcwl/.xti  twv  ÖgtcZjv  toö  t'jü.oou 
toutou.  Kai  xat/Jcö;  aiv  6  iv  tu  -iv.  II  S75u.Offi6u6u.evo?  aucpopeu?  Sev 
S'jpEÖv)  £vto;  Tr(;  a'jXxsto;  xXX'  e/.to;  auTrj?  (I'Se  aysötov  ^9.  J') 
ävxa<p'.cor,Tr,TOv  oaw;  eive  oti  y.xi  tö  xyysiov  toöto  xvr,/.£v  ei(  tx 
G/teuY]  tx  ^pyjffiu.o7vOt7i0evTa  x.xtx  to  -ec^ei-vov  -cöjtov,  S'.öti  e6- 
peOvj  ätAE'ca)?  e^cdOev  tt}?  x'jXxx.o«;  rzXr^iinzxix  txutt,  ,  SsuTEpov  ö'.oti 
evteXcü;  öixoocov  Eive  tgjv  xXXwv  -oXXcöv  [7.i/tpcöv  xyyEicov,  tüv  Xa- 
TpEUTix.oiv  oütoj;  E'!-e£v,  xtivx  6upe07)ffav  ia-xpaiva  i-i  tou  CTpwaa- 

TO?   TÖ»V    OTTäiv,    X.XI   TpiTOV,    SlOT'.    ÖUOIOV     £tV£     7Tp6;     TO     EÜpeÖEV     £VTO<; 

Tr(;  x'jXx/.o;  tou  iv  BoopSx  tuu.6ou. 

'E*   T(I)V    XVWTEpCi)    XO'.TTOV    'yXVECdJ;    7Pp0XUTtT6t    OT'.    /.X'.   6V    MxpxÖd)Vt 
XaTX   T7)V    TXO/,V    r,    ÖpOÖTEpOV    XXTX    Tr(V    IX7COTe<pp<l>fftV     T(ÜV    7TT(i)aXT(OV 

tcöv  oove'/Je'vtcov  x,xtx  Tr,v    azyr,v  ttoXeij.'.'jtcüv  Kai  Trpo    tt,<;    avsyep- 


0   EU   KAPAeQHI  TTHBOS 


<T2w?  toö  Ix  /cöuaTOS  xoaoctcoö  Ixeivöu  toö  öi|»ou(Aevou  ev  tö  Lte'ffcp  <rifc 
wgpixXgoös  xoiXao*os  toö  MapaOövo«,  ot  vixyjTai,  iwav«X06vT6$   Ix  tijc 
X<XTa&«^«ö«  töv  E/0:ÖJv  ||«  T6  ~e8iov  tt)?  y.z/y;?,  irgpKJuvg-Xgfcv  tou; 
vexpou«  aürcöv  v.ai   i'Oa^av  toutou*  SMTOTffpäaavTic    rz    ccou.aTa    ev 
EOpTY)  xai  (TUfATFOfftcp  ei;  Tipjv  tt5s  ävSpsix?  auröv.    'AveyepeevTO?  Se 
toö  («yaXowpgwoös  tü>6ou  Iwi  ttj«  Te'<ppx$  ocutüv  g&)xoXoüe»<rav  <pai- 
vErai  teaoövte;   o(  otxetoi  äutöv  xxt'  SviauTOv  tx;  Iwtoopa?  gWI  TOÖ 
ruagou,  SlÖTi  xaTa  to  fccpov  ty*  Tpfa|<  topfe,  rjv  E-EyEip-^ay.Ev  xara 
tq  yOivöxcopov  toö   1891  ivgüpopgv  I::!  toö  x^äto«  toö  tü|a6ou  ei; 
ev  piTpov  ßäOov;  cysSöv  awö  ttj*  i-ioavsia;  ttj;  ff7){«piv?K  i'/vr,  a(J- 
Xaxo?   ttXivOiv/);  ( i'Ss   o^lSiov  i|wp.  ig")  |v  {  xxl  otrrft  gäro  gfyopev 
xai  teuö/ix  ayygfcov  ÖXiyx.   *H  aöXa$  ö>co;  aur?),  kts    göpurxopevn 

ETUI   TYJ?   l£ü>TgpiX>fe   £XlQaV£ia;   TOÖ   ycöuXTO?  TOÖ     TU>€ou    XXI   UW0X61- 

f/.£V7i  <juv£rdi;  ei';  Trpo/jipov  avaaxxXsuffiv,  ^ro  xaTgaTpappe'vT]  outg*, 

<0<TT£    Sev   TjSuVyj0Y)^6V    0UT6   TO    f«}XO«    aUTT)«    vi    E^XXp  igcUcüUEV,    0ÖT6 

toö  -EciE/oy.svou  aÖT-?i;  vi  7r£pic-jA)i;couEv  ti  a;iov  Xöyou,  o\Öt.  xai 
ra  göpgGgVra  Tsuxyia  töv  ayygfav  (Xowa&cov  xuptw?  TOiaÖTa)  tjoxv 
evt6Ag>;  I<p9ap[«'vx.  Movov  7]  ßggatOTT)?  TTpoexu+sv  Ix  tv;;  Sp6ü\?,? 
yjpöv,  Sti  xai  £-i  T>5?  s$<öT6pix>)$  £-i<pav£ia;  toö  tu>6ou  O-y-pysv  au- 
Aa£,  ßöOpo;  TOUTfiffTC,  ev  co  -xvtco;  TcapgyrifaKrav  Ta  Xgfcj/ava  Iviau- 
sicov  Ttvöv  E7ri?opc5v,  5tco;  aürö  toöto  xaTeSeixO»  xai  ev  tco  Tu>6cp 
toö  Boupgft,  EvOa  £x.tÖ;  ty5?  auXaxo?  t*k  ö-ö  to  ycoux  xai  wpo  tou 
Tacpou  £ÜpEÖ£iG--o;,  a7WxaXü<p6y]    xai  fa'pa  fut£w  gfr>T6pixö?  toutou. 


11 


Ta  ev  toi;  7:iva;iv  II  -V  &»(*omguö>gva   dtyygta   -poc'pyovTai,  ö>; 

EITTOUEV     ävCOTE'pcO,    TXVTa    EX.    TOÖ     OT^OW,     SlOTl     XXI     6     EV     TCO    7CIV.     II 

appopgus,  Si'  ou?  E^OscaaEv  X6you5,  ^'ov  va  c-jyx.xTaTa/O^  ■[;  Ta 
toö  ßö9pou  ayysia,  xaiTEp  uttoXeioOsi;,  ayvcoTTOv  Sl«  riv'a  Xoyov, 
e^coOev  tv-;  xuXaxo^.  Ta  iyygia  Se  txötx  s6pi6v)9av  e-!;  TEax/ia.'  cov 
Tiva  wapepptjAjxe'va   B|s  Sii<popa  toö  ctevoö  o.ior>,  Si' o  xtil  «ixikaausv 


56  B.    STABS 

iv  toi;  xvcote'cco  Sri  r,  CTuvrotS"/]  xvtöv  syevsto  Tx.o-iy.co;1.  'Aaa'svtxuOx 

-::v   -/■  -ooodjy.jv    si;    ty;v   x.xt'  ioixv  TcepiYpa^Yjv   ivö;   i/.in-ryj    tou- 

tcov,  OecocoGv-Ev   avavxaiov   vä.  si'-coa£v  OAlYX  tivx  Y6VtKX  —  spi  toGtcov. 

OGcjivx  o'.xAxvOzve-,  (jEoxico;  Kai  z'j.x  Tri  7rpOGbA£'.|/et  tcöv  ti.vxx.cijv 

CT'.     UETaCO     TCÖV    XYY6l(J>V    TOOTCOV   itTZ  XZ/ rj'JG'.    OMCDOpai    T'.vic.  A-.' o    ixv 

t,0eaev  icETXCE-.  t'.c  ypovoAoy.x.cö;  x.'jpico;  tx'jtz,  $ev  Ox  iaxvrE'j'JEv  i'<7co; 
6ti  ttxvtx  tx  Iv  Toi;  Ttiva^t  toGto'.;  eixoviapiva  XYYeix  -poipyovTai  i; 
ivö;  Kai  toG  xGtoG  tz^O'j  Kai  i-oi/.ivco;  ort  eivs  <j'jyycdvou  ypYjesco;, 
ixv  iöEix.vuovTO  xGtcö,  xveu  Gto^e'^eco;  ty);  (j)pi<ru.£VY)?  xGtcöv  —poE^sG- 
geco;.  Kai  yvcoGTOv  l/.ev  iyivETO  Kai  Stx  tcöv  iv  'A/.poTTÖXet  ävxa/.x- 
ocöv,  y.xL~z?  xy.yi.GloY-rl()iv,  oti  r,  —pd  tivo;  iTix.pxToGca  ypovoloyi*-/] 
KaxxTaC'.:  v,to  -/.r.y.y.EAr,;  Kai  XGuy.S'XxGTO;  -po;  tx  icxyöu.Evx  tcöv 
ve'cov  ipsvvcöv,  x.xOögov  yjöY]  iv  tyj  7rEp<7'.x.YJ  xaAOuue'vT]  i-iycÖGEi  TT)? 
AKpoTCÖXsco;  xvs'jpi<7x.ovTO  xoOovx  TEy.xyix  ip'jOpoy.jpocov  Kai  ueAxvo- 
aöpocov  äpyx'ix.cöv  äyyeicov.  xAAx  tx  ex.  toö  MxpaQcövo;  £Gpr,axTa, 
ävj77o),oyic7TO'j  c-O'j^SxLÖTrjTO;  ovtx  oia  to  tbpi<T[/.evov  Tr,;  ypovo^oyix; 
aöxcöv,  ou  iiövov  £-'.?£ox'.oOc7i  t<x  i^ayöasvx  tcöv  ev  'Ax.po-ÖAE'.    xvx- 

GX.X9CÖV   O'.X  TT)?  £0p£«JeCi>;  X.'jpico:  TOG   SV   TCÖ   ~ivXX.lV  Ü-'äpiÖ.  2   EpuÖpO- 

{jLop^O'j  xyysio'j,  x^Ax  x.xi  x.xTx^s'.x.vjO'jai  7C6,rcXav7)u.evYlv  ttjv  G-öOegiv 
oti  äyysix  xpyx't'x.cÖTSpx  tcöv  |/.SAavO{A6ptp<i)v  cö;  X.  y.  tx  toG  xttix.o- 
/topiv6ixx.oG  p'jOaoG  ösv  r,c7xv  iv  yzr,nsi  G'jyypovco;  toi;  e p •  j 0 p o tx 6 p cp o t. ^ . 

T6    TCO'.X.i^OV    TOÖ    puÖlAOU    TCÖV    ix.    TOG    GTSVOG     TOG    £V    MxpxOcöV'.    TGaOOU 

äyysicov,  oeixvüei  craocö;  6t-.  Kai  x.7.tx  tz;  xzy'xc,  eti  ty|;  E'  -.X.  ix.a- 

TOVTaSTr,piöo;  ou  ;aövov  iv  vpyjcyei  v.txv  o'jyypovco;  tx  xtj6  toG  äpyxi- 
koö   p'jOaoG    xtt'.x.ox.oc'.vO'.xx.x    [A£/pi  tcöv  ip'jOpoaop<pcov  xyyeix,  ä^A* 

ÖT'.    X.Xl    X.XTEaX.c'JX^OVTO    ETI   TX   TTpcÖTX    TOOTCüV     X.X'.     iTTCoXoÖVTO ,    ÖtOTl 

ßEoaico;  ö£v  SüvxTxi  Tt?  EuAÖycoi;  vx  i^yopicOf,  6ti  icp'j^aacTOvTO  txotä 
xtto  [xaKpoo  ycovo'j  iv  toi;  oi'x.ot?  tcöv  ypr,T'.u.07:otrJ'7xvTcov  a'jTX  x.xtx 
t*/;v  T7.07,v  rjoyyEvcöv  tcöv  ttetÖvtcüv  i/.xyY,Tcöv  ö~co;  Sk  iv  toi;  xy- 
ysioi;  to'j  apyy.'.oTcco'j  iv  Boupoa  TUixbou  eüco^ev  tov  tcocotoxttix.Öv 
poOv.öv  (Athen.  Mitth.  J  8(J0  -iv.  X)  iv  G'jyypovto  ypr^Ei  Tcpo;  tov 
aTTix.ox.op'./Oixx.öv  (r:iv.  XI.  XII)  oGtco;  Kai  ivTaOOx  £Üpii/toi/.sv 
tov  TEAE'jTaiov  toötov  jastx  |/e Aa voy.o pocov  x.xi  Spu0pO(/.6p©ü>v  äy- 
ysiwv.  Tx  euprjjtaTa  outu  töv  ^Ocü  toütwv  tuu.6ü)v  Se'.x.vGo'jcjiv  yjaiv 


1  [Ip.  xat  Athen.  Mitth.  1890  acX.  322. 


0  EN   MAPAeQNI   TrMBOS  ol 

tt)V  aS'.zT7:3c<7T0v  äXuaiv  t-?,;  xvxttt-j^eco;  tv;;  XYyfiiow^aarixiji  et:! 
evx  irspurou  aiüva. 

'Ev  -to'jtoi;  a£iov  7rapaTY)pr)<re<i>;  eive  oti  u£tx;'j  tou  [/.ey&Xou 
apiöu-oö  ToJv  Tsaayiojv  tu>v  fieXavoaopowv  x.x;.  £pu9pouöp<p(dv  xyyeuav, 
xtivx  eupeSiocav  ev  tyj  -Eprrix.r,  i-'./u>r;v.  tv;;  'Axpo7CÖXe<i>€  oXiy<OTepa 
cyeT'.x.üi;  uTtap^oufft  ziu.7.y<.y.  iyyeiwv  t?,:  xpy/ix.coTepx;  täuttj?  ~s- 
ptöSo-j.  Touto  o;a(i>;  Se'ov  i'o-w;  v'  ä-oSoOr,  o J/i  ei;  aw&viv  T'jyov  yj 
eAXei'}iv  ayyeicov  toioutou  p'jOiaoG  x.xtx  toG;  Trpö  tt,;  etc.^oj'jeco;  £po- 
vom;,  äXA-  ei;  to  <r/£T'.x.cü;  SucypyjUTOV  r,  uxXXov  xx.xtxaav.aov  toG 
GYY)(AaTO$  twv  to'.O'jtwv  ayyeüov,  xtivx  uxaAov,  a>;  eI'-ou-ev,  £■.;  ot- 
xixx.x;  yzTiiuc,  7cpoiooi<me'va  rjcav  >5  ei?  XaTpsuTixa^,  x.xO  x;  tcävtio^ 
i-poTty.(üvTO  ai  xou.(|/ai  x.Gaix.e;.  ol  x.pxTr,Gs;  ai  (pufcXai  x.tt.  e^  wv  ü>; 
tx  ttoAax,  x-qteAoGvtxi  Tz  iv   'AxpowoXet  ei;  ayyeia  6up7)u.aTa. 

'ApvOfAevoi  Se  rä  vüv  t*/)$  7repiypa^>>]$  tcov  ev  toi;  ttivx^'.  r.aüv 
£ix,oviTa£va)v    äyyetwv   —xpxT'/ipoGaev    rcpäTOV,  oti   ttzvtx   tx  ayyeia 

TaÖTX  eifflV  EX.  TeiV.XyitoV  <7'jyX.ex.0AA7;U.E'vX  X.X'.  X.XTX  TO  U.XAAOV  7)  T,T- 
TOV    SXXlTCT]    61$    T6p.aYta    F'5    6Up60eVTa     X.XTX     T7JV     XVX<7X.XOr,V  ,     TO     (X£V 

EVE/CX    TT];    TcAeix;     X'JTCÖV     CUVTptSvj?     £'-;     EAXyiTTX     OpGv.aXTX,    TO     ÖE 

e'v£x»x  tt;;  Iauo;,  y^tc;  £GV7){i.XTi(,eT0  x.xtx  t/jv  ävacxaafiV  ex.  tou  xvx- 
oXu(,ovto;  Göxto;,  oioti,  <I);  eiirouev  xvcote'og),  r,  T£Ae<jTxtx  xvty) 
epsuva  tou  GTevou  lyeveTO  x.xtx  to  oQivö~oüpov  tou  1891,  o~ote  bi- 
yov  yjoVj  apyieret  ol  üsToi.  IIxpxTYico'jasv  S'  ewi  toutoi?  oti  xai  r, 
StXT'/ipr^i;  T(öv  äyyeiwv  to'jtcov  eive  y;ttov  x.xat)  r,  öcov  iv  to£;  ~i- 
va;i  oaivgTai,    oioti   x.xi    6  ^pü)aaTic{/.ö$  xOtojv  eive   xaoAoTtpo;  xoci 

TCÜV   ypxCpCüV    X'JTWV    7CX6lffTai    £V     TTj    6XTC0VYJ<Jel     TO'J    C7/ £0'.ZGU-XTO;   0710 

toG  7r£~£tpxae'vO'j  ^wypAfflou  x..  Gilliei'Oii  x-cSöO'/icxv  cjy.-Ar.pooy.x- 
tix.w;  outco;  eitceiv  ev  txi;  aoXi;  öpxTxi;  auTcöv  X6TCTOU.ep6tat(.  Ku- 
pico;  Sk  cpOopav  G-EdTr^av  tx  Süo  £v  toi;  ~iv.  II  y.xi  III  sixov«i{J.eva 
XTTi/cox.opivOtxx.x  ayyeia  tx  cö;  ex.  tt,;  y,ttovo;  xvToyr,;  toö  yavwji-a- 
to;  xGtcöv  jcai  Tr,;  x.aTCJTe'px;  toi6t-/)to;  u.xaaov  £-•/;:£X':0^vT^,.  üTCO 
toG  ypövo-j  x.xt  T'/i;  uypaaia;. 

lliv.  11.  ayyeiov  c/r,aaTo;  xaoop£co;  (->]/.  0,04)  S'.^pr.aEvov  x.xtx 
Tr(v  £^d)T£p'.x.riV  auTOU  st'.oxveixv  £-!;  £ttx  ^cuvx;  £t;.  cX.xttt,;  tcüv 
07:oia)v  £tx.ovi'^ovTxi  iv  ffULLUSTpiX'fi  o'.xtx;£'.  oiaa>opoi  aopoxi  Or,- 
picov,  ^fciprjVtov  x.xi  xvOpw-wv.  Ai  £ävai,  xi  ouy L  -xgx'.  laoüysl; 
ouaai,  xX^x  SixSo/tx.ä>;    aEi^ove;    r,    iAxo-TOve;,   ycopi'^ovTX'.    aXX^XuN 


58  B.    STAHS 

St'xx)/?;;  ypaat/.r,;  oC  IpuOpoö  ypwaaxo;  SsS'/i^waevYi«; ,  ottou  xö 
ayr.y.x  xoö  äyyEtou  8ev  a7rr,x£i  oiUry  xivä  &ia>tö<7[/.r,<7iv.  Ttjv  rcpw- 
xr,v  öt/.co;  £covr,v  xr,v  ät/icco;  ütcÖ  xöv  xpayr^ov  xoö  ayysiou  ycopi^si 
y.6<mr,t/.a  <po)a§<i>xöv  {/.ev  avw  x.at  xaivio£t<$£$  x&xoj.  '0  yptof/.axicuö; 
xoö  äyyeiou  eive  ^tAei^w-^o?,  Si'  o  xxi  ev  x*?i  eixovi  oöoat/.oö  ötte- 
ot;)>ü)Oy;,  e£  iyvu>v  xivwv  öaw<;  aüxoö  ä^uSpd»?  öiay.p'.vo[/.E'v(ov  tcoX- 
>ayoö  cysSöv  ße'ßatov  eive  ort  xö  e:uQe{/.a  (die  Deckfarbe)  t;xo 
IpuOpöv.  AiaxptvExai  ö£  xoöxo  xupito?  e^  xä?  7tx£puya<;  tüv  £7u  xtj; 
7?püxr,;  £üvt)<;  v/]<7<7cöv,  st?  xk  <pu>.Xa  xwv  poSäxcov,  äxiva  svaX),a£ 
£<p£pov  xotoöxov  ypü){/.xxiTf/-öv  xai  ei;  (/.e'V/)  xiva  xwv  £ix.ovt<T{/.£vü>v 
ö^ptcov.  Tö  ayveiov  Sev  eyet  §iay.Expi[/.EV7)v  xupixv  o^iv,  <pe'pei  o  ka- 
xfi'pwOfiv  6{/.oiav  7r£piTC0u  Siaxö  <?{///)  ctv,  Eyoucav  oöxa>  :    'Etci  tyj?  ev  xco 

TktvaXt    a77Et/C0VlG{/.£VY);     Ö(j/£(D;     ßTixOt/.EV     Ext     T7J?     TCptoXY);     £li)V7);     T*fc 

ywpt^o'jT'/]«;  xä  y£iXv]  ärcö  xoö  lait/.oö  xoö  äyyEiO'j  cxoiyov  vr)<T<7(I>v 
($  Jtuxvwv  ;  )  ßatvouGwv  <o;  ev  ööaxi,  xo  pau/po;  :rpö<;  xö  Eöacpo;.  'H 
£cl)V7]  aux'/i  7rspi0e£t  a7rav  xo  yEtXo;  <xveu  7rapaXXayo;.  AI  exl  xoö 
^.oaao'j   Söo    £aivai   §iaycopi£ovxai    oiä   xöv  laGüv  et?  Suo  o^ei;*  xal 

£7Tl     [/.EV     TY,$     £V     XO)     7VlvaX.'.      aX6tX0V'.(7U.eVY)?      Opcoi/.£V      aVG)      {/.6V      Ö'Jü) 

dcvxt(/.6Tü)7rou?  —  e'.pyjva;  xai  ev  xö  p.£iu  xouxoov  >iovxa  Jtaörjfxs- 
vov,  67Tt  T>fe  y.ocxG)  o£  Suco  exitt,;  ävxiu.£xa>TCO'j;  ü'piyya;,  {/.ixpoxe- 
pa;,  Kai  £v  xoi  [/.ecto  p.wpav  äv6pG)-£v7)v  {/.op^yjv  (cEpt/.oö)  xpaxoÖGav 
XTjpüxeiov,  £x,a7£pü)0£v  Ss  ava  eva  Xe'ovxa.  'Etci  xvi;  ävxiÖEXO'j  hk 
0<|/6(0?  6-y.ovi^Exat  avco  p.Ev  3taöy)j/.evyi  Seiotjv  aeraQu  Suco  ßaivovxtov 
),£6vxü)v  x.ai  xixw  x6(Tu.V)ua  ötiotov  xpö?  xö  sv  x9]  xExapxT)  ^övy)  a7T£i- 
xoviaaevov  xat  i/caxEpwOsv  ävä  eI<;  'Xecov  Iv  xiVYgaEi.  'Ewi  tyj?  Tupwx*/); 
Cwvr,;  xvii;  xo'.Xia;  xoö  dtyyetou  etxovi^ovxai  £t/.7upoc>0£v  {/iv  ouco  taxä- 
{/.£vo'.  ävxiaxspvoi  'Xeovxe?,  £yovx£?  ev  xö  u.iacd  xö  cuvt/Oe;  xaiv  xoö 
pu8u,oö  xouxo'j  äyyEiwv  K0<7U.7;u.a,  ixaxEpcoOEv  Se  ava  {/.ta  t(Jxa{/.£V7) 
2Eipr,v,  xai  OWIO06V  ou[/,7C^6Yaa  ävSpö?  x.ai  yuvaixö;  [/.Exa^u  Suw  Sei- 
pr)V(i>v  d)v  iy.axEpcriOEv  ava  ei?  >£(i>v.    'KtzI  xoö   Eöi'po'ji;   poSax.E?   <ru{/.- 

U,ET0lXä{    X£xay[/.£VO'..    'II     E7rO{/.£V7]     J/.£i'Co)V    ^0)V'/;     £yjl    ^(/.xpOTOcV    t/.£V 

S'jto  y.y.hr.u.vrj.z  ävx'.i/.ExÖTrouc  Smiyya?  xal  ev  xö)  [/.e'cw  Ttotx.'.XcöxEpov 
xoö  ev  xyj  TCpOYiyou(Jievv]  C^vyi  xoca^aa  xat  evxeöÖEv  {/.ev  <jöv,  exeiÖev 
8e  6^ri),6it/.|/.£vr(v  ttop©7)V  0Y)fi(ou,  owifföev  Se  xaxä  xö  {/.ecov  j/.op'prjV 
'Apx£[/.'.oo<;  7CT6puYO<pÖpou  {/.£xa;>j  o'jCi)  ^eovxwv,  cüv  ö£^'.ä  [/iv  y.a~poi; 
xai  äp-.TXEpa  xpio;.   'H   exou.evy)   C^^i  axevoxe'pa  oOia,   ei^-ovi^Et  e'v- 


0    EX    MAPA0QNI    TniBOr  ö9 

ösv  aiv  tx  ev  tö  mvxxs  opcöy.Eva  Oripix,  ex.siOev  öe  oOco  x.xtx  to  |it- 
cov  ävTtu-STWTO'j;  SstOYJva?  xai  xvx  eva  XIovtx  ex.xte'pcoOev ,  ou  ete- 
txi  ävx  gl;  x.'J>cvo;.  'H  te/Ve'jtxix  (covt;,  6(*.oia  TYJ  wepl  to  yv.'/.o:. 
xepiOe'st  x.'jx.aco  to  iyvgiov  xveu  7capxXX xy?,:.  Trjv  ßxonv  6e  to'j 
<j/(,e'jO'j;  auvoesi  rcpö;  to  <7(I>ax  xxTivoeioe^  x.ö<7;j.r,y.x  i£ixvou|/.evov  ae- 
j^pi  TT;?  ypxuv.r,;  t/,;  teXsutxix;  £a>V7)€.  To  xyyEiov,  cö;  'jteöt^.cocx- 
{/.gv  avüjTEpw,  Tx^asTa'.  ei;  tx  to'j  XTTixoxopivOixxo'j  puOjtoii,  ttsc!  cov 
l'Ss   Löschcke  sv  Arch.  Zeitung  1876  ge/\.  108. 

niv.  III.  To  EV  TU  771VXXI  TO'JTCO  E'ix.OV'.^ÖaEVOV  (XyyElOV  XVXXTEOV 
givE  gt£  T7,V  XUtJ)V  XXTTJYOpiXV  TÖV  XTTtXOXOptvdlXXbiV.  O'J.O'.X'.  TTEpl- 
7TOU   T7j   XOTTXcH   TX'JTYj    EÖp£ÖY)<TXV    (^'jCO    XXI    EV    TCO    CTEVCO   TO'J  EV   Bo'jpoZ 

tüjxSou  (-:.  Athen.  Mitth.  1890  <teX.  325  xxi  326)  Xewto- 
xspx;  öaco;  EX.Eiva'.  x.xtxov.ej?;;.  'A-s-.x.ovi'rxvTE;  cU  T7JV  yspoviffav 
tx;  ypa<px;  I^WTepiXYiv  ö'y-.v  to'j  *7x.e'j0'j;  -xpxlv.-oy.vj  ~.r;i  wepi- 
ypx^pviv  to'jtwv,  — xpaT'opo'jvTE;  aovov  oti  ex.to;  toO  Xeuxou  "/_?w- 
uxTlffuou,  6<jT'.;  X7FEo6Qy]  rr'.^TOJ;  x.x!.  ev  tco  irivaxt  r.v.cöv.  O'joevo; 
a)v/\o'j  ypcoaxTo;  iicideua  oparov  tuyyxvei.  "AaXco;  te  to  xyygiov  eivs 
l^yjzb):  l©8xp|i.evov  xxi  £X-  TEij.xytcov  — OA/\cöv  ffuYX£XoXXY)fj.EVOV.  AI 
Ypxcpxi  to'jtou  6iaiv,  cö;  £ix.o:,  x.a;.  oV  Eyyxpx^Eco;  7C£7COtr)fJtivai.  Tö 
iatoTEpi/COv  tt;;  /Xotxoo;  x.oay.Ei  rj'jyx.svTpcoTuö;  ($io"x.o;,  Tpoyö;  op66— 
T£pov,  e-'.u.e'Xcö;  x.xtso"X.E'jxo";j-.e'vo;  Sia  to'j  OixotjtOU,  i'ycov  T'.vx;  tüv 
£^/\£t'I/OE!.ö(I)v  auToO  xx.tivcov   Six   XgMXOÖ   ypcoj-.XTO;    £«i   ule'Xxvo;  göx- 

(pO'j;    Ö£ÖY)XcdU.EVa;       'EttI   TO'J    yilkO'j;   TO'J    GX.E'JO'j;    ÜTTXpy'O'J'j'.V    XTEVVOl 

o^co;  pöSxx.s;  S'.x  u.s'Xavoi;  £pü)pt,XTt<jp.oö  x.xi  iyyxzx^Hii:  7C67COiript.evoi. 

AixaETpo;  tou  äyyEiO'j  0,50  a. 

IltV.    IV.    TÖ    £V     TCO    TClVaXt    TO'JTCp      E(XOVl^6u.6VOV    äyyElOV     EiVE     TÖ 

(xHtoXovcoTEoov  t-xvtcov  O'j  aovov  öix  to  GTavicÖTECov  a'jTO'j  Tyr/J.a 
ä/\/\x  x.a.1  oii.  tyjv  7rapJcc7TXO"iv,  S'.'  o  xai  nxoiyou.v^  aÜToG  ev  tco  wi- 

Va/.l    TOUTO)    E1X.OVX    Y.XI   TCÖV    Tp'.CÖV    a'JTO'J    7r/\£'jpä)V.    AeVojASV   .t.hvf'0)V, 

Sioti  x.atTOi  to  äyysiov  e-.ve  GTpoyyjXo'j  nyr,'j.x~o;,  OixipeiTat  v.;  -zix 
x.syoopicL/.Evx  u.ep7]  oü  y.ivjv  cö;  Trpo<;  tx?  y?a?a?  xuxoö  Ta;  7cXauiiou- 
p-e'va?  sv  TETpxycovot?  ^laycoptcaxciv,  aAAx  x.ai  -Xx'jT'./Ccö;  cV.x  t?,:  =■: 
Tpia  T6T(AYi{X6vy)^  TTEpioEO'.x.r,:  a'JTO'J  ßz'jEco?,   ä~OTEXo'j«7Yi;   O'jtco  TCci; 

0i0V£'.    -öSx;    TO'J    XYYeiO'J,  Q~m;    TO'JTO    G'jvr/j-'TTEpOV    X77XVT5C   Ei:   TX  TO'J 

YEcop-ETp'.x.o'j  p'jOy.o'j  avYeia  x.x;.  toiü)?  si(  tx  toO  A*.t'jXo'j.  To  etw- 
TEpixöv  toO  äyyEiO'j  slvs  /cC/iXov  xax  xxi  xoxQe:,  ot'  0  x.xi  TO  u.xaXqv 


6ü  1).    STABE 

apfxö^ov  auTÖ  övot/.a  eive  ~'j^i;.  A'j<7£:;7)yY;T0<;  oaco;  Tuyyavst  yjaiv  yj 
ü-ac;-.;  toioutom  gxsüo'-k;  evt6;  toö  ctevov  *ai  ä/taTavÖY]To;  tj  ypvi- 
oti/.o— oir^i;  (X'jtoO.  EupE0Y]  ök  toöto  st?  zty.y.y.x  in-ccpu.hx,  d>v  x.ai 
eaaei-o'jtiv.cÖ;  o:x  ti;  sv  toi  -iva/.'.,  ouyi  ÖAiyx. 'Ex  tt,<;  cjvapi/.oAo- 
yrjaeto?  tgjv  T£|zayt(j)v  toutcov  wpOE*xin|/6  |/.£v  ßsßatov  to  ayv^aa  toö 
ayyEiou,  ocaa'  ouyi  xa!  vi  aAAYjAooy ta  tgjv  ypa<pd>v.  <I)v  tive<;  iy.avüs 
ö'jcspy.^vE'jTOi  TuyyavouGiv  oucrat,  co?  £/.  tvk  y.aracTpo^;  auxcov  jcai 
ä::o'7?£'7£(i);. 

Kai  i~i  ty;;  wpwTY)?  aev  7Civaxiooc  —  out<o  Öa  övouaciouEv  Sia  to 
EU£&p6{  sx-aTTOv  xdiv  rpitöv  toö  äyyEiou  StaywptCL/.y.Tcov —  Eixovi^ETai 
äp'.iTEpä  a£v  6  1 1 o^stSdiv  t<7Täu.£voc,  yapay.TYipi^öfj.Evo;  £uy.pivd)<;  oia 
tyI;  ev  tyj  o£Qia  auTOÖ  y s tp i  xpaT0uu.£V7);  Tpiaivric,  u<|(öv  ttjv  apiTTE- 
päv  £;;  evösiCiv  Ex-AYiCEco;.  Ilap'  aürw  §e  v)  'AGtjvx  ev  7:avo7iAia 
erribaivouca  TgOpiTCTCO'j  ( ; )  aci/.aTOc.  "E^xpocflEV  twv  i7C7T(ov  i'yvY) 
{TTauivr,;  jy.op<pv)?. 

'E-!  ty;;  SeuTepa;  Ss  7riva/.tSo?  6pö>y.£v  apt<7T£pa  piv  xaxa  to 
r,ai<7'j  (T6)Qo{i.EVY)V  yjvaix»£iav  1  7cävTk)$  [/.oporjv  (däv  xpiveüjjLSV  ex.  toö 
ou.oiou  iy.aTicuoö  tt)S  'AOyjvx;  x.ai  tüv  aoitjgjv  xavTü);  yuva'.XEtcov 
[jLop'&wv  tt,<;  TpiTv;;  TuvaxaSo;)  £~i€aivo'j<7av  apaaxoc  T£6pi7C7CO'j  (  oia- 
xp:vovTai  xpei?    uövov    17C7COI,    u>v    6   xpiTO?    AEuxö9pi£,    ä/\>ä   TcavTax; 

TO    ZCp.a.    6k   Y]TO    TgOpiTTTTOv)    Xai    07Ctc6eV    [/.EV   TWV    ITTTTCDV    ÖUO)    OtVTtUE- 

T(i)— O'j;  [/.opcpa?  i<7Taf7.£va?,  d>v  yj  tcatjtiov  uiv  toö  apu.axo;  avopix.7] 
(paiv£xai  oöcra,  yj  <X7:£vavTi  Se  Taür/;;  yuvaixsia.  Au<rEp(/,rjvsuTO?  eive 
t]  öpacn;  t<I>v  yc'.pcüv  Tdiv  Soo  tootwv  l/.ococöv,  EVExa  xrt<;  cpOopa;  r,v 
uwEffTY]  yj  £'!/.(i)v  äxp'.€ä»(;  xaTa  ttjv  a7r£i/.6vi'7iv  twv  y eiccöv  tö»v  u.op- 
'yd)v  to'jtcov  iäv  y.Ti  a.7:aTü)u.EÖa  öaco«;,  to  Eix.ovt'^ö^.Evov  ävTix.£tp.£vov 
6wcp  x.paT£i  yi  ::pö;  apiiTEpa   [AOpor]  (-ö  xaTa  Tr;v  Etxaaiav  tiü.ojv  äv- 

öpi/.7J  )    £IV£     A'jpa    XOO'JOaEVY)     U770     TT);    [J.Op<pYJ?     Ta'JTr,?,     £V    (.)    Tt     a^£- 

vavT'.  TaÜT-/;?  u.oco'/;  r)  avöo;  x.caTEt  yj  ävuj/oi  ä-Acö?  tt,v  y£ipa.  "Ejjl- 

TTCOgOev   T(I)V    t~7Tü>V     S'.a/CpivcTai    7]     XE<paAY]     XaÖT)U.EVT){     {A0p©7J5. 

'H  TpiTT)  TCivax.ii;  StaTr,p£iTat  Gy£T'.'/.ä>;  /.aAAtT£pov  tcüv  Suo  aAAcuV 
£7Ti  TauTr,<;  Etxovi^ovTai  tt£vt£  LffTOCuEvat  (/.opcpai,    a>v   o'jo)    u.ev   evttj- 


1    'Ev  Ae/.t'")  1891  3;/.    69  nepiYpa^povtes  to  a^y^tov  toüto  s^EAaooaev  tt(v  ixoc^fjV 
TaJTr,'/  o>:  iv8ptX7jV  za;.  Or,  A'.o;.  MaXXov  oiaw;  äntaiaiAEvr)  ejeTaa;;  t7J{   £'/.ovo;  KlMl- 


0    EN    MAPA0QM   Tr.MÜOI  fjt 

ösv  v.cu.  Sow  ix.stOsv  tt,;  ev  t£>  |/.e<j<p,  r,Tt;  xpoöet  r,  xparei  ETri  toö 
<jtt)0ou$  [/.eyaXrjv  Xupav.  AI  äva  oöa>  latapLevat  £y.aT£pu>0£v  p.opcpai 
auTat,    7cävTü)<;  yjvaixeiiai,  e i ^ '.    ftaaat   £<7Tpau.[i.£va'.   rrpo;   zry  vt  Ttö 

p.E'Jd),    OUTCO;     GJGTE     al     EVTEöOiV     TaUTYJS     £tV£     KVTlU6Tb>7TOt    TCOO^    T3t; 

ixeiÖev"  ©e'pouai  öe  ai  f/.op<pai  auxai  Säcpviov  gteoxvov  :repi  tt,v  x.e- 
<paXr,v  y.cd  xparouot  avOvj  xai  xaivias  iitiöeiXTixäg.  'II  iv  t£>  lusto 
aopcpy),  t]ti?  ayvwTTOv  eocv  elve  avdpiXT]  r,  yuvaixeta,  cpepst  6~i<jy); 
<rreq>avov  77£pi  tt,v  xeoaX^v,  -/)  apupieat?  öiaw:  aÖTr,;  oev  Siax.piveTX'. 
eäv  Sia(p£pv)  ou(7'.d)S(i?  t*?5;  tcöv  Xoi~gjv. 

Kai  ooTcj  [Aev  evouaiv  al  £?:!.  toö  äyveiou  toöto'j  eixove;  tyjn  Trspt— 
ypa<pv;v,  Otfov  ö  acpopz  et?  ttjv  Epar,veiav  to'jtcüv  ut:o  fu>üoXoyiXT}V 
i'-odnv,  ä-s'yo^.ev  yjjigij  toö  va  ix^)£pa)(/.6v  6pt<mx7)V  yvcäp.7)v,  äoivov- 
te;  ei;  aXXov;,  evTpißeffTepou?  rjfxöv  —Epi  tx  uuöoXoYtxa,  t/jv  Xuaw 
toö  oucryscoö;  TTpoSXr^u.aTOc.  Toöto  [/.ovov  7wapaT7jpoCit6V,  oti,  e'äv, 
o;u<o;  to  TjpcüTov  ft[i.6t<  ö-eXä6o[/.ev,  yj  7cpa>T7]  -rij?  SeuTe'pa;  Twvaxioo? 
[M>pq>7]  ä.x£§£'.x.vo£To  oti  eive  ovtco;  vj  toö  Aiö;,  tote  EÜXdyci);  Icco;  Oä 
fiöüvaTO  ti?  vä  layopiaOf,  oti  ai  oöci)  touXäyigtov  TrpdJTa'.  etx.övE;  7capi- 
gt(L'7'.  axv}va?  rtyavToay.yia:.  'AXXä  ttxvtco;  tote  r(  TpiTTfl  eixuv  da 
£[y.£v£v  acyjTo;  Trpö;  ia;  Söco  xXXx;  xai  evTeXoi;  äv£Cr,yr,To;. 

'Exi  tcöv  ecx.övcov  öwYjp^sv  ETrtOsjxa  Xe-r/.oö  x.ai  spvOpoö  yp&MiaTi- 
c[xou,  afA<poT£p(ov  cyjSöv  wavTV]  E^/iXe'.i/.i/.eviov  tjc  vöv.  'EXaYiffra 
oati)?  fj^vy)  StaTYipoötAEva  xoXXayoö  ?ti  osixvuouaiv  Ötc  tx  'tgöccotx  xai 
ev  ye'vsi  to.  yju.va  p.£X'/)  tyj?  'AOtovSc;  xal  tcüv  XotröJv  yuvatxäv  Tjcav 
Xe'j-aoc.  Toöto  E^tbE^aioi  /tai  v)  xaTacxEuy)  toö  öcpOaXao'j  twv  u.opoöiv 
toutwv.  To  St'  £yyapa^£w<;  Se  yev6[/.evov  S-.aypaaaa  tcLv  uopcpcüv 
<x.TZOTi~kei  tyjv  ßaciv  tyj§  tcy^vix^?  auxoö  i-i^^yxaia.^,  xxxx  twv  g-j- 
vtiÖy]  TpoTCOv  tcöv  apyal'xwv  tootwv  ypacpcöv.  T^o;  £v£i  to  äyy£iov 
0,  10  \j..  xai  Sia^ETpov  0,  17  u.. 

Iliv.  V.  'Ewi  toö  7rivax.o?  touto'j  eixovicy.Evy)  eive  üSiia  Sicjto; 
cpe'pouca  (xeXavofxöprpo'j?  ypacpä;  xai  7cepi^epixa  Tsaz/ta  xuXixo?  ep-j- 
Opottopcpou,  cw'^ovTa  ikx'/j.nzx  Xei<|/ava  ty)?  bv  tö  x.oiXcp  toö  ayyetou 
'j-ap/^oöar,;  ypacpr,;.  'II  öSpia  (Gyo'j;  Ü,  36  a.  )  i'/^i  to  ffuv»)8l< 
o/riiix  Tö>v  äyyeiwv  toötwv,  to  r,^'.aTa  xoa^ov  x»xi  Xayapöv,  to  ya- 

pXXTT/pi^OV   T-/]V   jrp'/iaiULOT'/lTa   TOÖ    (7/CSÖO'j;    Xfti    TO    7ClpUXTlXOV    XUTOÖ. 

Ej^ei  yacTe'pa  Xiav  tupeiav  xai  Xaiaöv   ßpavuv   iura  <7TOw.io'j   Su<ja- 
vaXoyou  ::po;  tov  oyxov  auTOö,  ßaatv  Se  c/jt'/cüi;  uixpav  x»ai  £xou« 


62  fi.  tTAJaS 

^ov.  Tö  ayysiov  y]uwv  toöto  i'y et  £tci  ty)$  [jux;  j/.6vov  xütoö  o^ew? 
ypx<py;v  T:'Xxi'7tO'ju.£vr(v  £vto<;  TETpxycovou  7]  j/.x.X.'Xov  TpxTCE^OEiSoö«;,  cd? 
ex.  tt;;  »cupTOTYjTO?  toö  ayysiou,  YOJpiffjJLaTO?  e~i  T'?,:  yacrpo;  xÖtou. 
E'.x.ovi^cTat  o  ev  xötcö  ny.r^r,  ti?  tou  Aiovugixx.oö  äuäXou  oöy!  C7ra- 
vix  ty;v  iSe'xv,  x.'jptto;  £7xrt  dtyyeiwv  [/.sXxvoy.öpcpcov  xpya'ix.oö  puOtAOö. 
0extxi  TOUTficxi  x.xtx  to  [iecov  6  Atovuco?,  u.xx.pöv  oe'ocov  -o^r,:  =  ; 
iu-zt'.ov  =tl  tov  y.Ttövx,  —  cöycova  y.xx.pöv  y.xl  x.itraou  (J7E[X|/.a  £~i  TT}? 
x.eox/V?;:,  x.pxTcöv  ö'.x  tt,?  ipiCTspS?  liev  otvj^coaevov  xxvOapov  x.xt  oix 
Tr,;  oi^tz;  pteyav  JtXxoov  x.iccoö.  "IcTarai  o  ev  tö  i/.sc<p  eycov  ö— i- 
gOev  jjLgv  ocÜtoö  tov  7rpoff<pt)v>5  auTÖ  rpseyov,  ExaTEptdOev  ok  xvx  e'vx 
YifuoxXx?,ovTa  Zxrupov  x-xyovrx  ava  u.iav  MaivaSa.  'II  eixöv  röv 
o'jO  tO'jtcov  e/.xts'p coOev  toö  AiovuffO'J  G'j|j.TC^£yj.7.Tü)v  eyei  ev  Tai;  )v£- 
WTopLepetai?  xöt"?,;  axpioecTepov  outcd'  o'i  SaTupoi  etxovi^ovTat  löu- 
«paAXwoi,  yuavoi  os,  ö;  G'jvr/Jco:,  {/.etx  töv  t/xx.pöv  auTÖv  cotcdv  x.xi 
tt;;  aajcpy.;  oöpxc,  <p£povT£c  i~i  toö  äpicTEpoö  auTÖv  uu.ou  MaivaSa? 
evöecVjue'vx;  icooi!)p7]  j^itöv«  x.al  s/ouca;  jiiggou  c-c'au.x  et!  ttj{  x„s- 
cpxV/is.  Ol  SdtTupoi  (paivovrai  ei)tovi£6p.£voi  x.xtx  t/,v  (my(/.7)V  •x.aO' 
y;v,  xvxXxSovte;  tx;  MxlvxSx;  iwi  toö  cöp.ou,  erotu.aCovTat  7]  7rpo- 
gt;x9oögi  va  xvxgtögi,  toöO'  ÖTEp  piix  Sua/Epeia;  x.xTopQoöst,  St'  o 
xx!  tx  yovara  xötöv  stci  XEX.xp.jj.Evx  Iti  tcoo?  to  Eoxcpo;.  Tvi;  c>ai- 
vv;;  txutt,;  7üpoY)yy)0v)  £T£px  et)covi^o(/.evY]  ex!  iyyeiou  7cepiypaq>evTO$ 
ut:ö  toö  Panofka  (Parodieen  <j.   14)  x.xÖ'  yjv  oi  S&Tupoi  yovuxXi- 

VEi;    IGTaVTOCl    TCpö    TCüV     MxiVxScOV     E7CI     TÖ     GX-OTTOJ    VX     Ö£C»(j)(jI     TXUTa? 

ewl  toö  (üu.o'j  xai  xTrxyxycoatv  outw.  Ilaps[A<psp£t?  Se  TiapacTicEt? 
7i:pö;  T'/)v  toö  7;f/,£T£po'j  äyyEiO'j  ö-xpyouaiv  ouyj  eu<fcpi0{X,6t  et:!  ay- 
yEiwv,  äu.(pop£Ci)v  i6t(i>;,  'Izalv/^q  xpoEXEOTEü);.  'Ev  ttj  ec/xtcix;  Syj- 
[AOffieuöeioTi  7rpay|xaT£ix  toö  Heinrich  Bulle  (Die  Silene  in  der 
archaischen  Kunst)  eupicjcet  xit  h  ot\.  56.  57  iwipLeXö?  cuX^e- 
Xeyfjteva?  ttzcx;  tx?  o-y£Ttx.x;  7capacT&(Tei?.  Kai  ev  'AjcpoTtoXet  Se 
sup£0y)<jav  T£i/.x/tx  optoiou  xyy£iO'j  ips'povTO?  ay£oov  ot/.oixv  -xczgtx- 
rjiv  -po;  Tr.v  toö  7)(A6Tepou  '. 


1  'Ei'ja/aevd-;  6'jj.o)?  rj~'J)i-v.  L  Hülle  (Kv8.  äv.  aeX.  74)  Ott  ev  'IraXfa  jj.Iv  e^t 
otjA^opfiov,  Iv  "Iv./.av.  o;  Eni  ).r/.J0'nv  ij.o'vov  etxov^ovTctt  ßaxyixal  rtÄpaaT^O€i{,  Sirfit 
tö  vVc,  3i)[Jioaie0d(ievov  i/.  MapaOcovot  ä^ysiov  xal  xö  e?  'AxpondXetüj  y.aü'.3:wa'.  Tr(v 
&-cIfj£aiv  Kvaxpt6jj. 


0   Etf    MAPA0QNI  Tr.MBOi  6$ 

*H  ypacpvj,  oY  6yyÄpy.;£(ji?  iC67F0i7)[££VT),  cpepsi  IttiOciax  XeoxoQ  (iwo- 
SoOe'vto;  x.od  £v  tu>  ttivxx.'.  x.xtx  tx  yuavx  [AeXt]  tüv  yjvx'.x.aiv)  xal 
EpuOpou  ^p<0{iaTi(y(/.ou,   e£aXet<p6evT0c  tou  TsXeuraiou  toutou   c/eSöv 

ivTSXcüi;    £X.  TGJV    £'!x.OV(i>V. 

'Ev  tgj  xivxx.i  toutg>  (xpO.  2)  X7retxovto*X|Jt.ev  x.xl  ra  eupeGevTa  Iv 
Tai  crevoi  Tsaa^ia  Tvi;  epuSpofAÖp^po'J  x.uX-.x.o;,  (aovov  oioti  i-oSi^oaev 
ypovoAoy.x.Yiv  <jy;u.x<7ixv  et<  to  eutcae;  eupyjaa.  "Ev  exi  ß^x'.ov  u.xp- 
Tupicv  t>k  -panu.ou  äva-T'j^£to;  ty;;  xyyeioypa<pixs  öuvaTOv  vx  i£a- 
yJ)Y)  kx!  £x.  tou  SXaviffTOu  toutou  Xenj/ivou  tou  cuvtxoevtos  uetx  tcLv 
Östoöv   tcüv  u.apxOwvou.ä^wv.    'Ex.    ty;;    £tx.övo;   tou   iyysiou   ^co^ETat 

iV  TOUTOt«;  TOGOV,  ÖC70V  äp/.eü  ITCO;  6-Ci)?  ävOC-AYipcö(7Ci)U.SV  TO  OAOV  XUT»]?. 

E'!x,ovi'£etxi  ö£,  cpxivsTXi,  xvr,p  [ffTXuievos,  <pepa>v  [udeTiov  x.xl  izi:%i- 
(/.6V05  £7ut  tt)<;  ßax.TTipta;  (xÜtou  (r,;  iyvo;  (pxivETX-.  rcxpä  tou;  ~öSx; 
tou  xvöpö;)  rjv,  x»xtx  to  SwixpaTgffTgpov  l6o$,  £/£'.  EffTVjpiyfieViJiv  Otto 
ty)v  xpiGTspxv  poLn/xkr^ .  "Eix-pocÖEv  toutou  iffTaTai  uixpog  wai;, 
outivo?  6  tcoüi;  u7CsX.£i<j>9r]  dv  toi<;  GuvTpiuuaci  tou  iyyeiou,  tcXyitiov 
tou  ajtpou  TT]?  ßx/tnopix;.  Tr,v  ö£^ixv  xutou  y£ipx  OT7)pi£ei  6  xvyjo 
Itci  TT)?  oo"<puo$.   A-zjaetcov  £y£t  0,  28  [A.   to  xyy£iov  TOÜTO. 

B.    ITA  IIS 


INSCHRIFTEN  VOM  ATIIOS 

1.  In  dem  ältesten  Kloster  des  Ilagion  Oros,  der  nach  der 
Tradition  vom  Hagios  Athanasios  gegründeten  Movv)  tvjc  Me- 
ytcTr,;  Aaopr,;  finden  sich  in  dem  Öl-Magazin  mehrere  grosse 
Marmorsarkophage  ohne  Deckel,  \on  denen  der  eine  die  fol- 
gende Inschrift  trägt.  Der  Sarkophag,  welcher  wie  die  ande- 
ren heute  als  Ölbehälter  dient,  ist  0.901"  hoch  und  2,30  breit; 
die  Schmalseiten  sind  1.08  breit.  Die  Inschriftfläche,  welche 
oben  zum  Teil  verschmiert  ist,  ist  durch  Händer  anc;es;ebcn 
und  breit  0,58,  hoch  etwa  0,47m.  Buchstabenhöhe  0,03. 

CEPBIAlÄlClÄCÄrHKÄI 
TOICTTPOÄnOKIKEN 
O     I     C     M\E     I     A     C     X    A    P    I     N 
OCA     N     AeketAtoA 
TTOTE0HNAIETEPO 
NTICTOAMHCHAtt 
OOEETEÄnEIFPO 
CTIMftTHTTOAl 

X     B     (j) 

SepbiXia  'Iita?  "Ay/)  x.ai  toi;  wpoaTCOXtuevot?  ty.vetai;  yxpiv  qc,  av 
%i  uera  to  ä::oTeQr,vou  exspov  ti<;  toX|A7)<jy)  dtacoöeffTC,  $<öci  7upo<7Tiu.ü) 
tt,  7:0X1  (or(vapia)  €cp'. 

Ausserhalb  der  Klostermauern  in  der  Ölpresse  habe  ich  mir 
noch  einen  roh  ausgeführten  Guirlandensarkophag  (hoch  etwa 
0.82,  breit  2,08,  Schmalseite  breil  etwa  1'")  notirt.  Alles  dies 
stützt  die  auch  an  Ort  und  Stelle  von  den  München  vertretene 
Ansiebt,  dass  x\  i r  hier  eine  alle  Ansiedelung  anzunehmen  ha- 
ben. Man  sprach  auch  von  allen  Mauerresten,  die  eine  halbe 


0.    KERN,      INSCHRIFTEN   VOM    ATHOS  $5 

Stunde  westlich  vom  Kloster  entfernt  seien:  ich  habe  diesel- 
ben leider  nicht  mehr  aufsuchen  können. 

2.  Auch  die  Bewohner  der  Movy]  töjv  Ißrjpoav  betonen  mit 
Recht,  dass  sich  ihr  Kloster,  das  ebenso  wie  Vatopedi  noch 
heute  ein  guter  Hafen  auszeichnet,  auf  der  Stelle  einer  alten 
Stadt  erhebe.  An  der  östlichen  Aussenmauer  des  Klosters  ist 
eingemauert  ein  vor  wenig  Jahren  hier  in  der  Nähe  gefunde- 
nes spätrömisches  Grabrelief  (hoch  0,48.  breit  0,60'").  Ein 
Reiter  mit  flatterndem  Mantel  sprengt  nach  rechts.  In  der 
Hechten  schwang  er  eine  Lanze,  die  man  sich  gemalt  denken 
muss,  da  kein  Loch  zum  Einsetzen  einer  Lanze  aus  Metall 
vorhanden  ist,  gegen  einen  Eber,  der  hinter  einem  mit  einer 
Schlange  umwundenen  Baume  hervorkommt.  Unter  dem 
Pferde  ein  nach  rechts  laufenden  Hund.  Unter  dem  Relief 
steht  die  Inschrift  (Buchstabenhöhe  0,02,M): 

ZnilM0IZEinYP0NT02XAIPE 

Zgxjijxoc  ZeiTCopovro;  yatpe. 

3.  In  demselben  Kloster  und  ganz  in  der  Nähe  von  Nr.  2 
eingemauert  findet  sich  folgendes  etwa  0.16  hohe,  0,54'"  breite 
Fragment;  es  ist  leider  zum  Teil  stark  verschmiert. 

PIOCEY0POCY. 
"""TirAlOPoONA 

An  allen  Seiten  gebrochen.  Buchstabenhöhe  0,035  (das 
kleine  O  oder  0  in  Zeile  2)  bis  zu  0,075  (<t>). 

Magnesia  am  Mäander,  2  Okt.  1892. 

OTTO  KERN. 


ATHEN.   MITTHEILUNGEN   XVIII. 


GRABSTßlN  MIT  LUTRÜPIIOROS 

Dass  Grabsteine,  welche  aus  Anlass  des  Todes  eines  einzel- 
nen Familiengliedes  gesetzt  waren,  später  auch  die  Namen 
anderer  Verwandten  aufnahmen,  ist  eine  in  Athen  vielfach 
und  leicht  zu  beobachtende  Thatsache;  seihst  wenn  der  Grab- 
stein durch  die  Darstellung  einer  Lutrophoros  als  der  eines 
Unverheirateten  charakterisirt  war,  hat  man  sich  vor  solchen 
Nachträgen  nicht  gescheut1.  Dafür  ist  kürzlich  ein  besonders 
schlagender  Beleg  gefunden  worden,  ich  meine  das  im  AeXxiov 
189"2  S.  40  veröffentlichte  Grabmal  aus  Kephisia.  Es  ist  eine 
bis  zu  0,'iG"'  breite.  1,25"'  hohe  Stele  mit  flachem  Giebel, 
welche  folgende  Inschrift  trägt : 

API£TOAHMO£ 
AMYNOMENOY 
K     H     4>     I     X     I     E     Y     X 

£M    Q     I      K     Y      Q       OH 

£M  I  K  PO Y  E A  E Y£ I  N  I  OY 
3YTATHPAMYNOMENO 
K  H  $  I  2  I  E.ß  2  TYNH 

Unter  der  Inschrift  ist  in  flachem  Relief  eine  zweihenkelige 
Lutrophoros  gewöhnlicher  Form  wiedergegeben.  Der  Um- 
stand, dass  dieser  Stein  auf  dem  Grabe  des  Aristodemos  und 
seiner  Mutter  Smikythe  stand,  könnte  gegen  unsere  Ansicht 
von  der  Bedeutung  jener  Vasenform  (oben  1891  S.  371  ff.) 
zu  sprechen  scheinen,  wenn  nicht  der  Schriftcharakter  und 


'  Vgl.  oben  1891  8.  392.  394.  Ich  möchte  bei  dieser  Gelegenheit  darauf 
hinweisen,  dass  durch  ein  ärgerliches  Versehen  dort  S.  385  die  Vase  Elite 
IV  Tal'.  33  als  eine  solche  genannt  ist,  auf  der  die  Lutrophoros  abgebildet 
ist,  während  sie  selbst  ein  Gefüss  dieser  Form  ist,  und  in  der  Liste  S.  378 
nicht  fehlen  sollte. 


P.   WOLTERS,      GRABSTEIN   MIT   LUTROPHOROS  67 

die  Verteilung  der  Buchstaben  zwischen  den  durch  die  grös- 
seren O-förmigen  Zeichen  angedeuteten  Rosetten  es  absolut 
sicher  machten,  dass  der  Name  der  Smikythe  erst  nachträglich 
eingegraben  ist.  Während  man  in  diesem  Falle  keinen  Anstoss 
an  dem  einmal  vorhandenen  Symbol  der  Lutrophoros  nahm, 
scheint  man  in  anderen  ähnlichen  Fällen  eine  Umgestaltung 
des  ganzen  Grabsteines  bezweckt  zu  haben.  Auf  einen  solchen 
Fall  hat  Kavvadias  in  seinen  TX-j-t«.  toö  'EBvixou  Mouoeiou  S.449, 
930  hingewiesen.  Der  Grabstein  des  'AyaOovwto;  zeigte  ur- 
sprünglich eine  gewöhnliche  zweihenkelige  Lutrophoros.  deren 
einen  Henkel  man  nachträglich  abgearbeitet  hat.  Dasselbe  auf- 
fällige  Verfahren  zeigt  eine  im  verflossenen  Jahr  gefundene  Stele 
(äe^tiov  1891  S.  1 15,  4)  von  0,37"'  Höhe,  die  oben  von  einem 
offenbar  nach  dem  Umriss  des  gemalten  Palmettenschmuckes 
ausgeschnittenen  Akroler  bekrönt  wird.  Sie  zeigt  eine  Lutro- 
phoros.  auf  der  in  Reliefsich  gegenüber  stehend  und  die  Hand 
reichend  ein  Mädchen  mit  langem  Haar  und  ein  Krieger  dar- 
gestellt sind.  Auch  hier  ist  der  eine  Henkel  der  Lutrophoros 
offenbar  nachträglich  abgearbeitet.  Öbwol  die  Formen  dieses 
Gefässes  mit  einem  und  mit  zwei  langen  Henkeln  offenbar  in 
gleicher  Bedeutung  verwendet  worden  sind  (oben  1  891  S. 391 ,1) 
scheint  mir  eine  solche  Abarbeitung  doch  nur  durch  die  An- 
nähme  verständlich,  dass  man  versucht  hat.  dem  dargestell- 
ten Getässe  seine  charakteristische  Form  und  damit  seine 
Bedeutung  zu  nehmen,  indem  man  es  der  bedeutungslosen 
Lekythos  ähnlicher  machte.  Ob  diese  Umgestaltung  mit  einem 
fertig  gekauften  Denkmal  vorgenommen  wurde,  oder  etwa  bei 
weiterer  Verwendung  desselben  auch  für  verheiratete  Ange- 
hörige ist  nicht  zu  entscheiden:  dass  die  bestimmte  Geläss- 
form  als  bedeutungsvoll  empfunden  wurde  wird  in  jedem  Fall 
durch  diese  nachträglichen  Umarbeitungen  aufs  neue  be- 
wiesen. 

Athen.  25  Nov.  189?. 

PAUL  WOLTERS. 


LITTE  RAT  UR 

P.  Cwvadias,  Fouilles  d'Epidaure.  I.  Von  diesem  Wecke, 
das  bestimmt  ist  die  gesamten  Ergebnisse  der  Ausgrabungen 
im  Hieron  von  Epidauros  zusammenfassend  vorzulegen,  be- 
handelt der  vorliegende  erste  Band  die  Ausgrabungen  der 
Jahre  1881-1887:  die  späteren  Funde  sind  einem  zweiten 
Bande  vorbehalten. 

Nach  einer  Einleitung,  in  welcher  die  Gesehichte  des  Hei- 
ligtums im  Altertum  und  in  der  Neuzeit  skizzirt  ist,  bespricht 
der  Verfasser  zunächst  den  Plan  des  ganzen  Heiligtums,  dann 
im  Einzelnen  das  Theater,  die  Tholos,  den  Tempel,  die  zwei- 
stöckige Halle  undtlen  Artemistempel,  sodann  in  einem  zwei- 
ten Abschnitt  die  wichtigsten  Skulpturen.  In  einem  dritten 
Abschnitt  sind  die  Inschriften  zusammengefasst,  und  hier  ha- 
ben wir  besonders  die  grosse  Zahl  von  bisher  unbekannten 
Texten  hervorzuheben,  die  jetzt  bequem  zugänglich  gemacht 
werden.  Der  Verfasser  hat  nicht  versäumt,  dieses  reiche  Ma- 
terial zu  einer  kurzen  Geschichte  des  Heiligtums  auszubeuten, 
andererseits  aber  auch  die  Benutzung  des  epigraphischen  Tei- 
les durch  ein  genaues  Register  so  bequem  wie  möglich  ge- 
staltet. 

P.  Cavvadivs,  Fouilles  de  Lycosoura.  Livraison  I.  Wir  sind 
dem  Verfasser  zu  lebhaftem  Dank  verpflichtet,  dass  er  sich 
entschlossen  hat,  von  den  Resultaten  seiner  wichtigen  Aus- 
grabung in  Lykosura  vorläufig  diesen  Teil  vorzulegen.  Ihre 
vollen  Fruchte  werden  diese  Ausgrabungen  allerdings  ja  erst 
tragen,  wenn  es  gelingt  den  grossen  Schwierigkeiten  zum  Trotz 
auch  die  Torsen  der  Kolossalbilder  nach  Athen  zu  schaffen, 
und  ihre  Wiederherstellung  mit  Hülfe  der  zahlreichen  vor- 
handenen Bruchstücke  zu  unternehmen.  Die  Hoffnung,  auf 
diese  Weise  nicht  nur  Werke  eines   bedeutenden  Künstlers, 


LITTERATUR  69 

sondern  vor  allem  auch  eine  kolossale  Kultgruppe  im  We- 
sentlichen wiederzugewinnen,  und  so  eine  schmerzlich  emp- 
fundene Lücke  unserer  Anschauung  mit  einem  Schlage  zu 
lullen,  wird  einen  immer  erneuten  Antrieb  zur  Überwindung 
der  äusseren  Schwierigkeiten  bilden.  Vorläufig  werden  alle, 
besonders  diejenigen,  denen  nicht  vergönnt  ist,  die  Originale 
zu  sehn,  mit  Dank  diese  Veröffentlichung  begrüssen,  welche 
die  drei  Köpfe  der  Demeter,  der  Artemis  und  des  Anytos  so- 
wie ein  grosses  mit  Ornamenten  geschmücktes  Gewandstück 
in  Lichtdrucken  wiedersieht.  Im  Text  sind  nicht  nur  die 
wichtigsten  anderen  Fragmente  erwähnt,  sondern  auch  der 
Plan  des  Tempels  und  eine  Inschrift  zu  Ehren  eines  Nikasip- 
pos  mitgeteilt.  Wir  wünschen  mit  dem  Verfasser,  dass  die 
Hindernisse,  die  sich  ihm  in  den  Weg  gestellt  haben,  bald 
hinweg  geräumt  sein,  und  es  ihm  vergönnt  sein  möge,  seine 
schöne  Aufgabe  zu  einem  glücklichen  Ende  zu  fuhren. 

A.  KAMnorporAor,  'Igto^x  tüv  'AÖTjvaicov.  II  HeftS.  Athen 
18y3. 

I.  Ko*INlQT112,  'IcTopix  toO  Apyo'jc  per'  etxovcoM  Heft  13-15 
Athen  1893. 

ÄKPonOAiE  1893  ip.  -4035  (29.  April  j89^).  :in  der  öst- 
lichen Vorstadt  von  NaupaktOS,  westlieh  von  dem  am  .Meere 
ü;elei>;enen  «»rossen  Garten  der  Familie  NöSa  ist  bei  Anlage  ei- 
nes  Entwässerungsgrabens  bereits  vor  15  Jahren  ein  Mosaik- 
boden  entdeckt  worden  ;  jetzt  bei  Erbreiterung  des  Grabens 
wurden  in  einer  Entfernung  von  15-C20m  vom  Meere  ein  gros- 
ser Mosaikboden,  Marmorsäulen  und  eine  Mauer  römischer 
Zeit  (  Backsteine  mit  Mörtel)  gefunden.  Der  Bau  gleicht  den 
'Bädern'  welche  in  Athen  beim  Olympieion  freigelegt  wor- 
den sind.  Ls  wird  vorausgesetzt,  dass  er  mit  ähnliehen  Besten 
bei  der  etwa  1011  Schritte  entfernten  Kirche  M^xaoc^cü^'.;  toö 
-cü-rr.co;  zusammenhängt:  auch  die  Vermutung,  dass  es  sich 
um  den  Tempel  des  Poseidon  oder  der  Artemis  handele,  wird 
angedeutet]. 

Estia  1893  Nr.  1-18.  Darin  u.  a.  S.  27.  60.  1\  LW/if.x- 
br,;,  Ai  rcapx    tyjv  Uvvkx   xvxc/tx^xi   (mit   Plan).  —  S.  40.  Aul 


70  LITTERATUR 

dem  SraupoSoövi  bei  Mantinea  sind  vom  Regen  Mauerreste 
biosgespült  worden,  die  als  kyklopiscbe  bezeichnet  werden. — 
Fund  eines  Teiles  der  Stadtmauer  in  Athen  und  eines  Grabes 
(Marmorsarkophages)  dicht  davor  (vgl.  oben  1892  S.  450). — 
S.  G5.  A.  Kaj/.7coup6yXo'j,  IlöOsv  to  ovo  u.a.  toö  Aacpviou  ;  —  S.111. 
Fund  eines  männlichen  Marmorkopfes  guter  römischer  Arbeit 
in  Gortyn  (Kreta),  der  von  dem  Museum  des  Syllogos  in  'Hpa- 
xliiov  erworben  wurde.  —  S.  158.  II  Ilaxayswpyiou,  MaxeSo- 
v./.a  Äp^atoXoytjea.  [Relief  aus  Nevrekop  (Nicopolis  ad  Nestum), 
in  der  Mitte  Pluton  mit  Nimbus  thronend,  neben  ihm  Kerbe- 
ros, rechts  von  ihm  Persephone  thronend  mit  Scepter  und 
Spiegel,  links  von  ihm  ein  unbärtiger  Hermes,  weiterhin  ein 
Mann  auf  einen  Stab  gestützt.  Über  dem  Relief  befindet  sich 
die  Inschrift  Kopiw  IIXoutwvi,  neben  welcher  links  die  Büste 
einer  Frau  mit  Strahlenkranz,  rechts  die  eines  Kindes  ange- 
bracht ist.  Unter  dem  Relief  steht  Aup.  Me<mxev6oc  x.k  Aup. 
rY)7C67Uupi?  'E^e'veo?  vuvj]  Moux.iocvou  to'j;  Gso'j;  iveSvjstav].  —  S. 
256.  Bei  den  Arbeiten  zur  Erbreiterung  des  Euripos  sind 
Grabsteine  mit  Inschriften  und  einige  Skulpturen,  darunter 
der  Torso  eines  Knaben  mit  einem  Hündchen  auf  dem  Arm, 
gefunden  worden.  — Abbildung  eines  schönen  Grabreliefs  aus 
Velestino  (Pherä):  stehende  Frau  nach  rechts,  vor  ihr  eine 
Dienerin  mit  Kästchen,  in  welches  sie  zu  greifen  scheint;  Ar- 
beit wie  die  attischen  Grabsteine  um  400.  Daneben  Grabstein 
römischer  Zeit,  im  oberen  Teil  das  Brustbild  des  Verstorbe- 
nen, unbärtig,  von  vorn,  in  einer  Art  halbrunder  Nische,  die 
zugleich  die  obere   Endigung  des  Denkmals  bildet,  darunter 

O  OD  ' 

die  Inschrift       OEOAQPEAPI2 
TOMENOYIXAIPE 
S.  281.  Abbildung  der  kyklopischen  Brücke  bei  Mykene. 

E*HMEPIS   APXAIOAOriKH   189*2   Heft  2-4. 

[lAPNASSOE,  Ihp'.oo'.x.öv  GUYYpaptjJia  toO*  sv  'AQyjvxk;  öt/covui/.ou 
cAlöyo'j  XV,  5-7.  Darin  u.  a.  S.  368.  445.  B.  M.  A.,  Kx::- 
7:aSox.'.-/.i,  yEGjypxo'./.r, ,  o-Ta-p.CTr/.r,,  ex.Tra'.oe'JTi/cr,,  iu.xozv/.r,,   ix./.Xr)- 


LlTTERATUR  1i 

ffiaariXTJ  xrti  M7)tootc6X£w;  Kaisapgtac.  — S.  461.  'I,  'AoOoviSt;?, 
'Axpißrj?  tottoOet'/ig'.;  tcoascov  tivcüv  ttk  Maxeoovia?  (Mittelalter- 
liches).—  S.  463.  Derselbe,  'ApyaioAoy./.x  Ma/.sSovia;.  [An  der 
Südseite  des  Pangaion.  beim  Üorfe  Misthi;inia  liegt  eine  an- 
tike Befestigung,  nach  dem  Verfasser  Pergamos.  bei  welcher 
jetzt  beim  Weinbau  viele  antike  Gräber  mit  Thongefässen, 
kupfernen  und  seltener  silbernen  Münzen,  auch  wol  Schmuck, 
gefunden  werden.  Einige  Grabschriften  werden  mitgeteilt,  de- 
ren erste  lautet : 

ENOATTOAYTAMQNKEIMAINEKY2 

.    .  A  A  ATT  P  I  N  H  A  I  Kl  AIEN  AEI  AAOAOMOII 

ENNEAKAIAEkAETINATTOTTATPOZ A 

in n 

EN0ATTOAYKAAY2TO2KEIMAAEOYA 

AITTOM KAZITNHTONAETEAAEA 

<J>  O   N 
AY 0EZITPY.  .. 

S.  556.  A.  Mapo'jXv);,  Sopxia  (Besprechungsformeln). 


SITZUNGSPROTOKOLLE 

4.  Jan.  1893.  E.  Reisch,  Über  den  Hephaistos  dos  Alka- 
menes. —  F.  Hiller  von  Giertringen,   Rhödiscbe  Künstlerin- 

sehriften. —  W.  Doerpfeld  .   Über  die  Fortsetzung   der   Aus- 
grabungen bei  der  Enneakrünos. 

18.  Jan.  1893.  W.  Reichel,  Homerische  Waffen.  II  — 
P.  Wolters,  Argivische  Bronzereliefs  von  der  Akropolis. — 
W.  Doerpfeld,   Die  Ausgrabungen  bei  der  Enneakrünos. 

1.  Febr.  1893.  F.  Winter,  Reiterfiguren  auf  der  Akropolis. 
—  \Y.  Reichel,  Homerische  Waffen.  III.  —  W.  Doerpfeld, 
Die  Ausgrabungen  hei  der  Enneakrünos. 

15.  Febr.  1893.  D.  Pimaos,  Von  den  eleusinischen  Ausgra- 
bungen.—  W.  DoEiiPFELn.  Die  Enneakrünos. 

1.  März  1893  musste  ausfallen. 

15.  März  1893.  W.  DorRrFEi.n  gedenkt  des  fünfzigjährigen 
Doctorjubiläums,  welches  II .  Brunn  in  diesen  Tagen  feiere 
und  hebt  dessen  Verdienste  um  die  Wissenschaft  und  beson- 
ders das  archäologische  Institut  hervor.  —  A.  Koerte,  Die  bei 
der  Enneakrünos  gefundenen  Votivreliefs  an  einen  Heilgott. — 
L.  Pallat.  Die  Basisreliefs  des  Nemesisbildes  zu  Khamnus. — 
R.  Loei'er,  Über  den  Einfluss  der  Trittyeneinteilung  auf  die 
Zusammensetzung  attischer  Beamtencollegien. — W.  Doerp- 
feld legt  vor  Ch.  Normand,  La  Troic  d'Homere  und  spricht 
über  das  Ziel  der  demnächst   beginnenden  Ausin'abumren  in 

O  CO 

Troja. 


Mai    1893. 


EIN  ATTISCHER  FRIEDHOF 
(Tafel  VI-IX) 

Die  griechische  Generalephorie  unter  Leitung  des  Herrn 
Ravvadias  verfolg!  seit  dem  Abschluss  der  Ausgrabungen  auf 
der  Akropolis  den  Plan,  Gräberstätten  in  grösserem  Umfange 
und  unter  genauerer  Beobachtung   als   bisher    aufzudecken. 

Die  Berichte  des  Herrn  Stais  im  Asatiov  und  auch  in  diesen 
Mittheilungen1  gelten  Zeugniss  von  dem  Erfolge,  den  diese 
Arbeiten  in  der  attischen  Landschaft,  beim  Grabe  der  Mara- 
thonkämpfer, bei  den  Grabhügeln  in  Yelanidesa  und  Yurva 
und  anderwärts  gehabt  haben.  Es  musste  im  Zusammenhang 
dieser  Ziele  der  Generalephorie  besonders  erwünscht  sein, 
dass  sie  im  Frühjahr  1891  ermächtigt  wurde  in  Athen  selbst 
auf  einem  ausgedehnten  Grundstück  im  Nordwesten  der  Stadt 
Nachforschungen  anzustellen.  Auch  die  Ausführung  dieser 
Ausgrabung  lag  in  den  Händen  des  Herrn  Stais;  er  hat  über 
sie,  im  besonderen  über  die  Funde,  die  von  dieser  Ausgrabung 
her  in  das  Nationalmuseum  verbracht  worden  sind,  kurz  be- 
richtet2. Ihm  zur  Seite  stand  bei  den  Arbeiten  als  Architekt 
der  Generalephorie  Herr  Georg  Rawerau. 

Den  Unterzeichneten  ist  es  vergönnt  gewesen ,  mit  aller 
Freiheit  dem  Verlaufe  der  Ausgrabungen  beizuwohnen,  und. 
im  Begriffe  unsere  Aufzeichnungen  zu  veröffentlichen,  drängt 
es  uns  den  Dank  zu  bekennen,  den  wir  Gäste  im  griechischen 
Lande  der  griechischen  Gastlichkeit  und  wissenschaftlichen 
Liberalität    schulden.    Wir    hoffen   mit  dem  Folgenden   dem 


■  AeXt.'ov  1890  S.  16.  105.  123.  1891  S.  28.  Athen.  Miltli.  XV  S.  318.  XVIII 
s.   ',li. 
2  AeXtJov  1892  S.  G. 

ATHEN.   M1TTHEILUNGEH   XVIII.  6 


7-4  A.    imUECKNKU    UND    E.    t'KRNICK 

Plane,  welchen  die  Generalephorie  im  Auge  hat,  die  Erkennt- 
niss  der  griechischen  Gräbersitte  zu  erweitern,  förderlich  zu 
sein. 

Wir  sind  uns  dabei  bewusst,  wie  sehr  das.  was  wir  hieten, 
an  Anschaulichkeil  und  Ausführlichkeit  in  Verzeichnung  des 
Inhaltes  der  einzelnen  Gräber  zurücksteht  hinter  anderen  Grä- 
berpublicationen  z.  B.  italiänischen.  Denn  wir  haben  in  der 
Behandlung  der  ältesten  Gräber  und  derjenigen  dw  späteren 
Epoche  den  Unterschied  gemacht,  dass  wir  glaubten,  die 
Fundberichte  über  jene  mil  allen  Einzelheiten  geben  zu  müs- 
sen, während  wir  uns  bei  diesen  auf  die  Wiedergabe  der  ty- 
pischen Erscheinungen  beschränkt  haben.  Dass  wir  unsere 
Notizen  durch  den  Plan  auf  Tat".  7  und  einige  Gräberansichten 
anschaulich  machen  können,  verdanken  wir  Georg  Kawerau's 
freundschaftlicher  Mitarbeit.  Für  den  Text  sei  bemerkt,  dass 
die  Beobachtung  der  Kunde  in  den  beiden  ersten  Hechtecken 
(A.  B)  und  in  einem  Teile  des  dritten  (C)  durch  Brückner, 
die  Beobachtung  der  später  aufgedeckten  Gräber  durch  Per- 
nice  geschehen  ist.  Bei  der  Ausarbeitung  haben  wir  uns  in 
die  Arbeit  geteilt,  so  dass  Kapitel  I  und  111  von  Brückner,  II 
und  IV  von  Pernice  niedergeschrieben  worden  sind.  Doch  was 
dabei  schliesslich  auf  den  einen,  was  auf  den  andern  zurück- 
geht, ist  schwer  zu  trennen. 

I.  Lage  und  Geschichte  des  Friedhofes. 

Das  Grundstück,  in  welchem  die  hier  zu  beschreibenden 
Gräber  aufgefunden  sind,  liegt  an  der  Südseite  der  Piräus- 
strasse.  ^e^enüber  dem  Waisenhause  llatzikosla  und  stösst 
zugleich  an  eine  Seitengasse,  die  'OSöc  ßaciXew?  'HpaxXeiou  * . 
Der  Besitzer,  der  die  Erlaubnis»  zu  den  Nachforschungen  er- 
teilte, ist  der  Flügeladjutant  Sr.  Iv.  Hoheit  des  Kronprinzen, 
Herr  Oberst   Sapuntzäkis;    im  weiteren  Verlaufe  griffen  die 


{  8.  Taf.6,1,  wo  das  ausgegrabene  Grundstück  durch  Schraffirung  und 
dunkelbraune  Färbung  hervorgehoben  ist. 


EIN  ATTISCHER   FRIEDHOF  75 

Ausgrabungen  über  auf  das  Grundstück  der  Wittwe  Karatzas. 
Man  durfte  erwarten,  auf  diesem  Platze  sehr  alte  Gräber  auf- 
zulinden.  Denn  als  im  Jahre  zuvor  auf  dem  Eckgrundstück 
zw  ischen  den  beiden  Strassen  die  Fundamente  zu  einem  W  ohn- 
hause  gelegt  wurden1,  hatte  bereits  dieEphorie  wichtige  Grü- 
ber beobachtet:  daher  stammt  die  stattliche  hochaltertümliche 
Amphora,  welche  die  älteste  Darstellung  des  Kampfes  des 
Herakles  mit  dem  '  Netos'  bietet,  daher  stammt  auch  der  Kra- 
ter, der  iiiii  der  Aufklärung  willen,  welche  er  über  die  Wei- 
terentwickeluug  der  attisch-geometrischen  Malerei  liefert,  im 
letzten  Jahrgange  dieser  Zeitschrift  die  Besprechung,  die  er  ver- 
dient,  erfahren  hat2.  Östlich  vom  Grundstücke  Sapuntzäkis 
bis  hin  zur  W>.%-üy.  'EXsuSepia?3  waren  vor  Aufführung  der 
dort  belegenen  Wohnhäuser  muh  Jahre  1 87 J  an  reiche  Gräber- 
funde gemacht  worden,  ebenfalls  zurückführend  bis  in  die 
entlegene  Periode  des  geometrischen  Stiles  und  hinabreichend 
sicher  bis  in  das  vierte  Jahrhundert.  An  der  Ecke  des  genann- 
ten Platzes  steckt  noch  heute  1  ]/2m  unter  dem  jetzigen  Fuss- 
boden  eine  Grabstele  mit  Helief.  die  man  im  Boden  belassen 
hat4.  Auch  jenseits  der  Piräusstrasse  sind  Gräber  aufgedeckt 
worden  ;  denn  hinter  dem  Waisenhause  sind  die  berliner  Thon- 
pinakes  gefunden,  die  figurenreiche  Darstellung  eines  Leichen- 
zuges, der  Schmuck  eines  Grabmals  des  sechsten  Jahrhun- 
derts5. 

\\  ie  es  der  Lage  dieses  ganzen  Gebietes  nordostlich  vom 
Dipylon  und  dicht  vor  der  Stadtmauer  entspricht,  hatte  sich 
hier  ein  weites  Totenfeld  ausgebreitet.  Nach  dem.  was  wir 
über  die  Lage  antiker  Friedhofe  überhaupt  wissen,  nimmt 
das  nicht  Wunder  für   die  Zeit,    in    der   die   tliemistokleische 


1  Auf  Taf.  r>,  t  durch  schwarze  Färbung  hervorgehoben. 
-'  Athen.  Miltheilungen  XVII  8.  205.  Die  Nelosamphora:  Antike  Denkmä- 
ler I  Tafel  1(5.  AiXt'ov  1890  S.  4. 

3  Dieser  Platz  hiess  seil  1834  Ludwigsplatz  (IIXaTGta  AouSoSixoj)  wurde 
alirr  nach  1871  umgenannt;  seinen  ehemaligen  Namen  trägt  jetzt  der  Platz 
zwischen  der  Nationalbank  und  dem  Neuen  Theater. 

4  Attische  Grabreliel's  Nr.  419. 

8  Furtwängler,  Vasensammlinig  Nr.  1811 


76  A.    BRUECKNER    UND   E.    PBRNICE 

Stadtmauer  bestand  und  hier  den  äusseren  von  dem  inneren 
Kerameikos  schied.  Bemerkenswerter  ist  es.  dass  schon  300 
Jahre  vorher  derselbe  Raum  einem  grossen,  sich  über  ihn  noch 
hinaus  erstreckenden  Friedhofe  angehörte.  Denn  man  wird 
doch  diejenigen  alten  Gräber,  welche  unmittelbar  beim  Dipy- 
lon  und  an  der  themistökleischen  Stadtmauer  gefunden  sind, 
so  dicht,  dass  Slephanos  Kumanudis1  aus  ihrer  Lage  seh liesst, 
zu  ihrer  Zeit  müsse  der  Peribolos  der  Stadt  ein  engerer  ge- 
wesen sein  —  man  wird  doch  wol  diese  Gräber,  die  den  An- 
lass  geboten  haben  zu  der  üblichen  Bezeichnung  von  Dipylon- 
gräbern  und  Dipylongefässen,  in  Verbindung  bringen  müssen 
mit  den  auf  dem  Grundstück  Sapuntzäkis  und  in  seiner  Nach- 
barschaft aufgedeckten  und  wird  danach  erwarten,  in  dem  an 
300'"  grossen  Zwischenräume  noch  mehr  Anlagen  dieser  Epo- 
che zu  finden.  Ob  sich  in  der  Dipylonzeit  der  als  zusammen- 
hängend anzunehmende  Friedhof  nach  Osten  und  Westen 
noch  weiter  erstreckt  hat,  darüber  besitzen  wir  keine  Nach- 
richten. Aber  sollte  das  auch  nicht  der  Fall  sein,  so  ist  die 
festgestellte  Ausdehnung  des  Friedhofes  gross  genug,  um  uns 
zu  berechtigen,  von  ihr  aus  auf  die  Entwickelung  des  Kera- 
meikos  Schlüsse  zu  ziehen.  Das  Gebiet  trennt  den  äusseren 
von  dem  inneren  Kerameikos.  Es  zeigt  sich,  dass  nicht  erst 
die  themistokleische  Stadtmauer  oder  vordem  eine  etwaige 
pisistratische  die  beiden  Quartiere  geschieden  hat,  sondern 
es  geht  aus  der  Lage  des  Friedhofes  als  wahrscheinlich  her- 
vor, dass  in  der  Dipylonzeit  die  geschlossene  Siedelung  im 
Kerameikos  bei  dem  Friedhofe  ihre  Grenze  hatte  —  da,  wo 
heute  noch  der  öpo?  Kepa^etxoc;  steht.  Erst  in  Folge  einer  ge- 
steigerten Entwickelung,  deren  Ursache  (]vv  kräftige  Auf- 
schwung der  Töpfergilde,  die  teilweise  Verdrängung  ihrer 
Werkstätten  durch  den  pisistratischen  Ausbau  i\c^  Marktes 
und  draussen  die  Anlage  der  Akademie  gewesen  sein  werden, 
sind,  so  scheint  es,  die  Grenzen  zu  em>-  geworden,  und  es  erhob 
sich  jenseits  des  alten  Friedhofes  ein  neues  Quartier,  der  aus- 


i  QpecxTwa  1873/74  8.  17  und  18.   1874/75  S.  17.  'AO^vaiov  I  S.  395. 


EIN  ATTISCH  KR    FRIEDHOF  77 

sere  Kerameikos.  Noch  eins  ist  für  die  Bevölkerung  des  älte- 
sten Kerameikos  zu  folgern  aus  den  Grabmalern  und  Gräbern 
ihrer  Familien.  Auch  ein  freier  attischer  oV.y.-.o'jcvö:  wird  zwar 
im  Zeitalter  des  ffio\)po<pop6tT6au  nicht  ohne  den  Waffenschmuck 
erschienen  und  dem  entsprechend  nicht  ohne  ihn  begraben  sein: 
daher  denn  die  Funde  von  Waffen  nicht  gegen  die  Gräber  von 
y.tpxu.clc,  sprechen  wurden.  Aber  wenn  wir  auf  den  grossen 
Grahmälern,  die  hier  gefunden  worden  sind,  das  reiche  Ge- 
pränge des  Leichenzuges  erblicken  und  die  lange  Reihe  von 
Wagen  mit  vollgerüsteten  Männern  überschauen,  so  werden 
wir  zu  der  Vermutung  gedrängt,  dass  neben  den  Werkstätten 
der  Töpfer  ritterliche  Landbesitzer  ihre  Höfe  hielten.  So  alt 
war  demnach  das  freundnachbarliche  Verhältniss,  welches 
den  xepay.eu?  mit  dem  Adligen  verband  und  später  in  Vasen- 
bild und  Inschrift   seinen   beredten  Ausdruck  gefunden  hat1. 

Zur  Zeit  des  Themistokles  wird  bei  der  Feststellung  der 
Mauerlinie  die  La<>e  dieses  ältesten  Friedhofes  mit  bestimmend 
gewesen  sein.  Man  hat  die  Linie  genau  so  gezogen,  dass  das 
Gräberfeld  ausserhalb  der  Stadt  blieb  und  die  Stelle  nahe  bei 
dem  Thore  auch  weiterhin  als  Friedhof  benutzt  werden  konnte. 

Es  mag  diesen  allgemeinen  Bemerkungen  über  die  Zeit  der 
Benutzung  des  Friedhofes  nordöstlich  vom  Dipylon  noch  der 
Vollständigkeit  halber  eine  mündliche  Nachricht  des  Herrn  J. 
Paläologos  hinzugefügt  werden.  Seiner  deutlichen  Beschreibung' 
nach  hat  er  bei  den  von  ihm  beobachteten  Ausgrabungen  nahe 
dem  damaligen  Ludwigsplatze  in  grösster  Tiefe  auch  ein  Gral) 
gefunden,  dessen  Bänder  von  einzelnen  Steinplatten  eingefasst 


1  Vielleicht  bezeugen  uns  auch  die  Malereien  des  oben  S.  75  angeführten 
Kraters  eine  Festsitte  des  Kerameikos  als  alt.  Wenn  nämlich  das  darauf  dar- 
gestellte merkwürdige  Gerät,  wie  wir  jeUl  bis  auf  eine  zutreffendere  Er- 
klärung annehmen  möchten,  mit  seinen  aus  dem  Grunde  eines  Beckens 
aufstrebenden  Linien  eine  Pfanne  mit  brennendem  Pech  wiedergeben  soll, 
su  würden  dort  nächtliche  Spiele  dargestellt  sein.  Vgl.  a.  a.  0.  ausser  Taf. 
K).  I  auch  Abb.  10  S.  226.  Das  erinnert  an  den  Fackellauf,  der  in  histori- 
schen Zeiten  vom  Aliare  des  Prometheus  aus  durch  ^\^i\  Kerameikos  sei- 
nen Weg  nahm. Vgl.  <  lurtius,  Sladlgeschichte  \  od  Athen  8. 1 19  und  A.  Körte, 
Jahrbuch  1892  S.  151. 


78  A.    BRUECKNER   UND    E.    PERNICE 

waren  und  welches  eine  Bügelkanne  enthalten  hat.  Danach 
würde  es  scheinen,  als  habe  man  an  dieser  Stelle  bereits  in 
mykenischer  Zeit  bestattet.  Uns  sind  hier  so  alte  Gräber  nicht 
bekannt  geworden. 

Der  Übersichtsplan  auf  Tat*.  6,1  veranschaulicht  die  Lage 
des  Grundstücks,  wo  im  Jahre  1891  die  Ausgrabungen  stattge- 
funden haben.  Aus  Rücksicht  auf  den  auszuhebenden  und  wie- 
der zu  bergenden  Schutt  musste  von  einer  vollständigen  Ab- 
räumung  des  Platzes  abgesehen  werden,  es  winden  statt  des- 
sen einzelne  rechteckige  Schachte  von  etwa  8'zu  12'"  ausgehoben 
und  jedesmal  in  den  ausgegrabenen  Schacht  der  Schutt  des 
neubegonnenen  geworfen.  Solcher  Schachte  sind  acht  ausixe- 
hoben  worden.  Die  drei  ersten  und  wichtigsten  enthält  der 
Plan  des  Herrn  Kawerau  auf  Tai'.  7.  Der  achte,  der  erst  im 
Frühjahr  1892  geöffnet  worden  ist  und  nur  50'"  von  der  the- 
mistokleischen  Stadtmauer  entfernt  liegt,  ist  von  Pernice  auf- 
genommen und  auf  Taf.  6,  2  wiedergegeben. 

Im  Ganzen  enthalten  unsere  Aufzeichnungen  Angaben  über 
231  Gräber.  Doch  ist  die  Zahl  der  wirklich  aufgedeckten  Grä- 
ber  etwas  höher,  da  wir  im  Anfang  der  Arbeiten  namentlich 
versäumt  haben,  manche  der  Amphoren,  in  denen  Kinder 
beerdigt  waren,  und  auch  einige  ärmliche  Ostotheken  zu  be- 
ziffern und  in  den  Plan  einzutragen.  Von  den  231  Gräbern 
sind  19  aus  der  Dipylonzeit.Von  etwa  5-10  Gräbern  der  ober- 
sten Schicht  abgesehen,  gehört  der  Hest  dem  sechsten  bis  vier- 
em '  o 

ten  vorchristlichen  Jahrhundert  an  —  denn  er  enthält  die  üb- 
lichen bemalten  Vasen  —  zumeist  dem  fünften  und  vierten; 
Gräber  nämlich  mit  streng  schwarzfigurigen  Vasen  sind  auffal- 
lend  wenig  gefunden  worden,  so  dass  es  scheint,  als  sei  nach 
der  Dipylonzeit  der  Friedhof  nur  wenig,  und  erst  nach  der 
Errichtung  der  themistoklcischen  Mauer  aufs  Neue  stärker  be- 
nutzt worden. 

Unter  186  der  jüngeren  Gräber,  die  in  unseren  Aufzeichnun- 
gen beschrieben  sind,  waren 

45  Brandgräber,  in  welchen  an  Ort  und  Stelle  der  Leich- 
nam verbrannt  worden  ist 


EIN    ATTISCHER    FRIEDHOF  79 

8  Ostotheken  (es  ist  bereits  bemerkt  worden, dass  diese  Zif- 
fer für  das  Ganze  zu  niedrig  ist) 

43  Schachte,  in  denen  der  Leichnam  beerdigt  war 

60  aus  Ziegeln  zusammengesetzte  Gräber,  mit  beerdigter 
Leiche. 

17  Thonkrüge  mit  beerdigter  Kinderleiche  (aucb  diese  Zif- 
fer ist,  um  das  wahre  Verhält niss  der  gesamten  Funde  zu  er- 
halten, etwa  auf  das  Doppelte  zu  erhöben) 

10  stattliche  Gräber  aus  grossen  Steinplatten  zusammenge- 
fügt, die  Leiche  darin  beerdigt. 

.'-t  grosse  Steinsarkophage,  die  Leiche  beerdigt. 

Nach  Abräumung  moderner  Schuttmassen,  die  auf  das 
brach  liesende  Grundstück  bei  der  Ausschachtung  der  Nach- 
barhäuser  und  der  Anlage  der  'OSö?  ßaaiXews  'HpaxXeiou  gera- 
ten sein  mögen,  stiessen  die  Arbeiter  durchgängig  zunächst 
auf  eine  Schicht  von  lockerem  Erdreich  und  vielem  Geröll. 
Unter  dieser  Schuttschicht  liegt  der  alte  Friedhof,  der  von  der 
Dipylonzeit  an  bis  um  300  benutzt  worden  ist.  Er  hatte  vor 
seiner  Verschüt tung  naturgemäss  eine  wellige  Oberfläche,  ber- 
vorgerufen  durch  niedrigere  oder  höhere  Grabhügel,  die  über 
dem  gewachsenen  Erdboden  unter  Benutzung  des  bei  Anläse 
des  Grabes  ausgeschachteten  Erdreiches  aufgeführt  worden 
waren.  Je  nach  der  Höhe  dieser  Erhebungen  hatte  die  Schutt- 
schicht darüber  die  Stärke  von  1,20  und  mehr,  am  südlichen 
Ende  sogar  bis  zu  3m.  Für  die  Höhen bestimmungen  innerhalb 
des  Friedhofes  sind  wir  bei  dem  grossen  Plane  vom  Spiegel 
des  Grundwassers  ausgegangen.  Fs  zeigte  sich  dabei,  dass  im 
Altertum  das  Grundwasser  einen  viel  niedrigeren  Stand  ge- 
habt  hat  ;  denn  noch  mehr  als  I '"  unter  den  heutigen  Spiegel 
griffen  die  Gräber  hinunter  und  war  an  den  Schachtender  Brand« 
gräber  das  Erdreich  verbrannt.  Die  Kohlen  des  Scheiterhau- 
fens lagen  mehrfach  tief  im  Wasser.  Rund  1 ,90m  über  dem 
Spiegel  *\v>  Grundwassers  zur  Zeit  der  Ausgrabung  war  die 
Fussbodenhöhe  des  alten  Friedhofes  gewesen;  sie  ergab  sich 
durch  das  Vorhandensein  einer  ausgedehnten  Opferstätte  des 
ausgehenden  VI.  Jahrhunderts  untei  dem  später  darüber  auf- 


80  A.    BRUECKNEU   UND   E.   PERNIGE 

geführten  Tumulus  A,  den  wir  unten  ausführlich  besprechen 
werden  ;  denn  diese  Opfer  werden  zu  ebener  Erde  dargebracht 
worden  sein.  Sie  ergab  sieh  auch  übereinstimmend  aus  meh- 
reren kleineren  Opferstellen  und  ferner  an  dein  Tumulus  B, 
wo  die  Sohle  der  Randmauern  und  ein  Stuckestrich  vor  ihnen 
in  selber  Höhe  lag.  Sie  wird  schliesslich  dadurch  bestätigt. 
dass  sieh  die  Gräber  durchgängig  unter  diesem  Fussboden 
halten:  die  ärmlichen  Ziegelgräber  und  die  noch  dürftigeren 
Amphoren  mit  Kinderleichen  häufig  nur  wenig  darunter.  Nur 
an  zwei  Stellen  reicht  das  Grab  so  dicht  an  die  Fussboden- 
höhe  heran,  dass  man  zu  seiner  Verdeckuni;  eine  Aufschüt- 
tung benutzt  halten  wird.  Die  Errichtung  des  Tumulus  D  und 
die  Opfer  an  der  Stelle  des  Tumulus  A  sind  aber  nun  durch 
einen  Zeitraum  von  gewiss  150  Jahren  von  einander  geschie- 
den.  Das  ist  wichtig:  denn  es  zeigt,  wie  gerade  in  der  Zeit 
der  lebhaftesten  Benutzung  des  Friedhofes  trotz  aller  Aus- 
schachtungen  der  Fussboden  sich  nicht  wesentlich  erhöht  hat, 
eine  Thatsache,  die  gewiss  nicht  ohne  besondere  Fürsorge, 
vermutlich  doch  nur  durch  die  staatliche  Überwachung-  des 
Gräberfeldes  zu  Stande  gekommen  ist.  Und  da  wir  dicht  un- 
ter den  bezeichneten  Opferstellen  auf  den  gleicbmässigen  ge- 
wachsenen Lehmboden  stossen.  so  kann  auch  in  der  Dipylon- 
zeit  der  Fussboden  nicht  wesentlich  niedriger  gewesen  sein. 
Mit  anderen  Worten:  da  man  in  der  Zeit  des  V.  und  IV. 
Jahrhunderts  von  demselben  Fussboden  aus  fort  und  fort  hier 
begraben  hat,  so  kann  die  Scheu  nur  gering  gewesen  sein,  die 
Hube  der  Toten  zu  stören  ;  den  Gebeinen  und  den  sonderba- 
ren Waffen  und  Geschirren  der  längstvergessenen  Dipvlonzeit 
stand  man,  wenn  sie  bei  der  Anlegung  einer  neuen  Grube, wie 
z.  B.  bei  der  Anlegung  der  Gräber  Nr.  31  und  41  (Taf.  7,  B) 
erschienen,  mit  demselben  neugierigen  Gefühl  gegenüber,  das 
den  Modernen  bei  seinen  wissenschaftlichen  Nachgrabungen 
ankommt.  Alan  räumte,  was  hinderlich  war.  bei  Seite  und 
säuberte  die  Stelle  für  ihren  neuen  Besitzer.  Bei  ><>  grossen 
trennenden  Zeiträumen  ist  das  schliesslich  nicht  zu  verwun- 
dern, die  neue  Zeit  machte  Anspruch  auf  den  Boden,  der  da- 


EIN   ATTISCHER   FRIEDHOF  81 

mals  kostbar  genug  gewesen  sein  wird.  Die  alten  Grabmäler 
waren  verfallen,  die  öde  Stätte  erschien  künftig  im  Schmucke 
schöner  Grabmäler  von  leuchtendem  Marmor.  Aber  wer  auf 
unserem  beigegebenen  Plan  das  Kreuz  und  Quer  von  Gräbern 
übersieht,  die  fast  insgesamt  der  Periode  der  weissen  Lekythen 
angehören,  der  wird  doch  auch  erkennen,  dass  man  gegenü- 
ber den  Gebeinen  zeitlich  näher  Stehender  unter  Umständen 
damals  nicht  viel  rücksichtsvoller  verfahren  ist.  Zwar  die 
wolhabende  Familie,  die  ihr  .Mitglied  in  einem  steinernen 
Sarge  bestattete,  wird  auch  für  ein  entsprechend  gediegenes 
Grabmal  gesorgt  haben,  so  dass  den  Totengräber  bereits  das 
äussere  Zeichen  von  einer  Störung  des  Toten  abhielt.  Aber 
bei  den  Gräbern  der  minder  Bemittelten,  die  hier  seitab  von 
den  grossen  Strassen  vorzugsweise  ihre  Ruhe  gefunden  haben 
werden,  schneiden  die  Frd-und  Ziegelgräber  und  die  Brand- 
schachte  willkürlich  in  einander  ein;  wenigstens  die  Schachte 
solcher  Gräber  hat  man  kein  Bedenken  getragen  anzuschnei- 
den. Dass  man  so  weit  gegangen  wäre,  das  Grab  selbst  zu 
zerstören,  können  wir  zwar  nicht  sicher  nachweisen  ;  immer- 
hin zeugt  die  gedrängte  Lage  dieser  Gräber  dafür,  wie  dürftig 
die  Grabmäler  gewesen  sein  müssen,  die  man  bei  der  Anlage 
eines  neuen  Grabes  an  der  Stelle  eines  älteren  so  leicht  besei- 
tigen konnte.  Für  die  Besitzer  dieser  Gräber  scheint  das  solo- 
nische  Gesetz,  welches  die  Grabmäler  zu  erhalten  befahl,  kaum 
Geltung  gehabt  zu  haben. 

Um  so  merkwürdiger  ist,  wie  sich  die  Folgezeit  zu  dieser 
Grabstätte  verhalten  hat.  Keins  jener  marmornen  Grabsänl- 
chen,  die  sonst  an.  der  Oberfläche  der  attischen  Friedhöfe  den 
Ausgrabenden  durch  ihre  öde  Nüchternheit  zu  langweilen 
pflegen,  ist  hier  aufgefunden  worden,  auch  keins  jener  Gräber, 
die  in  der  höheren  Schicht  an  der  Hagia  Triada  so  häufig 
sind,  aus  roh  behauenen,  ohne  Fugenschluss  zusammen  gesteil- 
len  Marmorplatten  geringster  Sorte.  Die  alten  Gräber  sind  un- 
angetastet geblieben.  In  dem  Rechteck  //  (vgl.  den  Plan 
Tal".  6,2)  zeigt  sieh,  dass  naeli  ihrer  Höhenlage  zwei  Grup- 
pen von    Gräbern  ZU    scheiden  sind.   Die  Gräber  %.  3.  3#.  4, 


8?  A.    BRUEGKNER    UND   E.   PERN1CE 

8  liegen  so  beträchtlich  über  den  anderen  Gräbern  dieses 
Rechtecks,  dass  sie  nicht  von  demselben  Fussboden  aus  an- 
gelegt sein  können.  Während  sich  diese  letzteren  durch  die 
Beigaben  als  Gräber  des  VI.  bis  IV.  Jahrhunderts  erweisen, 
enthalten  die  angeführten  nichts  derartiges.  Nur  in  Grab  4 
fand  sich  eine  Glasperle  und  eine  bis  zur  Un  bestimm  bar- 
keit entstellte  Thonfigur;  es  waren  bis  auf  das  Brandgrab  8 
ärmliche  Ziegelgräber.  Eio  ebenso  hoch  über  den  Gräbern  des 
IV.  Jahrhunderts  angelegtes  Brandgrab  ist  im  vierten  Recht- 
eck  gefunden.  Dort  auch  ein  Ziegelgrab,  welches  eine  schmuck- 
lose  Lampe  als  Beigabe  enthielt,  der  späterhin  weit  verbreite- 
ten Sitte  entsprechend.  Innerhalb  der  Schuttschicht  kamen 
auch  im  Rechteck  C  \m  tief  zwei  Ziegelgräber  ohne  jede  Bei- 
gaben zum  Vorschein;  sie  sind  im  Plane  nicht  angegeben. 
Ebenso  fand  sich  in  der  Schuttschicht  dicht  neben  dem  Tu- 
mulus  B  ein  Grab.  Es  lagen  also  nur  wenige  zerstreute  Grä- 
ber in  dieser  angeschütteten  Schicht:  ihre  Zahl  können  wir 
nicht  genau  bestimmen,  denn  es  ist  möglich,  dass  bei  den 
schnell  vorgenommenen  Abräumungsarbeiten  einige  der  je- 
denfalls immer  sehr  ärmlichen  Gräber  nicht  von  uns  ange- 
merkt worden  sind.  Vor  allen  die  Brandgräber  beweisen,  dass 
die  angeschüttete  Schicht  schon  aus  dem  Altertume  herrührt. 
Es  war  deutlich,  dass  sie  nicht  allmählich  etwa  durch  An- 
schwemmung entstanden  ist.  Ihr  grobes  Geröll,  zumeist  wol 
Bauschutt  von  irgendwo,  ist  über  die  alten  Grabhügel  aufge- 
schüttet, und  dadurch  ist  2-2  '/V"  über  der  Fussbodenhöhe  des 
alten  Friedhofes  eine  neue  Oberfläche  hergestellt  worden. 
Manche  Scherbe  von  spätesten  schwarz  gefirnissten  Gelassen 
wurde  in  der  obersten  Schicht  gefunden,  aber  nichts,  was  auf 
di  ■  spät  rinn  i  sc  he  oder  eine  noch  jüngere  Zeil  deutete. 

Wir  würden  uns  vielleicht  begnügen  müssen,  auf  die  Son- 
derbarkeit dieser  Schichtenverhältnisse  hinzuweisen  und  auf 
ihre  Erklärung  zu  verzichten,  wenn  sich  dieselben  nicht  an 
einem  anderen  Orte  in  deutlicherer  Weise  wiederholten.  Nä- 
her den:  Thore  und  den  giossen  Landstrassen  gelegen  ist  der 
Friedlntl    bei   der   Hagia  Triada   zu   allen    Zeiten    viel    benutzt 


EIN   ATTISCHER   FRIEDHOF  83 

worden.  Auch  dort  zeigt  es  sich,  dass  die  Gräber  des  späten 
Altertums  so  angelegt  sind,  dass  sie  die  früheren  unberührt 
gelassen  haben.  Die  Gräber  der  römischen  Zeit  liegen  mit  den 
Grabmälern  des  vierten  Jahrhunderts  etwa  auf  gleicher  flöhe. 
So  z.  B.  stehen  neben  dem  Grabmal  der  Demetria  und  Pam- 
phile  in  gleicher  Höhe  mit  dessen  Basis  die  Marmorplatten 
eines  späten  Grabes.  Auch  hier  ist  also  im  Altertum  eine  hohe 
Anschüttung  vorgenommen  worden.  Neuerdings  zeigte  sich 
das  besonders  deutlich  bei  den  Ausgrabungen,  welche  im 
Jahre  1889  Herr  Mylonas  im  Auftrage  der  archäologischen 
Gesellschaft  geleitet  hat.    Die  in  römischer   Zeit   angelegten 

e  (DO 

Gräber  haben  den  gewachsenen  Boden,  in  welchen  die  älteren 
Gräber  hineinführten,  fast  unberührt  gelassen.  Schon  Ath. 
Rusopulos,  der  die  Ausgrabungen  des  Friedhofes  bei  Hagia 
Triada  begann,  hat  den  Eindruck  empfangen,  dass  die  An- 
schüttung nicht  allmählich,  sondern  mit  einem  Male  o;esche- 
hen  ist1;  das  geht  aus  der  Erklärung  hervor,  die  er  dafür 
aufgestellt  hat.  Er  glaubt,  dass  Sulla  hier  einen  Damm  ge- 
baut habe,  um  Belagerungsmaschinen  an  dieser  Stelle  an  die 
Stadtmauer  heranzubringen.  Zu  dieser  Annahme  würde  zwar 
die  Zeit  der  Grabmäler  über  und  unter  der  Anschüttung  sehr 
wol  stimmen,  indessen,  abgesehen  davon,  dass  damit  die 
gleiche  Erscheinung  bei  unserem  Ausgrabungsfelde  unerklärt 
bliebe,  unterliegt  auch  die  Annahme,  dass  sich  Sullas  Angriff 
gerade  i^e^n  diese  Stelle  gerichtet  habe,  schwerwiegenden 
Bedenken2.  Es  ist  nicht  glaublich,  dass  eine  so  nah  vor  dem 
Hauplthore  von  Athen  gelegene  Gegend  von  den  Verteidigern 
unbewacht  geblieben  sein  sollte,  und  zu  einem  nächtlichen 
Überfall,  der  nach  dem  Zeugnis  von  Sullas  Ilypomnemata  mit 
dem  Erklimmen  der  .Mauer  beginnt,  hat  man  sich  schwerlich 
der  Belagerungsmaschinen  bedient. 

Wahrscheinlicher  erklärt  sich  die  Anschüttung  bei  der  11a- 


'  Siehe  E.  Curlius  in  den  Gomtnentationes  in  honorem  Tli.  Mommseni  S. 
593  und  Sladtgeschichte  8.  250. 
2  8.  Lolling  in  Iwan  Müllefs  Handbuch  III 8.  303,  vgl.  Plutarch  Bulla  14. 


84  A.    BHUECKNER    UND   E.    PERNICE 

giaTriada  und  unserem  östlich  davon  gelegenen  Ausgrabungs- 
felde  aus  der  Bestimmung  des  Platzes  als  Friedhof  selbst.  Im 
Verlauf  der  Jahrhunderte  waren  die  reichen  Friedhöfe  der  at- 
tischen Glanzzeit  verwahrlost  und  verödet,  die  Truppen  Phi- 
lipps Y  von  Makedonien  hallen  sie  verwüstet,  nur  wenige 
prächtige  Grabmäler  erhielten  sich  noch  aufrecht,  unnützen 
Händen  eine  Gelegenheit,  den  Namen  daran  zu  verewigen. 
Kein  Wunder,  wenn  die  Athener  etwa  des  ersten  vorchrist- 
lichen Jahrhunderts  sich  diese  Platze  dicht  beim  Thore  und 
dicht  an  der  Mauer  wieder  zu  Nutze  zu  machen  suchten.  Die 
Gräber  der  glorreichen  Väter  aus  profanem  Anlasse  fortzu- 
räumen hinderte  eine  rückwärts  blickende  Zeit  die  gestei- 
gerte Pietät  und  das  Gesetz:  dass  man  an  diesem  festhielt, 
bezeugt  der  Widerstand,  den  S.  Sulpicius  bei  der  Bürger- 
schaft fand,  als  er  innerhalb  der  Stadtmauer  den  Platz  für  das 
Grab  des  M.  Marcellus1  begehrte.  So  hat  man  sich  geholfen, 
indem  man  über  die  övfrai  Tcpoyovwv  eine  schützende  Erddecke 
zog,  und  hat  damit  einer  späten  Nachwelt  die  Möglichkeit 
vererbt,  die  frische  Anschauung  altathenischer  Bürgersitte  zu 
gemessen.  Die  beträchtliche  Aufhöhune  des  Fussbodens  der 
Friedhöfe  hatte  zur  notwendigen  Folge  eine  Schwächung  der 
Stadtmauer,  daher  empfiehlt  es  sich,  die  Aufschüttung  nach 
der  Einnahme  durch  Sulla  anzusetzen,  als  die  Athener  inmit- 
ten des  befriedeten  römischen  Reiches  aufgehört  hatten,  auf 
ihre  Stadtmauer  Sorgfalt  zu  verwenden,  toö  Ss  tei/o-j?  y.r$i>Mx:, 
e£  oxe  XvXKonq  touto  SiscpÖsipev,  ä^icoOevro?  cppovriooc,  wie  Zosimos 
1.  29  aus  der  Zeit  des  Valerian  berichtet. 

Bei  solchem  Vorgehen  konnte  nicht  ausbleiben,  dass,  wenn 
auch  die  Gebeine  der  Vorfahren  unberührt  blieben,  doch  die 
Grabmäler  geschädigt  wurden.  Aber  auch  da  hat  man  wenig- 
stens stellenweise  die  Pietät  walten  lassen.  Den  Strassenzug, 
der  den  Friedhof  bei  der  Hagia  Triada  durchschneidet,  konn- 
te man  nicht  gul  erhöhen,  er  führte  also  jetzt  in  dw  Tiefe 
zwischen  den  \  und  .V"  höher  gelegenen  Friedhöfen  der  römi- 


•  Oicerg  ad  ran».  IV,  1?.  Curtius,  Stadtgeschichte  8.  252. 


EIN   ATTISCHER   FRIEDHOF  85 

sehen  Zeit  hindurch.  Aher  die  Grabmäler,  die  an  dem  Rande 
der  Strasse  la^en,  die  Reliefs  des  Dexileos  und  der  Korallion. 
die  hohe  Stele  des  Agathon  und  seiner  Familie  blieben  sicht- 
bar, das  sonderbare  Charonrelief  wurde  trotz  seiner  wenig 
ansprechenden  Formen  wieder  auf  eine  Basis  gesetzt,  die  ihm 
urspünglich  nicht  zugehörte,  und  die  Basis  wurde  zuvor  un- 
termauert1. Noch  in  nachchristlicher  Zeit  ist  der  anziehendste 
Fund  der  Ausgrabungen  des  Herrn  Mylonas,  der  Grabstein 
einer  vornehmen  Athenerin,  die  als  Hydrophore  in  feierlicher 
Hallung  ein  herschreitet,  in  den  Peribolos  eines  späten  Hei- 
ligtums, das  hier  immitten  der  Gruber  gegründet  wurde,  zum 
Schmucke  eingesetzt  worden. 

Radikaler  ist  man  vor  der  Verdeckung  des  alten  Friedhofes 
auf  unserem  Ausgrabungsfelde  mit  den  Grabmälern  vorge- 
üansren.  Denn  von  einigen  ganz  geringfügigen  Grabsteinen 
abgesehen'2,  ist  von  dem  steinernen  Schmucke  der  Gräber  so 
gut  wrie  nichts  mehr  vorgefunden  worden.  Und  doch  ist  mit 
Sicherheit  anzunehmen, dass  über  den  stattlichen  Marmor- und 
Porossärgen  sich  ähnlich  reiche  Grabstelen  erhoben  haben,  wie 
an  der  Hagia  Triada.  Denn  auch  eine  begüterte  athenische 
Familie  hat  im  IV.  Jahrhundert  ihre  Toten  nicht  reicher  aus- 
gestattet, wie  das  Grab  des  Dionysios  an  der  heiligen  Strasse 
bezeugt,  in  welchem  unter  dem  prächtigen  Naiskos  neben  den 
Gebeinen  nichts  weiter  als  9X0101  ocOycLv  x.oivüv 3  gefunden  wor- 


'  Diesen  Sachverhalt  hat,  soviel  wir  wissen,  zuerst  Furtwängler  in  der 
Einleitung  zu  den  Skulpturen  der  Sammlung  Sabouroll  8.  28  Anni.  6,  an- 
gedeutet. 

-  Auf  dem  Eckgrundslücke  wurden  zwei  Grenzsteine  gefunden  mit  der 
Inschrift  0DF>D*.  An  Grabsteinen  1)  Kleine  Siele  mit  gerundetem  Ab- 
schluss  für  gemaltes  Ornament  und  der  Inschrift  'Enalvs-coc  |  'Avt-.-j'Xo  |  Kr(- 
9iai£ü?  |  i^juxüOr,  |  HwTiyivoj;.  ;')  Kleine  viereckige  Platte  ihr.  0,20)  noeh  in 
ihrer  Basis  steckend,  in  welche  sie  verbleit  ist;  Tanie  aufgemalt,  am  oberen 
Rande(HSfoT7).  3)  Kleine  Siele  (br.  0,29)  mit  gerundetem  Abschluss  für  ge- 
maltes Ornament  (Reste  roter  Farbe),  ebenso  in  der  Basis  wie  2;  Inschrift 
£d?tov  /^priaTdj.  4)  Sielenakroler  daran  in  Relief  Sirene,  der  Reliefgrund  tragt 
noch  blaue  färbe.  5)  An  seiner  Stelle  gefunden,  eingelassen  in  die  Peribo- 
losmauer  aus  Porös  Taf.  6,  2  eine  oben  abgebrochene  Stele. 

3  Rusopulos  'Efijitipi«  «PX-  I8G:J  S. 


86  A.    MtUECKNER    UND    B.    PERNlCE 

den  sind.  Um  an  dieser  Stelle  über  die  an  der  Oberflache  des 
Friedhofes  bemerkten  Reste  von  Grabmälern  vollständig  zu 
sein,  haben  wir  noch  die  Scherben  einer  streng  rf.  Lutropho- 
ros  mit  Prothesisdarstellung  und  die  Bruchstücke  von  den 
kelchförmigen  Mündungen  zweier  thönerner  Lekythen  auf- 
zuführen \  die  für  sich  allein  G-10""  hoch  sowol  nach  ihrer 
Grösse  als  nach  der  Fundhöhe  Grabmälern,  nicht  Beigaben 
angehört  haben  werden.  Man  hat  also  vor  der  Verschüttung 
der  Stelle  alle  irgend  wiederverwendbaren  Steine  hinwegge- 
räumt; denn  bis  auf  die  festgefügten  Reste  zweier  tief  liegen- 
den Peribolosmauern  ist  auch  von  Fundamentsteinen  und  Ba- 
sen nichts  entdeckt  worden. 

Widerstanden  haben  der  Zerstörung  des  Friedhofes  nur  zwei 
Grabmäler  um  ihres  schlichten  Materiales  willen,  zwei  Tu- 
muli,  die  wir  genauer  beschreiben  wollen,  um  zugleich  die 
Art  der  unter  ihnen  befindlichen  Gräber  und  ihre  Lage  zu 
einander  an  ein  paar  Beispielen  zu  veranschaulichen. 

Als  im  ersten  Rechteck  die  oberen  Erdschichten  bis  etwa 
zur  Tiefe  der  alten  Oberfläche  des  Friedhofs  abgehoben  wa- 
ren, zeigte  sich  am  Durchschnitt  der  Schichten  in  der  östlichen 
Schuttwand,  dass  sich  die  obere  Schuttschicht  über  einen  älte- 
ren Erdhügel  hinweg  ergossen  hatte;  vgl.  den  nebenstehenden 
Durchschnitt  von  Grab  1  bis  III  (Fig.1.)  und  den  Plan  auf  Taf. 
I.A.  Ziemlich  in  der  Mitte  erhob  sich  das  alte  lehmige  aufge- 
schüttete  Erdreich  zu  einer  Höhe  von  1,30"\  nach  den  Seiten 
hin  fiel  es  ab,  so  dass  dort  die  späte  Geröllschicht  um  so  tiefer 
hinabreichte.  Unter  den  tiefsten  Stellen  der  abfallenden  Li- 
nie, welche  durch  die  Verschiedenheit  von  verdeckendem  und 
verdecktem  Erdreich  deutlich  waren,  wurden  Reste  von  Lehm- 
ziegelmauern sichtbar,  zunächst  in  dem  ausgehobenen  ersten 
Rechteck  A  an  zwei  Stellen  des  Schachtes  bei  a-b.  danach, 
als  die  Arbeiten  ins  zweite  Rechteck  (B)  übergriffen,  auch 
an  einer  dritten,  in  der  Ost  wand  bei  a.  Bei  genauerem  Nach- 
graben ergab  sich  dann,   dass  dies  die  während  der  Arbeiten 


>  Vgl.  Wollers  in  dieser  Zeitschrift  XVI  S.  391. 


EIN   ATTISCHER    FRIEDHOF 


87 


88  A.    BRUECKNER    UND   E.    PERNICE 

erhalten  gebliebenen  Reste  einer  Peribolosmauer  waren,  die 
im  Bogen  um  den  Frdhügel  herumlief.  Wir  haben  sie  in  das 
Erdreich  hinein  namentlich  bei  A,  a  verfolgt,  hier  bis  auf  eine 
Länge  von  über  3"1,  konnten  hier  für  sie  eine  Höhe  von  8 
Lehmziegellagen  konstatiren  und  zugleich  an  der  weiten  ßo- 
genlinie.die  sie  beschrieb,  feststellen,  dass  der  Tumulus,  den 
sie  umsäumte,  weit  in  das  Nachbargrundstück  hinein  gereicht 
haben  muss,  dessen  Hausmauer  uns  am  weiteren  Vordringen 
verhinderte.  Wenn  er,  wie  es  den  Anschein  hatte,  einen  un- 
gefähr kreisförmigen  Grundriss  besass,  so  musste  sein  Durch- 
messer etwa  10-1  ■?'"  betragen.  Analog  dem  Tumulus  des  Aly- 
attes  oder,  um  bei  kleineren  Verhältnissen  zu  bleiben,  dem 
Tumulus  des  Menekrates  in  Corfu,  hatte  sich  der  sichtbare 
Schuttkegel  über  einer  senkrechten  xpr-i:  erhoben,  die  in  un- 
serem Falle  aus  einer  .Mauer  von  Lehmziegeln  bestand. 

Unserem  Ausgrabungsgebiete  fiel  von  dem  Tumulus  nur 
ein  geringes  Segment  zu.  In  diesem  liefen  als  in  Beziehung 
zur  Anlage  des  Tumulus  zwei  Gräber;  der  Grabschacht  von 
Nr.  3  kündigte  sich  durch  eine  niedrige  Lehmziegeleinfassung 

~  CCD 

an,  an  drei  Seiten  lagen  sie  zu  vier  übereinandergeschichtet, 
sie  konnten  nur  zu  irgend  einem  Zwecke  für  die  Leichenfeier 
so  hingelegt  worden  sein,  nach  der  vierten  Seite  hin  fehlten 
sie,  weil  man  dorthin  die  ausgeschachtete  Erde  geworfen  hatte. 
Inmitten  der  Einfassung  ging  der  senkrechte  Schacht  etwa 
S/jO"1  tief,  bis  unter  das  Grundwasser  hinab,  in  einer  Länge 
von  2,40  und  einer  Breite  von  1.10'".  An  der  einen  Langseite 
war  ein  Absatz,  eine  Stufe,  hergestellt,  offenbar,  um  den  Sarg 
bequemer  in  die  Tiefe  hinabsenken  zu  können.  Auf  dem 
Grunde  lag  der  Leichnam  ausgestreckt,  der  Kopf  im  N.  Die 
Arbeiter  fischten  aus  dem  Grundwasser  über  ein  halbes  Dut- 
zend sehr  flüchtiger  sf.  Lekvthen  heraus:  auf  einer  war  ein 
Gespann  dargestellt,  davor  eine  Frau  sitzend,  auf  einer  ande- 
ren sechs  Männer,  bis  auf  einen,  der  in  ihrer  Mitte  sass,  im 
Mantel  beieinander  stehend,  nur  eine  Lekythos  mit  feinem  gel- 
ben Überzug  schien  sorgfältigerer  Art  zu  sein.  Dazu  kam  noch 
eine  dünne  runde  Scheibe  aus  Knochen  zum  Vorschein,  0,055 


HIN    ATTISCHER    FHIEDHOF  89 

im  Durchmesser,  mit  einem  kleinen  Loch  in  der  Mitte,  of- 
fenbar ein  Spinnwirtel.  Es  war  danach  das  Grab  einer  Frau 
gewesen.  Bei  der  Sorgfalt  der  Grabanlage  enttäuschte  die 
Ärmlichkeit  der  Funde. 

Das  zweite  Grab  südlich  daneben,  Nr.  'i.  hatte  einen  qua- 
dratischen Schacht.  Es  war  nicht  ganz  so  tief,  sondern  reichte 
etwa  bis  zum  Spiegel  des  Grundwassers  hinab,  auf  dem  Grun- 
de fand  sich  eine  runde  Cista  aus  Porös  enthaltend  eine  bron- 
zene Urne  bauchiger  Form  mit  den  calcinirten  Knochen.  Die 
genauere  Beschreibung  wird  nebst  Abbildung  im  IV.  Abschnitt 
gegeben  werden. 

Aus  dem  Verlauf  der  Schichten  über  den  beiden  Gräbern 
war  ersichtlich,  dass  diese  nicht  in  den  bereits  bestehenden 
Tumulus  eingesenkt  waren,  sondern  dass  dieser  und  die  Peri- 
bolosmauer  erst  nach  Anlage  des  zweiten  Grabes,  welches 
ebenfalls  aus  den  oberen  Schichtungen  als  das  jüngere  zu  er- 
kennen war,  hergerichtet  wurde,  ein  Vorsang  der  allmählichen 
Entstehung  eines  solchen  grossen  Erdmales,  für  welchen  der 
Grabhügel  von  Yelanidesa  ein  weiteres  Beispiel  liefert.  Die 
Zeit  der  Gräber  wird  ausser  durch  den  Inhalt  bestimmt  durch 
eine  auf  der  Sohle  des  Tumulus  und  vielleicht  noch  darüber 
hinaus  sich  wagerecht  hinziehende  ältere  Opferbrandschicht. 
Ihr  schmaler  schwärzlicher  und  dunkelroter  Streifen  griff  so- 
wol  unter  die  Lehmziesel  der  Peribolosmauer  wie  unter  die 
Bandeinfassung  des  Grabes  Nr.  3.  er  zog  sich  über  die  wei- 
terhin zu  erwähnenden  Gräber  hin.  welche  um  die  Gräber 
Nr.  3  und  4  herum  aufgedeckt  sind1.  Die  Schicht  muss  da- 
nach  junger  als  diese  und  älter  als  jene  Gräber  sein.  In  der 
That  hatte  das  zahlreiche  Geschirr,  welches  in  dein  Streifen 
neben  den  verkohlten  Besten  von  Körnern  und  Geflügelknochen 
lag,  einen  älteren  Charakter,  als  die  Lekvlhen  des  Grabes 
Nr.  3.  Es  bestand  zumeist  aus  dicken  Thontellern,  deren  Mitte 
eine  grosse  schwarze  Strahlenrosette  einnimmt  |  s.  die  nachste- 


1  Wenigstens  bei  Grab  Nr.  !.  2  und  III  beruht  die  Angabe  auf  Autopsie, 
für  Nr.  I  ist  der  gleiche  Bach  verhall  mil  Notwendigkeit  zu  erschliessen, 

ATHEN.    MITTHEILUNGEN   Will.  7 


90 


A.    HHUECKNER    UND    E.    l'ERNICE 


henden  Abbildungen  2.3).  Daneben  landen  sich  Gelasse,  deren 
Rand  mit  Tierstreifen,  z.  B.  Eibern, noch  in  der  an  tue  korin- 
thischen Vasen  erinnernden  Art  bemalt  war.  Eine  schwarz 
gefirnisste  zierliche  llydria  zeigte  an  der  Schulter  in  ausge- 
spartem Felde  ein  kleines  Viergespann,  dessen  strenge  Weise 


Fig.  2 


Fig.  3. 


noch  an  den  Stil  der  Francoisvase  ijemahnte.  Offen har  waren 
alle  diese  Getasse,  nachdem  sie  beim  Opfer  gedient  hatten,  auf 
die  Opferstelle  geworfen1.  Welchen  Toten  oder  wem  im  be- 
sonderen diese  Opfer  gegolten  haben,  darüber  haben  wir 
keine  Vermutung.  Wir  können  auch  über  die  Ausdehnung 
der  Opferstelle  nichts  sagen,  denn  einerseits  kann  sie  weiter 
auf  das  Nachbargrundstück  übergegriffen  haben,  andererseits 
musste  sie.  wenn  sie  über  die  Grenzen  des  Tumulus  hinaus- 
eriff,  in  Folye  der  vielen  Grahausschachtun^en  des  V.  und  IV. 
Jahrhunderts  so  gut  wie  verschwunden  sein.  Aber  die  Schicht 
war  für  die  Anschauum»  des  Friedhofes  wichtig,  insofern  sie 
die  Höhe  des  Fussbodens  für  das  VI.  Jahrhundert  lehrte,  eine 
Höhe,  die  auch  bis  in  das  V.  Jahrhundert  sich  nicht  \ erän- 
dert hatte,  da  unmittelbar  auf  der  Brandschicht  der  untere 
Rand  der  vermutlich  dein  Anfange  dc>  V.  Jahrhunderts  ent- 
stammenden Peribolosmauer  aufsass. 


1  Derartige*  »pfersebichten  sind  eine  typische  Erscheinung  auf  allen  Grab- 
stätten. Vgl.  Stai's,  Athen.  Milth.  XV  8. 321.  XVIII S  53  und  8t.  Kumanudia 
Iba/.T'./.a  1884  8.  19,  der  von  einer  Ausgrabung  im  /nur  der  Piräusstrasse 
nahe  bei  der  Oasanstalt  berichtel :  tU  Sv  hl  fjipo«  tU  ßi8os  .r> (  a  [Afrpuv  Kapet«- 

pjj07]  iv  Ttf&pa  OOTtöv  ftiiwv  /.%:  \t£ AUTO  nÄilatx  OiaJaaa-ra /.oivüjv -T|/.:vwv  äYY£:'u)V4 


Bin  attischer  Friedhof  91 

Derjenige  also,  der  im  Anfange  des  V.  Jahrhunderts  die- 
sen Platz  zur  Grabstätte  für  seine  Familie  erwarb,  fand  ihn 
geebnet  vor.  Lud  doch  war  er  bereits  durchschnitten  wurden 
von  verschiedenartigen  Gräbern.  Grab  Nr.  I.  welches  über 
das  Gebiet  des  späteren  Tumulus  übergreift,  war  ein  f,90m 
tiefes  Brandgrab;  in  (U^v  Mitte  seiner  Bodenfläche  zog  sich 
eine  Rinne  hin,  welche  sich  an  den  schmalen  Seitenwänden 
hinauf  fortsetzte :  dieselbe  vermutlich  der  besseren  Verbren- 
nung dienende  Vorrichtung,  welche  auch  in  Vurva  und  Vela- 
nidesa  beobachtet  worden  ist.  Entsprechend  den  Gräbern  eben- 
dort  enthielt  das  Grab  eine  sehr  tiefe  Schicht  von  verkohltem 
Holze;  von  Beigaben  wurde  darin  nur  die  Mündung  einer  hoch- 
archaischen  Lekythos  (Form  wie  Furtwängler,  Beschreibung 
der  berliner  Vasensammlung  Taf   VI,  174)  bemerkt. 

Grab  Nr.  2.  auch  Brandgrab,  war  etwas  höher  angelegt, 
1,40"'  unter  der  Brandschicht  und  hatte  die  eine  Schmalseite 
von  Nr.  1  angeschnitten,  war  also  jünger  als  dieses.  Die  Koh- 
lenschicht hatte  die  in  den  gewöhnlichen  Brandgräbern  übliche 
Tiefe  von  0,u6  bis  0,10'".  Von  Beigaben  ist  nichts  bemerkt 
worden. 

Interessanter  sind  durch  die  Funde,  die  in  ihnen  gemacht 
sind,  die  beiden  Dipylongräber,  welche  um  das  Grab  Nr.  1 
und  Nr.  2  herum  liegen1.  Als  Augenzeugen  können  wir  nur 
von  der  Öffnung  von  Nr.  III  berichten,  doch  setzten  unsere 
Beobachtungen  unmittelbar  nach  der  voraufgegangenen  Auf- 
räumung  von  I  ein.  so  dass  man  uns  noch  genaue  Nachricht 
darüber  geben  konnte.  Das  Grab  reichte  bis  1,70'"  unter  die 
Opferschicht  hinab,  hatte  die  stattliche  Länge  von  3,10m  und 
eine  Breite  von  1'".  Auf  seinem  Grunde  hatte  der  Leichnam 
ausgestreckt  gelegen,  der  Kopf  im  Norden;  bei  ihm  lag  ein 
schmales  goldenes  Diadem,  zu  seinen  Füssen  eine  Reihe  von 
Dipvlongelässen.  Ein  .Meter  aber  über  dein  Grunde  des  Grabes, 
inmitten  seines  Schachtes  fanden  sich  dicht  bei  einander  die 
Bruchstücke  eines  gewaltigen  Gelasses, das  sich  später  im  Mu- 


1  Vgl.  die  genauen  Beschreibungen  im  11.  Abschnitt. 


9? 


A.    BKL'ECKNER    UND    E.    PERNIC.H 


seum  bis  zu  einer  Höhe  von  1,80'"  hat  zusammensetzen  lassen. 
Desselben  Sachverhaltes  sollten  wir  ansichtig  werden,  als 
man  südlich  von  dein  Grabe  Nr.  5  unter  den  wol  erhalte- 
nen Teil  der  Peribolosmauer  hinuntergrub.  Kaum  war  un- 
ter ihr  die  Brandschicht  durchbrochen,  so  stiess  man  inner- 
halb eines  sieh  fühlbar  machenden  Schachtes  auf  zwei  gros- 
se Blöcke,  welche  mit  der  Ebnung  dv*  Platzes,  vermutlich  hei 
der  Herrichtung  des  Opferraumes  hineingeworfen  waren.  Das 
Material  derselben  war  ein  harter  Kalkstein;  der  eine  Block 
war  eine  Platte  von  0,80'"   Breite  und  ebenso   laiii>-  erhalten 


Fig.   i. 


jedoch  oben  und  unten  gebrochen,  der  andere  Block  war  ein 
vierkantiger  Pfeiler  (  0,28 zu  0.'23'").  an  seinem  einen  glätteren 
Ende  etwas  zugespitzt.  Als  diese  grossen  Blocke  fortgeräumt 
waren,  wurde   eine    hohe  Vase  sichtbar.    Sie  stand  noch  auf- 


EIN   ATTISCHER    FRIEDHOF  93 

recht  bis  zu  einer  Höhe  von  0.95m.  nur  ihren  oberen  Rand 
hatte  man  bei  der  Ebnung  des  Bodens  gekappt.  Es  ist  eine  je- 
ner grossen  Dipylonvasen,  ihren  Fuss  umgeben  Ornament- 
bänder,  den  Mittelstreifen  des  weitgeöffneten  oberen  Teiles 
umzieht  eine  ausführliche  Darstellung  des  Leichenzuges.  Nach- 
dem sie  von  dem  umgebenden  Schutte  gereinigt  war,  ist  die 
Ansicht  aufgenommen  worden,  welche  der  Skizze  Fig.  5  zu 
Gründe  liegt.  Der  hohle  Fuss  der  Vase  war  fest  mit  Erde  aus- 
gefüllt. Der  Schacht,  in  dessen  Mitte  sie  stand,  hatte  eine  Breite 
von  l,55m,  eine  Län<*e  von  1.70'". 

Nach  Heraushebung  der  Vase  gruben  wir  in  die  Tiefe,  den 
harten  Rändern  des  Schachtes  folgend.  Noch  eine  Schutt- 
schicht  von  'i5""  war  zu  beseitigen,  dann  verengte  sich  der 
Schacht  an  den  beiden  Langseiten  und  alsbald  stiessen  wir 
in  Beiner  Mitte  auf  das  0.85  breite,  1.70'"  lan^eGrab.  ImOsten 
stand  eine  bronzene  Urne,  welche  wenige  calcinirte  Knochen, 
wie  es  schien   eines  .1  Undings  oder   Mädchens,  enthielt.  Die 


Fig.  :.. 


Bronze  war  so  dünn,  dass  die  ohnehin  durch  die  Last  der  Erde 
etwas  eingedrückte  Urne  heim  Herausnehmen  zerbrach.  Die 
vorstehende  Skizze  (5)  Hess  sich  machen,  als  die  Urne  noch  in 
der  Erde  stak:  es  ist  eine  breite  Urne,  mit  einem  gewölbten 
Deckel  verschlossen.  Nach  die  Mitte  dv^  Grabes  zu  hui  eine 
grosse  Amphora— um  sie  zu  stellen,  hatte  offenbar  die  Höhe  des 
Grabes  nicht  ausgereicht  -daneben  zwei  Buchsen,  ein  Sk\|ihns 
und   eine    Kanne,    dicht    hei   einander    und    alle    wnlerhalten  ; 


94  A.    BRUECRNER   UND   E.    PERNIGE 

sie  sind  erst  beim  letzten  Akte  des  Leichenbegängnisses,  bei 
der  Beisetzung  der  Aschen urne,  mitgegeben  worden  und  ha- 
ben  den  Brand  des  Scheiterhaufens  nicht  mit  durchgemacht. 
Es  gehl  zunächst,  gegenüber  Ansichten,  welche  früher  bezüg- 
lich der  Verwendung  der  grossen  Dipylongefässe  geäussert 
worden  sind,  aus  den  dargelegten  Pundthatsachen  hervor,  dass 
die  grossen  Gefässe  mit  der  reichen  Darstellung  des  Leichen- 
zuges  nicht  als  Aschenhehälter  verwendet  worden  sind,  son- 
dern da  sie  über  den  zugehörigen  Gräbern  gefunden  wurden, 

d  <  o 

als  Grabmäler  gedient  haben.    Das  ist  schon   bei  Gelegenheit 

CT  CT 

der  Auffindung  der  Netos-Amphora  erkannt  worden.  Zwei 
weitere  Belege  hat  unsere  Ausgrabung  bei  den  Gräbern  II  und 

CT  DD 

IV  geliefert.  Bei  II,  einem  zum  Teil  durch  ein  späteres  Brand- 
grab zerstörten  Dipylongrabe,  sind  die  Scherben  der  zugehö- 
rigen Grabvase  1,21)'"  über  der  Sohle  des  Grabes,  bei  IV  da- 
gegen 0,90m  hoch  zu  Häupten  der  Leiche  aufgefunden  wor- 
den. Dank  der  frühzeitig  darüber  ausgebreiteten  Opfer  schiebt 
können  wir  aber  von  Grab  III  aus  noch  eine  deutlichere  An- 
schauung von  dem  ursprünglichen  Zustande  eines  Dipylon- 
grabes  gewinnen. 

Es  hatte  durchaus  den  Anschein,  als  stünde  die  grosse  Vase 
in  ihrer  ursprünglichen  Lage;  freilich  musste  sie,  als  die 
hölzerne  Decke  des  Grabes,  die  auf  den  Stufen  des  Schachtes 
aufgelegen  hatte,  verfault  war,  und  in  Folge  davon  das  nach- 
stürzende Erdreich  das  Grab  ausfüllte,  um  etwa  30cm  ein^e- 
sunken  sein,  und  dieses  Einsinken  musste  bereits  vor  dem  Bau 
der  Peribolosmauer  erlblut  sein,  da  der  obere  Band  der  Vase 

CT 

bei  ihrer  Aufdeckung  fast  unmittelbar  an  die  Bodenfläche  der 
Peribolosmauer  anstiess.  Sie  hätte  danach  ursprünglich  mit 
etwas  mehr  als  ihrem  Kusse  unter  der  Kussbodenliöhe  inner- 
halb des  Grabschachtes  gestanden,  welcher  da  der  Kuss  der 
Vase  so  reich  ornamentirt  ist,  nur  bis  zu  dessen  unterem 
Bande  mit  Erde  angefülll  gewesen  sein  wird,  damit  jener  sicht- 
bar blieb.   Vgl.   Fig.  4. 

Danach  war  also  der  Grabschacht  nicht  wieder  völlig  ge- 
füllt oder  gar  darüber  ein  Erdhügel  aufgeführt  worden  —  bei 


EIN  ATTISCHER   FRIEDHOF  95 

keinem  der  von  uns  beobachteten  Dipylongräber  sprachen  ir- 
gend welche  Anzeichen  dafür,  dass  es  von  einem  noch  so  nie- 
drigen Tumulus  überhöht  gewesen  wäre  —  sondern  das  Grab 
war  nur   bis  zu  einer  massigen    Höhe  mit   Erdreich  bedeckt, 
und  es  blieb  im  Grabschacht  eine  Grube,  die  gemeinsam  mit 
dem  Grabmal  das  Grab  bezeichnete.  Um  die  Annahme  einer 
solchen  Grube  käme  man  auch  dann  nicht  herum,  wenn  man 
dächte,  die  grosse  Vase  über  Grab  III  und  ebenso  die  Scherben 
oberhalb  von  I.  II  und  [V  seien  erst  bei  einer  Aufräumung  des 
Friedhofes  in  den  Grabschacht  hineingeraten,  die  Grabmäler 
hätten  dagegen  ursprünglich   neben   den  Gräbern  gestanden. 
Auch  dann  müsste  noch  eine  offene  Stelle  dagewesen  sein,  um 
die  Vase  von  Grab  IM  so  gut  zu  bergen,  wie  sie  zum  Vorschein 
gekommen  ist.  Es  wäie  doch  höchst  merkwürdig,  wenn  man 
damals  säuberlich  in  jedes  einzelne  Grab  hineingegraben  hätte, 
um   hübsch   vollständig  das  Gefäss  von  III  in  dem  Schachte 
aufzurichten,    zumal  man  doch  danach  den  oberen  Rand  ge- 
kappt hat.    In  Wirklichkeit  hätte  man  zweifellos  mit  einigen 
kräftigen   Schlägen  Körper  und  Fuss  der  Vase  in  Scherben 
geschlagen    und   die   Scherben    irgendwo    verscharrt.    Gerade 
dem  Umstände  ihrer  tiefen  Aufstellung  ist  es  zu  danken,  dass 
uns  von  den  thönernen  Grabmälern  der   Dipylonzeit  verhält- 
nissmässig  so  viel  erhalten  ist.    im  Gegensatz  zu   den  gewiss 
ehemals  viel  zahlreicheren  thönernen  Lekythen  und  Lutropho- 
ren,  die  als  Grabmäler  heute  so  selten  und  unvollständig  auf- 
gefunden werden  '. 

\\  ir  wenden  uns  zur  Schilderung  des  /.weilen  Frdmales  (/?), 
zu  dessen  Aufdeckung  die  Arbeiten  führten.  Südlich  zwischen 


'  Zu  der  ehemaligen  Umgrenzung  des  Grabes  [diente  vielleicht  der  Kost 
einer  eigentümlich  gestellten  Steinreihe,  die  sich  im  Absland  von  etwa  l,n 
nördlich  vom  Grabe  unter  der  Brandschicht  fand,  schmucklose  kleine  Hal- 
ten, abwechselnd  vor  und  hinter  einandergestellt.  Wir  meinen  ans  eines 
ähnlichen  Restes  dicht  neben  dem  Grabe  XV  zu  entsinnen.  Die  schlichte 
Anordnung  erinnert  in  gewisser  Weise  an  die  vortretenden  Triglyphen  und 
zurückstehenden  Zwischenplatten  in  der  Vorhalle  des  Wegaron  von  Tiryns. 
Mit  allein  Vorbehalt  erwähnen  wir  diese  ESinzelheil  denn  vielleicht  ergiebt 
sich  bei  künftigen  Ausgrabungen  etwas  ähnliches, 


96  A.    BftUECXNEH    UND   E.    PERN1CE 

dem  ersten  und  zweiten  Rechteck  stiess  man  noch  beim  Ab- 
graben der  höheren  Schichten  auf  einen  rund  verlaufenden 
dünnen  Stuckbewurf.  Der  Kreis,  den  er  einschloss,  hatte  ei- 
nen Durchmesser  von  2,43m.  Wie  sich  an  einer  Stelle  erken- 
nen liess,  wo  der  Stuck  noch  bis  zu  einer  Höhe  von  0,40™ 
erhalten  war,  nahm  der  Durchmesser  höher  hinauf  allmäh- 
lich ab,  und  es  scheint  danach,  als  habe  der  Aufbau  die  Ge- 
stalt jener  bienenkorbförmigen  hohen,  stets  weiss  dargestell- 
ten  tuut€oi  gehabt,  welche  so  häufig  in  den  Bildern  der  weissen 
Lekythen  mit  Tänien  geschmückt  als  Grabmäler  erscheinen1. 


Fig.  6. 

Der  vorliegende  Tymbos  aber  war  unter  seinen  städtischen 
Zeitgenossen  gewiss  von  besonders  stattlicher  Ausdehnung  und 
besonders  solider  Ausführung  gewesen.  Er  bestand  aus  einer 
losen  Erdschüttung,  welcher  im  äusseren  Umkreis  eine  Um- 
mantelung  aus  ringförmigen  Lehmziegelschichten  vorgeblen- 
det ist,  die  dem  Aufbau  Halt  und  Form  giebt.  Der  ursprüng- 
lich etwa  3'"  hohe  Bienenkorb  erhob  sich  üher  einer  weit  aus- 
greifenden oblongen  Basis, welche  vier  Stützmauern  aus  Lehm- 
ziegeln umgaben.  Nur  die  eine  dieser  Mauern  (F)  tangirte 
den  Kreis  des  Tymbos,  die  gegen  Osten.  Sie  ruhte  auf  einem 
nicht  sichtbar  gebliebenen  Fundamente  von  kleinen  Steinen, 
war  eine  Lehmziegellänge  d.  i.  in  diesem  Falle  0,  iw2'"  dick  und 
hatte  eine  Höhe  von  ungefähr  1'",  bis  sie  an  den  unteren 
Stuckrand  des  Tymbos  heranreichte.  Ihr  Länge  betrug  wenig 
über  6"'.  Die  zu  dieser  Mauer  rechtwinklig  verlaufenden  Sei- 
ten  mauern  haben  wir  nur  zu  einem  Teile  verfolgen  können. 
Von  einer  entsprechenden  vierten  Mauer  im  Westen  fand  sich 


<   V.-l.  .hl.rl.ucli  1891   S.  197  fr. 


EIN   ATTISCHER    FRIEDHOF  07 

in  nächster  Nähe  des  Stuckrundes  nichts,  sie  muss  danach  in 
grösserem  Abstände  wie  die  Mauer  F  verlaufen  sein,  viel- 
leicht in  gleichem  Abstände  wie  die  beiden  Seitenmauern. 
Da  weder  in  diesen  noch  in  F  ein  Aufgang  zum  Tumulus 
hergerichtet  war,  so  wird  er  wol  in  der  anzunehmenden  vier- 
ten Mauer  gewesen  sein,  und  vielleicht  war  sie  deshalb  wei- 
ter vom  Tymbosrand  entfernt,  um  für  eine  Treppe  die  nötige 
Tiefe  von  1-1,5'"  zu  gewinnen.  Wenn  nicht  örtliche  Verhält- 
nisse für  die  Verlegung  des  Aufganges  an  diese  Seite  mass- 
gebend gewesen  sein  sollten,  so  könnte  man  bei  der  Orienti- 
rung  eines  so  anspruchsvoll  errichteten  Grabmals  auf  die 
Stiftungen  des  Heroenkultes  Rücksicht  genommen  haben,  de- 
ren Aufgang  ja  vorzugsweise  von  Westen  gewesen  zu  sein 
scheint.  Das  ganze  Monument  strahlte  ursprünglich  im  Glänze 
eines  hell  schimmernden  Stuckes.  Nicht  allein  an  den  Aussen- 
wänden  der  Stützmauern,  wo  wir  sie  unversehrt  fanden,  liess 
sich  eine  dicke  gelbe  Stucklage  feststellen,  sondern  auch  die 
durch  die  Mauern  getragene  Platform  war  damit  ebenso  wie 
der  Tymbos  selbst  und  wie  der  Erdboden  unmittelbar  vor 
den  Stützmauern  überzogen  gewesen.  Auch  von  einer  zeitwei- 
sen Erneuerung  des  Stuckes  zeigten  sich  Spuren. 

Man  erkennt  auf  dem  Plane,  dass  nach  Osten  hin  vor  der 
Mauer  F  noch  ein  schmales  Mauerviereck  vorliegt.  Dies  ge- 
hörte indessen  nicht  der  ersten  Anlage  des  Tymbos  an.  Denn 
der  gelbe  Verputz  der  Mauer  F  geht  durch  bis  zur  Ecke  g, 
woraus  sich  ergiebt,  dass  die  .Mauer  A  A  erst  etwas  später  hin- 
zugefügt worden  ist.  Auf  ihre  Fortsetzung  war  man  bereits 
bei  den  Arbeilen  im  Rechteck  I  gestossen.  bevor  in  der  Tiefe 
darunter  das  Plattengrab  Nr.  26  aufgedeckt  wurde.  Welchem 
Zwecke  die  Erweiterung  dienen  sollte,  vermögen  wir  nicht  zu 
sagen.  Da  die  Anlage  eines  neuen  Grabes  sie  nicht  veranlasst 
hat, war  vielleicht  die  ästhetische  Rücksieht  massgebend,  dass 
man  den  Tymbos  nicht  so  hart  an  der  Kante  stellen  lassen, 
sondern  auch  auf  dieser  Seite  die  Platform  so  breit  machen 
wollte,  wie  an  den  drei  andern. 

Mit  einiger   Spannung   sahen  wir  dem  Inhalte   des  Grabes 


98  A.    RRUECKN'ER    UND    E.    PERNIC.E 

(27)  entgegen,  dessen  Schmucke  die  ausgedehnte  Anlage  sah. 
Man  grub  unter  das  Stuckrund  hinunter.  Der  aufgefüllte  Schutt 
im  Kerne  des  Tymbos  enthielt  einzelne  Bruchstücke  weis- 
ser Lekythen,  insbesondere  die  Bruchstücke  einer  hübschen 
strengen  Lekythos  mit  der  Inschrift  AI  -f-  A*  und  mit  färben - 

K  A  AO* 
kräftiger  Malerei ;  das  Bild  stellt  ein  Mädchen  dar.  das  in  ein 
schwarzes  Himation  gehüllt  in  der  einen  Hand  eine  rote  Frucht 
und  in  der  andern  einen  gelben  Gegenstand  Apfel?)  hält. Vor 
dem  Mädchen  steht  in  rotem  Mantel  ein  Jüngling, den  ein  weis- 
ser Hund  begleitet  Die  Lekythos  schliesst  sich  stilistisch  an  die 
von  Weisshäupl  in  diesen  Mittheilungen  XV  S.  10  ff.  behan- 
delte Gattung  an.  Als  man  durch  die  Aufschüttung  hindurch- 
gedrungen  war,  ergab  sich,  dass  in  das  feste  Erdreich  un- 
ter der  Fundamenthöhe  der  Lehmziegelmauern  der  Grab- 
schacht hinabging.  Seine  Längsaxe  lief  parallel  zu  den  Seiten- 
mauern des  Grabmonumentes.  DasGrab  2,3(J  lang  und  1,1 4™ 
breit,  war  bestimmend  gewesen  für  die  Masse  des  Tymbos. 
Freilich  bemerkten  wir  alsbald  zu  unserer  Enttäuschung,  dass 
die  Händer  des  Schachtes  ziemlich  bis  oben  hin  Spuren  der 
Verbrennung  zeigten,  also  die  Aussicht  auf  einen  schönen 
Grabfund  schwand.  Aber  man  grub  weiter  hinab,  bis  zum 
Spiegel  des  Grundwassers,  und  als  Tastungen  immer  noch 
nicht  den  harten  Boden  darunter  fühlen  Hessen,  musste 
die  athenische  Feuerwehr  helfen  das  'Wasser  auszupumpen, 
bis  endlich  in  einer  Tiefe  von  4"'  unter  dem  unteren  Hände 
des  Stuckrundes  der  Grund  erreicht  wurde.  Eine  hohe  Koh- 
lenschicht lag  darüber,  in  ihr  waren  die  geringfügige  Scherbe 
eines  feinen  schwarzgefirnissten  Gefässes  und  die  Bruchstücke 
eines  Alabastrons  aus  feinem  Alabaster  die  einzigen  Funde. 
Immerhin  liefert  die  Scherbe  im  Zusammenhang  mit  der  Be- 
nutzungszeit des  Friedhofes  überhaupt  den  Beweis,  dass  das 
Grab  nicht  wesentlich  später  als  das  Ende  des  vierten  Jahr- 
hunderts sein  wird.  Einen  terminus post  quem  ergab  bereits 
der  Fund  der  beschriebenen  Lekythos,  die  noch  aus  der  ersten 
Hälfte  des  fünften  Jahrhunderts  stammen  dürfte.  Auch  die  auf 


EIN    ATTISCHER   FRIEDHOF  99 

dem  Gebiete  des  Grabmonumentes  entdeckten  Gräber,  wel- 
che vor  dessen  Errichtung  angelegt  sein  müssen,  führen  auf 
dieselbe  obere  Zeitgrenze. 

Es  sind  nämlich  an  dieser  Stelle  beim  Tiefgraben  noch  vier 
ältere  Gräber  aufgefunden  worden,  von  denen  jedes  einen  be- 
sonderen Typus  vertritt,  zwei  Dipylon-  und  zwei  jüngere  Grä- 
ber. In  dem  schmalen  viereckigen  Räume,  welcher  durch  die 
Erweiterung  der  Anlage  gebildet  ist.  ging  der  Schacht  eines 
1,30'"  langen  Grabes  (IX)  hinab.  Auf  seinem  Grunde. wo  sich 
das  Grab  verengte,  etwa  1,80'"  unter  dem  horizontalen  Estrich 
des  Grabmonumentes  lagen  ausgestreckt  die  spärlichen  Reste 
eines  jugendlichen  Leichnams,  der  Kopf  im  Norden:  die  Schä- 
deldecke war  nur  2"""  dick  Ringsherum  standen  in  einander 
und  über  einander  7  tassenartige  einhenklige  Skyphoi.6  ein- 
henklige Kännchen  einfachster  Art  und  nur  teilweise  bemalt, 
ein  kantharosartiger  Becher  mit  zwei  hohen  spitzen  Henkeln. 
Scherben  eines  Aryballos  mit  eingepressten  Ornamenten  :  so 
weit  alles  in  den  zierlichen  Verhältnissen  des  Kinderspielzeugs. 
Auch  ein  Dipylonpferdchen  aus  Thon  war  beigegeben,  das  um 
Kopf  und  Schwanz  schon  unter  den  Händen  seines  kleinen 
Besitzers  gekommen  zu  sein  schien,  wenigstens  sind  die  Brü- 
che  alt.  Von  grösseren  Verhältnissen  ist  einer  der  üblichen 
Dipylonnäpfe  und  ein  roher  Kochtopf  aus  un bemaltem  braun- 
rotem Thon,  dessen  äussere  Wände  vom  Rauche  des  Heerd- 
feuers  geschwärzt  waren. 

Auch  im  zweiten  Dipylongrabe  (X  war  eine  Kinderleiche 
geborgen.  Ein  grosser  Pithos  aus  grobem  ungeglätteten  Thon. 
der  unter  dem  Stuckrunde  zwei  Schritt  von  dein  ersten  Grabe 
entfernt  und  in  wenig  grösserer  Tiefe  als  dieses  lag,  diente  ihr 
als  Sari;    Er  war  durch  eine  gegen  die  Mündung  gelehnte 

O  PC  DG 

grüne  Schieferplatte  geschlossen.  Der  Pithos  enthielt  nur  die 
Leiche;  neben  ihm  standen  die  Beigaben,  ein  Kochtopf  wie 
im  anderen  Grabe,  eine  grosse  bemalte  Amphora  und  ein 
kleiner  einhenkliger  Recher,  vielleicht  auch  ein  kleines  Känn- 
chen,   bezuglich  dessen   wir  jedoch   nicht    ganz   sicher   sind. 


100  A.    BRUEf.KNER    UND   E.    PERNICE 

Abbildung  und  genauere  Beschreibung-  des  Inhalts  dieser  bei- 
den Gräber  siehe  im  Abschnitt  II. 

Im  Erdreich  zwischen  diesen  beiden  Gräbern,  etwas  höher, 
senkrecht  unter  der  Mauer  Flageine  jener  groben  Amphoren, 
welche  im  .Munde  der  griechischen  Ausgräber  rt~y<jyx<.  heis- 
sen.  Wir  landen  in  Ihr  sehr  feine  Kinderknöchelchen  und  als 
Beigaben  ein  kleines  einhenkliges  Kännchen  0,09  hoch,  zwei 
kleine  Skyphoi  mit  wagerechten  Henkeln,  der  eine  0,045ni 
im  Durchmesser  haltend  mit  schwarzen  Tupfen,  der  andere 
wenig  grösser,  schwarzgefirnisst  und  mit  einem  leinen  dunkel- 
roten  Streifen  geziert,  und  ein  0,09  im  Durehmesser  messen- 
des Büchschen,  dessen  Schmuck  ebenfalls  in  schwarzen  und 
roten  Streifen  besteht. 

Schliesslich  schneiden  die  Lehmziegelmauern,  welche  wie 
erwähnt  zu  einer  Erweiterung  des  grossen  Grabmonumentes 
nach  Osten  hin  gedient  haben,  rücksichtslos  über  ein  stattliches 
Grab  (26)  hinüber:  es  war  ein  Sarkophag,  in  der  Weise  des 
fünften  Jahrhunderts  nicht  aus  einem  Blocke  gehauen,  son- 
dern aus  dicken  Porosplatten  in  sorgfältiger  Arbeit  zusammen- 
gestellt, so  dass  zwei  grosse  Platten  den  Boden  bilden,  zwei 
oder  drei  darauf  aufstehende  Platten  an  jeder  Lang-  und  je 
eine  Platte  an  der  Schmalseite  den  beträchtlich  hohen  Baum 
umschliessen,  und  wieder  zwei  Platten  das  Ganze  bedecken. 
Der  obere  Band  des  Grabes  lag  etwa  1'"  unter  der  Fussboden- 
höhe  des  Grabmonumentes,  das  Grab  selbst  hatte  eine  Tiefe 
\on  fast  Vn  und  war  vom  Grundwasser  erfüllt.  Wie  immer  in 
diesen  Sarkophagen  war  der  Leichnam  beerdigt;  der  Kopf 
lag  im  Süden.  Die  Beigaben  bestanden  aus  etwa  zwanzig  Le- 
kythen  und  Alabastren.  Der  Stil  ihrer  Malereien  war  z.  T. 
streng,  z.  T.  schon  freier,  so  dass  man  die  Zeil  des  Grabes 
um  4  50  annehmen  wird.  Es  fiel  bei  der  grossen  Zahl  der  Ge- 
lasse auf.  dass  ihre   Malereien   durehweu   Frauen    und    Niken 

» 

darstellten,  es  ist  daher  wol  erlaubt  hier  ein  Frauengrab  zu 
erkennen  (vgl.  unten  Abschnitt  IV).  Alan  musste  zuvor  das 
darüber  vorauszusetzende  Grabmal  beseitigt  haben,  ehe  das 

grosse  Monument  hier  hinübergriff. 


KI.V    ATTISCHER    FRIEDHOF  101 


II.    Verzeichniss  der  Dipyloneräber . 

Grab  I.  Vgl.  oben  S.  89. 

Die  Aufdeckung  des  Grabes  ist  vor  der  Zeit  unserer  Beo- 
bachtung geschehen.  Wir  wissen  daher  nur  anzugeben,  dass 
der  Kopf  der  beerdigten  Leiche  am  Nordende  des  Grabes  lag 
und  dass  beim  Kopfe  ein  schmales  goldenes  Diadem  gefunden 
wurde.  Dasselbe  ist  genau  wie  das  Arch.  Zeitung  1884  Taf.9,4 
abgebildete  Stück,  welches  gleichfalls  aus  Athen  stammt,  mit 
zwei  über  einander  eingepressten  Zickzacklinien  verziert.  Noch 
auf  der  Netosvase  (Antike  Denkmäler  l  Taf.  57)  kehrt  dieses 
Diadem  wieder,  Herakles  sowie  Netos  tragen  es  um  den  Hin- 
terkopf von  Ohr  zu  Ohr  gelegt,  und  es  dient  dort  dazu,  den 
Haarschopf  zusammenzuhalten.  In  unserem  Falle  gehörte  es 
zum  Schmucke  einer  Frau,  wie  aus  dem  Bilde  der  grossen 
Grabvase  zu  schliessen  ist,  deren  Scherben  zwar  innerhalb 
des  Grabschachtes  aber  oberhalb  des  eigentlichen  Grabes  la- 
gen.  Zu  den  Füssen  des  Skelettes  und  auch  weiter  zum  Kopfe 
hin  haben  mehrere  Dipylonvasen  gestanden.  Dieselben  sind 
nicht  mehr  zu  identificiren.  Über  die  Grabvase,  die  sich  in 
allen  wesentlichen  Teilen  wieder  hat  zusammensetzen  lassen, 
sei  folgendes  bemerkt  (vgl.  AeXxtov  i(sya-.oAoyr/.öv  1892  S.  6 
Nr.  1). 

Das  Geläss  hat  eine  Höhe  von  1,80"'.  Von  diesen  kommen 
auf  den  Hals  60cm,  auf  den  Rumpf  1,20™  Der  Durchmesser 
der  Mündung  beträgt  .Mi*"'.  Am  Halse  folgen  7  Mäanderstreifen 
untereinander,  von  denen  ein  jeder  durch  ein  schmales  Zick- 
zackband vom  anderen  getrennt  ist.  Diese  Streifen  zeigen  den 
Mäander  in  vier  verschiedenen  Spielarten.  Die  reichste  Form 
lindet  sieh  in  der  Mitte.  Auch  am  Hauche  besteht  die  Deko- 
ration wesentlich  aus  den  gleichen  Arten  von  Maanderban- 
dern.  Indessen  concentrirl  sieh  das  Hauptinteresse  auf  den 
breiten  Mittelstreifen  dw  die  Darstellung  enthält.  In  der  Anord- 
nung der  Streiten  über  dem  Bilde  zeigt  mcü  das  Bestreben, 


IÖ2  A.    URUECKNER    UND    E.    PERNICE 

das  Auge  des  Beschauers  auf  den  Mittelstreifen  zu  lenken; 
das  erreichte  der  Maler,  indem  er  sie  nach  der  Mitte  breiter 
und  im  Muster  reicher  werden  liess.  Dargestellt  ist  im  Mittel- 
streifen der  Leichenzug.  Ein  mil  vier  Pferden  bespannter  ko- 
lossaler vierrädriger  Wagen  traut  ein  schachbrettförmig  ge- 
mustertes  Brett,  auf  welchem  die  Bahre  steht.  Auf  dieser  ruht 
der  Leichnam.  Dass  es  der  einer  Frau  ist,  geht  wol  daraus 
hervor,  dass  die  Beine  nicht,  wie  auf  der  bekannten  Vase 
Monumenti  IX  Taf.  39  von  einander  getrennt  sind,  sondern 
mit  einem  lammen  Gewände  bekleidet  erscheinen;  die  Arme 
Liegen  an  den  Seiten.  Hoch  über  dem  Wagen  ist  ein  grosser 
Baldachin  von  schon  bekannter  Art  ausgespannt.  Die  untere 
Linie  dieses  Baldachins  ist  nicht  gerade  gezeichnet,  sondern 
den  Formen  des  Leichnams,  auf  den  er  herabreicht,  entspre- 
chend, hie  und  da  ausgeschnitten  (vgl.  Gollignon,  Sculpture 
grecque  I  S.  76).  Unter  der  Bahre  knieen  auf  dem  Wagen 
drei  nach  rechts  gewendete  Figuren,  rechts  davon  sassen  eben- 
falls auf  dem  Wagen,  wahrscheinlich  (in  Übereinstimmung  mit 
der  weiter  unten  beschriebenen  Grabvase)  ebenso  viele  auf 
Stühlen.  Hinter  der  Bahre  stehen  auf  dem  Wagen  hinter,  das 
soll  bedeuten  neben  einander,  zwei  grössere  und  eine  kleinere 
Figur,  wol  die  nächsten  Angehörigen,  zu  denen  auch  die  un- 
ter der  Bahre  zu  rechnen  sind.  Fs  folgen  zwei  grosse  männliche 
Figuren.  Soviel  an  der  vorderen  Seite 

Der  Hauptstreif  ist  nämlich  durch  die  Doppelhenkel  in  zwei 
Hälften  zerlegt,  so  dass  eigentlich  zwei  Bilder  zu  scheiden 
sind,  welche  ihrerseits  durch  s-nkrechte  Streifen  rechts  und 
links  abgeschlossen  werden. 

Auf  der  Buckseite  befanden  sich  mindestens  10  Gestalten, 
in  der  üblichen  klagenden  Gebärde  die  Hände  auf  das  Haupt 
legend.  Der  Platz  unter  den  einzelnen  Bügeln  der  Doppelhen- 
kel ist  durch  je  drei  Frauen  eingenommen,  welche  als  solche 
durch  lange  mit  grossen  Schleppen  versehene  Gewänder  cha- 
rakterisirt  sind. 

Ein  kleiner  Bildstreifen  finde!  sich  an  dem  unteren  Teile 
des  Gefässes.    Nur  etwa   zwei  Drittel  desselben  Bind  erhalten. 


EfN    AftlSCÖEB    FRIEDHOF  IÖ3 

Es  waren  etwa  90  nach  rechts  schreitende  Menschen   in  der 
Haltung  der  Klage  dargestellt. 

Wie  die  Vase  die  grösste  aller  bisher  gefundenen  Dipylon- 
vasen  ist  —  vielleicht  überhaupt  die  grösste  aller  bemalten 
Vasen — .  so  giebt  sie  auch  das  stattlichste  Bild  von  dem  Lei- 
chengepränge  dieser  Zeit.  Vor  allem  ist  der  Leichenwagen  von 
gewaltiger  Ausdehnung;  man  wird  dem  Maler  «Hauben,  dass 
auf  der  Platform  des  Wagens  nicht  allein  die  Bahre,  sondern 
rings  um  sie  her  die  nächsten  Angehörigen  teils  stehend,  teils 
sitzend,  teils  knieend  Platz  hatten,  genau  so,  wie  sie  sich  im 
Hause  bei  der  Prothesis  um  den  Toten  versammelten.  Wir 
lernen  daraus,  dass  man  damals  die  häusliche  Scene  der  Pro- 
thesis auch  auf  der  Strasse  bis  zum  Grabe  fortgesetzt  hat.  Um 
alles  das  glaublich  erscheinen  zu  lassen,  wird  man  sich  der 
Pompenwagen  und  des  Thespiskarrens  erinnern,  deren  Zu- 
sammenhang Dummler  im  Rhein.  Museum  1888  S.  355  ff. 
dargelegt  hat.  Auch  der  Leichenwagen  der  Dipylonzeit  ist 
eine  i/.rx'r.  die  klagenden  Männer  und  Frauen  daneben  sind 
die  zugehörigen  Chöre. 

Für  die  Trachtgeschichte  von  Wert  sind  die  Frauen  mit 
ihren  Schleppkleidern,  welche  wir  auf  der  Vase  finden. 

W  ir  beschreiben  an  dieser  Stelle  kurz  eine  zweite  grosse 
Vase,  Nun  welcher  wir  nicht  wissen,  ob  sie  zu  dem  Grabe  II 
oder  IV  gehört.  Die  Form  ist  die  gleiche.  Die  Gesamthöhe 
beträgt  1,60'",  die  des  Halses  allein  52CIU.  Die  Mündung  hat 
einen  Durchmesser  von  48cm.  Den  Hals  schmücken  verschie- 
dene Ornamentstreifen,  welche  durch  Zickzacklinien  von  ein- 
ander getrennt  sind.  Von  den  Streifen  zeigen  drei  Mäander- 
muster, einer  weidende,  einer  liegende  Hebe. 

Am  Bauche  ist  dieselbe  centrale  Anordnung  zu  bemerken, 
wie  bei  der  vorigen  Vase.  Der  Bildstreifen  wird  auch  hier 
hauptsächlich  von  Mäanderbändern  eingefasst. 

Durch  die  Doppelhenkel  wird  der  Bildstreifen  unterbrochen 
und  es  entstehen  so  zwei  Bilder.  Das  vordere  ist  vor  dein  hin- 
teren durch  grössere  Länge  ausgezeichnet,  in  Folge  davon 
konnte  das  Yorderbild  rechts   und    links   nur  durch  je  zwei 


10»  A.    BIUKC.KNER    UND    E.    PERNICE 

senkrecht  gestellte  Mäanderstreifen  abgeschlossen  werden, wäh- 
rend hinten  Raum  bleibt,  beiderseits  vom  Bilde  zwischen  zwei 
senkrechten  Mäanderstreifen  einen  grossen  Stern  einzulegen. 
Hier  sind  acht  klagende  Figuren  dargestellt,  wol  Frauen  zum 
Unterschied  von  den  bewaffneten  Männern  der  Vorderseite. 

Auf  dieser  sehen  wir  die  Prothesis.  In  der  Mitte  steht  die 
Bahre  mit  dem  Leichnam.  Dass  es  ein  Mann  ist,  ohwol  die 
Beine  nicht  getrennt  gegeben  sind,  zeigen  die  kurzen  Ilaare, 
die  den  Kopf  wie  Stacheln  umgehen.  Ein  Baldachin,  in  der 
gleichen  Weise  ausgeschnitten,  wie  der  auf  der  vorigen  Vase, 
ist  über  der  Bahre  ausgespannt.  Unter  der  Bahre  knieen  zwei 
Frauen  nach  rechts, die  Hände  auf  den  Kopf  legend.  Hechts  da- 
von sitzen  zwei  Männer  auf  Stühlen  nach  links  gewendet.  Der 
eine  legt  die  Hände  auf  das  Haupt,  der  zweite  streckt  die  eine 
Hand  aus.  Hechts  von  der  Bahre  folgen  fünf  grosse,  eine  mit- 
tel^rosse  und  eine  kleine  Figur.  Alle  sind  in  der  Haltung  der 
Klagenden  dargestellt,  nur  die  kleinste  fasst  mit  einer  Hand 
die  Bahre  an.  Auch  links  von  der  Bahre  stehen  fünf  Gestal- 
ten, deren  vorderste  die  Bahre  berührt.  Hinter  diesen  folgen 
zwei  mit  Schwert  bewaffnete,  welche  die  eine  Hand  an  das 
Haupt  legen. 

Grab  II. 

Das  Grab  war  von  Süden  her  überschnitten  und  teilweise  zer- 
stört durch  ein  20cm  darüberliegendes  sehr  viel  jüngeres  Brand- 
grab.  In  dem  unversehrten  Teile  wurden  keine  Beigaben 
aufgefunden.  Dass  der  Tote  beerdigt  war,  konnte  mit  Sicher- 
heit festgestellt  werden.  Innerhalb  des  Schachtes,  etwa  1™ 
über  dem  Boden  des  Grabes  lagen  die  Scherben  einer  grossen 
Grabvase  (vgl.  oben  S.  103). 

Grab  III.  (  vgl.  oben  S.  !J2  ff.). 

|),is  Grab  ist  deswegen  von  besonderem  Interesse,  weil  es 
ein  Beispiel  von  Verbrennung  aus  der  Dipylonzeit  ist.  Anstatt 
des  Skelettes  fand  sich  am  oberen  Fnde  des  Grabeseine  bron- 
zene Urne  mit  wenigen  calcinirten  Knochen  (s.  die  Skizze 
obeo  S.  92). 

Der  Tote  ist  nicht  im  Grabe  selbst  verbrannt  worden,  denn 


BIN   ATTISCHER    FRIEDHOF  405 

in  diesem  fanden  sich  keinerlei  Brandspuren.  Auffällig  ist, 
dass  das  Grab,  obwol  es  doch  nur  die  Urne  zu  bergen  hatte, 
nicht  wesentlich  kleiner  ist.  als  die  Gräber,  in  welchen  der 
unversehrte  Leichnam  bestattet  wurde.  Auch  die  Beigaben  sind 
vorhanden,  wie  man  sie  in  anderen  Gräbern  findet.  Ober  das 
Gral»  hin  zog  sich  in  Höhe  der  Stufe  eine  dünne  Mörtelschicht. 
Die  Beigaben  bestehen  aus  fünf  Thonvasen.  Die  grösste,  eine 
Amphora  von  etwa  5 (V™  grösstem  Durchmesser,  ist  am  Bauche 
einfach  mit  Firnisstreifen  verziert  und  hat  nur  am  Halse  das 
Bild  eines  Vogels,  gehört  also  zu  Dipylongefässen .  wie  sie 
auch  von  Philios  'Kory.scL:  y.zy.  1889  S.  174,  3  für  Eleusis 
beobachte!  worden  sind,  und  von  welchen  eine  Anzahl  das 
.Museum  der  arch.  Gesellschaft  in  Athen  besitzt.  Noch  ganz 
im  hergebrachten  Stil  sind  zwei  Büchsen  mit  Deckeln  von  der 
Form  wie  Annali  187-2  Taf.  AM  I.  Die  eine  hat  einen  Durch- 
messer von  13'/,.  die  andere  von  18c"\  Der  Band  der  beiden 
ist  mit  der  Tangentenspirale  versehen.  An  dem  Bauch  des 
Gefässes  finden  sich  hier  in  Feldern,  deren  vertikale  Abgren- 
zungen durch  gerade  und  Zickzacklinien  hergestellt  sind,  lie- 
gende Bebe,  dort  ebenso  umgrenzt  in  der  Mitte  ein  Vogel. 

Von  der  gleichen  Form,  aber  etwas  niedriger  und  ohne 
Deckel  ist  die  folgende  Vase.  Die  Dekoration  ist  ähnlich,  nur 
hat  die  Tangentenspirale  am  Bande  eine  entwickeltere  Form, 
etwa  wie  Fig.  15  der  erwähnteu  Tafel.  Die  Hauptfelder  des 
Bauches  sind  mit  vertikal  verlaufenden  Zickzackmustern  aus- 
gelullt. Hinzu  kommt  endlich  eine  ?2cra  hohe  Kanne  mit  nahezu 
kugelförmigem  Bauch,  auf  dem  ein  schlanker,  in  eine  Drei- 
blattmündung ausgehender  Hals  aufsitzt.  Sie  erinnert  beson- 
ders hierdurch  lebhaft  an  die  Phaleronkännchen.  Auch  ihre 
Dekoration  ist  jenen  ähnlich.  Der  ganze  untere  Teil  ist  mit 
einfachen  Firnisslinien  bemalt,  nur  oben  am  Bauche  findet 
sich  in  der  .Mitte  ein  vertikaler  Streifen  von  übereinander^e- 
Btellten  Zickzacklinien:  inmitten  des  Saumes,  der  um  den 
Hals  herumgeht,  stehen  spitzwinklige  Dreiecke  aneinanderge- 
reiht. Im  übrigen  sind  indessen  die  Phaleronkännchen  klei- 
ner und  plumper.  Die  nächste  Apalogie  in  Grösse  sowie  Form 

ATHEN.   MITTHBILUNGBN   XVIII.  g 


•iOl'i  A.    BRÜECKNER    I  ND   K.    PERNICE 

ist  die  Dipylonvase  Athen.  Mittb.  VI  Taf.  3,  welche  schon 
Furtwängler  mit  Recht,  zumal  doy  darauf  eingekratzten  In- 
schrill  wegen,  der  jüngeren  Periode  zuschreibt. 

Wir  werden  nicbt  fehl  gehen,  wenn  wir  dieses  Grab  als 
eines  der  jüngsten  der  Dipylonperiode  ansehen  und  somit  auch 
die  grosse  Amphora  in  diese  Zeit  verweisen.  Die  von  der  üb- 
lichen Beslaltun»sweise  abweichende  Verbrennung  lässl  sieh 
mit  dieser  Annahme  gut  vereinigen. 

Auf  die  jüngste  Periode  der  Dipylonzeit  führt  auch  die  Be- 
trachtung des  Grabmonumentes,  welches,  wenigstens  in  seinem 
unteren  Teile,  noch  stehend  über  dem  Grabe  gefunden  wurde 
(oben  Fig. 4 ).  Es  ist  «'in  Gefäss  in  Form  eines  Reiches, genau  \\  ie 
Monument i IX  Taf.  40,  1,10"'  hoch  (vgl.  AsXtiov  ip^aioXoyisiov 
1892  S.  7.  Nr.  4).  In  der  Mitte  des  Kelches  befindet  sich  der 
Hauptbildstreifen.  Davon  sind  erhallen  10  mit  Schwer!  be- 
waffnete Männer,  welche  trauernd  die  Rechte  an  das  Haupt 
legen.  Zwischen  den  einzelnen  als  Füllornament  die  entwickel- 
te Tangentenspirale,  wie  auf  der  oben  beschriebenen  Vase.  Es 
folgen  fünf  Flauen,  wie  die  Männer  nach  links  gewendet,  da- 
zwischen dasselbe  trennende  Ornament.  Weiter  folgt  das  Had 
eines  nach  Rechts  fahrenden  Wagens.  Sodann  nach  einer  »rossen 
Lücke  abwechselnd  Krieger  und  einspännige  Wagen.  Von  den 
Kriegern  hat  einer  bereits  den  kleinen  runden  Schild  ,  der 
andere  noch  den  »rossen  ausgeschnittenen.  Der  Leichenwagen 
ist  in  der  auf  den  Wagenzug  folgenden  Lücke  anzunehmen. 

Unter  und  über  dem  Hauptbildstreifen  ziehen  sich  mehrere 
einfache  Trennungsstreifen  hin.  Ein  breiterer  Ornamentstrei- 
fen  findet  sich  noch  am  oberen  Teile  des  Kelches.  Derselbe 
ist  durch  vertikal  stehende  Mäanderbänder  und  Zickzacks}  - 
steme  in  vier  einzelne  Felder  geteilt  — ie  zwei  zwischen  den 
Henkeln  —  welche  durch  »rosse  Blattsterne  ausgefülll  werden. 
Unter  den  Doppelhenkeln  belinden  sich  je  zwei  klagende 
Frauen. 

Grab  IV. 

Das  Grab  ist  im  rechten  Winkel  zu  I  angelegt,  seine  Länge 
beträgt  2,  seine  Breite  lm.  Der  Boden  des  Grabes  lag  in  Grund- 


EIN   ATTISCHER   FRIEDHOF  iOl 

wasserhöhe,  der  Kopf  der  beerdigten  Leiche  im  Westen.  Dicht 
an  der  linken  Seite  des  Körpers  fand  sieh  in  Achselhühe  die 
eiserne  Klinge  eines  Schwertes:  aus  seiner  Lage  ist  wol  zu 
schliessen,  dass  es  der  Leiche  mil  dem  Wehrgehenk  angelegt 
war.  Die  Klinge  ist  an  ihrem  gerade  abschneidenden  Ende 
('>""  breit  und  verjüngt  sieh  bei  23""  Länge  auf  2,5"".  Von  an- 
deren Heiiiahen  sind  aus  dem  Grabe  nur  Bruchstücke  von 
Thonvasen  hervorgezogen  worden,  von  denen  einige  einem 
kleinen  Becher,  die  übrigen  wol  einem  aryballosförmigen 
ölgefäss  angehören,  welches  auf  einem  kleinen  knopfartigen 
Fusse  stand.  Ls  verdienl  bei  letzterem  Gefäss  in  Vergleich  zu 
den  rohen  Anbauen  der  übrigen  Gräber  hervorgehoben  zu 
werden,  dass  es  bemalt  war  und  zwar  zum  grÖSSten  Teil  mit 
Schachbrettmuster. 

Nach  Aussage  des  Aufsehers  sind  an  dem  Punkte  des  Gra- 
bes, wo  der  Kopf  des  Toten  lag,  etwa  ein  Meter  über  der 
Sohle  des  Grabes,  die  Scherben  einer  grossen  Vase  gefunden 
worden.  Wir  vermuten,  dass  diese  identisch  ist  mit  einer  im 
Museum  his  zu  mehr  als  l,20m  Höhe  zusammengesetzten, 
welche  ganz  mit  linearen  Ornamenten  bemalt  ist  und  nur  un- 
ter den  beiden  Henkeln  je  zwei  Vögel  traut.  Möglicherweise 
indess  ist  dies  die  Vase,  welche  zu  Grab  II  gehört  (vgl.  As"/.- 
tiov  ipYaio^ovHcov  1892  S.  7  Nr    3). 

Grab  V  und  VI  (vgl.AeXriov  xp^aioXoyixöv  1892 S.  lONr.  17). 

Von  dem  Grabe  V,  welches  von  VI  geschnitten  wird,  konn- 
te nur  ein  Teil  aufgedeckt  werden.  Daher  erklärt  es  sieh,  dass 
von  den  Waffen,  welche  auf  der  rechten  Seite  des  Leichnams 
lagen,  nur  einzelne  Fragmente  gefunden  worden  sind.  Im- 
merhin genügen  diese,  um  die  Bewaffnung  der  Krieger  jener 
Zeiten  mit  Sicherheit  festzustellen  und  eine  Bestätigung  für 
die  Anschauung  zu  gewinnen,  welche  für  die  Bewaffnung  aus 
den  Vasenmalereien  zu  entnehmen  ist.  Die  dort  übliche  Be- 
waffnung besteht  ausser  dem  Schilde  in  Schwert,  Dolch  und 
zwei  Lanzen.  Dass  Lanzen  in  den  Dipylongräbern  paarweise 
gefunden  wurden,  bemerkte  bereits  Dümmler  ( Athen .  Mitth. 
XIII  S.  291  I.    In   dem   Grabe   fanden  sich  nun  zu  Füssen  des 


108  A.    HHUECKNER    OND    E.    PERNICE 

Toten  die  Reste  von  sicher  zwei  Röhren,  in  welche  das  Holz 
des  Lanzenschaftes  gesteckl  wurde.  Starke  Reste  der  Schäfte 
haben  sich  noch  in  den  Röhren  erhalten.  Die  Spitzen  der  Lan- 
zen sind  vollständig  zu  Grunde  gegangen  oder  vielleicht  nicht 
aufgedeckt  worden.  Di»1  Lanzen  lagen,  wie  die  Fundumstände 
beweisen,  mit  der  Spitze  nach  unten  gekehrt. 

Ausser  diesen    Resten    der   zwei    Lanzen    fanden  sich  Teile 
eines  grossen  eisernen   Schwertes.    Der  besterhaltene  Teil   ist 
5c,n  breit,  an  der  Spitze  beträgt  die  Breite  2cm.  Die  Gesamtlänge 
stellt  sich  auf  ungefähr  70"".   Die  Form  des  Griffes  ist  nicht 
mit  Sicherheil   festzustellen,  es  scheint  aber,  dass  er  sich  von 
den  bei  Undset  (Zeitschrift  für  Ethnologie  1890  S.  2  Fig.   1) 
und    Dümmler    (Athen.    Mitth.   XUI    S.   207)    abgebildeten 
Schwertgriffen  nicht  unterschied.   Spuren  der  früheren    Holz- 
bekleidung  sind   deutlich  bemerkbar.   Besonders  starke  Ilolz- 
reste  aber  finden   sich   auf  den   beiden  Seilen  der  Klinge,  so 
dass  anzunehmen  ist,  dass  sich  das  Schwert  in  einer  hölzer- 
nen Scheide  befand  (Undset  a.  a.  0.  S.  3).  Hinzu  komml  der 
Griff  eines  Dolches  und  kleine  Reste  der  dazu  gehörigen  Klin- 
ge.  Die  Form  des  Griffes  ist  der  des  mykenischen   Dolches 
bei  Undset  a.  a.  0.  Fig.  13  am  ähnlichsten.   Seine  Holzbe- 
kleidung,  von   welcher  beträchtliche   Reste   vorhanden  sind, 
ist  durch  vier  eiserne   Stifte  festgehalten.   Diese  Stifte  sind  so 
angeordnet,    dass  zwei  sich  an  der  unteren  Verbreiterung  des 
Griffs  befinden,  zwei  in  gleichen  Abständen  darüber.  Das  er- 
haltene  Griffstück   ist  ü;/4""  lang.    Auch   auf  den   Besten  der 
Klinge  sind  Spuren  einer  hölzernen  Scheide,  in  welcher  der 
Dolch   geborgen    war.    sieht  bar.    Zugleich    mit   den    eisernen 
Waffen  neben  dem  Schwerte  fand  sieh  eine  bronzene  Röhre  von 
4  ,/.,cm  Länge  und    1  'i  '/."""  Durchmesser,   die  sieh  unlen  plötz- 
lich auf  20"""  verbreitert;  das  Innere  i\w  Röhre  raisst  10""". 
Ihre  Bestimmung  ist  nicht  zu  erraten.   Quer  über  das  Grab 
hin  zog  sieh   ein  fadendünner  Streif  roter  Farbe  durch  das 
Erdreich  (vgl.  Grab  XIV). 

D;is  Grab  V  war.  wenn  es  richtig  ausgegraben  ist.  nur  um 
ein  weniges   länger,    als  ein   Meter,   trotzdem    war  es  kein 


EIN   ATTISCHER    FRIEDHOF 


109 


Rindergrab,  denn  am  Nordende  fand  sich  der  Schädel  eines 
erwachsenen  Menschen,  das  Gesicht  lag  zur  Seite  nach  We- 
sten, die  Schulterknochen  und  die  oberen  Puppen  auffallend 
nahe  heim  Kopte.  Wenn  wir  nicht  annehmen  wollen,  dass 
der  Tote  verwachsen  war.  müssen  wir  an  eine  Beisetzung  in 
hockender  Stellung  denken,  wofür  wir  als  Analogie  nur  das 
Grah  in  Form  des  grossen  Pitlios  Nr.  XIX  anfuhren  können 
(vgl.  hierzu  die  Ausführungen  von  Tsundas,  'Eor/y.i:-:  ip^xio- 
XoyixTi  1885  S.  \  1  und  Philios  ebenda  1889  S.174).  Ein  brei- 
tes goldenes  Band  lag  dicht  um  das  Kinn  herum.  Merkwür- 
digerweise bildete  die  hohle  Seite,  von  welcher  aus  die  Ver- 
zierung eingestanzt  war.  die  Aussenseite,  doch  kann  man  nicht 
annehmen,  dass  es  wirklich  so  getragen  worden  ist.  Bin  gleich 
breites  Diadem  ist  im  Grabe  XII  gefunden  worden,  auch 
hier  der  Tragweise  nicht  entsprechend.  Die  hreilen  Diademe 
werden,  wie  die  der  Elfenbeinfiguren  des  Grabes  XIII  ge- 
trauen worden  sein,  wogegen  die  schmalen,  wie  wir  sahen 
(Grab  I),  hinten   herum  von   Ohr  zu  Ohr  gelragen  wurden. 


rffinmmniTTnrnjrr- 


Fig.  7. 


Das  Mittelstück  dieses  Diadems,  welches  manche  Eigentüm- 
lichkeiten zeigt,  geben  wir  Fig.  7.  Es  ist  in  seiner  ganzen 
Länge  von  36  '/  ""  erhalten,  die  Breite  beträgl  :\.t'"'.  Das  blass- 
gelbe Blech  ist  sehr  dünn  und  zerbrechlich.  Eis  ist  geschmückt 
mit  Hirschen  und  Raubtieren, üben  und  unten  läuft  eine  einfache 
Sti  ichhorte.  Im  ganzen  sind  vier  Tiertypen  ZU  unterscheiden. 
Einmal  folg!  auf  den  weidenden  Hirsch  ein  Löwe  mit  einge- 
zogenem Schweif,  das  nächste  Mal  ist  i\vr  Schweif  gehoben. 
Da/u  kommt  an  einer  Stelle  in  der  .Mitte  ein  wie  im  Sprunge 
befindliches  kleineres  Tier,  welches  schräg  erstellt  ist.  Hechts 
unter  ihm  sieht   man  die  hinlere  Hälfte  eines  Löwen  des  ersten 


110  A.    DUUECKNER   UND   E.   PEHN1CE 

Typus.  Die  Erklärung  dieser  auffallenden  Dekoration  liegt 
auf  der  Hand.  Die  Form,  mil  welcher  das  Goldband  gestanzt 
wurde  und  die  wir  uns  wo]  nach  der  Art  jener  allen  Form- 
steine zu  denken  haben,  von  denen  sich  Beispiele  in  Troja, 
Mykenä  und  in  Lydien  (  Perrot- Chipiez  V  Fig.  209.  210)  ge- 
funden ha  heu  (vgl.  Furtwängler-Löschcke,Myken.VasenS.34), 
war  nicht  die  eines  langen  Diadems,  sondern  eines  vierecki- 
gen Beschlages.  So  erklärt  sich  das  schräggestellte  Tier,  wel- 

C*  ~  DD  ' 

ches  die  Ecke  vortrefflich  ausfüllte  Rechts  von  der  Tierhälfte 
sieht  man  die  abschliessende  Borte,  welche  naturgemäss  unter 
dem  weiter  nach  rechts  folgenden  Tiere  fehlt.  Es  stossen  eben 
hier  zwei  Ecken  aufeinander.  Von  da  bis  zum  rechten  Ende 
des  Goldbandes  ist  die  Form  in  ihrer  ganzen  Länge  benutzt 
worden.  Denn  es  wiederholt  sieh  hier  dieselbe  Darstellung  wie 
auf  dem  abgebildeten  Stück :   dasselbe  schräg  gestellte  Tier, 

O  DO 

rechts  davon  die  abschliessende  Borte  und  ein  Rest  vom  Hin- 
terteile des  Löwen.  Demnach  halte  die  ursprungliche  Form 
eine  Länge  von  21c,n  und  wies  fünf  Tiere  auf,  zwei  Hirsche 
und  die  drei  Löwentypen.  An  den  beiden  Enden  des  Bandes 
sind  je  zwei  Löcher,  welche  zu  seiner  Befestigung  dienten. 
Das   Diadem  gehört  in   die   Reihe  der  von  Furtwängler  in 

~  D 

der  Arch.  Zeitung  1884  S.  99  besprochenen;  bei  dem  aufTaf. 
10,1  sind  ähnlich  wie  in  unserem  Falle  Stempel  zu  einem 
Diadem  benutzt  worden,  die  nicht  eigentlich  für  solche  Ver- 
wendung  bestimmt  waren.  Eine  vollständige  Goldplatte  mit 
Reliefs  in  unserem  Sinne  ist  in  Eleusis  gefunden  und  von 
Philios  in  der  'Ecpr^.epi;  ap^aioXoyix^  1880  S.  180  Tal'.  9,1  be- 
sprochen worden.  Genau  mit  unserem  Diadem  stimmt  das 
von  Curtius  (Das  arch.  Bronzerelief  Taf.  III  S.  17)  veröffent- 
lichte, im  Museum  zu  Berlin  befindliche  Diadem  nherein,  das 
von  der  seihen  Stelle  stammt,  an  welcher  das  imsrige  gefun- 
den wurde,  und  diese  Übereinstimmung  geht  in  den  .Massen. 
der  Anordnung  und  Stilisirung  der  Tiere  so  weit,  dass  es  nicht 
abzuläugnen  ist. dass  zur  Herstellung  beider  Diademe  dieselbe 
Form  gedienl  hat,  nur  ist  bei  jenem  die  Form  geschickter 
verwendet   worden,    indem   Störungen,  wie  sie  in  der  Mitte 


EIN'   ATTISCHER    FRIEDHOF 


m 


unf]  bei  dem  teilenden  Rand  vorliegen,  hier  vermieden  sind. 
Die  Vermutung  bestätigl  sich,  wenn  man  Muster  wie  z.  B.  die 
des  Diadems  bei  Daremberg-Saglio,  Diclionnaire  I  Fig.  983 
vergleicht,  welches  aus  demselbeu  Ausgrabungsfeld  stammt 
und  bei  der  gleichen  Stilisirung  in  der  Anordnung  die  gröss- 
ten  \'ei'schie(lcuheiten  zeigt. 

Ausser  dem  goldenen  Diadem  fand  sich  an  der  linken  Seile 
des  Körpers  eine  Reihe  von  Vasen.  Neben  einem  sehr  grossen 
Amphorenhenkel  von  etwa  50""  hänge,  welcher  von  einem 
Grabmale  herrührend  auf  irgend  eine  Weise  in  das  Grab  hin- 
eingeraten  zu  sein  scheint,  enthielt  das  Grab  eine  hübsche  bau- 
chige Kanne  etwa  W)""  hoch  mit  hohem  Halse  und  reicher  geo- 
metrischer  Dekoration.  Eigentümlich,  und  in  der  Dipvlon- 
keramik  bisher  nicht  nachgewiesen  waren  zwei  kleine  mo- 
nochrome  Gefässe  aus  sehr  zerbrechlichem  feinem  schwarzem 
Tlion.  der  an  der  Oberfläche  mit  besonderer  Sorgfalt  're<dättet 
ist.    Beide   sind    nachstehend    abgebildet.    Ks  ist  eine  kleine 


Fig.  8. 


Fig.  9. 


hauchige  Kanne  mit  Blattausguss  von  ■*""  Höhe  und  eine  kleine 
zweihenklige  Amphora  von  7  '/."".  Auf  den  Henkeln  der  letz- 
teren sind  je  drei  parallele  Linien  eingeschnitten.  Die  Kanne 
hat  in  der  blattförmigen  Mündung  Analogien  in  ^\vn  sog.  Pha- 
leronkannen  und  es  ist  somit  klar,  dass  beide  Gefässe  der  Di- 
pylonzeil  angehören, nichl  älter  sind ;  vgl. Kapitel  III.  Schliess- 
lich kommen  hinzu  noch  einige  Aryballen  aus  Dipylonthon, 
aher  ohne  Firniss  und  Bemalung.  Ks  ist  leicht  möglich,  dass 
einige  dieser  Gefässe  aus  dem  Grabe  VI  stammen. 

Grab  VII  (vgl.  AsVciov  ipx.   1892  S    10  Nr.  15). 

Das  Grab  war.  wie  sich  aus  der  Betrachtung  der  Knochen 


112  A.    BRUECKNER   UNI)   E.    PBRNICE 

ergab. das  einer  Frau.  Der  Schacht  hatte  auf  den  beiden  Lang- 
seiten eine  Stufe   in   Höhe   von  75-80c,n   über  der  Sohle.  Der 
Kopf  der  Toten  befand  sieh  an  <\rv  nördlichen  Seite  des  Gra- 
bes,   die   Arme   Lagen   eng   am    Körper  an.    so  wie  es   in  den 
Leichenzügen  auf  den  Vasen  dargestellt  ist.  Sämtliche  Beiga- 
ben fanden   sich  zu  Füssen   der  Verstorbenen,    bis  auf  drei 
gleich  zu  besprechende  Gefässe.  eine  hohe  Kanne,  eine  Schale 
und  einen  Arvhallos,  zu  einem  Haufen  zusammengelebt.  Finige 
Vasen  aus  diesem    Haufen   sind  nicht  mehr  unter  der  grossen 
Menge  der  gefundenen  zu  erkennen,  die  ihm  sicher  angehö- 
renden zeigen  indessen,  dass  das  Grab  trotz  mancher  Eigen- 
tümlichkeiten zeitlich  nicht  zu  den  jüngsten  der  Dipylonepoche 
gehört.    In  der  Südwestecke  des   Grabes  stand  die  scbon  er- 
wähnte  grosse  Hydria  von  73c,n  Höhe  in  nahezu  ganz  intaktem 
Zustande.   Das  Gefüss  war  leer  und  der  fest  anscliliessende 
Deckel  hatte  das  Eindringen  von  Erde  verhindert.   Der  Thon 
und  die  Bemalung  ist  von  der  üblichen  Technik.   Aber  sonst 
besitzt  das  Gefäss  einige  Besonderheiten,  welcbe  eine  genauere 
Beschreibung  erfordern.    Merkwürdig  ist  besonders  die  Form 
des  Deckels.  Auf  der  Scheibe  des  Deckels  befindet  sich  näm- 
lich ein  Griff  in  Form  des  üblichen  Trinkbechers  mit  hohem 
Fuss,  geringer  Ausbauchung  und  hohem  Bande.  Der  Band  ist 
durch  kleine  Dreiecke  durchbrochen.   Die  Form  der  Kanne 
selbst  ist  genau  so  innerhalb  der  Dipylonkeramik  noch  nicht 
nachzuweisen.  Der  Hals  ist  nahezu  cylindrisch  und  misst  fast 
die  halbe  Höhe  des  ganzen  Gelasses,  ein  eigentlicher  Ausguss 
fehlt.  Auch  der  Bauch  hat  nicht  die  Kugelform  wie  eben  diese 
Kannen,   sondern  er  verjüngt  sich  allmählich  nach  unten  wie 
die  Amphoren,   mit  welchen  er  auch  den   unteren  Ahschluss 
gemein   bat.    Rechts   und  links   von   dem  breiten  Henkel,  auf 
welchem  eine  Schlange  aufgemalt  ist.  wie  sie  hei  jüngeren 
Exemplaren  plastiseh  angegeben  zu  werden  pflegt, und  welcher 
zur  Erhöhung   der  Haltbarkeit    in  der  Mitte  durch  einen  Steg 
mit  dem  Geläss  verbunden   ist  (vgl.  Conze,  Zur  Gesch.  der 
Anfänge  der  griech.    Kunst  Tal'.  Vtia)   befinde!    sich  je  ein 
kleiner  ziemlich   hoher   Buckel  oder  Warze.    Die   Dekoration 


BIN    ATTISCHES    FUIKDHOF 


113 


ist  sorgfältig  aufgetragen.  Es  sind  die  einfachsten  geometri- 
schen Motive:  Mäander.  Schachbrett, Hakenkreuz  und  Dreiecke, 
dazu  ein  Stern,  dessen  Grundelement  die  Raute  ist  und  ein 
zweiter  aus  den  länglichen  oben  und  unten  spitzen  Blättern 
bestellend.  Von  den  drei  Hauptstreifen  befindet  sich  einer  am 
Halse,  zwei  am  Bauche  (\i^  Gelasses;  derohere  derselben  zeigt 
den  Mäander.  Der  untere  und  der  am  Halse  sind  in  regelmäs- 
siger Abfolge  durch  ein  Schachbrettornament  in  einzelne  Fei- 
der  geteilt,  welche  von  dem  Hakenkreuz  und  dem  Rautenstern 
gefüllt  werden:  hervorgehoben  ist  das  Feld  unter  dem  Henkel 
durch  den  Blattstern.  Zwischen  diese  Bildstreifen  treten  ver- 
schiedene Trennungsstreifen  einfacherer  linearer  Motive. 

Dicht  neben  der  Kanne  fand  sich  eine  kleine  Schale  mit 
Süchtiger,  aber  gleichfalls  strenger  Dipylonmalerei  ;  Durch- 
messer 1  -2  V/'".  Hohe:»1//1".  Thondicke.-i-V"'"  (Fig.  10).  Der 


Fig.  in. 


Thon  ist  feiner  als  i\i'\-  der  Kanne.  Aussen  ist  die  Schale  mit 
Schachbrettmuster  bemalt,  dagegen  zeigl  die  Innenseite  ein 
figurenreiches  Bild.  Auf  eine  Göttergestalt,  welche  auf  einem 


114  A.   BRUECKNEB   UND  E.   PERNICE 

Thron  mit  Fusschemel  sitzt,  zu  bewegen  sich  vier  Frauen,  im 
Tanzschritt  sich  die  Hände  reichend,  in  denen  sie  Zweige  tra- 
gen.  Die  vorderste  streckt  der  Göttin  einen  Kranz  entgegen. 

Es  folgen  sodann  zwei  nach  rechts  schreitende  Krieger  und 
zwischen  ihnen  eine  Figur,  welche  wie  es  scheint  auf  einem 
Schemel  knieel  In  der  einen  Hand  hüll  sie  einen  dreieckigen 
Gegenstand,  wo!  ein  .Musikinstrument  i  vgl.  Heibig.  Homer. 
Epos  •'  S.  ,'!  i  i  in  der  anderen  einen  Zweig.  Eine  genauere  Er- 
klärung des  Vorgangs  ist  nicht  zu  geben.  WCiter  nach  rechts 
siehl  man  zwei  geflügelte  Fabelwesen,  welche  einander  ge- 
genübergestellt, offenbar  als  mit  einander  kämpfend  gedachl 
sind.  Besonders  bemerkenswert  ist  der  Umstand,  dass  sie  bei- 
de verschieden  charakterisirt ,  und  somit  als  verschiedenar- 
tige Ungeheuer  gemeint  sind.  Die  Unterschiede  sind  beson- 
ders deutlich  am  Kopf,  am  Schwanz  sowie  in  dem  Gesamt- 
eindruck. Das  zur  Linken  erinnert  an  eine  Sphinx.  Mit  be- 
sonderer Absicht  scheint  der  kleine  Auswuchs  an  der  Stirn 
gegeben  zu  sein.  In  dem  zur  Hechten  möchte  man  am  liebsten 
einen  geflügelten  Kentauren  erkennen,  obgleich  solche  bisher 
nicht  nachweisbar  sind.  Die  ungeflügelten  Kentauren  des 
Goldschmucks  von  Korinth,  Arch.  Zeitung  188-4  Taf.  8,  1  sind 
bekannt. 

Der  Charakter  der  Schale  ist  trotz  der  streng  geometrischen 
Stilisirung  so  singulär,  dass  man  nach  fremden  Vorbildern 
suchen  möchte,  die  hier  zu  Grunde  liegen.  Ks  wäre  die  Schale 
dann  ein  sehr  frühes  Beispie]  der  Beeinflussung  der  einhei- 
misch attischen  Keramik  durch  fremde  orientalische  Vorbil- 
der, eine  Beeinflussung,  welche  wir  in  höchster  Blüte  auf  den 
sog.  frühattischen  Vasen  linden.  Denn  auf  solche  Vorbilder 
weisen  unmittelbar  die  beiden  Flügelgestalten,  die  hier  zum 
ersten  .Male  auftreten.  Am  ehesten  ist  man  schon  i\rv  Scha- 
lenform  wegen  geneigl  an  Vorbilder  wie  die  phönikischen  Me- 
tallschalen  zu  denken.  Die  Schale  \on  Kurion  bei  Perrol-f.lii- 
piez  1 1 1  Fig.  552  zeigt  zwei  einander  gegenübergestellte  Sphin- 
gen als  Abschluss  einer  anderen  Scene.  Die  Silberpatera  des 
Grabes  Regulin i -Galassi  verbindel  die  Anbetung  einer  Göttin 


EIN  ATTISCHER   FRIEDHOF  H5 

innen  mit  einem  Kriegerzuge  aussen.  Knieende  Gestalten  auf 
Schemeln  zeigl  auch  die  Schale  bei  Heibig,  Homer.  Epos  l 
Tat'.  I:  auf  die  Analogie  der  dort  S.  34  wiedergegebenen  Pro- 
zession von  Frauen  ward  schon  hingewiesen.  Zinn  Vergleich 
mag  man  auch  die  grosse] kypriscb-geometrische  Vase  von 
Ormidia  heranziehen,  auf  welcher  die  Göttergestalt  zur  Un- 
ken mit  der  auf  unserer  Schale  eine  gewisse  Ähnlichkeit  zeigt. 
Genau  entsprechende  Analogieen  wird  man  bei  der  niedrigen 
Kunststufe,  auf  welcher  die  Vase  des  Dipylongrabes  steht, 
sowie  bei  ihrer  geometrischen  Stilisirung  vergebens  suchen. 

Zu  diesen  beiden  wichtigsten  Stucken  des  Grabes  kommt 
eine  Reihe  anderer  Fundgegenstände.  Neben  dem  rechten  Fusse 
lag  ein  kleiner  runder  Aryballos  \<m  10cm  Höhe  aus  rötlichem 
Thon  mit  hellerem  Überzuge,  eine  Ware,  die  sich  häufig 
neben  den  eigentlichen  Dipylonvasen  findet.  Der  zu  dem  Ary- 
ballos  gehörige  Propfen  steckt  noch  fest  in  der  Mündung,  of- 
fenbar war  das  Geläss  bei  der  Heisetzung  der  Leiche  mit  Ol 
gefülll  gewesen.  Vor  den  Füssen  fand  sich  sodann  eine  \on 
schwarzen  Streiten  umzogene  grosse  Schüssel  sowie  einer  der 
üblichen  Näpfe,  welcher  auf  seinem  hohen  Hände  den  Bild- 
Btreifen  trägt.  Derselbe  besieht  ans  einzelnen  Feldern,  welche 
abwechselnd  mit  Schachbrettmuster,  Hakenkreuz  und  Blatt- 
stern versehen  sind.  Dazu  kommen  Bruchstücke  eines  mono- 
chromen dunkelroten  Gefasses  von  anderer  Brenntechnik  wie 
die  Dipylonware,  endlich  drei  thönerne  Spinnwirtel  mit  ein- 
gepressten  Sternchen,  bezeichnend  für  das  Geschlecht  der  Ver- 
storbenen. Leider  sind  die  Wirlei  jetzt  nicht  mehr  aufzufinden. 

Grab   VIII. 

Die  Länge  des  Grabes  betrügt  etwa  2,55m,  die  Breite  l.n.Y". 
Der  Schädel  lag  am  Südende  des  Grabes.  Die  Abbildung  Tal'. 
8,  1  giebt  eine  Übersieh!  drv  gefundenen  Vasen.  Einzelhei- 
ten sind  in  i\\'[-  Zeichnung  ergänzt.  Obwol  im  Grabe  ein  er- 
wachsener .Mensch  beigesetzt  war.  fanden  sich  ZU  seinen  FüS- 
sen  doch  vorwiegend  Gelasse  \on  ganz  geringer  Grösse.  Nur 
zwei  Becher  auf  hohen  durchbrochenen  Füssen  hatten  die 
dem  wirklichen   Gebrauch  entsprechende  Höhe  von  20-25cm. 


116  V.  BRÜECKNEB  UND  B.  PERNICE 

Da  sie  unter  die  MeDge  der  nicht  zu  bestimmten  Gräbern  ge- 
hörigen Becher  geraten  sind,  konnte  nur  noch  der  eine  iden- 
tificirt  werden.  (Wv  andere  fehlt  deshalb  in  der  Abbildung. 
Unter  den  übrigen  6  beigegebenen  Gefässchen  sind  zunächst 
die  zwei  Kratere  mit  langgezogenem  Bauche  und  durchbro- 
chenem Fuss  hervorzuheben.  Die  Form  der  Kratere  ist  nichl 
häufig;  ein  genau  entsprechendes  Beispiel  ist  uns  unter  den 
grossen  Dipylongefässen  nichl  bekannt  geworden.  Mit  den 
Trinkbechern  haben  sie  den  hohen  geraden  Hand  gemein,  der 
auch  bei  tiefen  Schüsseln  sieb  findet.  Am  ähnlichsten  ist  noch 
in  der  Form  das  grosse  Kelebgetiiss  Monumenti  IX  Tat".  40,1. 
Beide  kratere  haben  Deckel.  Die  Bemalung  ist  sehr  flüchtig. 
Auf  dem  kleineren  Gefäss  (hoch  IM"",  der  Deckel  8l'"'j  sind 
ausser  dem  Pferd  nur  Zickzack  und  Hauten-Ornamente  ange- 
bracht, auch  die  mit  den  Spitzen  aneinandergerückten  Dreie- 
cke. Auf  dem  zweiten  (hoch  lGrn>,  der  Deckel  9l'm)  ist  ausser 
diesen  linearen  Ornamenten  zweimal  der  Reiher  gemalt  und 
auf  dem  Deckel  weidende  Hebe.  Zu  diesen  Rrateren  kommt 
hinzu  ein  Becher  mit  durchbrochenem  Fuss  (Höhe  6,5cm).  Er 
ist  linear  flüchtig  bemalt,  zeigt  aber  als  Bildornament  vorn 
dreimal,  hinten  zweimal  die  stehende  S-förmige  Spirale 
Weiler  fand  sich  ein  Näpfchen  (hoch  4"")  mit  regelmässigen 
dreieckigen  Einschnitten  und  einfacher  Strichelornamentik  in- 
nen und  aussen,  sodann  eine  Schüssel  von  nur  15""  Durch- 
messer, innen  schwarzbraun  gefiraisst,  aussen  mit  parallelen 
Streifen  und  vertikaler  Strichelung  am  Bande,  endlich  ein 
kleiner  bauchiger  Napf  von  .Vm  Höhe,  bemall  mil  parallelen 
Streifen.  Es  isl  auffallend,  in  so  alter  Zeil  bereits  an  Stelle 
von  Gelassen  in  der  Grösse,  wie  sie  dem  wirklichen  Gebrauche 
entsprechen  wurden,  die  kleinen  Gefässchen  beigegeben  zu 
linden,  die  nur  symbolisch  den  Gedanken  ausdrucken,  dass 
man  den  Toten  mit  einein  Hausrat  ausstatten  will.  Alle  diese 
Vasen  zeigen  in  Thon  und  Flüchtigkeit  der  Zeichnung  solche 
Übereinstimmung,  dass  sie  sicherlich  \ <>n  der  Hand  desselben 
Töpfers  sind.  Danach  isl  wol  anzunehmen,  dass  man  die  sämt- 
lichen Stucke  besonders  für  die  Bestattung  ankaufte. 


EIN   ATTISCHER    FRIEDHOF  iil 

Eine  stilistisch  höchst  wichtige  bemalte  Schüssel  mit  Dar- 
stellungen von  Sphingen,  welche  über  diesem  Grabe  gefunden 
wurde,  aber  auch  noch  über  einer  späteren  Brandschicht,  hat 
wol  als  Grabmal  gedient,  kann  aber  nicht  zu  diesem  Grabe 
gehören  da  sie  jünger  ist.  als  die  übrigen  Beigaben;  sie.  stellt 
stilistisch  zwischen  den  frühattischen  Vasen  und  der  Xetos- 
amphora.  Sie  wird  demnächst  eine  ausführlichere  Bespre- 
chung erfahren. 

Grab  IX  (zur  Lage  des  Grabes  vgl.  S.  99). 

Line  Abbildung  des  Gesamtinhaltes,  giebt  Taf.  8,2,  wenige 
unwesentliche  Stücke  sind  fortgelassen  worden.  Einzelheiten 
sind  in  der  Zeichnung  ergänzt. 

Das  grösste  Stück  ist  ein  Kochtopf  aus  grobem  Thon,  braun- 
rot, unten  von  Bauch  i>eschwärzt ;  seine  Höhe  betraut  32"".Fei- 
ner  sind  die  übrigen  Beigaben.  Es  sind  dies:  I)  ein  zweihen- 
keliger  Napf  von  15CIU  Durchmesser  mit  Zickzack  und  Dreieck- 
mustern bemalt.  2)  Drei  sog.  Phaleronkannen  ;  von  diesen  zeigt 
die  eine  am  Halse  drei  Pferde,  auf  der  Schulter  Dreiecke 
(Höhe  llcm),  die  zweite  im  umgrenzten  Felde  am  Halse  ein 
Pferd  (Höhe  14cm),  die  dritte  hat  am  Halse  nur  Zickzackli- 
nien, auf  der  Schulter  Dreiecke  (Höhe  1*2"").  Unten  sind  die 
Kännchen  mit  parallelen  Streifen  bemalt.  Nur  mit  solchen 
versehen  sind  3)  zwei  weitere  Phaleronkännchen.  von  denen 
das  eine  einen  geraden  nicht  blattförmigen  Ausguss  zeigt.  Dazu 
kommen  4)  7  einhenkelige  Tassen  von  .'>-.Y'"  Höhe.  Diese  sind 
aussen  mit  einer  Ausnahme  schwarz  gefirnisst,  innen  sind  sie 
nur  unten  mit  Firniss  überzogen,  wogegen  sich  am  Rande  ei- 
nige Streifen  linden.  5)  Ein  kleiner  Becher  von  i  '/./"'  Höhe  mit 
Zickzacklinien.  Die  Form  ist  von  den  frühattischen  Vasen 
bekannt,  vgl.  ßöhlau,  Jahrbuch  I887S.50,5.  6)  Ein  kleiner 
G '/.,""  hoher  einfach  schwarz  gefirnisster  unten  abgeplatteter 
Ary bailos.  7)  Ein  Becher  mit  zwei  hohen  Henkeln  |  Intel»  ti 
zwischen  den  Henkeln  von  Zickzackornamenten  umgeben  je 
zwei  Reiter.  Reiter  auf  Dipylonvasen  sind  bisher  selten:  sie 
linden  sich  häufiger  auf  Vasen  <\^>  frühattischen  Stiles  z.  B. 
auf  der  Amphora  vom   Hymettoa  in   Berlin  (Jahrbuch  1887 


HS 


A.    BRUECKNER   UND   E.    PERMC.K 


Taf.  5).  auch  auf  dem  Athen.  Mitth.  1895  Tat'.  10  veröffent- 
lichten frühattischen  Kessel  am  Fusse.  Eigentümlich  ist,  dass 
der  Reiter  nahezu  auf  dem  Hinterteil  des  Pferdes  sitzt.  8)  Zwei 
runde  Aryballen  ans  schlecht  gebranntem  bröcklichen  Thon, 
ungefirnisst.  \)rv  eine  derselben  isl  nicht  verschieden  von  an- 
deren  in  Dipylongräbern  gefundenen  kugelförmigen  Arybal- 
len, von  dem  zweiten  ist  nur  noch  eine  grössere  Scherbe  vor- 
handen, welche  in  Originalgrösse  Fig.  11  abgebildet  ist.  Sie 


-•-«^ 


Fig.  11. 

zeigt  zwei  verschiedenartig  hergestellte  primitive  Ornamente. 
Das  eine  ist  mit  einem  festen,  etwa  muschelartigen  Stempel 
in  den  feuchten  Thon  eingedrückt,  das  andere,  welches  im- 
regelmässiger  erscheint,  wird  vermittelst  einer  Art  von  Zahn- 
rad  hergestellt  sein.  Schliesslich  fand  sich  9)  ein  mit  Dipy- 
lonornamenten  bemaltes  Terra kottapferdchen.  Die  Brüche  am 
Schwanz  und  Kopf  sind  all  \\  ir  haben  wol  das  Spielzeug  des 
Verstorbenen  darin  zu  erkennen.  Sämtliche  Ornamente,  wel- 
che in  Tangenten  kreisen  und  Zickzacklinien  bestehen,  sind 
mit  dicker  weisser  Farbe  aufgesetzt,  eine  Technik,  welche 
sich  an  den  jüngeren  I  )i|>\  lonvasen  von  der  Akropolis  jetzt  viel- 
fach beobachten  Iässt  (vgl.  Athen.  Mitth.  1892  S.  21  Anm.  2). 

Grab  X  |  vgl.  zur  Lage  S.  99). 

l);is  Grab,  in  welchem  ein  Kind  bestattet  war.  bestand  aus 
einem  grossen  Pithos,  dessen  Öffnung  durch  eine  Platte  von 
Glimmerschiefer  geschlossen  war.  An  Beigaben  enthiell  er 
nichts.  Dagegen  winden  dichl  neben  ihm  einige  Thongefässe 
gefunden,  welche  nur  als   Beigaben   erklärt  werden  können, 


BIN   ATTISCHER    FRIEDHOF 


119 


Der  Pithos(Fig.l2)  stand  bei  seiner  Aufdeckung  nicht  aufrecht, 
sondern  lag  auf  der  Seile  Die  Beobachtung  anderer  Gräber  die- 
ser Art  lehrt,  dass  diese  Lage  die  ursprüngliche  ist.  Die  Höhe 
des  Gefässes  beträgl  70cm,  seine  Thonstärke  am  Halse  ?'//'"; 
es  isl  ohne  jeden  Firniss,  aussen  massig,  innen  gar  nicht  ge- 


t,:Jj  T\ 


Fig.  12. 


glättet.  Wie  die  Vasenbilder  mit  dem  IMmlosabenteuer  oder 
mit  dein  Eurystheus  im  Kasse  veranschaulichen,  pflegte  man 
die  Pithoi  zur  Hälfte  in  die  Rrde  zu  vergraben.  Daher  sieht 
die  untere  Hälfte  des  Pithos  meist  sehr  plump  und  ungeschickt 
ans.  während  die  Ornamente  auf  die  obere  beschränkt  sind. 
Der  Hals  setzt  gegen  den  Bauch  allmählich  ab;  die  äusserliche 
Trennung  ist  gegeben  durch  drei  in  Belief  gebildete  \\  iilste, 
welche  in  regelmässigen  Abständen  mit  dem  .Messer  einge- 
kerbl  sind.  Am  Halse  und  an  der  Schulter  isl  genau  dasselbe 
Muster  eingeritzt.  Es  isl  ein  Mäanderstreif  der  einfachsten  Art 
mit  schräger  Innenritzung,  die  grossen  freibleibenden  Felder 
sind  mit  dem  Hakenkreuz  ausgefüllt.  Diesen  Streifen  schlies- 
sen  nach  iinlen  drei  Kit/.linicn  ab.  zwischen  welchen  Innen- 
striehehing   sichtbar  wird,  ein  Ornament,  das  sieh  bereits  auf 


100  A.    HRUECKNER    UND    E.    PERNICK 

den  monochromen  Pithoi  von  Troja  findet,  ohne  dass  jene  mit 
den  hier  behandelten  in  engerem  Zusammenhang  stehen. Genau 
entspricht  dieser  einlachen  Verzierung  die1  der  längsten  Leiste 
Mm  den  knöchernen  Holzkastenbeschlägen  des  Grabes  XI. 

Neben  dem  Kindergrabe  lag  zunächst  ein  Kochtopf  genau 
derselben  Form  wie  der  des  Grabes  IX  (hoch  23cm),  die  \  ielen 
Brandspuren  an  der  unteren  Seite  zeigen  seine  ehemalige  Be- 
nutzung. Weiter  ein  einhenkliger  Becher  8  1/.,r"1  hoch  mit  zwei 
übereinander  liegenden  Streifen  einfacher  kurzer  Zickzackli- 
nien bemalt.  Endlich  ein  kleiner  ungefirnisster  Aryballos,  des- 
sen Zugehörigkeit  indessen  fraglich  ist.  ans  weichem  hellen 
Thon,  7""  hoch. 

Dicht  nehen  diesen  drei  Gefässen  lag  eine  grosse  Amphora. 
Sie  ist  H)""  hoch,  der  Thon  l-2cm  dick,  inwendig  schwarzbraun 
gefirnisst.  Der  Hauch  des  Gelasses  ist  mit  parallelen  Firniss- 
Streifen  überzogen.  Am  Halse  wechseln  vorn  und  hinten  in 
Firniss  aufgemalt  ein  mit  dem  Zirkel  geschlagener  Kreis  mit 
eingesetztem  kreuz  (ähnlich  wie  auf  der  Amphora  ans  dem 
Grabe  mit  den  Elfenbeinfiguren  XIII)  und  ein  Rautenstern. 
Ersterer  findet  sich  viermal,  letzterer  dreimal. 

Grah  XI. 

Das  Grah  war  zum  weitaus  grössten  Teil  durch  einen  jün- 
geren Porossarkophag  zerstört  worden,  so  dass  die  Anordnung 
der  Beigaben  im  Grabe  nicht  mehr  festgestellt  werden  konnte. 
Von  dem  Skelett  war  nehen  (hui  erwähnten  Sarkophage  nur 
noch  ein  Stück  des  Schädels  vorhanden.  In  der  Südostecke 
({(■<.  Grabes  wurde  eine  Reihe  von  Gegenständen  aus  Kno- 
chen gefunden,  von  welchen  die  besterhaltenen  nachstehend 
abgebildel  sind.  Zunächst  erkennt  man  sechs  verschiedene  Ar- 
ten von  Leisten,  welche  ohne  Zweifel  dazu  bestimmt  waren, 


Fig.  13. 

als  Verzierung  vielleichl  auf  hölzernen  kästen  aufgeleimt  oder 
durch   Stifte  befestigt  zu   werden.   An   ihrer  Oberfläche  sind 


EIN'   ATTISCHER    FRIEDHOF  124 

sie,  wie  auch  die  anderen   Knochenarbeiten   mit  besonderer 
Sorgfall  geglättet. 

Von  diesen  Beschlägen  ist  der  besterhaltene  derjenige,  von 
welchem  wir  Fig.  13  eine  Probe  geben.  Das  Ornament  besteht 
in  einer  schmalen  Hohlkehle,  von  welcher  nach  oben  und  un- 
ten zweigartig  regelmässige  Einschnitte  ausgehen  (vgl.  den 
Pithos  Grab  X).  Die  Länge  der  Leisten,  von  welchen  zwei 
ganz  erhalten  sind,  beträgt  25"".  Nach  dem  einen  Ende  hin 
verjüngen  sich  zwei  von  ihnen  um  ein  geringes.  Ausser  die- 
sen beiden  sind  noch  zum  Teil  aneinanderscliliessende  Reste 
von  zwei  andern  vorhanden  in  einer  Länge  von  16  und  1 'i0'"; 
wahrscheinlich  waren  es  nur  vier.  Da  keine  Stiftlöcher  vor- 
handen sind,  waren  diese  Leisten  vermutlich  aufgeleimt.  Be- 
sonders belehrend  für  die  Anbringung  verschieden  langer  Lei- 
sten sind  die  Goldplättchen  'Eo-nu^plq  apYaioAoytfcTi  1885  Taf.  9 
Nr.  3  und  \ .  welche  in  ihren  Mustern  wie  eine  Imitation  un- 
serer Knochenarbeiten  erscheinen. 

Aus  den  Resten  des  zweiten  Beschlages  (Fig.  14)  Hessen  sich 
zwei  Leisten  wieder  ganz  zusammensetzen,  breit  15-17""", 
dick  2""".   Merkwürdiger  Weise  ist  die  eine  nur  7.  die  andere 


Fig.  14. 


dagegen  8  V./'"  lang.  Und  wieder  von  verschiedener  Länge  wa- 
vvn  die  übrigen;  denn  es  ist  ein  Stück  vorhanden,  welches 
an  der  einen  Seite  unvollständig  ist  und  9  ,/.)""  beträgt,  ein 
anderes  war  8,  ein  drittes  7  '/.""  lang.  Ausserdem  sind  kleinere 
Fragmente  mit  einer  Gesamtlänge  von  "25""  vorhanden.  Im 
Ganzen  waren  es  mindestens  5  Leisten,  da  sich  10  Endstücke 
unter  den  Fragmenten  befinden.  Auf  dem  zugehörigen  Kasten 
befestigt  waren  die  Leisten  durch  /..  T.  noch  vorhandene 
Stifte,  welche  in  regelmässigen  Abständen  von  ungefähr 6 */«*■ 
angebracht  sind.  Die  grösseren  Löcher,  welche  an  der  rechten 

ATHEN.    MITTHEILUNGEN    XVIII.  9 


1?2  A.  RRUECKttER  und  e.  pernice 

und  linken  Seite  auf  der  Abbildung  sichtbar  sind,  sind  für 
solche  Knocbenstifte  bestimmt.  Dieser  Bescblag  ist  verziert 
mit  einer  regelmässigen ,   sehr  tief  und  sauber  eingearbeiteten 

Tangentenspirale.  Hechts  und  links  von  dem  Ornament,  ein- 
mal oben,  einmal  unten,  sind  kleine  Löcher  gebohrt,  welche 
nicht  der  Befestigung  dienten,  sondern  ornamental  erscheinen. 
Bei  einem  Eckstück  hören  diese  Löcher  schon  mit  dem  zwei- 
ten auf,  und  sind  dann  nicht  weiter  fortgeführt;  vgl.  ganz 
ähnliche  Leisten  in  Menidi  (Kuppelgrab  Taf.  VI,  15)  und  in 
Spata  [Bull,  de  corr.  hell.  II  Taf.   13,  I). 

Die  Länge  der  einzelnen  Teile  des  nächsten  Beschlages  (  Fig. 
15)  ist  nicht  mehr  festzustellen  (breit  18-19""",  dick  2-3"""). 
Das  grösste  zusammensetzbare  Stück  ist  1 0  '/.,,  ein  zweites  8  l/Sm 
lang.   Es  waren  wol  8  Leisten,   da  gerade  8  linke  Eckstücke 


o  c  o  o  o  o  o| 
Fig.  16. 


erhalten  sind;  rechte  sind  nur  3  vorhanden.  Stiftlöcher  feh- 
len, also  waren  die  Leisten  aufgeleimt.  Es  sind  schmale  Bän- 
der, an  denen  regelmässig  gesägte  dreieckige  Zacken  hängen; 
ein  jeder  derselben  hat  am  unteren  Ende  ein  Loch  als  Ver- 
zierung. Die  Zacken  sind  ein  wenig  nach  innen  gebogen. 

Einen  weiteren  Beschlag  (Fig.  16)  bildeten  mindestens  fünf 
besonders  kurze  Leisten  ( breit  7  l/.,,  dick  3""").  Von  diesen 
sind  4  ganz  mit  einer  durchschnittlichen  Länge  von  i  1/>cai  er- 
halten. Sie  waren  zum  Aufleimen  bestimmt.  Als  Ornament 
zu  betrachten  sind  die  7  in  ungefähr  gleichen  Abständen  durch 
die  einzelnen  Stücke  gebohrten  Löcher.  Zwei  von  diesen  Lei- 
sten verdicken  sich  bei  dem  letzten  Loch  allmählich  auf  5m,n. 
Dieser  Umstand  lässt  vermuten,  dass  der  ganze  Beschlag  nicht 
wagerecht,  sondern  senkrecht  angebracht  war,  wenn  man  in 
dem  verdickten  Ende  den  Kuss  erkennt. 

Eigentümlich  ist  ein  Stück  in  Form  einer  gewellten  Kante 


EtN  ATTISCHER   FRIEDHOF 


123 


oder  Schlange,  Fig.  17  (Länge  137»cm,  Dicke  5-7mm):   es  ist 
an  einer  Stelle  durchbohrt,  war  also  durch  einen  Knochenstift 


auf  der  Unterlage  befestigt. 


Fig.  17. 


Von  dem  Beschläge  Fig.  18  sind  nur  sehr  geringe  und  fast 
immer  gänzlich  zerbrochene  Reste  vorhanden.  Es  lässt  sich 
aber  auch  aus  der  Zeichnung  noch  deutlich  erkennen,  dass  es 
ein  Beschlag  gewesen   ist  mit  einzelnen   freigearbeiteten  Za- 


Fig.  18. 

cken,  welche  nalurgemäss  leicht  abbrachen.  Die  Form  dieser 
Zacken  war  die  sog.  Hakenspirale. 

Zu  diesen  Randbeschlägen  kommt  eine  Reihe  von  ganz 
flachgearbeiteten  Ornamenten  (vgl.  Grab  XIII).  Auch  sie  sind 
ausgesägt  und  waren  bestimmt,  in  die  Unterlage  mosaikartig 
eingelegt  oder  auf  dieselbe  aufgeleimt  zu  werden. 


Fig.  19. 


Fig.  20. 


Fig.  19  stellt  einen  Vogel,  wol  eine  Ente  oder  Gans  vor. 
Ausser  dem  abgebildeten  sind  noch  Reste  eines  zweiten  vor- 
handen. Dicke  3-4mm. 

In  Fig.  20  erkennt  man  einen  ausgeschnittenen  Schild. Von 
einem  zweiten  sind  Fragmente  erbalten.  Dicke  3-4""". 

Den  achteckigen  Stern  zeigt  Fig.  21. 

Dass  die  Stucke  unter  Fig.  22  zu  einem  einzigen  Ornamente 


124 


A.    BRUECKNER    UND    E.    I'KRNIC.K 


gehören,  zeigt  die  vorgenommene  Ergänzung.  Nur  zwei  von 
den  vier  Fragmenten  schliessen  unmittelbar  an  einander  an, 
aber  die  Bearbeitung  und  die  Dicke  der  beiden  andern  ist 
vollkommen  identisch  mit  diesen.  Am  Rande  bemerkt  man 
in    regelmässigen    Abständen    von   einander    Löcher;    an   den 


Fig.  21. 


Fig.  '22. 


Bruchstellen  erkennt  man,  dass  das  Ornament  innen  bogen- 
oder  kreisförmige  Ausschnitte  hatte,  dazu  passt  gut  der  in  die 
Mitte  gelegte  Teil. 

Die  Bedeutung  von  Fig.  23  bleibt  unklar. 


Fig.  23. 


Ausser  diesen  Stücken  sind  erhalten  Brocken  von  oben  und 
unten  glatt  gearbeiteten  flachen  Knoclienstückcben.  die  weder 
ornamentirt  noch  sonst  in  ihrer  Form  kenntlich  sind.  End- 
lich kommen  hinzu  zwei  durch  einen  Fisenstif't  verbundene 
Stäbe,  ein  kleinerer  und  ein  grösserer  Pflock,  der  Länge  nach 
von  Lisennägeln  durchbohrt, und  ein  Röhrchen  von  'M'"'"  Länge. 

Wenn  die  Leisten  und  die  Ornamente  in  der  That,  wie  oben 
vermutet  wurde,  zum  Schmucke  von  Holzkästchen  dienten, 
so  ist  anzunehmen,  dass  das  Grab  einer  Frau  angehörte,  wel- 
cher man  ihre  Schmuckkästchen  mit  in  das  Grab  gab. 

Die  Knochenarbeiten  sind  sicher  ein  Produkt  attischer  Kunst- 
übung. Das  ergiebt  ein  Vergleich  mit  den  Ornamentations- 
elementen  der  Dipylonvasen.  Als   genauere   Zeitbestimmung 


EIN    ATTIgCHER    FHIEDHOF  125 

gewinnen  wir  aus  dem  Vergleich  diejenige  Periode,  in  welcher 
sich  die  Dipylonvasen  mit  den  frühattischen  berühren.  Die 
Hakenspirale  der  Leiste  Fig.  18  ist  das  charakteristischeste 
Element  dieser  Periode.  Die  plastisch  aufgesetzte  Schlange 
Fig.  17  finden  wir  an  frühattischen  Gefässen  und  jungen  Di- 
pylonvasen (Athen.  Mitth.  XVI 1  S.206);  auf  den  älteren  sind 
sie  aufgemalt.  Für  die  übrigen  Gegenstände  treten  die  älteren 
Dipylonvasen  ein.  Der  Beschlag  Fig.  15  ist  eine  Übertragung 
des  in  der  Vasenmalerei  so  überaus  häufig  angewendeten  Or- 
namentes, wo  an  einen  dicken  Firnisstreifen  entweder  nach 
oben  oder  nach  unten  Dreiecke  angesetzt  werden  (vgl.  auch 
'E<pr,uspi;  ipx-  1885  Taf.  9.  3);  die  kurzen  Leisten  Fig.  16  ge- 
ben die  zwischen  zwei  Firnisstreifen  angebrachten  Punkt- 
reihen wieder.  Für  den  ersten  Beschlag  Fig.  13  haben  wir 
bereits  oben  eine  Analogie  aus  unseren  Ausgrabungen  heran- 
gezogen, das  Motiv  ist  eines  der  einfachsten  und  selbstver- 
ständlichsten. Die  Tangentenspirale  Fig.l  4  bedarf  keiner  weite- 
ren Frläuterung.  Auch  die  einzelnen  Knochenornamente  fin- 
den sich  wieder.  Die  Rnte  Fig.  19  ist  als  besonders  beliebtes 
Dekorationselement  der  Dipylonmalerei  in  genau  der  gleichen 
Stilisirung  hinlänglich  bekannt.  Der  Schild  Fig.  20  kommt 
dekorativ  sonst  nicht  vor;  in  kampfscenen  ist  er  häufig  als 
Füllornament.  Vielleicht  kann  man  auch  hier  an  eine  grössere 
Darstellung  denken,  freilich  sind  Beste  menschlicher  Figuren 
unter  den  Knochens! iicken  nicht  gefunden  worden.  Doch  vgl. 
'E<pr)p.6pi?  xpx-  1885  Taf.  0.  3  a.  Der  achteckige  Stern  Fig.  21  ist 
ohne  wirklich  entsprechende  Analogie  auf  den  bisher -einigend 
publieirten  Vasen,  isl  aber  auch  nachweisbar.  Fig.  22  endlich 
erinnert  an  die  Bäder  der  Wagen,  wird  alter  auch  selbständig 
als  Ornament  verwendet,  z.  B.  Annali  1872  Taf.  A.  12. 

Grab  XII. 

Der  Kopf  lau  am  Nordende  des  Grabes,  dessen  Sohle  gerade 
das  Grundwasser  berührte,  und  welches  durch  zwei  jüngere 
Sarkophage  aus  Porös  teilweise  zerstört  war.  Im  Kinnbacken 

befanden  sich  noch  15  vorzügliche  Zähne,  der  10.  fehlte.  Nach 
Ausweis   derselben    hat    der  Verstorbene   kein  hohes  Alter  er- 


126 


a.  nnuECKNEn  und  e.  pernice 


reicht.  Die  Arme  waren  lang  an  den  Seiten  ausgestreckt.  Am 
linken  Kinnbacken  fand  sich  vollständig  zusammengedrückt 
ein  Diadem  aus  blassem  ganz  dünnen  Goldblech  geschnitten. 
Seine  Länge  beträgt  31C1",  seine  Breite  4om.  Es  ist  vollständig, 
nur  an  der  linken  Seite  etwas  ausgebrochen  ;  an  dem  rechten 
Ende  sieht  man  noch  die  beiden  Löcher  für  die  Befestigung. 
Die  Dünne  des  Goldes  hat  bewirkt,  dass  die  Verzierungen  zum 
Teil  bis  zur  Unkenntlichkeit  verdrückt  sind.  Diese  bestehen 
in  einem  unteren  rein  ornamentalen  und  einem  oberen  Bild- 
streifen; beide  werden  getrennt  durch  ein  schmales  Band  klei- 
ner Stäbchen.  Das  Ornament  des  unteren  Streifens  ist  eine 
Combination  aus  Spiralen  ,  wie  sie  besonders  häufig  in  der 
mykenischen  Kunst  auftritt  und  später  in  melischen  und  rho- 
dischen  Produkten  (z.  B.  Salzmann,  Ne'cropole  de  Camiros 
Taf.  25).  Genau  dasselbe  Ornament  ist  verwendet  auf  einem 
Golddiadem  des  British  Museum,  auch  dort  in  Verbindung 
mit  einer  Tierdarstellung  (Arcli.  Zeitung  188'»  S.  103  Anm.). 
Besonders  nahe  stehen  die  beiden  schon  erwähnten  Goldplat- 
ten aus  Eleusis  deswegen,  weil  sich  dort  über  dem  gleichen 
Ornament  der  gleiche  Bildstreifen  wiederholt.  Ebenso  wie  je- 
nes ist  unser  Diadem  ein  Ausschnitt  aus  einem  grossen  Gold- 
blech.  Das  ergiebt  sich  daraus,  dass  die  Spiralen  an  einigen 
Stellen  durchgeschnitten  sind.  Auf  dem  oberen  Streifen  wie- 
derholt sich  viermal  die  gleiche  Scene  ohne  trennendes  Zwi- 
schenglied, nur  nach  der  zweiten  Gruppe  zeigt  sich  eine  Linie 
kleiner  eingedrückter  Punkte,  wie  sie  auch  oben  das   Band 


Fig.  24. 


begrenzen.   Dargestellt  sind  zwei  einander  gegenüberstehende 
Löwen  mit,  wie  es  scheint,  erhobenen  Vordertatzen  ;  zwischen 


EIN   ATTISCHER    FRIEDHOF  127 

ihnen  erkennt  man  Hie  Beine,  die  Brust  und  die  Arme  eines 
ins  linke  Knie  gesunkenen  Mannes.  Wie  die  Scene  im  Einzel- 
nen gestaltet  war  ist  zwar  aus  den  Resten  nicht  mehr  festzu- 
stellen,  da  die  Köpfe  der  Löwen  sowie  des  Mannes  vollkom- 
men verdrückt  sind,  aber  die  Goldplatte  aus  Eleusis  und  das 
Diadem  in  Kopenhagen  (Arch.  Zeitung  1884  Tafel  9.  2)  ge- 
nügen, um  festzustellen,  dass  das  Diadem  unseres  Grabes  die 
gleiche  Scene  bot,  wie  jene.  Und  da  die  Grösse  der  Bildstrei- 
fen vollkommen  die  gleiche  zu  sein  scheint,  so  ist  anzuneh- 
men,dass  alle  drei  Stücke  über  dieselbe  Form  geschlagen  sind. 
\\  ir  haben  demnach  das  Original  so  zu  ergänzen  :  zwei  Löwen 
sich  gegenüberstehend,  einen  Mann  verschlingend,  die  Einzel- 
heiten wie  auf  dem  kopenhagener  Diadem  ;  sodann  die  gleiche 
Scene,  aber  zwischen  beiden,  wie  es  scheint,  ein  Mensch  flie- 
hend. Die  auf  der  Abbildung  des  kopenhagener  Stückes  zwi- 
schen beiden  Scenen  erscheinenden  Schlangenlinien  werden 
nicht  anders  zu  erklären  sein,  als  missverstanden  aus  eben 
jenem  Fliehenden  !. 

Zu  Füssen  des  Toten  stand  aufrecht  eine  hohe  Dipylonkanne 
mit  Deckel,  welche  indessen  bei  der  Anlage  eines  weiter  süd- 
lich gelegenen  Grabes  so  zerstört  worden  war.  dass  sie  nicht 
wieder  hergestellt  werden  konnte.  In  der  Mitte  der  Höhe  die- 
ser Kanne  ausserhalb  davon  lag  ein  am  einen  Ende  abgesägter 
Gelenkknochen.  zwei  andere  der  gleichen  Art  fanden  sich  über 
der  Mitte  des  Grabes  etwa  5Ü-ß()cl"  über  der  Leiche,  müssen 
also  von  Opfern,  welche  nach  der  Bestattung  stattfanden,  her- 
rühren. 

Grab  XIII. 

Da  eine  Veröffentlichung  des  reichen  Inhaltes  dieses  Gra- 
bes von  Herrn  Homolle  in  Aussicht  gestellt  ist.  muss  an  die- 
ser Stelle  eine  Übersicht  genügen.  Wir  verweisen  auf  die 
ausführliche  Notiz  hin.  welche  im  Bull,  de  corr.  hell. 
1891  S.  441  gegeben  ist.   Die  Sohle  des  Grabes  lau  20"  im- 


1  Die  Platte  von  Eleusis  sowie  «las  kopenhagener  Diadem  sind  jetzt  auch 
abgebildet  bei  Collignon,  Sculpture  grecqut  I  Fjg.  i 3.  i<. 


128  A.    BRüECKNEB   UND   E.   PERNICK 

ter  dem  Grundwasser,  der  Kopf  im  Süden.  Zur  linken  Seite 
des  Körpers  und  nahe  dem  Kopfe  wurden  7  Gelasse  gefun- 
den, oberhalb  des  Schädels  6  Figuren  aus  Elfenbein,  3  Löwen 
aus  ägyptischem  Porzellan  und  einige  Gegenstände  aus  Kno- 
chen. Grössere  Schwierigkeiten  als  die  Hebung  der  wolerhal- 
tenen  Thongefässe  bereitete  das  Auffinden  der  Elfenbeinfi- 
guren.  Sie  kamen  zumeist  brockenweise  aus  dein  Schlamm 
unter  dem  Grundwasser  bervor.  Mit  möglichster  Sorgfalt  wur- 
de der  Schlamm  aus  dem  Grabe  herausgehoben  und.  nachdem 
er  getrocknet  war.  nach  weiteren  Bruchslücken  erfolgreich 
durchsucht.  Immerhin  können  unter  solchen  Umständen  kleine 
Splitter  nicht  aufgefunden  worden  sein,  zumal  da  sich  das 
Elfenbein  bereits  in  seine  Schichten  aufgelöst  hatte. 
Die  Getässe  sind  : 

1)  eine  5Ücra  hohe  einhenkelige  Kanne  mit  kreisrunder  Mün- 
dung und  kunstreichem  Deckel,  welcher  in  einen  einhenkeli- 
gen  Becher  auf  hohem  Fusse  ausgeht;  oben  sitzt  inmitten  des 
Bechers  noch  ein  Vogel  auf  (vgl.  Grab  VI l ).  Die  Bemalung 
ist  durchaus  in  strengem  Dipylonstil  gehalten  ;  es  sind  Haken- 
kreuze, Dreieckmotive,  Zickzacklinien  und  Ähnliches.  Ganz 
übereinstimmend  in  Thon  und  Bemalungsweise  sind 

2-6)  drei  grössere  und  zwei  kleinere  Näpfe  der  üblichen 
Form  mit  hohem  Rande  und  geringer  Ausbauchung  unter- 
halb desselben.  Die  grösseren  haben  einen  Durchmesser  von 
28  die  kleineren  einen  solchen  von  20"".  In  einem  der  Näpfe 
fanden  sich  dünne  Knochen,  welche  vielleicht  von  einer  dem 
Toten  mitgegebenen  Speise  herrührten.  Die  Bemalung  des 
Bandes  besteht  in  einem  ringsumlaufenden  Streifen,  der  durch 
einzelne  senkrechte  Striche  in  regelmässig  sieh  wiederholende 
Felder  zerlegt  ist.  Diese  sind  mit  Sternen,  Hakenkreuzen 
u.  s.  w.  gefüllt.  Unter  dem  Streifen  finden  sich  Dreiecke, Mäan- 
der U.S.  W.  Die  Ähnlichkeit  dieser  6  Gelasse  in  Thon  und 
Bemalung  lässt  annehmen,  dass  sie  sämtlich  von  demselben  Tö- 
pfer  gefertigt  und  für  die  Bestattung  gekaufl  sind.  Einfacher 
ornamentirt  und  nicht  in  diese  Bei  he  gehörig  ist 

7)  eine  grosse  Amphora,  welche  am   Bauche  mit  einfachen 


EI.V   ATTISGHKR    FRIEDHOF  Jv'O 

Firnisstreifen  verziert  ist  und  am  Halse  ein  System  von  Drei- 
ecken zwischen  zwei  Kreisen  trägt. 

Wichtiger  als  diese  Gelasse  und  bisher  ohne  jede  genauere 
Analogie  sind  die  6  zum  Teil  sehr  fragmentirten  Frauenfigür- 
chen  aus  Elfen hein.  Eines  davon  ist  schlecht  abgebildet  mit 
andern  Gegenständen  des  Grabes  in  der  Zeitung  "A<77'j  vom 
ö.  Mai  1891.  Sie  sind  von  verschiedener  Höhe,  von  ß-25"". 
Dass  es  Frauen  sind,  ist  klar  durch  die  Angabe  der  Brust. 
Nackt,  die  Heine  geschlossen,  die  Arme  lang  am  Körper  her- 
unterhängend, stehen  sie  auf  einem  niedrigen  Plältchen  aus 
dem  gleichen  Materiale.  Die  Haare  fallen  hinten  lang  auf  die 
Schultern  herab  und  sind  durch  senkrechte  Striche  in  einzelne 
Strähnen  geteilt,  diese  selbst  wieder  sind  sorgfältig  quer  ge- 
strichelt. Die  Arme  der  grössten  Figur  sind  an  dem  Körper 
durch  eiserne  Stifte  befestigt.  Ebenso  sind  die  Füsse  mit  der 
Unterlage  durch  eiserne  Xägel  verbunden.  Auf  dem  Kopfe  tra- 
gen sie  ein  hohes  polosartiges  Diadem,  welches  bei  der  gröss- 
ten mit  einem  Mäander  geschmückt  ist. 

Die  Proportionen  des  Körpers  sind  sehr  schmal,  die  Taille 
eng  und  in  Folge  dessen  die  Hüften  breit ;  die  Schultern  setzen 
im  rechten  \\  inkel  gegen  den  Hals  ab.  Der  unbeholfene  Kopf 
hat  im  Yerhältniss  zum  übrigen  Körper  eine  beträchtliche 
Grösse.  Der  Eindruck  des  Steifen  und  Hechtwinkligen  in  der 
Art  wie  das  Diadem  aufsitzt,  wie  die  Schultern  gebildet  sind, 
wie  die  Taille  eingeschnürt  ist,  ist  genau  der.  den  die  mensch- 
lichen Figuren  auf  den  Dipvlonvasen  hervorrufen.  Unmit- 
telbar aus  der  im  Geometrischen  befangenen  Art  des  Dipylon- 
stiles  entspringt  die  Formgebung  der  menschlichen  Figuren 
der  Vasen  und  die  unserer  Figürchen.  Am  offenkundigsten 
zeigen  sich  diese  engen  Beziehungen  beim  Kopfputz.  Der  .Mäan- 
der der  attischen  Dipvlonvasen  hat  das  Ornament  für  das  Dia- 
dem hergegeben. 

Bei  dieser  nahen  Verwandtschaft ,  welche  die  Elfenbcinfigur 
eben  mit  den  Dipvlonvasen  zeigen, tragen  wir  kein  Hedenken. 
sie  als  die  ältesten  Erzeugnisse  der  attischen  Bildhauerkunst 
hinzustellen,  zumal  auch  die  rohe  Verwendung  von  Eisen  zur 


130 


A.    nnUECKNER    UND   E.    PERNICE 


Verbindung  der  einzelnen  Elfenbeinteile  an  die  der  Dipylon- 
k Li 1 1 u r  eigene  Eisenlechnik  gemahnt. 

Ebenso  sind  ihren  Ornamenten  nach  nicht  von  den  Dipy- 
lonvasen  zu  trennen  die  mit  eben  diesen  Figürchen  zusammen 
gefundenen  Knochenarbeiten. 

1)  Fragment  einer  flachen  Scheibe  mit  eingeritztem  Blatt- 


Fig.  25. 

stern  (vorstehend  Fig.  25  abgebildet).  Der  Stern  giebt  pla- 
stisch das  wieder,  was  in  der  Malerei  Ornamente,  wie  die 
Sterne  z.  B.  auf  der  grossen  Bestattungsvase  Moniunenti  IX 
Taf.  39  im  obersten  Streifen  bedeuten.  Die  zwischen  die  Strah- 
len zur  Ausfüllung  gesetzten  Dreiecke  finden  sich  auf  den  Va- 
sen noch  nicht  (Dicke  3-4""").  Die  einzelnen  Strahlen  des  Ster- 


FiG.  2G. 


Fig.  2: 


nes,die  Blatter,  sind  gesondert  gearbeitet  in  mehreren  Beispie- 
len vorhanden  (Fig.  26).  Ein  besseres  Stück  der  Art,  bei  wel- 
chem die  Mitte  ausgesägt  ist,  zeigt  Fig.  27. 

2)  Das  Stück  Fig.  28  stellt  wie  es  scheint  einen  Delphin  dar 
(Dicke  2-3ram).  Der  Schwanz  ist  weggebrochen.  Ornamental 
wird  der  Fisch  sonst  selten  verwendet,  nur  zur  Andeutung 
des  Wassers  auf  Schiffsdarstellungen  findet  er  sich  häufig. 
Die  Gestalt  des  Delphins  ist  aber  dort  nicht  so  glücklich  beo- 
bachtet, wenn  wirklich  die  Maler  einen  solchen  darstellen 
wollten. 


EIN   ATTISCHER    FRIEDHOF  \Z\ 

3)  Die  Raute  Fig.  29  mit  einem  Loch  in  der  Mitte  ist  in 
zwei  Exemplaren  vertreten  Während  die  eine  3-4,nm  stark 
ist.  beträgt  die  Dicke  der  anderen  5-6""".  Zu  vergleichen  ist 
auf  den  Vasen  die  Haute  mit  dem  Punkt  in  der  Mitte. 


<£> 


Fig.  28.  Fig.  29. 

Die  Knochenornamente  sind  mit  der  Sage  hergestellt  und 
waren  bestimmt,  in  eine  Unterlage  eingelegt,  oder  auf  eine 
solche  aufgeleimt  zu  werden.  Ihre  attische  Herkunft  ist  durch 
die  angeführten  Analogien  aus  der  gleichzeitigen  attischen 
Dipylonmalerei  sicher  gestellt. 

Hinzu  kommen  zwei  wolerhaltene  und  ein  sehr  fragmen- 
tirter  lagernder  Löwe  aus  bläulichem  ägyptischem  Porzellan. 
Auch  in  Eleusis  ist  in  einem  Grabe  der  gleichen  Gattung  wie 
das  unsere  ein  Porzellanskarabaus  gefunden  worden  (vgl. 
'E^aepi?  ip/.  1889  S.  175  Anm.  2\  andere  im  Kerameikos 
selbst  ( vgl. Milcbhöfer,  Anfänge  der  Kunst  S.4  5.  Heibig, Hom. 
Epos2  S.  75).  An  der  unteren  Seite  der  Löwen  sind,  leider 
stark  verrieben,  Reste  von  Hieroglyphen  erkennbar,  deren  Le- 
sung, zum  Teile  gelungen  (Bull,  de  corr.  hell.  1893  S.  189) 
auf  die  Zeit  der  saitischen  Könige  hinzuweisen  scheint. 

Grab  XIV. 

Quer  über  das  Grab  hin  zog  sich  ein  fadendünner  Streif 
blauer  Farbe.  Das  Skelett  mit  dem  Schädel  im  Osten,  lag  nicht 
in  der  Mitte  des  Grabes,  sondern  dicht  an  der  Langseite.  Man 
gewann  so  Platz  für  die  beiden  grossen  Gefüsse,  welche  man 
neben  einander  in  Kopf  höhe  aufstellte.  Es  sind  dies  1)  eine 
etwa  60c,n  hohe  Kanne  mit  blattförmigem  Ausguss  und  eben 
solchem  Deckel,  dessen  Handhabe  durch  einen  Vogel  bekrönt 
ist.  Der  Hals  ist  hoch  und  schlank,  der  Bauch  kugelförmig 
und  an  der  Vorderseite  mit  zwei  Warzen  versehen.  Die  De- 
koration besteht  in  Mäanderbändern,  auf  der  Mitte  des  Bau- 


132  A.    BRUECKNER   UND   E.   PERN1CE 

dies  finden  sich  weidende  Rehe.  2)  Eine  ebenso  grosse  Am- 
phora, mit  gewaltigen  senkrecht  stehenden  Henkeln,  welche 
durch  eine  Querstange  in  der  Mitte  mit  dem  Geläss  verbun- 
den  sind.  Der  breite  Hals  verjüngt  sich  nach  unten,  der  Bauch 
ist  kugelförmig  und  zeigt  ebenfalls  an  der  einen  Seite  zwei 
Warzen.  Die  Dekoration  ist  dieselbe,  wie  die  der  Kanne.  Der 
Hauptstreif  am  Bauche  zeigt  statt  der  liehe  ein  komplicirtes 
Dreiecks) stein.  Beide  Gelasse  sind  aus  derselben  Werkstatt 
hervorgegangen.  Sie  enthielten  keinerlei  Knochenreste.  Reste 
eines  weiteren  Gefässes  neben  dem  letztbeschriebenen  sind 
nicht  sicher  als  zum  Grab  gehörig  zu  betrachten. 

Grab  XV. 

Die  Sohle  des  Grabes  lau;  etwas  unter  Grundwasserhöhe. 
Neben  dem  im  Süden  des  Grabes  befindlichen  Schädel  stand 
in  der  Südwestecke  eine  hohe  Vase  mit  Deckel,  auf  dessen 
Mitte  mehrere  Pferdchen  plastisch  angebracht  waren.  Im  Halse 
der  Vase  steckte  ein  sehr  starker  Schenkelknochen,  der  uns 
als  Stierknochen  bezeichnet  wurde.  Zu  den  Seiten  der  Leiche 
stand  je  ein  niedriger  weiter  Napf  wie  in  Grab  III  ;  in  dem 
einen  lagen  Reste  von  Knochen,  doch  wol  von  einem  beige- 
setzten Speiseopfer  herrührend.  Am  Ende  des  Grabes  kam 
eine  Bronzeurne  mit  verbrannten  Knochen  zum  Vorschein; 
sie  gehörte  einem  anderen  Grabe  an  und  schien  der  in  Grab 
III  gefundenen  ähnlich  zu  sein.  Indessen  liess  es  sich  nicht 
mit  Sicherheit  entscheiden, ob  sie  aus  der  Dipylonzeit  stammt, 
da  man  in  die  darüber  befindliche  Schuttwand  nicht  weiter 
hineingraben  konnte. 

Grab  XVI. 

Der  Schädel  war  nicht  mehr  aufzufinden  ,  nur  Reste  der 
unteren  Extremitäten  wurden  aufgedeckt;  dass  das  Grab  der 
Dipylonzeit  angehörte,  bewiesen  zwei  niedrige  Becher  dieser 
Periode  mit  durchbrochenem  Fuss. 

Grab  XVII. 

Das  Grab  war  wie  das  vorige  zerstört.  Dass  es  ebenfalls  der 
Dipylonzeil    angehörte,    schlössen    wir    aus    kleinen    Scher- 


EIN   ATTISCHER   FRIEDHOF  133 

ben,  welche  im  Grabe  lagen,   und  aus  Resten  eines  eisernen 
Schwertes. 

Ausserhalb  des  in  dem  Plan  Taf.7  gegebenen  Ausgrabungsfel- 
des liegen  zwei  Dipylongräber.  Grab XVI II  war  deswegen  wich- 
tig, weil  75""  über  der  Sohle  rings  eine  Stufe  von  30CID  her- 
umlief, als  Auflager  für  Balken  oder  Bretter  bestimmt.  In 
dem  oberen  Teile  des  Grabschachtes  wurden  zahlreiche  Scher- 
ben von  Dipylontechnik  gefunden,  ein  Fragment  eines  sehr 
grossen  Gefässes  auch  tiefer  unten.  Sie  werden  zum  Grabmo- 
numente gehört  haben.  Der  Inhalt  des  Grabes  war  gering. 
Der  Schädel  lag  auf  der  Westseite  des  Grabes,  die  Augen  wa- 
ren nach  oben  gerichtet.  In  Ilandhöhe  kamen  zwei  Trink- 
becher mit  durchbrochenem  Fuss  zum  Vorschein,  beide  l.V"1 
hoch,  von  genau  identischem  Tlion  und  gleicher  Bemalung 
mit  Zickzacksystemen  und  Hakenkreuz. 

Grab  XIX  ist  ein  kolossaler  Pithos  von  etwa  1 ,40™  Höhe, 
der  grösste  Durchmesser  betrügt  82cm,  der  der  Mündung  50CU1. 
Für  einen  ausgewachsenen  Menschen  war  demnach  genügend 
Baum  vorhanden.  Allerdings  zwang  die  unzureichende  Höhe 
des  Gefässes.  den  Toten  in  eine  hockende  Stellung  zu  bringen. 
Der  Pithos  stand  nicht  aufrecht,  sondern  war,  wie  gewöhnlich, 
auf  die  Seite  gelegt  worden.  Er  reichte  bis  etwas  unter  die 
Grund  wasserhöhe.  Zum  Verschlusse  diente  eine  Platte  von  Thon. 
Neben  den  Knochen  des  Verstorbenen  wurden  darin  keine  Bei- 
gaben an  Vasen  oder  anderem  Gerät  gefunden. 

Der  Pithos  ist  nachstehend  abgebildet  (Fig.  30).  Die  Linie 
vom  Halse  zum  Bauche  ist  eine  ziemlich  gleichmäßige. 
Da,  wo  die  Schwellung  stärker  wird,  ist  in  Belief  eine  Kante 
aufgesetzt,  unter  welcher  ein  Ornamentstreif  sehr  sorgfältig 
eingepresster  Spiralen  mykenischer  Form  sieh  zeigt:  dasselbe 
Ornament  ist  um  den  Hals  des  Gefässes  gelegt  wurden.  Merk- 
würdiger ist  der  Streif,  der  sieh  in  der  Mitte  des  Gefässbau- 
ches  an  dessen  grössler  Schwellung  findet.  Er  ist  nicht  wie 
die  andern  Ornamente  ganz,  sondern  nur  zum  Teil  in  den 
feuchten  Thon  gepresst;  die  geraden  Linien  sind  geritzt.  Ge- 
nau dasselbe  Ornament  in  Verbindung  mit  den  Spiralen  lin- 


134 


A.    BRUECKNER    UND    E.    PERNICE 


det  sich  auf  den  Scherben  eines  ungeiirnissten  Gefässes  von 
der  Akropolis.  Auch  die  Grösse  der  Ornamente  ist  dort  voll- 
kommen übereinstimmend,  so  dass  man  glauben  möchte,  beide 
Gefässe  stammten  von  der  Hand  eines  Meisters.  Die  Analyse 
des  Ornamentes  ergiebt  sich  unschwer  aus  der  Vergleichung 
anderer  Dipylonvasen.  welche  dieselben  Kiemente  gemalt  ver- 


Fig.  30. 


wenden.  Die  Kanne  bei  Conze,  Zur  Geschichte  der  Anlange 
der  griech.  Kunst  Taf.  VI,  4  zeigt  genau  das  gleiche  Orna- 
ment, nur  ohne  die  Kreise.  Dasselbe  findet  sich  auf  einer  gros- 
6en  Anzahl,  leider  nicht  abgebildeter  Vasen  vom  Dipylon  und 
bekundet  somit,  dass  es  durchaus  diesem  Stile  eigentümlich 
ist ;  die  eingepressten  Kreise  werden  in  der  Malerei  zu  Punkten. 


EIN   ATTISCHER   FRIEDHOF  43o 

III.    Zur   Erläuterung   der    Gräberfunde 
der  geometrischen  Epoche. 

Wir  wollen  im  Folgenden  zusammenstellen,  was  sich  un- 
mittelbar aus  den  Funden  dieses  Friedhofs  für  die  Epoche  der 
geometrischen  Vasen  in  Attika  ergiebt. 

Es  verdient  dabei  in  erster  Linie  die  Wahrnehmung  her- 
vorgehoben zu  werden,  dass  die  Gefässe,  welche  in  den  be- 
schriebenen Grübern  zu  Tage  gekommen  sind,  insgesamt  ein 
einheitliches  Gepräge  tragen.  Denselben  Eindruck  hat  auch 
G.  Hirschfeld  bei  den  im  Jahre  1871  von  ihm  beobachteten 
Ausgrabungen  empfangen  und  hat  die  Vasen  in  Anlehnung 
an  Conze's  Untersuchungen  als  pelasgisch  bezeichnet1,  aber 
namentlich  seit  man  den  Zusammenhang  mit  den  späteren 
attischen  Vasen  erkannt  hat,  ist  vielfach  ihr  Alter  unterschätzt 
worden.  Wenn  wir  nun  auch  glaubten,  bei  einigen  Gelassen 
einen  Fortschritt  gegenüber  früheren  Stadien  der  geometri- 
schen Vasenmalerei  zu  erkennen,  so  ist  doch  im  Ganzen  un- 
ter unseren  Funden  kein  Gefäss,  welches  über  die  geometri- 
sche Epoche  hinausführte;  es  fehlen  in  den  Gräbern  sowol  die 
von  Böhlau  Charakter  isirten  'frühattischen' Vasen,  als  auch 
vollends  die  späteren  seh warzfigur igen  mit  glänzendem  Fir- 
niss.  Wir  müssten  aber  erwarten,  unter  der  reichen  Ausstat- 
tung von  Gräbern  wie  VII,  VIII,  IX,  XIII  bereits  die  zeitlich 
folgenden  Vasengattungen  vertreten  zu  sehen,  wenn  die  am 
entschiedensten  —  freilich  vor  längerer  Zeit  —  von  Löschcke, 
danach  auch  von  anderen  ausgesprochene  Ansicht  richtig  wäre, 
dass  'in  Athen  während  des  VII.  und  wie  es  scheint  sogar 
noch  während  des  VI.  Jahrhunderts  vor  Chr.  Thongetässe 
im  Gebrauche  waren,  welche  den  aus  jenen  Gräbern  entstam- 
menden entsprachen'  2.  Natürlich  ist  es  nicht  abzuweisen,  dass 

i  Annali  1872  8.  136.  176. 

2  Worte  vun  He) big,  Homer.  Epos  '-  s.  75.  Losohoke,   Annali  1878  >. 
311  f.  Lösoboke'a  Belege  für  Bp&te  Verwondung  von  Dipyloogeftaeeo  sind 


.36 


A.    BRUEC.KNER   UND   E.    PERNICE 


einmal  ein  geometrisch  verziertes  Gefäss  sich  bis  ins  sechste 
Jahrhundert  und  noch  späterhin  erhalten  hat.  So  z.  B.  hat 
ein  grober  Topf  mit  dürftigen  Spiralornamenten1,  der  an  '200 

Jahre  alt  sein  konnte,  erst  im  Jahr  490  nach  der  Schlacht  bei 
Marathon  das  Haus  seines  Besitzers  verlassen,  um  mit  schwarz- 
figurigen  Lekythen  zusammen  bei  der  Bergung  der  Gebeine 
der  gefallenen  Freiheitskämpfer  zu  dienen  ;  aber  charakteri- 
stisch in  seiner  Form  ist  dieser  alte  Krug  für  die  Zeit  des  Eu- 
phronios  und  Brygos  nicht  mehr.  Nun  aber  sind  gerade  die 
besten  und  vollkommensten  Denkmäler  der  Dipylonzeit,  die 
grossen  Grabvasen,  und  damit  auch  der  Inhalt  der  Gräber 
unter  ihnen,  von  Kroker  und  anderen2  erst  der  zweiten  Hälfte 
des  VII.  Jahrhunderts  zugewiesen  worden.  Dann  müsste  also 
die  ganze  gewaltige  Entwickelung  von  jener  Zeit  an,  wo  sich 
das  beste  Können  der  Töpfer  des  Kerameikos  nicht  über  die 
kindlichen  Silhouetten  der  Leichenzüge  und  Schiffskämpfe 
der  Dipylonvasen  erhob,  bis  zu  der  pisistratischen  Epoche, 
in  welcher  die  Maler  mit  spielender  Meisterschaft  und  in  un- 
erschöpfter Mannichfaltigkeit  die  Vorgänge  des  Lebens  und 
die  Sagenphantasien  der  zeitgenössischen  Dichter  illustrirten, 
in  der  kurzen  Spanne  von  kaum  über  120  Jahren  sich  voll- 


schr  anfechtbarer  Natur.  Der  Ausgrabungsbericht  von  Fauvel  beweist  nichts: 
aus  unserem  Plane  isl  zu  ersehen,  dass  Gräber  des  IV.  Jahrhunderts  und 
weisse  Lekythen  gelegentlich  liefer  liegen  als  Geometrisches.  Wenn  sich 
Kreis  und  Zickzack  noch  auf  der  Francois-Vase  an  der  Amphora  linden, 
welche  Dionysos  dem  Peleus  verehrt,  so  liegen  darin  nur  vereinzelte  orna- 
mentale Überbleibsel  vor.  die  nicht  anders  wie  die  Schlange  an  der  Lutro- 
phoros  anzusehen  sind;  vgl.  unten.  Den  Beweis,  den  Furtwängler  für  Spil- 
les Fortleben  geometrischer  Dekoration  gefunden  zu  haben  glaubte,  erkennt 
er  jetzt  seihst  nicht  mehr  an;  vgl.  Olympia  IV  Text  S.  83.  Zeitschrift  für 
Ethnologie  1889  S.  232  (1  ndset)  Über  den  Schiffsbau  in  der  Dipylonzeit 
vgl.  jetzt  Pernice,  Athen.  Millh.  XYll  S.  28ä  ff.  Es  giebl  jetzt  auch  ausser 
der  Kanne  Athen.  Mitih.  VITaf.  3  Dipylonvasen  mit  Inschriften:  B. Graf, 
Arch.  Anzeiger  1893  S.  IT. 

'  AeXxfov  1890  Taf.  A.  5.  Vgl.  auch  Athen.  Miith.  XVIII  S.  56. 

-  So  auch  E.  Curtius,  Sladlgeschicbte  von  Athen  s.  184  Anm.  2:  'Auch 
die  Flottenkämpfe  auf  den  Dipylonvasen  sind  Denkmäler  der  Geschichte  aus 
der  Zeil  nach  dein  lelantischen  Krieg*. 


EIN   ATTISCHER    FRIEDHOF  137 

zogen  haben.  Fast  Jahr  für  Jahr  lehren  uns  athenische  Funde 
innerhalb  dieser  Entwickelung  neue  Stufen  kennen  und  zei- 
gen, wie  Schrit!  für  Schritt  die  athenische  Töpferzunft  zu  ihrer 
Vollkommenheit  sich  emporgerungen  hat.    Der  vor  kurzem 
veröffentlichte   Krater  mit  seinen  Versuchen,  unter  Beibehal- 
tung der   überkommenen  Ornamente   die  alten   Schemen   zu 
beleben,  auf  Grund  eigener  Beobachtung  Kampf  und   Spiel 
naturgetreuer  darzustellen1,  die  frühattischen  Vasen  Böhlau's 
mit  ihrem  Zwiespalt  zwischen  den  zurückgebliebenen  Silhouet- 
ten und  dem  Wuchern  neuer  Ornamente,  die  deutlich  auf  den 
wachsenden  Einfluss  einer  fremden  Formensprache  zurückge- 
hen—dann der  entscheidendste   und   folgenreichste  Schritt  in 
der  Geschichte  der  athenischen    Keramik,    für  den    man   am 
sehnlichsten  wünschen  möchte,  dasa  sich  reichere  Quellen  zu 
seiner  genaueren  Erkenntniss  erschlössen,  die  Loslö'sung  vom 
geometrischen   Stil,   die  Eroberung  neuer  technischer  Mittel 
und  vor  Allem  damit  gleichzeitig  das  scheinbar  plötzlich  sich 
erhebende  Interesse  au  epischen  und  mythologischen  Bildern, 
wie  es  die  berliner  Schüssel  aus  Aegina'und  ein  Grabmal  wie 
die  Xetosamphora  bezeugen —  von  da  aus  weiter  zu  den  abge- 
messeneren stilsichereren  Gestalten  der  Francoisvase,  von  ih- 
nen zu   der  gezierten    Anmut   (U'v   Meister    wie   Amasis  und 
Exekias  bis  schliesslich  zu  Epiktel  und  Euphronios  — wahr- 
lich eine  lange   Kette  von  technischen   und  kulturellen  Fort- 
schritten,   und  eine,  von  der  kein  Glied  zu  entbehren  und  zu 
überspringen  ist.   Seitdem  durch  die  Akropolisausgrabungen 
sich  erwiesen  hat.    dass  die  Wirksamkeit   der  grossen  Scha- 
lenmaler bereits  in  die  Tyrannenzeil  hineinreicht,  und  seitdem 
andererseits  sich  bestätigt,  dasa  die  hier  in  Frage  kommenden 
Gräber  der  geometrischen  Epoche  rein  sind  von  keramischen 
Erzeugnissen  des  orientalischen   Stiles,  wird  man  gut  thun, 
das  Ende  der  attischen  Dipylonkultur  höher  hinaufzurücken 
und  wenigstens  das  VII.  Jahrhundert  von  ihr  frei  zu  halten. 
Wenn  wir  die  Gefässfunde  einheitlich  genannt  haben,   so 

1  Athen.  Miith.  XVII  Taf.  10. 

ATHEN.   MITTHEILUNGEN  XVIII.  JQ 


138 


A.    BRUECKNER   UND   E.    PERNlC.fi 


steht  damit  nicht  im  Widerspruch,  dass  sicli  unter  ihnen  ne- 
ben der  Klasse  der  oft  besprochenen  Vasen  mit  aulgemalten 
geometrischen  Ornamenten  eine  kleinere  Gruppe  mit  sehr  ab- 
weichender Technik  findet.  Dieser  gehören  aus  dem  Grabe  VI 
die  kleine  bauchige  Kanne  mit  drei  blattförmiger  Mündung 
und  die  kleine  Amphora  an,  welche  auf  S.  I  14  abgebildet  sind, 


Fig.  31. 


sowie  aus  dem  Grabe  IX  die  Scherbe  eines  Aryballos  (S.  1 18 
Fig.  1 1 ).  Das  beste  Beispiel  dieser  Gattung  hat  Brückner  1889 
in  Küluri  auf  Salamis  im  Besitze  des  Kaufmannes  loannis  So- 
teriu  gesehen,  welcher  es  beim  Graben  im  Keller  seines  Hau- 
ses mit  etwa  10  bemalten  Dipylongefässen  gefunden  hatte.  Es 
ist  vorstehend  Fig.  31  nach  einer  Skizze  abgebildet1. 

In  seinen  zierlichen  Verhältnissen — es  ist  1  lu"  hoch  —  ^ei- 
nem schwarzgrauen  sehr  dünnen  Thon  und  in  den  einge- 
ritzten Linien  stimmt  der  Aryballos  vollkommen  zu  den  Ge- 
lassen des  Grabes  VI.  Ihren  Formen  nach  von  den  Dipylon- 


'  Es  ist  der  gegebenen  Zeichnung  hinzuzufügen,  dass  die  Originalskizze 

unklar  lasst,  ob  das  Gefäss  zwei  oder  einen  Henkel  bat. 


EIN   ATTISCHER   FRIEDHOF  139 

vasen  nicht  zu  trennen,  gehört  die  neue  Gruppe  von  Vasen 
nach  Thou  und  Verzierung  der  alten  monochromen  Technik 
an,  ja  wie  es  scheint,  ist  ihr  durch  und  durch  schwarzer  Thon 
Doch  in  dem  für  diese  charakteristischen  Schmauchfeuer  ge- 
brannt  worden.  Aber  es  sind  nur  mehr  Rudimente  dieser 
Technik,  die  an  ihnen  in  einer  besonders  weit  ausgebildeten, 
verfeinerten  Form  auftritt.  Ein  verwandtes  Gefäss  ist  der  kleine 
Aryballos  aus  Rhodos  im  berliner  Museum,  abgeb.  Jahrbuch 
I  S.  135  Nr.  3049  !.  Ks  ist  seltsam  noch  nach  dem  Verfall 
der  mykenischen  Kultur  Reste  der  monochromen  Technik  in 
Attika  auftauchen  zu  sehen,  da  diese,  von  der  Aeolis  und 
Etrurien  abgesehen,  im  Allgemeinen  durch  die  mykenische 
Weise  Gelasse  von  lichtem  Thon  zu  bemalen  längst  verdrängt 
worden  war.  So  wenig  /.ahlreich  nun  auch  bisher  die  Beispiele 
dieser  Art  sind,  so  weisen  sie  doch  hin  auf  die  Technik,  wei- 
che einstmals  die  Vorfahren  der  Töpfer  vom  Dipylon  geübt 
haben  müssen,  als  sie  sich  noch  nicht  den  mykenischen  Mu- 
stern angenähert  hatten  '.  Wenn  man  es  einmal  unternimmt, 
die  Gefässformen  und  Ornamente  der  Dipylonkeramik  über- 
sichtlich und  vollständig  zusammenzustellen,  so  wird  man 
unter  ihnen  gewiss  auf  Reste  aus  der  monochromen  Technik 
Btossen.So  werden  als  Rudiment  monochromer  Verzierungsart 
die  Warzen  zu  erklären  sein,  die  ebenso  wie  an  dem  salami- 
nischen  Ars  hailos  auch  auf  bemalten  llydrien  (vgl.  Grab  VII. 
XIV J  sich  vielfach  an  der  Schulter  linden.  So  scheint  auch  die 
Vorliebe  für  plastisch  an  die  Gelasse  angesetzte  Tiere,  Pferde 
Vögel  und  dgl..,  etwas  zu  sein,  was  die  Dipylonkeramik  mit 
der  monochromen  gemein  hat.  Sollte  etwa  die  Gradlinigkeit 
der  gemalten  Dipylonornamente  noch  ihren  Anlass  haben  in 
i\w  vor  der  Bemalung  geübten  Ritztechnik  .' 

Neben    den    Thonuel'ässen    des   ueoinet rischen    Stiles    haben 
sieh    in    den    Gräbern    ein    bronzener    Kessel,  eiserne  Wallen. 


1  Parallelen  aus  Etrurieo:  Hirschfeld, iJnnait  1872  B.  ITT  f.  Gsell,  Fouülea 
daiu  in  nicropole  dt  Vulci  S.  (iü  laf.  I),  a-g. 
■  Siehe  B.  Graf,  Arcb,  Anzeiger  1893  S,  16, 


140  A.    BRUECKNER    UND   E.    PERNIGE 

Arbeiten  aus  Knochen  mit  eingetieften  Mustern,  Elfenbein- 
figuren,  goldene  Diademe  und  schliesslich  einige  Porzellanfi- 
gürchen  gefunden.  Sieber  als  importirt  können  wol  nur  die 
letzten  gelten.  Wir  sehen  bisher  keinen  zwingenden  Grund, die 
Verfertigung  der  andern  Gegenstände  von  der  Heimstätte  der 
Dipylonvasen  zu  trennen.  Nach  dem,  was  oben  ausgeführt  ist, 
sind  die  Ornamente  der  knöchernen  Leisten  mit  denen  der 
Vasen  in  völliger  Übereinstimmung  und  auch  die  Elfenbein- 
figuren fügen  sieb  durch  ihre  Körperformen,  durch  das  Mäan- 
dermuster  der  Stephane  und  ihre  barbarische  Eisenmontirung 
doch  eben  in  den  Kreis  der  Dipylonkunst  ein,  so  fremdartig 
auch  bisher  die  nackten  Frauen,  welche  sie  darstellen,  anmu- 
ten. Es  scheint  uns  geraten,  weitere  Funde  abzuwarten  vor 
einer  Entscheidung,  ob  der  Typus  der  aufrecht  stehenden 
nackten  Frauen, die  nun  die  nächsten  Parallelen  zu  den  nackten 
Frauen  der  Vasen  abgeben,  in  Zusammenhang  steht  mit  den 
Kykladen figuren,  welche  nach  Wolters'  Untersuchungen  '  ja 
auch  auf  dem  Festlande  verbreitet  waren,  und  ob  wir  das 
Recht  haben, in  der  mit  der  Stephane  geschmückten  Frauenfi- 
gur eine  Aphrodite  zu  erkennen.  An  den  Golddiademen  mit  den 
Stempeln  von  Löwen  und  Thierkämpfen  und  Spiralorna- 
menten ist  besonders  lehrreich,  dass  sie  sich  zusammenlinden 
mit  streng  geometrischen  Vasen,  eine  Tbalsachc,  die  zuerst 
von  Hirschfeld  beobachtet  und  weiter  von  Furtwängler  beson- 
ders besprochen  worden  ist2.  Es  läge  danach  nahe,  bei  der 
Gegensätzlichkeit  des  Stiles  auch  die  Golddiademe  dem  Im- 
porte zuzuschreiben,  aber  es  finden  sieb  auf  ihnen  auch  echte 
Dipylonmuster ;  an  die  Tierstreifen  schliessen  sich  Mäan- 
der an,  ein  Kopfschmuck,  wie  der  aus  Eleusis,  'E<pi)|«pU  äp^. 
1885  Taf.  9,  3  ist  sicher  eine  gute  Goldarbeit,  welche  ganz  und 
gar  ihre  Muster  mit  den  Dipylonvasen  teilt.  So  führt  die  Über- 
einstimmung darauf,  dass  die  Golddiademe    attische  Arbeiten 


1  Alben.  Mit th.  1891  S.  46  IT.  Vgl.  auch  die  Bronzen  aus  Olympia:  Olym- 
pia IV  Nr.  2b'J  ff.  und  FurlwäQgler,  Bronzefunde  S.  31. 

2  Annali  1872  S.  104.  1880  S.  130. 


EIX  ATTISCHER   FRIEDHOF  141 

sind.  Wenn  wir  nun  zu  den  geometrischen  Ornamenten  auf 
den  Diademen  bereits  die  orientalischen  Muster  hinzugefügt 
finden,  so  scheint  das  so  zu  erklären  zu  sein,  dass  die  Zunft 
der  attischen  Goldschmiede,  fortgeschrittener  als  die  Vasenma- 
ler, die  orientalischen  Muster  bereits  angenommen  hatte,  als 
die  Vasenmaler  noch  ganz  im  Geometrischen  befangen  waren. 
Es  wird  nicht  mehr  angemessene  Zeit  gedauert  haben,  bis  die 
Vasenmaler  den  Goldschmieden  in  ihrer  neuen  Richtung  ge- 
folgt sind,  und  so  betrachtet  würde  der  Fund  der  tierge- 
Bchmückten  Diademe  den  Beweis  liefern, dass  unsere  Dipylon- 
gräber  in  den  jüngsten  Abschnitt  der  geometrischen  Epoche 
zu  datiren  sind. 

Überschaut  man  die  Gesamtheit  der  mit  ungleicher  Sorg- 
falt ausgestatteten  Gräber,  so  ist  die  Mannicbfaltigkeit  an 
Geschirr  so  gross,  dass  wir  aus  den  Gräbern  heraus  den  Haus- 
ral  einer  Familie  der  Dipylonzeit  wiederherstellen  können.  Die 
grossen  Vorratsbehälter  veranschaulichen  die  beiden  Pitboi, 
die  als  Särge  haben  dienen  müssen.  Bis  zum  Herdfeuer  füh- 
ren uns  die  von  Russ  geschwärzten  Töpfe,  deren  je  einen  wol- 
erballen  die  beiden  nebeneinander  liegenden  Rindergräber  IX 
und  X  geliefert  haben.  Sie  werden  mit  der  Speise,  die  in  ih- 
nen bereitet  war,  beigesetzl  sein.  Ein  drittes  Gefäss  aus  dem- 
selben b röcklichen  Thon  war  im  Grabe  Yll  enthalten,  es  war 
\on  weiterer  Form  als  die  beiden  Töpfe  gewesen,  liess  sich 
indess  nicht  wieder  herstellen.  Die  Speise  zu  geniessen  dien- 
ten  die  weiten  niedrigen  Näpfe,  welche  fast  ständig  beigegeben 
sind.  In  zwei  Fällen  wurden  darin  noch  Knochen reste.  die 
nichts  mit  dem  Skelett  zu  ihiin  hatten,  vorgefunden.  Auch  die 
niedrigen  Büchsen,  mit  Deckeln  verschlossen,  können  zu  dem- 
selben Zwecke  bestimmt  gewesen  sein.  Als  Trinkgeschirr  sind 
Schalen  und  Tassen  und  Becher  der  verschiedensten  Form 
da.  auch  hat  man  die  Näpfe  ZU  mehreren  beigegeben,  um 
Speise  und  'Trank  von  einander  scheiden  zu  können.  Aber  was 
nutzte   der   Becher,  wenn    nicht    Kanne    und   Krater  und  Am- 


14?  A.    BRÜECKNER    UND   E.    PERNTCE 

pliora   dabeistünden  ?  Und  auch   für  die  Toilette  war  gesorgt 
durch  die  Beigabe  der  ölfläschchen  und  Büchsen. 

Hat  es  uns  nun  auch  geschienen,  als  seien  die  gefundenen 
Vasen  erst  zu  dein  Zwecke  des  Begräbnisses  beschafft  worden, 
so  ist  daraus  doch  nicht  zu  folgern,  als  habe  das  Geschirr 
eines  Atheners  des  VIII.  Jahrhunderts  anders  ausgesehen,  als 
wie  es  in  den  Gräbern  erscheint  Denn  wie  es  der  Wirklich- 
keit entspricht,  finden  sich  je  dem  gröberen  oder  feineren  Ge- 
brauch entsprecbend  die  Gelasse  aus  derberem  oder  zarte- 
rem Thon,  einfacher  gehalten  oder  reicher  geschmückt.  Gänz- 
lich ohne  Zierrat  von  gröbstem  ungereinigtem  Thon  sind  die- 
jenigen,  welche  dem  Gebrauche  im  Feuer  ausgesetzt  waren. 
Schwer  und  nur  in  grober  Weise  verziert  sind  ferner  die  gros- 
sen  Pitboi,  die  in  die  Erde  eingelassen  wurden  .  aber  alles 
was  auf  den  Speisetisch  oder  in  seine  Nähe  gehört,  besteht 
aus  dem  feinen  braunen  Dipylonthon  und  ist  über  und  über 
bemalt.  Da  die  Amphoren  (Grab  XXIII)  als  Vorratsgefässe 
den  Pithoi  am  nächsten  stehen,  sind  sie  auch  am  einfachsten 
in  der  Malerei  gebalten:  über  den  Körper  hin  ziehen  sich  wa- 
gerechte Streifen,  der  Raum  des  Halses  ist  mit  einem  schlich- 
ten Ornament,  wie  z.  B.  ein  paar  einfachen  Kreisen,  geziert. 
Reicher  ornamentirt  sind  die  Schalen  und  Schüsseln,  die  Be- 
cher und  Näpfe,  aber  dem  Trinker  bot  sieb  noch  keine  Gele- 
genheit, die  Kunst  der  Erklärung  an  seinem  Becher  zu  üben. 
Denn  noch  kennt  die  Malerei  das  Bild  nur  bei  wenigen,  ganz 
bestimmten  Anlässen  und  beschränkt  sich  im  übrigen  auf 
stumme  Ornamente,  unter  welche  sich  nur  selten  erst  ein  Fa- 
belwesen verirrt.  Eine  Schale  wie  die  aus  dem  Grabe  V  ist 
einsam  unter  unseren  Funden.  Aber  ihr  Schmuck  steht  nicht 
im  Widerspruch  zu  dem  Erfahrungssatze,  dass  bei  den  Dipy- 
lonmeistern  die  Darstellung  von  Vorgängen  noch  auf  solche 
beschränkt  bleibt,  welche  mit  uvr  besonderen  Verwendung 
des  Gelasses  in  enger  Beziehung  slehn.  Denn  der  Umstand, 
dass  man  mit  der  Schale  den  Göttern  spendete,  mochte  den 
Anlass  zu  der  Anbringung  des  Bildes  der  Procession  geboten 
haben. 


EIN  ATTISCHER    FRIEDHOF  143 

Bei  der  Musterung  des  Geschirrs  einer  Dipylonfamilie  und 
ihrer  Verstorbenen  fallen  zwei  Gefässgattungen  durch  beson- 
ders reiche  Verzierung,  also  durch  besondere  Kostbarkeit  auf: 
die  grossen  Grabraäler,  welche  über  den  Bereich  des  Haus- 
gerätes hinausführen,  und  die  hohen  Hydrien  im  Grabe,  die 
wir  in  dieser  Übersicht  noch  nicht  erwähnt  haben.  Gelegent- 
lich sind  in  sie  hinein  verbrannte  Knochen  gesammelt  worden, 
so  in  Eleusis1,  aber  in  unseren  Gräbern  fanden  wir  sie  leer: 
indessen  ein  Vergleich  mit  verwandten  Gefässen  entwickel- 
terer Form  wird  uns  sowol  über  ihren  ehemaligen  Inhalt,  wie 
ihre  besondere  Stelle  im  Totenkult  Auskunft  geben. 

Aufrecht  stehend  in  einer  Ecke  nämlich  ist  in  vier  Grä- 
bern (VII.  XII.  XIII.  XIV)  je  eine  Hydria  gefunden,  deren 
Formen  bis  in  die  Besonderheit  des  kunstvollen  Deckels  mit 
dem  darauf  aufgesetzten  kleinen  Becher  übereinstimmen.  Der 
runde  Körper,  der  hohe  Hals  und  der  Deckel  sind  dicht  mit 
Ornamenten  überzogen,  die  äussere  Fläche  des  Henkels  wird 
bei  der  einen  Hydria  (VII)  mit  Windungen,  wie  von  einer 
Schlange,  ausgefüllt.  Fin  ähnlich  hohes  Gefäss  stand  auch  im 
Grabe  XV.  Einige  Jahrzehnte  nach  unseren  Gräbern  ist  die 
Hydria  zu  der  Form  umgebildet,  welche  das  Gefäss  aus  Ana- 
latos  Jahrbuch  II  Tai'.  4  hat  Der  Körper  ist  schlanker  gewor- 
den, an  seine  beiden  Seiten  sind  noch  ein  paar  Handhaben 
angesetzt,  die  östlichen  Palmettenornamente  wuchern  auf  dem 
Hauptstreifen,  die  alte  Formlosigkeit  des  Halses  ist  gewichen 
und  dieser  ist  wie  mit  einem  überkragenden  Teller  abge- 
schlossen; die  Fläche  des  Halses  hat  sich  der  Maler  für  das 
Bild  eines  Chores  ausersehen.  Aber  dem  alten  Schlangenor- 
oament  ist  er  treu  geblieben,  er  setzt  es  noch  kunst-und  ein- 
drucks voller  auf  alle  drei  Henkel  und  um  die  Mündung  des 
Gefässes  herum  in  erhabener  Arbeit  auf.  Diesem  Gefässe 
nahe  verwandt,  indessen  noch  rein  geometrisch,  ist  ein  an- 
deres  aus   Attika.  welches  vor  kurzem   für  das  berliner  Mu- 


'   'E^epi;  iP-/_.  1889  S.  178  Anm.  2.  S.  179  (Philios) 


144  A.    BRUECKNER    UND    E.    PERN'ICE 

seum  erworben  worden  ist1.  Bei  ihm  ist  ein  zweiter  Henkel 
an  den  Hals  angefügt.  Der  Bildschmuck  steht  in  enger  Be- 
ziehung zum  Grabe.  Er  stellt  ähnlieh  wie  die  thönernen  Grab- 
mäler  die  Teile  des  Leichenzuges  dar,  klagende  Männer  und 
Frauen.  Wagen  und  Kriegerzüge, so  dass  man  dasGefäss  selbst 
als  Grabmal  sich  denken  könnte,  wenn  nicht  in  seinem  Halse 
noch  eine  Kanne  festsässe  und  bewiese, dass  es  zum  Gebrauche 
des  Toten  in  das  Grab  hineingesehen  war. 

Aus  diesen  Gefässen   haben   sich  nun  die  sogenannten  Pro- 
thesisvasen  des  VI.  Jahrhunderts  entwickelt.  Die  alte  Grund- 
form  hat  sich  in   ihnen  erhalten2.  Der  schlanke  Körper,  die 
beiden  Henkel,  das  Schlangenornament  an  ihnen  und  um  die 
Mündung  herum  sind  ein  Erbteil  aus  vergangenen  Zeiten.  Mit 
freierer  Zeichnung  und  besseren  Farben  malt  der  Meister  noch 
die  Klage  um  den  Toten  auf  Hals  und  Bauch  der  Amphora, 
einen   unteren   Streifen,   der  ihm  unter  der  Hauptfläche  etwa 
bleibt,  füllt  er  immer  noch  mit  Wagen  und  Heiterscenen  aus, 
obwol  so  glänzendem   Leichengepränge  inzwischen  Solon  mit 
seinen   beschränkenden   Gesetzen   sicherlich  ein  Ende  bereitet 
hatte.   Gewiss  ein  eindringliches  Zeugniss  für  die  Festigkeit 
des   Bannes,    in   welchem  den  attischen  Töpfer,  so  unablässig 
er  auch  in  seinem  Handwerk  fortschritt. dennoch  die  Tradition 
hielt.    Die  spätere  Entwickelung  dieser  Gefässform  von  den 
Prothesisvasen  aus  ist   bekannt.    Über  sie  hinaus  führen  die 
Amphoren  Athen.  Mitth.  XVI  S.  372  und  Arch.  Zeitung  1882 
S.  131.  Aus  dem  urspünglich  plumpen  Gefäss  ist  allmählich 
eines  von  gefalligem   Aufbau   und  zierlichem  Umriss  gewor- 
den, zu  zart,  als  dass  seine  Form  dem  praktischen  Gebrauche 
noch  entspräche.    Wenn  trotzdem  noch   immer  grade  in  ihm 
das  Brautbad  von  der  Quelle  Kallirroe  geholt  wird  und   das 
Gefäss  danach  im  Gemache  der  jungen  Frau  stehen  bleibt,  so 
ist  das  nur  mehr  aus  der  Treue  gegen  die  alte  Sitte  und  dem 


1  Arch.  Anzeiger  1892  8.  100  Nr.  4. 

2  Z.  B.  Monumenti  III  Taf.  00.   Furtwängler,  Sammlung  SabourofT  zu 
Taf.  58. 


EIN  ATTISCHER    FHIEDHOF  145 

beherrschenden  Einfluss  zu  erklären,  welchen  damals  die 
schlankeren  marmornen  Lutrophoren  auf  die  Form  der  thö- 
nernen  ausgeübt  haben. 

Denn  nach  Wolters'  Darlegung  in  diesen  Mitteilungen  XVI 
S.  371  ff.  ist  es  keinem  Zweifel  mehr  unterworfen,  dass  wir 
in  diesem  besonderen  Gefässe  die  Lutrophoros  zu  erkennen 
haben,  in  der  man  das  Wasser  zum  Brautbade  zu  holen  und 
welche  man  Unverheirateten  auf  das  Grab  zu  stellen  pflegte. 
Den  Bestand  der  Sitte  erst  von  den  Prothesisvasen  an  über- 
schauend hat  Wolters  sich  beschränkt,  die  Frage  offen  zu  las- 
sen, was  die  merkwürdige  Symbolik  der  Lutrophoros  auf 
dem  Grabe  und  des  so  dem  Verstorbenen  dargebrachten  Braut- 
bades eigentlich  bedeute.  Er  fügte  dem  hinzu  |  S.  399):  '  Ich 
glaube,  dass  wir  uns  bescheiden  müssen,  hier  keinen  einfa- 
chen, klar  bis  zu  Ende  gedachten  Gedanken  zu  finden,  beson- 
ders so  lange  die  geschichtliche  Entstehung  des  Brauches  uns 
unbekannt  bleibt'.  Dass  die  Sitte  in  ältere  Zeit  zurückreichte, 
ging  auch  für  Wolters  daraus  hervor,  dass  ein  ebenso  ge- 
formtes, allerdings  nur  mit  korinthisirenden  Tierornamenten 
bemaltes  Gefäss  bei  den  Totenopfern  des  Grabhügels  von 
Vurva  gedient  hat1.  Jetzt  aber  lässt  sich  die  Sitte  verfolgen 
bis  in  die  geometrische  Periode  hinein.  Da  linden  wir.  was 
später  auf  dem  Grabe  ist,  im  Grabe:  an  Stelle  eines  prak- 
tisch nicht  verwendbaren  Symbols  steht  inmitten  von  Spei- 
senäpfen und  ülkrügen  die  Ilydria.  durch  den  Deckel  wol 
geschlossen,  im  Halse  eine  Schöpfkanne,  die  Henkel  herge- 
richtet zum  bequemeren  Tragen.  Kein  Zweifel,  dass  diese  Ge- 
fässe schwergefüllt  zum  Grabe  geschafft  und  so  hinein  ver- 
senkt worden  sind.  Also  das  Bad.  dessen  Darbringung  im 
sechsten  und  fünften  Jahrhundert  nur  mehr  angedeutet  wird, 
ist  zwei  Jahrhunderte  früher  wirklich  dem  Toten  mitgegeben 


1  Dazu  vgl.  jetzt  die  von  Furtwängler  beschriebene  Lutrophoros  in  Ber- 
lin, an  welcher  die  Henkel  bezeichnender  Weist«  von  Klageweibern  gebil- 
det werden,  Arch.  Anzeiger  1892  S.  100  Nr.  G  und  die  aus  Marathon,  Athen. 
Miiih.  XVIII  Tai.  2. 


14K  A.   BRÜECKNEB   UND  F.   PBRNICE 

worden.  Es  tritt  zu  den  Spenden  und  Opfern  hinzu  und  lie- 
fert mit  ihnen  den  deutlichsten  Beweis,  wie  man  es  sich  da- 
mals angelegen  sein  lirss.  für  das  leibliche  Wolbelinden  des 
Toten  zu  sorgen. 

Es  drängt  sich  die  Frage  auf.  ob  die  Lutrophoros  schon  in 
der  Dipylonzeit  auf  die  Gräber  der  Unverheirateten  beschränkt 
war.  Wäre  das  der  Fall,  so  hätten  wir  die  fünf  oben  genann- 
ten Gräber  als  die  von  Unverheirateten  anzusehen.  Von  den 
Denkmälern  aus  ist  darüber  bisher  zu  keiner  Entscheidung 
zu  gelangen,  wenigstens  sind  die  hier  zu  besprechenden  Grä- 
berfunde nicht  geeignet,  einen  sicheren  Auf'schluss  zu  geben. 
In  den  Kindergräbern  ist  die  Hydria  nicht  gefunden.  Doch 
spricht  das  nicht  notwendig  dagegen,  da  sich  denken  lässt, 
dass  man  die  Sitte  vorzugsweise  bei  Verstorbenen  heiratsfähi- 
gen Alters  innehielt.  Für  die  Beschränkung  der  Sitte  auf  die 
Unverheirateten  lässt  sich  anführen  einerseits  der  besonders 
reiche  Schmuck,  durch  welchen  man  gerade  diese  Gefässe  vor 
Gebrauchsgefässen  wie  der  Amphora  ausgezeichnet  hat.  und 
andererseits  das  Bild  der  Hydria  von  Analatos,  das  in  diesem 
Zusammenhange  sich  wol  als  ein  Hochzeitschor  auffassen  lässt: 
wonach  denn,  wenn  wir  uns  des  Leichenzuges  auf  der  berli- 
ner Amphora  erinnern,  die  Lutrophoren  des  V.  und  IV.  Jahr- 
hunderts nicht  nur  die  Form  und  das  Schlangenornament, 
sondern  auch  die  beiden  Hauptthemata  ihrer  gemalten  Bilder 
schon  von  den  Dipylonlutrophoren  überkommen  hätten,  den 
Hochzeitszug  und  die  Leichenfeier. 

Wir  hatten  gezeigt,  wie  mannigfaltig  die  Beigäben  in  den 
Dipylongräbern  sind,  und  im  nächsten  Kapitel  soll  die  Ein- 
förmigkeit der  Sitte  im  Y.  und  IV.  Jahrhundert  dem  gegen- 
übergestellt werden,  /war  bat  man  auch  in  der  Dipylonzeit 
nicht  in  jedem  Falle  in  die  Behausung  i\v^  Toten  eine  reiche 
Ausstattung  mitgegeben:  man  erkennt  \iclmehr.  dass  da  und 
dort  eine  gewisse  Beschränkung  eingehalten  wurde,  dass  ein 
oder  zwei  Gefässe  beizugeben  schon  für  Manchen  zur  Erfül- 
lung der  Sitte  genug  erschien.  Man  glaubt  auch  bereits  das 
Walten  der  attischen  Sparsamkeit,  die  späterhin  offenbar  da- 


EIV   ATTISCHER    FRIEDHOF  1  17 

von  abgehalten  hat,  wertvollen  Schmuck  in  die  Erde  zu  ver- 
senken, in  der  Auswahl  der  Beigaben  zu  spüren;  denn  es  fällt 
doch  auf,  dass  abgesehen  von  den  dünner  Goldblechen  der 
Diademe,  deren  häufige  Beigabe  durch  den  Kitus  der  Bekrän- 
zung bei  der  Prothesis  im  Besonderen  veranlasst  sein  konnte, 
anderer  Schmuck  nicht  eben  häufig  und  nicht  über  ein  paar 
Fibeln  hinaus  vorkommt,  in  den  beschriebenen  Gräbern  so- 
gar ganz  fehlt,  wiilnend  in  dem  allezeit  die  Toten  mit  grösse- 
rem Gepränge  verherrlichenden  Böotien  im  einzelnen  Grabe 
Bronzefibeln  in  grosser  Zahl  bei  einander  und  dazu  noch  rei- 
cherer Bronzeschmuck  zusammen  mit  geometrischen  Vasen 
gefunden  worden  sind  '.  Indessen  wenn  wir  auch  in  solchen 
Beschränkungen  der  Beigaben  die  Einwirkung  einer  nüchter- 
neren Auffassung  von  dem.  was  dem  Toten  gebührt,  zu  spu- 
ren glauben,  so  lehrt  andererseits  der  Befund  unserer  Gräber, 
wie  lebhaft  man  noch  davon  erfüllt  war.  dass  die  Ausstattung 
des  Grabes  dem  Abgeschiedenen  im  Jenseits  zu  Gute  komme. 
Noch  wird  der  Mann  mit  seinen  Waffen  beerdigt:  wir  wüss- 
ten  kein  späteres  attisches  Grab,  in  welchem  Waffen  gefun- 
den worden  wären.  Noch  steht,  wie  wir  gesehen  halten. neben 
dem  vielerlei  anderen  Geschirr  die  Lutrophoros  mit  dem  Was- 
ser zum  Bade  und  der  Topf,  der  mit  Speise  angefüllt  vom 
Feuer  genommen  worden  ist  (IX.  X)  und  noch  linden  wir  die 
Knochen  vom  Stieropfer2  (TcpoG^ayua),  welches  erst  Solon 
verboten  hat.  Das  sind  Zeugnisse  für  eine  frische  Ursprüng- 
lichkeit des  Totenkultes,  welche  an  das  alte  v.-i:ix  /.TccsO-v 
erinnern  und  uns  veranschaulichen,  was  über  die  vorsoloni- 
Bche  Leichenfeier  im  pseudoplatonischen  .Minus  überliefert 
wird,  wo  es  heisst5 :  olnhx  ~rsj  y.y.l  aOrö:  i/.o'jtov  oioi?  vöy.oi?  :-y?u- 
ixsOx   xpo   to'j    -hol    to'1/C  i-oOavovTO.;,    [ecsix  rs    ttcog'Pzttovts;  ~zö 


4  Fibeln  aus  den  Gräbern  der  geometrischen  Epoche  zusammengestellt 
von  Studniczka,  Athen.  Mitih.  XII  S.  14.  Zu  Böotien  vgl.  Böhlau,  Jahrbuch 
III  s.  im     \ivli.  Anzeiger  1891  3.  124  Nr.  12.  'Ewiupl«  ipx-  1892  S.  219. 

-  Vgl.XII.XIII.XV.Philios,  'Ewfxepl«  ip*.  1889  S.  IT:!  Anm.2:  xau  öatoCiv 
8e  o^t  äv0pw7uvov  <'»;  ao'-.  Efivq,  sipeü/j   u£7a;J  to>v  Öjtöjv  Taaou  xivd^. 

3  ö.  310.  Etym.  Magn.  EY/^JTpiaipiai. 


148  A.   BRUECKNER   UND   E.   PERNICE 

t^;  ix<pop5c;  tou  vsxpoo  xoci  dy^vTpiTTpia;  asTarsjxTCOjxsvor  oi  o  au 
ex.-ivoov    Iti   "xpoTspot  aOroO  xai  i'Oa^rov  sv  rf,  oixia  xou?  azoQavöv- 

tx;-  7//*?c  <M  TocTior  oi>d\r  notovper.  Zu  den  Geschäften,  welche 
nach  dem  Gewährsmann  des  Scholiasten  zu  Plato  und  des 
Etymologicum  Magnum  den  zum  Leichenbegängnisse  ange- 
nommenen iyyuTpi'jTp'.xi  zufielen,  wird  es  wol  auch  gehört  ha- 
ben.  die  schweren  Lutrophoren  ans  Grab  zu  tragen. 

Unter  den  neunzehn  Dipylongräbern,  deren  wir  ansichtig 
geworden  sind,  hat  unreines  (III)  eine  Urne  mit  verbrannten 
Knochen  enthalten  und  diesem  Verbältniss  entsprechen  die 
Versicherungen  griechischer  Lokalantiquare,  welche  keinen 
wpoüffTopwco?  rxyoc,  mit  verbrannter  Leiche  gesehen  haben  wol- 
len'.  Dagegen  sagt  Heibig,  und  andere  sind  ihm  darin  ge- 
folgt, dass  in  den  Dipylongräbern  der  jüngere  Gebrauch  der 
Verbrennung  vorherrsche,  indem  er  sich  dabei  auf  Gustav 
Hirschfeld's  Bericht  über  die  Ausgrabungen  auf  dem  unsern 
Gräbern  benachbarten  Grundstück  beruft2.  Aber  Hirschfeld 
selbst  führt  nichts  für  ein  Überwiegen  der  Verbrennung  über 
die  Beerdigung  an.  Seine  Annahme,  dass  in  der  Dipylonzeit 
unterschiedslos  beerdigt  und  verbrannt  sei.  stützt  sich  darauf, 
dass  er  neben  einem  Grabe  mit  beerdigtem  Leichnam,  um 
welchen  viele  geometrische  Vasen  herumstanden,  ein  anderes 
Grab  gesehen  hat.  dessen  einziger  Inhalt  Kohle  und  Asche  war 
ohne  Beigaben,  die  eine  Zeitbestimmung  ermöglicht  hätten. 
Er  sagt  selbst  (S.  167):  deve  per  altro  notarsi,  che  i  vasi 
si  trovarono  solamente  presso  lo  scheletro,  mentre  la 
tomba  (Ifl  com  hu  s/o  pare  ne  Josse  del  tutto  priva.  Er 
schliesst  also  aus  der  gleichen  Tiefe,  dass  die  Gräber  auch 
gleich  alt  seien.  Aber  wie  wenig  dieser  Sehluss  berechtigt  ist, 
werden  die  Höhenzahlen  auf  unserem  Plane  lehren.  Gräber 
mit  weissen  Lekylhen  als  Beigabe  reichen  noch  bis  zu  den  Di- 
pylongräbern   und   tiefer  hinab.  Wir  kennen  von  der  Piräus- 


1  So  auch  Herr  Paläologos,  obwol  es  nach  Rayet-Collignon,  Hisloire  de 
la  nramiijue  grecque  S.  2'.\  anders  scheinen  könnte. 

2  Heibig,  Homer.  Epos  2  S.  70.  llirscliield,  Annali  1872  Ö.  135.  167. 


filN   ATTISCHER    FRIEDHOF  149 

Strasse  kein  Asche  enthaltendes  Schachtgrab,  in  dem  eine  geo- 
metrische Scherbe  gefunden  wäre,  und  keine  Aschenurne  aus 
einem  Dipylongrabe  ausser  jener  oben  bezeichneten  des  Gra- 
bes IM. 

Leider  der  einzige  ausführlichere  Bericht  über  Gräber  der 
geometrischen  Epoche  in  Anika  ist  der  von  Herrn  Philios  in 
der  'E<pY){jL£pU  *px-  1889  S.  171-187  veröffentlichte  über  Aus- 
grabungen, die  in  Eleusis  Statt  gefunden  haben.  Herr  Philios 
fasst  das  Ergebniss  seiner  sorgfältigen  Beobachtungen  über 
Verbrennung  und  Beerdigung  zusammen,  indem  er  schreibt 
(S.  IMG):  Ta©7]  Ss  x.a.'.  ouvi  xaöci?  töv  vexpäv  r,v  h  s/.eivoi;  rot; 
ypövo'.?  to  IffixpaTEffrepov  iOo:.  Nur  in  einem  oder  zwei  Gräbern 
sei  die  Verbrennung  von  vorn  herein  zweifellos,  vielfache  an- 
dere Feuerspuren  '  und  Urnen  mit  verbrannten  Knochen  im 
Bereiche  der  Gräber  erklärt  er  als  herrührend  von  Totenopfern 
und  von  Skeletten.  Diese  letzteren  seien  erst  bei  der  \\  leder- 
benutzun^  des  Grabes,  um  dieses  für  einen  neuen  Leichnam 
frei  zu  machen,  verbrannt  und  in  einer  Urne  neben  dem  neuen 
Leichnam  beigesetzt  worden  ;  ähnlich  also  z.  B.  wie  in  dem  von 
Stamatakis  ausgegrabenen  sechsten  Schachtgrabe  von  My- 
kenä.wo  die  Knochen  des  einen  Toten  bei  Seite  geräumt  sind, 
damit  der  andere  inmitten  des  Grabes  gebettet  werden  konnte. 
Es  geht  aus  dem  Berichte  des  Herrn  Philios  nicht  deutlich 
hervor,  in  wie  weit  diese  Darstellung  auf  den  Fundthatsacheu 
beruht,  und  in  wie  weil  sie  nur  Hypothese  ist,  aber  es  wäre 
sehr  erfreulich,  wenn  dafür  eine  Bestätigung  sich  gewinnen 
liesse.  Denn  wäre  dem  so.  so  würden  wir  von  da  aus  aufge- 
klärt  weiden,  aus  welchen  Motiven  die  Griechen  zur  Leichen- 
verbrennung kamen.    In  welcher  anderen  Absicht  könnte  die 


1  Dipylonvaseo  mit  verbrannten  Gebeinen  darin  \\ill  auch  yt.  Kumanu- 
dis  bei  der  Ihemistokleiscben  Stadtmauer  gefunden  haben  Qpax-rixä  1873  74 

B.  I  7  :  xa  öaxä  r,iav  el;  fi&rptOV  ßdt0O{  Ivoj  im;  ivo;  xa;.  f(jj.ia£o;  uixpou  r;  i-Ad>;  ev 
xrj  Yfj  xtOa;j.|j.£va  ift  iv  äyyjio'.;  JirjXivoij  x£0ci[j.£'va  (j.»xa  ti]V  /aJaiv,  ev  [lovov  if^ilov 
TxapexriprJOr]    ov    -£pi-£<ppayiA£vov   xüxXto   XiOoi;  [j-ixpols,  xä  Si  a/./,a  inXcö;  XSY  coauiva 

Sveu  xtvo;  xaxaoxEüjjj.  Auch  Philios  zweifelt  daran,  dass  die  Knochen  in  den 
Gelassen  alle  verbrannt  gewesen  seien  (8.  186,  Aiun.  4). 


150  A.    BRUECKNER   UND   E.    PERNICE 

Verbrennung  des  Skelettes  vorgenommen  sein,  als  um  den 
bisherigen  Inhaber  des  Grabes  unschädlich  zu  machen  -1  Funde 
also,  die  daraufführen  würden,  wurden  eine  Bestätigung  für 
die  Ansicht  E.  Rohde's  erbringen,  dass  die  Zeit  Homers  den 
Leichenbrand  pflegte,  weil  sie  durch  die  Gewalt  des  Feuers 
die  Geister  in  die  Tiefe  bannen  wollte,  um  von  ihrem  Wirken 
frei  zu  sein. 

Unsere  Funde  stimmen  darin  mit  den  Beobachtungen  des 
Herrn  Philios  überein,  dass  die  Beerdigung  in  der  geometri- 
schen Epoche  weitaus  üblicher  war.  als  die  Verbrennung  der 
Leiche.  Die  übliche  Art  der  Beerdigung  war  entweder  die 
Bergung  in  einem  einfachen  Gelasse,  einem  Pithos  oder  einer 
Amphora,  die  hingelegt  und  mit  einer  Steinplatte  verschlos- 
sen wird,  auch  gelegentlich  umstellt  ist  von  kleineren  Gelas- 
sen (vgl.  X)  oder  geschützt  durch  eine  Steineinlassung,  oder 
das  Schachtgrab.  Die  verschiedenen  in  Eleusis  und  in  Athen 
angestellten  Beobachtungen  kommen  darin  überein,  dass  die 
Graber  dieser  Zeit  nicht  sehr  tief,  kaum  über  2m  unter  der  al- 
ten Erdoberfläche  angelegt  zu  werden  pflegten.  Wir  haben  bei 
den  einzelnen  Gräbern  angemerkt,  dass  der  Schacht  häufig 
eine  Stufe  hatte,  welche  über  dem  Boden  so  hoch  angelegt 
war,  dass  Gefässe  von  der  Höhe  der  Hydrien  aufrecht  im 
Grabe  stehen  konnten  ;  es  ist  natürlich  anzunehmen,  dass  die 
Stufe  als  Aullager  diente  für  eine  Bretterlage,  die  den  Raum 
des  Grabes  abdeckte.  Dünne  Farbstreifen,  die  über  den  Leich- 
nam und  die  Beigaben  sich  hinzogen  (VI.  XIV),  schienen  von 
einem  Anstrich  der  Decke  des  Grabes  herzurühren.  Andere 
Anzeichen,  die  auf  eine  besondere  Herrichtung  des  Grabraumes 
deuteten,  sind  von  uns  in  dem  feuchten  Erdreich  nicht  be- 
merkt worden:  in  Eleusis  dagegen  ist,  obwol  sonst  die  Grä- 
ber dort  ärmlicher  scheinen,  der  Bauin  rings  mit  rohen  Stein- 
platten oder  Lehmziegeln  umstellt  und  bedeckt  gefunden.  Ähn- 
lich also  wie  m  den  Schachtgräbern  von  Mykenä  hat  man 
den  Toten  im  Baume  des  Grabes  gebettet  und  um  ihn  herum 
Nahrung  und  Beigaben  gestellt.  Dass  man  die  Leiche  in  einen 
Sarg  eingeschlossen  hätte,   ist  wenig  wahrscheinlich,  da  die 


EIN   ATTISCHER    FRIEDHOF  lül 

E>opop<fc,  wie  die  Malereien  der  Grabvasen  zeigen,  auf  der  Rline 
geschah;  auch  sind  keine  Reste  um  Särgen,  soviel  wir  wis- 
sen, bisher  beobachtet  worden.  Vor  der  Beerdigung,  so  scheint 
es  nach  den  Funden  des  Herrn  Philios,  sind  an  der  Grab- 
stätte des  öfteren  Brandopfer  dargebracht  worden1. 

Was  nun  das  Grabmal  angeht,  so  sind  oben  die  besonders 
günstigen  örtlichen  Verhältnisse  dargelegt,  die  uns  eine  An- 
schauung von  der   Erscheinung  eines  Grabes  dieser  Periode 
ermöglicht  haben. Nachdem  das  Grab  geschlossen,  ward  darüber 
nur  wenig  Erdreich  gebreitet,  so  dass  noch  eine  Grube  blieb, 
innerhalb  deren  die  Grabvase  aufgestellt  wurde.  Lin  die  Ke- 
gelraässigkeit  zu  betonen,  mit  der  die  grossen  Vasen  über  den 
Gräbern  gefunden  werden,  mögen  hier  die  Worte  Rayet's  nach- 
getragen  werden,  welche  auf  die   Beobachtungen   des  Herrn 
Paläologos  zurückgehen  [Ceramique  S.  24):  au  dessus  de 
chaque  fosse,    entasses   en  pile ,    etaient  Les  debris   d'un 
grand  vase  qui,  apres  avoir  servi  aux  ce're'monies  fune- 
bres,  avait  cte  brise  a  dcs.scüi,  ä  coups  frappes  du  cöte  In- 
terieur au  moyen  d'un   Instrument   contondant,   comme 
serait  une  kacke  de  pierre.  Nur  dass  unsere  Funde  und  die 
danach  gewonnene  Ansicht  auf  S.  (J5  den    Irrtum  widerle- 
gen,  dass  diese  reichsten  und  kostbarsten  Werke  der  Töpfer 
gleich    bei   der   Bestattung   zertrümmert   worden   seien-.    In 
Wirklichkeit  sind  es  orjpotTa,  welche  zur  Unterscheidung  und 
zum   Schmuck   der   Graber  und   zugleich   bei  den  darzubrin- 
genden Spenden  dienten.  Zur  Unterscheidung  und  zum  Schmu- 
cke genügte  es  damals  noch,  wenn  nur  Ornamente  den  Körper 
der  Vase  umzogen,  reine  Ornamente,  oai&aXa  rcoXXä,  wie  Mäan- 
der, Hakenkreuze   und  was  sonst  der  geometrische  Muster- 


1  Vgl.  dazu  E.  Rhode,  Psyche  3.  32. 

-  b)s  scheint,  dass  wir  bisher  ausserhalb  Anikas  nur  in  Böotieo  |'E?i){upl{ 
Äpx- 1 892  Taf.  8-10)  und  aufUypem  ähnlich  grosse  reich  geschmückte G 
in  der  Verwendung  als  Grabmäler  nachweisen  können.  So  Perrot- Chipiez, 
Histoire  de  l'art  III  8.  711  Nr.  523  =  Heibig,  Homer.  Epos  a  8.  I2U.  Das 
imporlirte  Dipylongefäss  \<>n  Kurion  ist  nicbl  über  einer  Grube,  sondern 
in  einer  Felskammer  gefunden. 


152  A.    RRUECKNER    UND   E.    PERNICE 

schätz  bietet:  ebenso  wie  auch  einige  von  den  mykenischen 
Grabstelen  nichts  weiter  als  geometrische  Muster  ohne  bild- 
liehe  Darstellung  enthalten. Aber  den  zahlreichen  Besten  nach 
war  es  wol  häufiger,  dass  man  die  7rpö06<yt{  und  die  £x«popdc  in 
aller  Ausführlichkeit  malen  Hess  und  dazu  sehr  oft  in  einem 
unteren  Streifen  die  Schiffskämpfe.  Es  ist  in  den  Behandlun- 
gen dieser  letzteren  Darstellungen  bisher  der  Gesichtspunkt 
nicht  hervorgekehrt  worden,  dass,  was  wir  von  solchen  Bil- 
dern haben,  gerade  von  Grabmälern  herrührt.  Wir  wissen 
eine  Erklärung  dafür,  weshalb  diese  Kämpfe  zum  Schmucke 
des  Grabmals  ausersehen  worden  sind,  nur  durch  eine  Pa- 
rallele mit  den  attischen  Grabstelen  des  VI.  Jahrhunderts  zu 
geben.  An  diesen  weist  das  typische  kleine  Feld  mit  dem  Bild 
eines  Reiters  unter  dem  Hauptfelde  mit  der  Figur  des  Ver- 
storbenen zweifellos  auf  den  ritterlichen  Stand  desselben  hin, 
weder,  wie  man  semeint  hat.  auf  Siei^e  im  Wettrennen  —  denn 
der  Siege  würden,  wie  schon  von  anderen  bemerkt,  zu  viel, 
auch  müsste  man  für  andere  Gattungen  von  Sieben  an  gleicher 
Stelle  andere  Bilder  erwarten  —  noch  auch  auf  die  Verehrung 
des  Toten  als  Heros.  Denn  v\äre  das  die  Absicht  gewesen, 
so  hätte  man  die  Darstellung  des  Heroen  zur  Hauptsache  ge- 
macht und  im  Hauptfelde  der  Erscheinung  des  Verstorbenen 
in  seiner  menschlichen  Würde  die  heroischen  Beizeichen  nicht 
entzogen,  auch  würde  diese  Deutung  zu  der  widersinnigen 
Consequenz  führen,  dass  der  würdige  Priester  Lyseas  im  Ha- 
des als  wilder  Jäger  dahinsprengt.  Der  Reiter  ist  ein  schmäch- 
tiger Knabe,  während  die  stehende  Gestalt  die  eines  Erwach- 
senen ist'.  Also  nicht  der  Herr  selbst,  sondern  der  Knappe 
erscheint  in  dem  unteren  Bilde.  Dem  entspricht  es,  dass  der 
attische  ;.--e'j;,  zumal  so  lange  der  alte  Bürgerbann  insgesamt 
zu  Fuss  ausrückte,  nicht  so  sehr  Reiter  als  vielmehr  tic7roTpö- 
O/o ;  war. 

Aber  die  Klasse  der  Iwwtk  leitete  erst  von  Solon  ihre  staat- 


•  Vgl.  besonders  Conze,  Attische  Grabreliefs  Taf.  IX,  2;  vgl.  zu  Taf.  I 
Text  a.  E. 


EIN   ATTISCHER    FRIEDHOF1  453 

liebe  Organisation  her.  Vordem  war  die  athenische  Bürger- 
schaft in  Naukrarien  geteilt,  in  ihnen  geschah  das  Aufgebot 
der  wehrfähigen  Mannschaft.  Jede  von  ihnen  hatte  ein  Schiff 
zu  stellen  und  als  etwas  besonderes  zwei  Reiter;  dass  die  Ru- 
derer Freie  waren,  lehrt  das  Bild  einer  unserer  Vasen,  in 
welchem  die  Rudernden  zugleich  mit  dem  grossen  Schild  be- 
wehrt erscheinen  '.  Kriegsvolk  und  Rudermannschaft  sind 
identisch  wie  bei  Homer.  Seit  nun  die  Continuität  der  Ent- 
wicklung der  attischen  Keramik  bis  zu  den  Dipylonvasen 
hinauf  erwiesen  ist,  und  diese  damit  als  attisch  gesichert  sind, 
können  wir  nicht  umhin,  in  den  Schiffskämpfen  der  Dipy- 
lonvasen eben  die  Seegefechte  der  attischen  Xaukrarien  wie- 
derzuerkennen. Und  wie  nun  das  Reiterbild  auf  den  Stelen 
des  VI.  Jahrhunderts  hinweist  auf  den  ritterlichen  Stand  des 
Verstorbenen,  so  werden  ähnlich  die  Schiffskümpfe  auf  den 
zwei  Jahrhunderte  älteren  Grabmälern  bezeugen,  dass  die  Bür- 
ger,  deren  Grab  so  geziert  ist,  ihre  Wehrpflicht  in  den  Nau- 
krarien  erfüllt  haben.  Rs  läge  nahe,  diesen  Schmuck  auf  die, 
Gräber  der  vaüxpapo-..  der  Schiffsherren,  zu  beschränken,  aber 
es  scheint,  dass  dafür  der  Bruchstücke  von  Vasen  zu  viel 
sind.  So  geben  unsere  Denkmäler  von  dem  Wesen  der  atti- 
schen Bürgergemeinde  der  homerischen  Zeit  sicherere  und 
deutlichere  Kunde,  als  sie  uns  die  Gelehrten  des  Altertums 
überliefern.  Freilich  war  es  nach  dem  Umschwung  der  Zeiten, 
vollends  nach  der  Umbildung  der  Flotte,  auch  für  einen  Athe- 
ner wie  Thukydides  schwer,  sich  eine  Vorstellung  von  jenen 
längst  geschwundenen  Verhältnissen  zu  bilden.  Vielleicht  war 
nur  noch  ein  Wahrzeichen  erhallen  aus  jener  alten  Zeit,  in 
der  sich  die  attische  Bürgerschaft  als  eine  reisige  Flotten- 
mannschaft darstellte:  «las  Schiff,  auf  welchem  der  Göttin 
Athena  der  Peplos  dargebracht  wurde. 

Doch  zurück  zu  den  Grabmälern  unseres  Friedhofes.  Aus- 
ser der  Vase  hat  gelegentlich  auch  eine  Grabstele  an  der  To- 
tengrube gestanden.  Aber  die    Steine   sind    noch   so  roh   und 


•  Athen.  Mitlh.  XVII  S.  303. 

ATHEN.    MITTHEILUNGEN   XVIII.      .  11 


154  A.    BRUECKNEU    UND   E.    PERNH.E 

schlicht,  dass  sie  gewiss  zuweilen  nicht  als  Grabmäler  beachtet 

worden  sind.  Mehrere  der  Art  hat  Herr  Philios  gefunden  '.  in 
einem  Falle  besonders  deutlich,  stand  der  Stein  dicht  neben 
der  Grube,  also  wie  hei  dem  Grabe  des  Agamedes  nach  der 
Beschreibung   des    Tansanias:   =t::v  Iv  :ü  iwa  tco  iv  A-or^nx 

o  ... 

isO:o;  -■  'AvaaTjoou?  xaXouüfevoc  Kai  -:■::  aOroj  g-t'kt,  (Paus.  IX, 
37,7  vgl.  39,0).  In  unserem  Friedhof  lagen  zwei  solche  Ste- 
len über  einander  geworfen  in  der  Grube  neben  dem  grossen 
Gefässe  über  Grab  III  geborgen.  Alle  diese  Steine  sind  noch 
ohne  jeden  Schmuck,  sowie  sie  auch  Koldewev  in  der  Nekro- 
pole  von  Neandria  beobachtet  hat  und  wie  sie  mit  sein-  alter- 
tümlichen Inschriften  von  den  Kykladen  her  bekannt  gewor- 
den  sind2.  Es  sind  die  rohen  Urbilder  der  späteren  kunstvol- 
len Stelen. 

Mit  Stele  und  Tymbos  das  Grab  zu  zieren  fordert  zur  Ehre 
des  Verstorbenen  das  Epos.  Vom  VII.  Jahrhundert  an  haben 
die  Athener  diese  Sitte  befolgt,  aber  für  die  ältere  Zeit  ist  der 
Tymbos  in  Alt i ka  nicht  nachzuweisen.  Die  Tumuli,  welche 
ausgegraben  worden  sind,  haben  insgesamt  jüngere  Begräb- 
nisstätten aus  der  Zeit  häutigerer  Verbrennung  ergeben.  In 
unserem  Ausgrabungsfelde  sprach  über  keinem  Grabe  der 
geometrischen  Periode  der  Verlauf  der  oberen  Schichten  für 
ein  ehemaliges  Brdmal;  im  Gegenteil  zeigt  der  Verlauf  der 
Brandschicht  über  den  Gräbern  I.  II.  III.  wie  er  auf  dem 
Durchschnitt  S.  87  kenntlich  ist.  dass  der  Boden  über  (\i-n 
Gräbern  und  um  die  Gräber  herum  eben  blieb.  Man  könnte 
zwar  versucht  sein  anzunehmen,  der  Boden  sei  hier  zur  Her- 
richtung  der  Opferstätte  geebnel  worden  und  dabei  wären  äl- 
tere Grabhügel  abgetragen.  Aber  das  ist  völlig  ausgeschlos- 
sen durch  die  \on  Herrn  PaläologOS  sonst  und  im  vorliegen- 
den  Falle  von  uns  beobachtete  Thatsache,  dass  die  Vasen,  die 
nun  als  Grabmäler  gesichert  sind,  regelmässig  senkrecht  über 


"  'EfijjMpU  *px  >NS 9  B.  176  A.  8.  179  M.  8.  184  N. 

2  Koldewey,  Neandria  8.  IT  Fig.  o\).  Aus  Amorgos:  Athen.  Mi  Uli .  .\I  8. 

99.  bitll.de  curr.  lull.  XV  S. !    8. 


EiN   ATTISCHER    FRIEDHOF  455 

dem  Grabe  und  eben  nur  etwa  lm  üher  dem  Grunde  des  Gra- 
bes aufgefunden  werden.  Die  Vase  blieb  zweifellos  sichtbar 
und  damit  ist  der  Tumulus  unmöglich  gemacht. 

Zweck  der  Vase,  namentlich  in  der  monumentalen  Ausge- 
staltung, in  der  wir  sie  auf  dieser  Stufe  des  Totenkultes  und 
der  attischen  Keramik  finden,  ist  ja  einerseits  gewiss,  das 
Grab  zu  schmücken,  als  ein  y.v-?,y.a  zu  dienen,  welches  das 
yCkir,-  des  Verstorbenen  und  der  hinterbliebenen  Familie  ver- 
künde; diesen  Gedanken  auszudrücken  hatte  der  Steinmetz 
damals  noch  nicht  die  Form  gefunden,  diese  Aufgabe  fiel  noch 
dem  sehr  viel  mehr  beschäftigten  Töpfer  zu.  Aber  ursprüng- 
lich wird  die  Vase  nicht  um  ihrer  Bilder,  sondern  um  ihrer 
Form  willen  auf  das  Grab  gesetzt  worden  sein,  und  die  wei- 
ten Kratere  und  Amphoren  auf  den  Gräbern  der  geometrischen 
Epoche,  die  tief  in  die  Grube  hinabgestellt  sind,  werden,  im 
Anfang  gewiss  einlacher  aussehend,  zunächst  dazu  gedient 
haben,  die  Spende  für  den  Toten  zu  fassen.  Eben  deshalb  ist 
der  Boden  der  grossen  Gefässe  durchbohr!  und  ihr  Fuss  hohl, 
wie  das  von  llirschl'eld  und  St.  Kumanudis '.  auch  von  Brück- 
ner beobachtet  worden  ist;  eben  deshalb  auch  entbehrt  ge- 
rade wie  die  in/v.zx  der  Heroen  die  Vase  einer  eigenen  Basis, 
damit  die  Spende  ungehindert  in  das  Erdreich  und  zur  Wohn- 
Btätte  des  Toten  hinabrinne2. 

So  ermöglichen  die  Funde  an  der  Piräusstrasse  noch  die 
Grundzüge  der  äusseren  Erscheinung  der  ältesten,  eigentlich 
attischen  Grabstätten  wiederzugewinnen.  Es  zeigt  sich  an  dcw 
Gräbern  der  geometrischen  Epoche  in  einer  Landschaft  des 
Festlandes  von  Griechenland  der  Kult  der  Toten  über  die  Be- 
Btattung  hinaus  gepflegt  mit  dem  festen  Glauben,  dass  die 
Unterirdischen  durch  Speise  und  Trank  fort  und  fort  zu  befrie- 
digen sind.  Das  ist.  wie  wir  sagen  dürfen,  seit  Erwin  Rhode 
uns  den  homerischen  Seelenkult  und  was  zeitlich  vor  ihm 
war.   aus  dem    Epos  entwickelt  hat.  nicht  homerische  Lehre, 


1  Annali  ist:  S.  164.  \\?i>.':<.x  1873  74  S.  18. 
'*  Vgl    Rhode,  Psyche  S.  ';;. 


156  A.    BROBCKNBB   UND   K.   PENNICE 

sondern  ältere  Sitte  und  Überzeugung.  Erst  in  der  Zeit  der 
Ablösung  der  geometrischen  Epoche  durch  diejenige,  in  wel- 
cher  die  'orientalischen'  Ornamente  und  die  Darstellung  my- 
thologischer  und  epischer  Stoße  in  der  Keramik  aufkommen, 
erst  in  dieser  Zeit  linden  wir  in  Anika  die  Totensitte  in  Gel- 
tung, welche  den  Schilderungen  und  Anschauungen  des  Epos 
entspricht '. 


IV.    Spätere    Gräber. 

Bei  einer  Übersicht  über  die  Gräbersitte  vornehmlich  des 
V.  und  IV.  Jahrhunderts,  wie  sie  sieh  nach  unseren  Funden 
darstellt,  müssen  wir  manches  wiederholen,  was  schon  vor 
langen  Jahren,  vor  Allen  von  L.  Boss2  beobachtet  und  mitge- 
teilt worden  ist.  Aber  mit  Hecht  hebt  schon  Boss  hervor1, 
dass  weitere  umfassende  Beobachtungen  von  Nöten  seien,  um 
das  Vorherrschen  bestimmter  Grabgebräuche  in  den  einzel- 
nen Perioden  mit  Sicherheit  zu  erweisen  Er  ist  bis  auf  die  Neu- 
zeit der  einzige  geblieben,  der  auf  Grund  eigener  Anschauung 
die  griechischen  Gräber  einer  systematischen  Behandlung  un- 
terzogen hat.  Begreiflicherweise  leiden  seine  Arbeiten  noch  un- 
ter der  Unsicherheit  chronologischer  Bestimmung.  Hier  haben 
wir  inzwischen  festen  Boden  gewonnen  und  es  erwachst  uns 
daher  die  Pflicht,  die  einzelnen  Epochen  an  dem  Befunde  der 
griechischen  Gräber  festzustellen  und  von  einander  zu  schei- 
den, wo  Boss  seine  Beobachtungen  nur  zeillos  oder  als  schein- 
bar für  den  ganzen  Verlauf  der  Antike  gültig  gab. 

Da  an  der  Stelle  unserer  Nekropole  kein  Fels  ansteht,  sind 
in  den  Felsen  getriebene  Schachtgräber,  wie  sie  an  anderen 
Stellen  Attikas  in  grosser  .Menge  gefunden  werden,  nicht  vor- 
handen.   Die  Art  der  Gräberanlage   im   Allgemeinen   richtet 


1  Vgl.  die  Ausführungen  in  dem  Vortrage  Arcb.  Anzeiger  1892  9.  21 . 

2  Archäologische  Aufsatze  I  S.  1-72, 

3  Ebenda  S.  CG. 


EIN  ATTISCHER   FRIEDHOF  157 

sich  naturgcmäss  nach  der  Bodengestaltung.  Die  Gräber  von 
Myrina  sind  in  den  weichen  Kalkstein  getrieben,  aus  welchem 
der  Boden  der  Nekropole  besteht;  in  Megara  Hyblaea  finden 
sich  nur  da  Erdgräber,  wo  die  Erde  höher  auf  dem  Felsen 
aufliegt  u.  s.w.  In  unserer  Gräberstätte  sind  sämtliche  Grä- 
her  Erdschachtgräber. 

Wir  zählen  zunächst  die  verschiedenen  Arten  von  Graban- 
lagen, welche  wir  beobachtet  haben,  auf. 

I.   Brandgräber. 

Unter  ihnen  sind  zwei  Arten  zu  scheiden.  In  dem  einen 
Falle  ist  der  Tote  im  Grabe  selbst  verbrannt  worden,  im  an- 
deren enthält  die  Grube  nur  den  Behälter  mit  den  in  ihm  ge- 
borgenen verbrannten  Knochen. 

Für  die  äussere  Herrichtung  des  Grabes  und  den  Yerbren- 

numjsnrocess  im  ersten  Falle  liess  sich  nun  Folgendes  feststel- 
lt   l  o 

len.  In  die  Erde  wurde  ein  Schacht  gegraben, welcher  bei  ei- 
ner durchschnittlichen  Länge  von  1,90'"  und  einer  Breite  von 
80-100cul  eine  Tiefe  bis  über  3m  hat;  vgl.  bes.  Grab  27  des 
Planes  auf  Tat  7  und  die  Gräber  von  Velanidesa  und  Yurvä  '. 
Die  Tiefe  ist  indessen  nicht  immer  genau  zu  bestimmen,  da 
die  oberen  Bänder  des  Grabes  oft  durch  spätere  Gräber  zer- 
stört worden  sind.  In  den  Boden  ist  namentlich  bei  den  ar- 
chaischen Gräbern  (vgl.  Tat  7,  1.92)  eine  etwa  10""  breite 
Binne  eingeschnitten.  Solche  Binnen  wurden  besonders  häu- 
fig in  Velanidesa  und  Yurvä  beobachte!  und  dienten  dazu, 
wie  bereits  erkannt  worden  ist,  zur  Erleichterung  des  Ver- 
brennungsprocesses  dein  im  Grabe  aufgestapelten  Holze  Luft 
zuzuführen.  Denn  dass  der  Tote  wirklich  innerhalb  des  Gra- 
bes verbrannt  worden  ist.  nicht  auf  einem  Brandplatze,  be- 
weist vor  Allem  der  Umstand,  dass  in  manchen  Fällen  die 
noch  erkennbaren  Knochen  in  ihrer  richtigen  Ordnung  lagen. 
Ausserdem  kann  die  auf  di'\~  Sohle  des  Grabes  befindliche 
tiefe   Aschenschicht    nur  durch    einen    starken    Brand    erklärt 


1  Athen.  Mitlb.  XV  8.  318-329.  AsXtfov  1890  8.  I0J  11.  (YiiiWn.  lS'.m  s. 
16  ff.  (Velauidösa). 


158  A.  BRUECKNER  UND  E.  PERXICE 

werden.  Sie  betrug  zuweilen  über  -20'm  und  ist  bei  den  älteren 
Gräbern  von  Vurvä  noch  bedeutend  tiefer.  Auch  die  Wände 
der  Grabscbachte  trugen  bis  oben  bin  starke  Brandspuren. 
Über  die  Möglichkeit  einer  totalen  Verbrennung  der  Leiche 
mit  einem  verhältnissmässig  geringen  Aufwände  von  Holz 
verdienen  die  Ausführungen  von  Olshausen  '  verslichen  zu 
werden.  Die  Einzelheiten  des  Verbrenn ungsprocesses  entzie- 
hen sich  der  Beobachtung. Nur  zeigen  die  vielfach  gefundenen 
Scherben  \on  verbrannten  Tellern,  thiss  man  während  der 
Verbrennung  spendete  und  die  Teller  sodann  in  das  Grab  warf. 
Das  Verhältniss  dieser  Grabanlagen  zu  den  übrigen  Gräbern 
lässt  sich  für  Athen  bei  der  im  Ganzen  geringen  Anzahl  von 
beobachteten   Fällen   noch   nicht  feststellen.  Es  muss  indessen 

hervorgehoben  werden,  dass  sie  gerade  in  Attika  Verhältniss- 
en ~ 

massig  häufig  beobachtet  wurden2.  Denn  in  Tanagra  zum  Bei- 
spiel  erwähnt  Eolling3  unter  etwa  60  Gräbern  nur  ein  einziges 
Brandgrab.  Auch  in  Myrina4  sind  keine  eigentlichen  Brand- 
gräber gefunden  worden:  die  Bestattung  durch  Verbrennung 
im  Grabe  ist  dort  nie  üblich  gewesen.  Ebenso  wenig  hat  diese 
Sitte  in  Megara  Hyblaea5  bestanden.  Eine  Ausnahme  bildet 
dort  zwar  das  mit  Nr.  69  bezeichnete  Grab,  es  gehört  aber 
dem  IV. -111.  Jahrhundert  an  und  hat,  charakteristisch  genug, 
als  Beigaben  Gelasse  attischer  Fabrik. 

Die  zweite  Art  der  Leichenverbrennung  ging  nicht  im  Grabe 
selbst,  sondern  auf  einem  besonderen  Brandplatze  vor  sich. 


<  Zeitschrift  für  Ethnologie  1892  S.  137. 

2  In  Eretria,  dessen  Gräber  vielfach  genau  mit  den  altischen  überein- 
stimmen, sind  Brandgräber  nicht  selten,  vgl.  Tsundas  'E?7]p.epi«  äp/_.  1886 
S.  39. 

3  Es  lioui  uns  der  bandschriftliche  Bericht  vor,  aus  welchem  einige  Ab- 
schnitte bei  Kekule,  Griech.  Thonfiguren  aus  Tanagra  8.  11  ß. abgedruckt 
sind.  Kr  bildet  eine  wertvolle  Ergänzung  zu  Haussoullier's  Schrift  Quomodo 
sepulcra  Tanagr.ri  decoraver int.  Nach  Haussoullier  ist  übrigens  die  Verbren- 
nung in  Tanagra  bäuGger. 

*  Vgl.  Pollier- Reinach,  La  nioropole  de  Myrina. 

5  Über  diese  Gräber  geben  die  reichhaltigen  Berichte  von  Orsi  {Monumenti 
dei  Lincei  1  6.  Gö'J  ff.l  erwünschte  Auskunft. 


EIN  ATTISCHER   FRIEDHOF  159 

Dass  solche  in  der  Nähe  einer  jeden  grösseren  Begräbnisstelle 
angelegt  waren,  scheint  zwar  nirgends  in  der  Überlieferung 
erwähnt,  muss  aber  selbstverständlich  angenommen  werden. 
Eine  Verbrennung  an  irgend  einem  beliebigen  Platze  des 
Friedhofs  verhinderte  schon  die  Rücksicht  auf  die  Grabmonu- 
mente. Bei  der  zuletzt  vorgenommenen  Ausgrabung  waren  wir 
in  der  glücklichen  Lage,  einen  ßrandplatz  mit  voller  Sicherheit 
feststellen  zu  können  (vgl.  den  Plan  Taf.  6,2).  Über  die  sämt- 
lichen Gräber  der  westlichen  Ilälfle  des  Feldes  hinwegzieht 
sich  eine  mit  Holzkohlen  vollständig  durchsetzte  Erdschicht, 
deren  wie  es  scheint  kreisrunde  Grenzlinie  in  dem  Plane  an- 
gegeben ist.  Die  Höhe  der  Schicht  wechselt.  Sie  beginnt  etwa 
2  y.,"1  unter  dem  heutigen  Boden  und  hat  eine  Dicke  von  1- 
1  7/,"1-  welche  nach  dem  äusseren  Bande  zu  abnimmt.  In  der- 
selben fanden  sich  vorzugsweise  Beste  von  Tellern  und  Lam- 
pen,  unter  ihnen  Stücke,  welche  noch  in  das  vierte  Jahrhun- 
dert gehören  können.  Da  die  Schicht  von  Gräbern  nicht  durch- 
stochen zu  sein  schien,  wird  man  annehmen,  dass  sie  jünger 
ist,  als  die  unter  ihr  liegenden  Gräber,  welche  somit  späte- 
stens in  das  Ende  des  IV.  Jahrhunderts  fallen. 

War  der  Tote  verbrannt,  so  wurden  die  Knochen  gesam- 
melt und  in  einem  Gefässe  beigesetzt.  Die  äussere  Form  des 
Schachtes  und  seine  Herrichtung  war  selten  zu  ermitteln,  denn 
meist  sind  die  Ostotheken  von  uns  nicht  eben  tief  unter  der 
antiken  Erdoberfläche  aufgefunden  worden.  Nur  in  einem 
Falle.  (Grab  \ .  s.  gleich    weiter    unten  S.  160)   ist  ein  tiefer 

Grabschacht  von  quadratischer  Form  gegraben    worden.  In 

i  ~  , 

allen  Fällen  standen  die  Urnen  aufrecht  in  der  Erde. Die  mei- 
sten derselben  sind  aus  gewöhnlichem  groben  Thon  herge- 
stellt. Selten  findet  sich  ein  aussen  gefirnisstes  Stuck  darun- 
ter, die  grössere  Zahl  weist  nur  einen  oder  zwei  Firnisstreifen 
am  Bauche  auf.  Es  sind  zumeist  tiefe,  nach  unten  sich  etwas 
verjungende  amplnirenart  ige  Gelasse  mit  weiter  Öffnung,  wel- 
che durch  einen  flachen,  zuweilen  reicher  ornamentirten  De- 
ckel geschlossen  wird  (Höhe  2 0-3 ö*").  Seltener,  weil  bei  dem 
engen  Hals  weniger  geeignet, scheint  die  Hydriaform  für  diese 


160 


A.   BRUECKNER   UND   E.   PERNICE 


Zwecke  benutzt  worden  zu  sein.  Einige  Formen  sind  auf  Taf. 
9.  2-'.  abgebildet. 

Zwei  Gräber  dieser  Art  verdienen  eine  eingehende  Bespre- 
chung. Das  eine  derselben  Grab  \  Tal'. 7  besieht  aus  einem  cylin- 
derförinigen  Behälter  aus  weissem  Kalkstein  mit  flachem  Deckel 
aus  ebendemselben  Material  (s.  d.  beistehende  Abbildung  Fig. 
32).  In  diese  hinein  ist  ein  zweihenkeliges  Gefäss  aus  sehr 
dünner,  bei  der  leisesten  Berührung  brechender  Bronze  ge- 
setzt; die  obere  weite  Öffnung  war  nicht  besonders  geschlos- 


QillJh    "■    V-     Wr,   1  S      I 


Fig.  32 


sen.  In  dieser  Bronzekalpis  lagen  die  verbrannten  Knochen. 
An  ihnen  liess  sich  eine  ehemalige  Leinewandumhüllung  mit 
voller  Sicherheit  feststellen. 

Lehrreicher  noch  ist  die  Bronzekalpis  Nr.  22  Taf.  6,2.  Sie 
wurde  in  der  Erde  stehend  gefunden  ohne  steinernen  Schutz. 
In  dem  sie  umgebenden  Erdreich  kamen  aber  alsbald  vielfach 
kleine  und  grössere  Holzrestchen  zum  Vorschein,  ausserdem 
fanden  sich  Nägel  und  Nagelköpfe  an  5-6  Stück.  Danach  war 
ersichtlich,  dass  das  Gefäss  in  einen  Holzkasten  eingelassen 
worden  war.  Dass  derselbe  viereckig  war,  ergab  sich  aus  ei- 
nem kleinen  Stückchen  eines  Falzes  von  einer  Ecke  des  Ka- 
stens.  Dem  vergänglichen  Materiale  der  Umhüllung  entspre- 


EIN  ATTISCHER   FRIEDHOF  161 

cliend  war  die  Bronzekalpis  oben  durch  eine  aufgelötete  Blei- 
platte, die  sich  nur  mit  Mühe  lösen  Hess,  fest  verschlossen  ; 
die  vier  am  oberen  Rande  sitzenden  Henkel  waren  von  ihr 
verdeckt.  Die  Kalpis  hatte  eine  fast  kugelförmige  Gestalt;  lei- 
der zerbrach  sie  bei  dem  Versuche  der  Hebung.  Ihre  Tiefe 
betrug  etwa  25cm.  Sie  enthielt  ausser  den  verbrannten  Knochen 
eine  kleine  Lekythos  von  1  i™  Höhe  mit  schwarzer  Epheu- 
ranke  auf  gelbem  Grunde;  über  der  Hanke  liegt  oben  und  un- 
ten schwarzes  Strichmuster.  Lekythen  mit  dergleichen  flüch- 
tigen Zeichnung  wurden  so  durchgehend  in  Gräbern  gefun- 
den, dass  man  nur  im  Allgemeinen  sie  dem  V.  und  IV.  Jahr- 
hundert zuteilen  konnte.  Spuren  von  Leinewand  glaubt  man 
auch  hier  an  den  Bronzefragmenten  zu  bemerken  ;  sicher  ist 
das  jedoch  nicht. 

Gefässe  mit  verbrannten  Knochen  sind  in  den  meisten  bis- 
her aufgedeckten  Nekropolen  der  antiken  Welt  gefunden  wor- 
den, mit  geringen  Abweichungen  von  der  Sitte  an  unserer 
Gräberstätte,  wie  sie  vor  Allem  schon  die  geologische  Beschaf- 
fenheit des  Begräbnissplatzes  hervorbringt.  So  steht  in  Euböa 
das  bronzene  Gefäss  in  einem  runden  mit  Marmordecke]  ge- 
schlossenen Loch,  welches  in  den  Felsen  getrieben  ist,  und  in 
den  weichen  Tuff  sind  die  zahlreichen  viereckigen  Löcher  ge- 
schnitten, welche  die  Rnochengefässe  in  Myrina  bergen. 

11.  Bestattungsgräber. 

Wir  teilen  sie  ein  in  einfache  Schachtgräber,  Särge  aus 
Tlion  und  steinerne  Särge. 

Bei  der  ersten  Gattung  lagen  die  Gebeine  des  Toten  dem 
Anscheine  nach  ungeschützt  auf  der  Sohle  eines  in  die  Erde 
gegrabenen  Schachtes.  Die  Länge  des  Schachtes  beträgt  bis 
2,20m,die  Breite  bis  1,30'".  Die  wechselnde  Grösse  des  Schach- 
tes entspricht  dem  höheren  oder  niederen  Alter  des  Verstor- 
benen. In  allen  Fällen  war  aber  die  Grube  um  ein  Beträcht- 
liches weiter,  als  nach  Ausweis  des  Skeletts  für  den  Leich- 
nam selbst  erforderlich  war.  Die  Tiefe  der  Schachte  beträgt 
bis  über  2  Meter.  Grab  3  Tai'.  7  ist  2,10'"  tief,  Grab  b7 
erreicht    sogar    2,05"'    und    Grab  98   2,50'".    Dagegen    Heut 


162  A.   BRUECKNKR   UND  E.   PERNICE 

Grab  49  nur  ein  Meter  unter  der  antiken  Oberfläche  und 
ebenso  Grab  44.  Die  Wunde  des  Grabes  fanden  wir  in  einem 
Falle  mit  einer  feinen  Stuckschicht  bekleidet1.  In  einem  an- 
dern Falle  war  die  Grabsohle  mit  kleinen  Steinchen  w  ie  ge- 
pflastert (Grab  ?6  Taf.  6, '2).  Noch  zu  erwähnen  wegeD  einer 
Eigentümlichkeit  in  der  Anlage  sind  zwei  Erdsräber  175  und 
178  (nicht  im  Plane).  In  beiden  Gräbern  fanden  sich  näm- 
lich viele  grössere  Steine  und  es  stellte  sich  allmählich  her- 
aus, dass  diese  Steine  ursprünglich  als  abdeckendes  Pflaster 
dicht  nebeneinander  gelegen  hatten  Zwischen  ihnen  und  dem 
Skelett  folgte  zunächst  eine  etwa  30cm  starke  Erdschicht. 
Nachdem  man  den  Schacht  mit  Erde  angefüllt  hatte,  wurde 
die  Oberfläche  des  Grabes,  vielleicht  zur  weiteren  Ausschmü- 
ckung durch  nebeneinander  gelegte  Steine  kenntlich  gemacht. 
Grab  175  ist  auch  inhaltlich  von  Interesse,  während  178  nichts 
Bemerkenswertes  enthielt. 

Unter  den  Gräbern  der  zweiten  Art  ist  zu  scheiden  zw ischen 
eigentlichen  Särgen  und  Gelassen,  in  welche  die  Leiche  un- 
verbrannt gelegt  wurde. 

Ein  Blick  auf  den  Plan  lehrt,  um  wieviel  schmaler  und 
kürzer  die  Särge  aus  Thonziegeln  sind  als  die  Erdschachte 
der  vorhergehenden  Gattung.  Diese  Bestattungsart  erforderte 
eben  nicht  mehr  als  eine  Grube  der  Länge  und  Breite  des 
Leichnams  entsprechend.  In  diese  wurde  er  hinabgelassen  und 
sodann  von  oben  mit  Ziegelplatten  bedeckt.  Die  beiden  Haupt- 
typen dieser  Gräber  veranschaulichen  die  Abbildungen2  bei 
Stackeiberg,  Gräber  der  Hellenen  Taf.  7.  Die  Ziegelplat- 
ten sind  entweder  gerade  oder  gebogen  und  dachartig  gegen- 
einander gelehnt.  Dass  sie  nicht  besonders  für  den  Grabge- 


1  Vgl.  Haussoullier,  Quomodo  sepulcra  Tanagrsx  decoraverini  8.  64  Anm. 
1,  wo  für  den  Kerameikos  ähnliche  Gräber  angeführt  werden. 

2  Danach  bei  Durm,  Baukunst  der  Griechen  's.  243.  -  S.  353.  Die  eine 
der  Abbildungen  i>i  insofern  unrichtig,  als  es  den  Anschein  hat,  als  ob  die 
Lage  der  Ziegel  ••ine  doppelle  sei.  Weiden  für  dir  Langseile  eines  Grabes 
viele  Platten  verwendet,  so  schieben  sie  sich  leichl  von  selbst  übereinan- 
der, wie  wir  vielfach  beobachten  konnten. 


EIN  ATTISCHER   FRIEDHOF  163 

brauch  gefertigt,  sondern  ursprünglich  als  Dachziegel  ver- 
wendet oder  wenigstens  zu  solcher  Verwenduno;  bestimmt  wa- 
ren,  beweist  der  Umstand,  dass  auch  vorn  und  hinten  der 
Verschluss  durch  eine  grosse  Ziegelplatte  hergestellt  ist,  nicht 
durch  eine,  welche  genau  in  den  Ausschnitt  der  schrägen  Zie- 
gel hineinpasst.  Eine  Unterlage  unter  dem  Leichnam  ist  in 
der  Hegel  nicht  vorhanden. 

Für  Kinderleichen  (vgl  den  Plan  Taf.  7  Nr.  15.  32.  33.  60. 
86)  hat  man.  vielleicht  da  Dachziegel  von  entsprechender  Klein- 
heit nicht  üblich  waren,  längliche  Wannen  benutzt.  In  eine 
legte  man  die  Leiche,  eine  zweite  meist  etwas  niedrigere,  aber 
genau  auf  die  untere  passende,  wurde  darauf  gestülpt  '.Wenn- 
schon wahrscheinlich  ist.  dass  die  Wannen  auch  im  tätlichen 
Leben  als  Waschtröge  verwendet  wurden, legt  andererseits  das 
vielfach  genaue  Aufeinanderschliessen  der  oberen  und  unteren 
Wanne  die  Vermutung  nahe,  dass  wenigstens  ein  guter  Teil 
für  das  Be^räbniss  hergestellt  wurde.  Gräber,  den  unsri^en  am 
ähnlichsten,  sind  in  Eretria,  Sparta  und  besonders  in  Tanagra 
zum  Vorschein  gekommen.  Ob  die  Ziegel  der  Gräber  in  den 
beiden  erstgenannten  Orten  ursprünglich  einen  anderen  Zweck 
hatten,  als  den  Toten  zu  bedecken,  wird  aus  den  Fundbe- 
richten nicht  klar.  In  Tanagra  aber  verwendete  man  Dachzie- 
gel genau  so  wie  in  Athen.  Dort  wurden  die  gleichen  Wan- 
nen zur  Beerdigung  von  Kindern  benutzt,  welche  wir  auch 
gefunden  haben.  Im  Museum  der  archäologischen  Gesellschaft 
zu  Athen  befinden  sich  einige  oben  mit  altertümlicher  Relief- 
pressung  versehene  Tröge2  von  Thon  aus  Tanagra.  welche  als 
Särge  gedient  haben,  und  an  der  einen  Ecke  unten  ein  Ab- 
flussloch haben,  nicht  wie  Ilaussoullier  meint,  t/no  posset 
(ujuti  effiliere  quae  mortuum  feedasset  (S.  65),  sondern  man 
bedurfte  des  Abflusses,  solange  man  sich  dvv  Tröge  im  lau- 
liehen  Leben  bediente. 


1  Ein  Beispiel  solcher  Ziegelwannen  bei  Stackeiberg,  Gräber  Tafel  8= 
Durm  '  8.  243.  -  8.  353,  ein  anderes  bei  Pottier-Reinacb,  Afccropotocb  Ma- 
rina 8.  70  Fig.  1i. 

-  Vgl,  dazu  Bull,  de  curr.  hell.  1888  8-  508, 


164  A.    BRUECKNER  UND   E.   PERNICE 

Die  zweite  Art  der  Thonsärge  bilden  längliche  Ampho- 
ren. Diese  Bestattungsweise  ist  in  der  spateren  Epoche  nur 
bei  Kindern  üblich  gewesen.  Kein  einziges  Gefäss  ist  in  völlig 
intaktein  Zustande  zum  Vorschein  gekommen.  Ausserdem 
wurden  sie  nie  stehend  gefunden,  sondern  stets  auf  der  Seite 

liegend,  dieselbe  Erscheinung,  die  sich  bereits  bei  den  Gefas- 
el '  »-1 

sen  aus  der  Dipylonzeit  zeigte  (Grab  X. XIX). So  berührte  die 
Erde  den  Leichnam  nicht  unmittelbar  und  zugleich  lag  der 
Tote.  Zuweilen  wurde  die  Amphora  vorn  durch  eine  Platte 
\on  Schiefer  oder  Thon  noch  besonders  verschlossen.  Der  Hals 
der  Gefässe  ist  eng,  enger  in  den  meisten  Fällen,  als  dass  man 
die  Leiche  und  die  Beigaben  durch  die  obere  Öffnung  hätte 
hineinbringen  können.  Diese  Schwierigkeit,  deren  Erklärung 
lange  Zeit  nicht  gelang,  löste  sich  erst  bei  der  Auffindung  der 
Amphora  19  des  Planes  Taf.  6,2.  In  dieselbe  ist  nämlich  in  der 
Mitte  des  Bauches  ein  grosses  Loch  hineingeschlagen  wor- 
den, gross  genug,  um  den  Leichnam  des  Kindes  hinein  zu 
bringen.  Dies  Loch  ist  sodann  bei  der  Beerdigung  mit  einer 
anderen  Scherbe  bedeckt  worden.  In  zwei  Fällen  lagen  zer- 
brochene Dachziegel  über  dem  Bruch  der  Amphora.  War  so 
das  Gefäss  schon  beim  Begräbniss  zerbrochen,  dann  gelang  es 
der  nachdringenden  Erde  leicht,  es  vollends  zu  zerstören.  Wir 
erwähnen  an  dieser  Stelle  die  thönerne  Amphora  der  atheni- 
schen archäologischen  Gesellschaft  (In v.  1427),  welche  vor- 
trefflich veranschaulicht,  wie  man  ein  solches  Gefäss  zum 
Zweck  der  Bestattung  herrichtete.  Am  Bauche  ist  nämlich  ein 
grosses  quadratisches  Feld  tief  umritzt;  dieses  sollte  heraus- 
geschnitten werden,  und  alsdann  durch  die  Öffnung  die  Lei- 
che gezwängt  werden.  Die  Amphora  ist  indessen  nie  hiezu 
benutzt  worden. 

Steinerne  Sarkophage  haben  wir  besonders  zahlreich  im 
Hechteck  B  des  Planes  Taf.  7  aufgedeckt.  Die  Tiefe,  in  welcher 
sie  gefunden  wurden,  ist  wie  hei  den  übrigen  Schachtgräbern 
verschieden.  Grab  21  des  Planes  Taf.  7  liegt  nur  3Üfm  unter  der 
antiken  Oberfläche  (vgl.  unten),  Grab  36  dagegen  2,30"'.  Je- 
denfalls  waren    alle   von    uns   beobachteten    Sarkophage    von 


EIN   ATTISCHER   FRIEDHOF  i 65 

vorn  herein  bestimmt,  in  die  Erde  eingelassen  zu  werden,  nicht 
über  der  Erde  zu  stellen.  Boss  glaubte  noch  von  keiner  Lar- 
nax,  die  er  unter  der  Erde  fand,  dass  sie  an  ihrem  alten  Platze 
stände,  sondern  dass  sie  erst  später  unter  den  Boden  gekom- 
men sei.  Es  war  eben  das  Vorrecht  des  Wolhabenden,  seine 
irdischen  Überreste  in  einer  Umhüllung  von  dauerhaftem, 
aber  auch  kostspieligerem  Materiale  bergen  zu  lassen.  Die 
Sarkophage  sind  entweder  aus  Marmor-oder  Porosplatten  her- 
gestellt ;  die  sehr  sorgfältig  geschnittenen  Platten  schliessen 
meist  fest  aneinander.  In  einem  Falle  bestand  der  Sarkophag 
aus  einem  einzigen  Porosblock.  in  einem  anderen  aus  einem 
Marmorblock,  der  innen  ausgehöhlt  war.  Die  Länge  der  Sar- 
kophage ist  sehr  beträchtlich,  ebenso  ihre  Höhe;  die  von  uns 
beobachteten  sind  stets  über  2"1  lang,  bis  1 , 5 0 m  hoch,  den 
Deckel  und  die  Bodenplatte  eingerechnet. 

Beschreibung  einzelner  Gräber. 

Der  Inhalt  der  Brandgräber  ist  in  den  meisten  Fällen  durch 
das  Feuer  zerstört  worden.  Indessen  liess  sich  feststellen,  dass 
für  die  Brandgräber  der  ersten  Art  die  Beigaben  dieselben 
waren,  wie  für  Bestattungsgräber.  Unkenntliche  Reste  von 
Metallgegenständen  wurden  mehrfach  aufgefunden.  Die  Le- 
kythen  sind  fast  alle  in  Folge  der  Hitze  geplatzt  und  ihre  Be- 
malung nur  in  seltenen  Fällen  deutlich. 

Grab  3'»  (Taf.  6.2).  Zwischen  den  Kohlen  der  Brandschicht 
beträchtliche  Beste  von  Weinreben.  Ausserdem  1(J  sf.  Leky- 
then.  Von  diesen  waren  2  ungefähr  je  30""  hoch,  die  übri- 
gen nach  der  Mündung  zu  schliessen  etwa  1^-20™'.  Die  schwer 
erkennbaren  Darstellungen  weisen  besonders  Scenen  mit  Krie- 
gern und  Wagen  auf.  die  eine  der  beulen  grossen  gleichfalls 
eine  Kampfscene,  dabei  Frauen  u.  s.  w  Die  Figuren  sind  be- 
sonders gross  gezeichnet. 

Grab  12  (Taf.  6,2).  Zwischen  den  Kohlen  der  ßrandschicht 
viele  verbrannte  Weinreben.  Scherben  von  etwa  3  \ erbrann- 
ten sf.  Lekylhen. 


1Ö6  A.    BRUECKNER    UND    E.    PERNICEi 

Grab  8  (Taf.  6, '2).  Ein  zerbrochener  Teller  mit  s.  Kreisen, 
eine  Schale,  eine  Lekythos  mit  s.  Figuren. 

Grab  93  (Taf.  7).  Erkennbar  war  hier,  dass  der  Kopf  am 
Nordende  des  Grabes  gelegen  halte.  Einige  Lekythen  in  Scher- 
ben an  diesem  Ende,  die  meisten  zu  Füssen  des  Verstorbenen. 

Grab  51  (Taf.  7).  Zwei  verbrannte  Lekythen  in  Scherben, 
eine  verbrannte  wurde  intakt  hervorgezogen. 

Grab  72  (Taf.  7).  Enthielt  Scherben  einer  beträchtlichen 
Anzahl  von  Lekythen. 

Für  Grab  159  (nicht  im  Plane)  notirten  wir  als  Inhalt  ver- 
brannte Scherben  von  etwa  20 -25  Lekythen  mit  s.  Figuren, 
Ary ballen,  Tellern  u.  a. 

Die  Ostotheken  sind  gefüllt  mit  den  vom  Feuer  meist  schon 
zur  Hälfte  verzehrten  Knochen;  es  sind  dieser  oft  so  viel, dass 
wahrscheinlich  Knochen  von  Tieren,  welche  zugleich  mit  dem 
Toten  verbrannt  sind,  in  das  Gefäss  hineingeraten  sind.  Bei- 
gaben wurden  fast  nie  gefunden.  Das  ist  selbstverständlich. 
Denn  von  dem  Brandplatze,  auf  welchem  der  Tote  mit  dem 
ganzen  Apparate  verbrannt  wurde,  sammelte  man  eben  nur 
die  Gebeine  des  Verstorbenen  auf,  nicht  die  Scherben  der  von 
der  Hitze  geplatzten  Lekythen.  Möglich  ist  jedoch,  dass  von 
den  in  nächster  Nähe  der  Aschenurne  gefundenen  Väschen 
eines  oder  das  andere  mit  jener  zugleich  in  die  Grube  gelegt 
wurde. 

In  unserem  Gräberfelde  reichten  die  Brandgräber  bis  in 
das  VI.  Jahrhundert  nach  Ausweis  der  darin  gefundenen  Ge- 
wisse. Sie  fanden  sich  aber  auch  noch  in  der  Anschüttung  des 
IV.  Jahrhunderts  (vgl.  oben  Kapitel  I).  Der  Inhalt  der  Osto- 
theken giebt  über  ihr  Alter  leider  keinen  Aufschluss.  Wir 
verweisen  daher  auf  die  Bronzeurne  mit  den  verbrannten  Kno- 
chen aus  der  Dipylonzeit  Auch  die  archaische  Burgonvase 
(Jahn,  Vasensammlung  in  München  S.  lxxxv  Anni.  GUÜ)  ist 
als  Aschengeläss  benutzt  gewesen.  Die  SiLle, die  Knochen  ver- 
brannter Leichen  in  Gelassen  beizusetzen  ist  so  alt,  wie  die 
Verbrennung  der  Leichen  in  den  Gräbern  selbst. 

Die  Erdschachtgräber  sind  im  Ganzen  nicht  sehr  reich  aus- 


EIN   ATTISCHER    FRIEDHOF  167 

gestattet.  Wir  beginnen   bei  unserem   Überblick  mit  einigen 
der  besten. 

Grab  87  (Taf.  7).  Der  Schädel  befand  sich  am  östlichen 
linde  des  Grabes,  die  Zähne,  in  sehr  gutem  Zustande,  waren 
fest  aufeinander  geschlossen,  die  Augenhöhlen  nach  oben  ge- 
richtet. Noch  oberhalb  das  Kopfes  fand  sich  ein  dünner  bron- 
zener Spiegel  ohne  Griff  und  dicht  daneben  ein  dazugehöriger 
Bronzering.  Auf  dem  Spiegel  waren  auf  beiden  Seiten  viele 
Reste  von  Linnenstoff  bemerkbar;  offenbar  hatte  man  den 
Spiegel  so  mitgegeben,  wie  man  ihn  im  Leben  nach  dem  Ge- 
brauch aufzubewahren  pflegte.  Neben  dem  Spiegel  lag  ein 
Stückchen  roter  Schminkfarbe  in  Form  eines  Stiftes,  ausser- 
dem eine  jetzt  verlorene  Lekythos  mit.  einfachem  Ornament. 
Der  Spiegel  sowie  die  Schminke  lehrt,  dasa  eine  Frau  in  dem 
Grabe  bestattet  war.  Zu  Füssen  fanden  sieh  zu  nach  sl  auf  der 
rechten  Seite  zwei  Fragmente  einer  weissgrundigen  Lekythos, 
deren  Darstellung  verschwunden  war,  sodann  eine  deckellose, 
mit  aufgemaltem  Eierstab  verzierte  Pyxis,  zur  Hälfte  mit  ei- 
ner gelblichen  ziemlich  weichen  Substanz  gelullt,  welche  mit 
Sicherheit  als  Pomade  erklärt  wurde,  daneben  ein  kleiner 
Napf  und  eine  schwarz  gefirnisste  Schale  Zur  Linken  lagen 
die  Fragmente  eines  kleinen  alabasternen  Gefässes  (äXzSa- 
oiTpov),  zwei  in  einander  gestellte  Schalen  und  eine  kleine  rot- 
figurige  Kanne  mit  Resten  von  Vergoldung  (Höhe  1  l1"1).  Auf 
ihr  ist  ein  Eros  mit  mächtigen  Flügeln,  im  Begriff  auf  einen 
Wagen  zu  steigen.  In  den  Ilaaren  trägt  er  einen  Kran/..  Der 
Wagen  ist  mit  zwei  zierlichen  Maultieren  bespannt,  deren  ei- 
nes den  Kopf  auf  den  Hals  des  anderen  legt.  Vo.r  ihnen  steht, 
sie  anschirrend,  ein  zweiter  kleinerer  Eros  mit  goldener  Binde. 
Die  Arbeit  ist  recht  sauber  und  gehört  der  Wende  des  fünften 
Jahrhunderts  an  (vgl.  AeVciov  xzy .    1892  S.   11    Nr.  32). 

Reicher  war  das  Grab  33  i  Taf.  6,  2  i  des  letzten  A.usgra- 
bungsschachtes.  Der  Schädel,  welcher  an  der  Ostseite  dei 
Grabes  sich  befand,  lag  auf  der  rechten  Seite.  Zur  Beeilten 
der  Toten  —  denn  ein  Fraueograb  ist  auch  dieses  —  lasen  auch 
die  meisten  Beigaben,   in  die  linke  Hand  hatte  man  ihr  ei* 


168  A.    BRUECKNER   UND   E.   PERNICE 

nen  Spiegel  gegeben  von  1  \  ,/./m  Durehmesser;  auch  an  ihm 
konnte  man  im  Inneren  Reste  von  der  linnenen  Umhüllung 
bemerken.  Der  Griff,  welcher  unmittelbar  an  die  runde  Platte 
ansetzt  und  in  dessen  oberen  breiteren  Teil  eine  Palmette  ein- 
geritzt ist,  verläuft  nach  unten  in  einen  Dorn,  der  mit  Ilolz 
oder  Elfenbein  bekleidet  gewesen  sein  wird.  An  der  Stelle 
der  rechten  Hand  lagen  zwei  Pyxides  besonders  feiner  Zeich- 
nung, beide  im  Stile  der  ersten  Hälfte  des  V.  Jahrhunderts. 
Die  eine  derselben,  deren  ganz  erhaltener  Deckel  mit  einem 
Ornamenlband  von  feinen  Palmetten  bemalt  ist,  ist  leider 
zum  grossen  Teil  gänzlich  zersplittert.  Sie  enthielt,  soweit 
sich  erkennen  lässt,  eine  mythologische  Scene.  In  einer  Land- 
schaft, welche  durch  einen  Baum  angedeutet  ist,  sitzt  ein 
Greis  mit  Scepter,  auf  welchen  mehrere  Frauen  zueilen  ;  hin- 
ter ihm  steht  eine  Frau  ,  in  höchster  Bewegung  die  Arme 
ausstreckend  —  offenbar  ein  Teileines  Frauenraubes  (  Peleus 
und  Thetis?).  Die  zweite  ist  etwas  kleiner  und  ohne  Deckel. 
Sie  zeigt  eine  durchaus  singulare  Darstellung  des  Parisurteils. 
Auf  reichem  Sessel  sitzt  Aphrodite,  mit  hohem  Diadem,  lang 
bekleidet  nach  rechts  gewendet.  In  den  vorgestreckten  Hän- 
den hält  sie  ein  Schmuckband.  Das  Scepter  ist  an  ihre  linke 
Schulter  gelehnt.  Zu  ihren  Füssen  befindet  sich  ein  Schwan. 
Von  rechts  fliegt  Eros  heran  mit  Kanne  und  Schale.  Rechts  da- 
von sitzen  einander  gegenüber  auf  einfachen  Stühlen  Athena, 
langgekleidet  mit  Helm,  Lanze  und  Agis,und  Hera  gleichfalls 
langgekleidet  und  mit  kleinem  Diadem  und  Scepter.  Beide 
haben  Schalen  in  der  einen  Hand.  Links  von  Aphrodite  sitzt 
eine  männliche  Figur,  Paris,  von  vorn  gesehen,  aber  jener  das 
Gesicht  zuwendend.  In  der  Linken  hält  er  die  Lyra,  die  er  auf 
das  Knie  stützt,  in  der  Rechten  das  Plektron.  Diesen  beiden 
besten  Stucken  hat  man  gew  iss  nicht  ohne  Absicht  einen  her- 
vorragenden Platz  gegeben.  Die  übrigen  Stücke  sind  von  ver- 
schiedenem Werte.  Wir  zählen  sie  von  den  Füssen  beginnend 
kurz  auf.  Rechts:  1)  Lekythos.hoch  13  [j™,\or\  schwerer  Form, 
ganz  schwarz  gefirnisst.  2)  Lekythos.hoch  16cni,vvie  1.  3)  Le- 
kythos,  hoch  12  1/2cn'.  schwarze  feine  Umrisszeichnung  auf  weis- 


EIN'   ATTISCHER    FRIEDHOF  169 

sem  Grunde.  Athena  von  vorn,  nach  rechts  blickend,  im  Haare 
ein  Diadem,  über  dem  langen  Gewände  die  Ägis.  Mit  der 
Linken  stützt  sie  sich  auf  den  Speer.  Links  an  der  Erde  liegt 
Schild  und  Helm.  4)  Lekythos,  17  ^""hoch,  schwarze  Palmet- 
ten auf  weissem  Grunde.  5  Lekythos, hoch  1 1  ]/.cm,\\\e  1.  Ober- 
halb der  Hand  :  6)  Lekythos,  1  b"  '/,"■  hoch,  schlank  mit  doppel- 
ter Halsteilung,  flüchtige  schwarze  Zeichnung  auf  rot.  Eine 
Frau  steigt  auf  ein  Viergespann  ;  vor  demselben  sitzt  eine  an- 
dere. Eine  dritte  steht  neben  dein  Wagen.  7)  Lekythos,  16cmhoch, 
mit  schwarzen  Palmetten  flüchtig  bemalt.  8)  Lekythos,  1 5cmhoch, 
schwarze  Palmetten  mit  Ritzung  auf  weissem  Grunde.  Zwischen 
den  Füssen  :  9)  Lekythos,  hoch  '20cra  leidlich  gute  s.  Umrisszeich- 
nung auf  weissem  Grund.  Frau  mit  Haube  nach  rechts,  in 
beiden  vorgestreckten  Händen  einen  Schmuck  haltend,  hinter 
ihr  ein  Stuhl.  Links  zu  Füssen:  1U)  Lekythos  wie  6. 1  7cm  hoch, 
flüchtige  schwarze  Zeichnung,  Viergespann,  auf  welches  eine 
Frau  steigt;  vor  und  neben  dem  Wagen  drei  andere  Frauen. 
1 1)  Lekythos  wie  6. 15  '//'"hoch.  Flüchtige  Zeichnung  Derselbe 
Gegenstand  wie  6,  nur  vor  den  Pferden  ein  sich  umwenden- 
der Mann.  Oberhalb  der  Hand:  12)  Lekythos  etwas  bauchiger 
Form,  llcm  hoch.  Rote  Zeichnung  auf  s.  Grunde.  Sitzende  Eule 
zwischen  zwei  Ölzweigen  ;  darüber  Mäanderornament.  Aus- 
ser diesen  Lekythen  wurde  neben  der  letztgenannten  Leky- 
thos ein  Alabastron  gefunden,  welches  eine  besonders  aus  Sil- 
ber angesetzte  Mündung  zeigte,  dicht  dabei  lag  ein  kleines  zier- 
liches ziemlich  tiefes  Löffelchen  aus  eben  demselben  Material, 
mit  welchem  man  dem  Alabastron  seinen  Inhalt  entnehmen 
sollte.  Unterhalb  des  Kopfes  in  Brustgegend  kam  ein  Stück- 
chen roter  Farbe  heraus,  wol  Schminke,  wie  bei  dem  vorigen 
Grabe.  Endlich  fanden  sich  zwei  grosse  glockenförmige  Na- 
gelkuppen aus  Bronze  von  guter  Arbeit.  Die  innen  steckenden 
Nägel  können  wegen  ihrer  geringen  Dicke  nicht  gedient  ha- 
ben, starke  Bretter,  etwa  die  des  Sarges,  zusammenzuhalten. 
Sie  rühren  von  einem  Schmuckkasten  her,  welcher  zerfallen 
ist;  dazu  passt  die  Form  des  Kopfes.  Der  eine  dieser  Nägel 
lag  bei  der  Brust,  der  zweite   mehr  zu  Füssen.  Die  Lek\tht>n 

ATHEN.    MITTHEILUNGEN    XVIII.  12 


l.ii  A.    Ulil'Ee.KNER    UND    E.    PERNICE 

mit  der  doppelten  Hälsteilung  sind  einander  so  ähnlich,  dass 
sie  offenbar  ans  derselben  VVerkstatl  kommen. 

Grab  26  Tal'.  6,2).  Der  Schädel  lag  am  Ostende.  Ihm  zur 
Seite  3  Lekythen :  h  Mit  doppeller  Halsteilung.hoch  l8cm.Sehr 
Qüchtig  schwarz  auf  rol  .  \\  agenscene.  2)  I  loch  I  7"".  Sehr  flüch- 
tig schwarz  auf  rot.  Frau  nach  rechts  laufend,  sich  umblickend. 
3)  Hoch  20cn\  etwas  besser. schwarz  auf  rol  Nike,  in  den  Mün- 
den eine  Binde.  In  (\vv  Höhe  der  Hand:  i)  Lekvlhos  wie  1, 
hoch  IS'/,0™.  5)  Lekvthos.  hoch  1 8  y.™  schwarz  auf  rot,  Frau 
mit  Binde  in  den  Händen,  dahinter  Säule.  6)  Lekythos,  hoch 
23CU1.  Flüchtige  s.  Zeichnung  auf  weissem  Grunde.  Aul' einem 
Sessel  sitzend  spielt  eine  langbekleidete  Frau  die  Doppelflöte; 
vor  ihr  tanzen  zwei  Jünglinge  in  kurzem  Gewand,  in  den 
Händen  tragen  sie  Krotalen.  Hinter  ihr  tanzt  eine  langgewan- 
dete  Frau;  neben  ihr  ein  Schwan.  7)  Ar\  hailos.  hoch  I2cm,  dar- 
auf zierliches  Rautenmuster.  Auch  in  diesem  Grabe  fanden 
sich  zwei  bronzene  Nagelkuppen  von  Halbkugelform,  in  de- 
ren) Inneren  Reste  von  Holz  erkennbar  waren.  Das  Grab  war 
also  das  einer  Frau.  In  zwei  anderen  Frauengräbern,  die  als 
solche  sich  sicher  herausstellten,  landen  wir  einmal  (Grab 
18."))  einen  Spiegel  und  eine  reich  bemalte  sf.  Pyxis  mit  De- 
ckel, hoch  8CI".  Auf  dem  Deckel  bewegen  sich  von  rechts  fünf 
tanzende  Frauen  in  langem  Gewände  auf  einen  Altar  zu.  Links 
von  diesem  sitzt  eine  Frau,  welche  die  Doppelflöte  bläst.  Hin- 
ter ihr  zwei  Gelasse,  aus  deren  grösserem  eine  Frau  soeben  mit 
einer  Oinocboe  geschöpft  zu  haben  scheint.  Hinter  dieser  Frau 
eine  Säule.  Auf  der  Büchse  sitzt  rechts  von  einer  T hör  eine  Frau 
mit  Kästchen  in  der  linken,  einem  Schmuck  in  (\^v  rechten 
Hand.  Vor  ihr  steht  eine  andere  Frau  mit  Kästchen,  vor  die- 
ser ein  Sessel,  sodann  eine  dritte  Frau.  Weiterhin  spielt  eine 
sitzende  Frau  Doppelflöte  i'uv  einen  Jüngling,  ilrv  in  kurzem 
Gewände  vor  ihr  tanzt.  Endlich  links  an  der  Thür  eine  Frau 
mit  Toilellengrläss  in  der  Hechten.  An  der  Wand  hängt  Frau- 
engeräl  I  Spiegel,  Alabastron  u.  s.  w.).  In  dem  zweiten  Frauen - 
grab  fand  Bich  ausser  dem  Spiegel  ein  Stift  schwarzer  Farbe 
/.um    Karben   der  Augenbrauen ?),    mehrere   Rännchen   und 


EIN   ATTISCHER    FRIEDHOF  474 

Büchschen. endlich  eine  Bronzenadel  mit  oberer  blattförmiger 

< 

Verbreiterung,  wol  für  die  Haare  bestimmt. 

Grab  24  (Taf.  6.2).  In  der  Mitte  des  Grabes  neben  dem 
Skelett  Reste  von  Holz,  sowie  mehrere  sehr  starke  Nägel.  Auf 
der  rechten  Seite  zwischen  Arm  und  Kopf  vier  Lekythen.  auf 
der  linken  fünf  Lekythen,  eine  Kanne  und  ein  Napf.  Rechts 
und  links  von  den  Füssen  je  eine  Lekythos.  Sämtliche  Ge- 
tässe  sind  wertlos  und  gehören  dem  V.-IV.  Jahrhundert  an. 

Grab  16  (Taf.  6.2).  Der  Schädel  auffallend  nahe  hei  der 
Brust.  Beim  Kopf  kleine  Lekythos  mit  s.  Palmetten.  Bei  der 
linken  Hand  grössere  Lekythos  mit  s  Palmetten  auf  vv.  Grunde 
(3Gcm  hoch).  Auch  hier  ein  Nagel  wie  in  Grab  24. 

Grab  163  (nicht  im  Plane).  Sämtliche  Beigaben  lagen  beim 
Kopfe.  Es  sind  dies:  1)  eine  kleine  thonfarhene  Kanne  mit 
schwarzem  Firnisstreif  ( Höhe  9cm).  2)  Lekythos  (Höhe15cm) 
s.  Zeichnung  auf  r.  Grunde:  drei  Reiter  neben  ihren  Pf.rden. 

3)  Lekythos  (Höhe  15cm)  s.  Zeichnung  auf  r.  Grunde:  zwei 
Männer  und  zwei  Frauen  in  Weinlaube  lagernd.  4)  Lekythos 
(Höhe  14  ,/»cm)  s.  Zeichnung  auf  r.  Grunde:  in  der  Mitte  ge- 
lagerter Mann  und  Frau,  rechts  und  links  davon  Mann  auf 
Esel  sitzend. 

Grab  98  (nicht  im  Plane).  1)  Kleine  rf.  Lekythos  flüchtiger 
Arbeit.  Knabe  nach  rechts  die  rechte  Hand  erhebend  ;  vor  ihm 
an  der  Erde  ein  Gegenstand.  2)  Pyxis  mit  Deckel.  Auf  die- 
sem rf.  sechs  Frauen  in  verschiedenen  weihlichen  Beschäfti- 
gungen.  3)  Kleine  weissgrundige  Lekythos  ohne  Darstellung. 

4)  Schwarz  gefirnisster  Aryballos. 

Grab  53  (Taf.  7).  Zwei  Lekythen,  weissgrundig.  Auf  bei- 
den Grabmäler,   rechts  und  links  davon  stehende  Jünglinge. 

Grab  96  (Taf.  7).  Beim  Kopf  drei  Lekythen.  1)  Schwarz  ge- 
firnisst.  2)  Um  den  Bauch  s.  Ranke  auf  r.  Grunde.  3)  Wie  2. 
In  Brusthöhe  zwei  kleine  Qinochoen.  davon  eine  b.  auf  rotem 
Grunde  einen  männlichen  Kopf  zeigend,  die  andere  mit  s.  Fir- 
nisstreifen. 

Für  die  letzten  sechs  Gräber  sind  wir  nicht  sicher, ob  es 
Gräber  von  Männern  oder  Frauen  sind.  Grab  98  wird  weijen 


172  A.    BRUEGKNER    UND    E.    PERNICE 

der  Pyxis  einer  Frau  angehören.  Die  übrigen  grossen  Gräber 
dieser  Gattung  lieferten  keine  oder  so  gut  wie  keine  Fundge- 
gen  stände. 

Kindergräber. 

Grab  75  (Taf.  7).  Der  Schädel  Lag  am  nördlichen  Fnde  des 
Grabes  auf  der  linken  Seite.  Als  Beigaben  landen  sich  meh- 
rere  Terrakotten  ohne  ersichtliche  Anordnung,  wahrschein- 
lich Spielzeug:  ein  Vogel,  eine  Schildkröte,  ein  Affe  nebst 
den  Resten  eines  zweiten,  eine  kleine  sitzende  Figur,  welche 
die  Hände  auf  die  Rniee  legt.  Hinzu  kommt  eine  kleine  Oino- 
choe,  9cm  hoch,  mit  leidlich  feiner  rotfiguriger  Zeichnung  vom 
Ende  des  V.  Jahrhunderts:  Knabe  mit  dem  Spielrade,  in  der 
rechten  Hand  hält  er  ein  Kännchen.  Weiter  eine  Pyxis  mit 
Deckel,  4cm  hoch, einfach  schwarz  gefirnisst,  und  eine  Kanne  von 
10cm  Höhe  mit  fluchtiger  rf.  Darstellung:  Mädchen  mit  Gerät 
in  den  Händen  nach  rechts  laufend.  Schliesslich  Reste  von 
anderen  kleinen  Gelassen  und  weissen  Lekythen  und  Stückchen 
eines  kleinen  Bronzegerätes  (vgl.  As^rtov  äpy.  1892  S.  11 
Nr.  33). 

Grab  183  (nicht  im  Plane)  enthielt  als  Beigaben  ein  klei- 
nes Gefäss  in  Amphoren  form  aus  weissem  Glas  mit  schwarzen 
parallelen  Streifen  und  Zickzack  ornamentirt  ( Höhe  8em),  ein 
ebensolches  aus  Thon,  schwarz  gefirnisst  mit  kleinen  einge- 
pressten  Palmetten  und  Mäander  ( HöheS01"),  endlich  10  kleine 
wertlose  Lekythen,  deren  Identifikation  nicht  mehr  möglich 
ist.  Andere  Kindergräher  enthielten  im  Gegensatz  zu  diesen 
beiden  Beispielen  überhaupt  keine  Beigaben. 

Grab  175  (nicht  im  Plane  vgl. oben  S.  162).  Mitten  zwischen 
den  Knochen  des  Skeletts,  welches  sehr  gut  erhalten  war,  lag 
eine  gewöhnliche  Schale  ohne  Dekoration,  thonfarbig,  nur 
aussen  mit  breitem  Firnisstreifen  versehen.  In  die  rechte  Hand 
hatte  man  dem  Toten  zwei  Terrakottafigürchen  gegeben,  Schafe 
mit  Resten  brauner  Farbe  an  den  Köpfen  ;  daneben  fand  sich 
noch  ein  einfach  s.  gefirnisster  Aryballos.  Beigaben  und  Klein- 
heit des  Grabes  lassen  auf  ein  zartes  Aller  des  Begrabenen 
Hchliessen.    Zu  dem   Grabe  gehörte  wahrscheinlich  auch  eine 


EIN   ATTISCHER   FRIEDHOF  173 

in  der  oberen  Schicht  gefundene  kleine  Figur  aus  Terrakotta, 
welche  ein  sitzendes  Kind  vorstellt. 

Zieselgräber. 

Grab  9  (Taf.  7).  Kopf  am  nördlichen  Ende  des  Grabes,  die 
Arme  an  den  Seiten.  Zwischen  dem  linken  Unterarm  und 
dem  Körper  lag  eine  Lekythos  mit  schwarzen  Figuren  auf 
weissem  Grunde,  Satyr  mit  Manas  tanzend.  Zwischen  den  Bei- 
nen ein  kleiner  Aryballos  mit  kleinem  rotfigurigen  Bilde  (nicht 
mehr  vorhanden).  Zwischen  den  Rippen  fand  sich  eine  bron- 
zene Stlengis. 

Grab  172  (nicht  im  Plane).  Als  einziger  Inhalt  kamen  zwei 
weissgrundige  wolerhaltene  Lekythen  hervor,  welche  sicher 
dem  IV.  Jahrhundert  angehören.  1)  Höhe  26cm.  In  der  Mitte 
steht  ein  Grabmal  mit  roten  und  blauen  Binden  geschmückt 
und  von  einer  Palmette  bekrönt,  welche  in  das  darüberlie- 
gende  Mäanderornament  hineinragt.  Rechts  vom  Grabmal 
steht  ein  Mädchen.  Von  links  kommt  ein  zweites  in  eiligem 
Schritt  heran.  2)  Höhe  28cm.  Dargestellt  ist  ein  grosses  Grab- 
mal ohne  Palmette,  mit  vielen  roten  Binden  geschmückt; 
darüber  als  Ornament  Mäander.  Auf  der  Schulter  rote  und 
schwarze  Palmetten  (wie  auch  bei  der  ersten  Lekythos). 
Rechts  vom  Grabmal  steht  ein  Jüngling  in  langem  Gewände, 
links  sitzt  ein  Mädchen. 

Grab  17  4  (nicht  im  Plane)  enthielt  an  Beigaben  nichts  als 
eine  kleine  Lekythos  mit  schwarzer  Zeichnung  auf  gelbem 
Grunde:  ilhyphallischer  Satyr,  die  Doppelflöte  blasend,  vor 
ihm  ein  Hund.  Ihm  folgt  ein  zweiter  mit  Thyrsos. 

Grab  166  (nicht  im  Plane).  Gefunden  wurde  ein  kleines 
Kännchen  1 1""  hoch  mit  schwarzem  Xetzmusler  auf  rotem 
Grunde  und  aufgesetzten  weissen  Pünktchen.  Ausserdem  eine 
dünne  bronzene  Platte  von  9,5cni  Durchmesser,  vielleicht  von 
einem  Spiegel;  wir  hallen  dann  in  dem  Grabe  ein  Frauengrab 
zu  erkennen. 

Grab  120  (nicht  im  Plane).  Inhalt:  eine  schwarz  gefirnisste 
schmucklose  Lampe  und  eine  kleine  runde  Bronzeplatte  mit 
concentrischen  Relielkreisen  von  irgend  einem  Gerät. 


174  A.   BRUECKNER   UND   E.    PERN1CE 

Grab  9  (Tat*.  6,2)  enthielt  nur  ein  Stückchen  Bronze  wol 
\on  einer  Stlengis. 

Von  einem  weiteren  Grabe  notirten  wir,  dass  der  Tote  eine 
Terrakotta  ( Frauenfigur  mit  spitzer  Haube)  in  der  Hand  ge- 
halten hatte.  Wenigstens  lag  die  Terrakotta  auf  der  Brust. 

Rindergräber. 

Grab  190  (nicht  im  Plane).  Der  Schädel  und  die  Knochen 
des  Skelettes  waren  so  zerfallen,  dass  die  Kopflage  nicht  mehr 
festzustellen  war.  Von  dem  einen  Ende  beginnend,  fanden  wir 
zunächst  ein  oben  mit  einem  Sieb  geschlossenes  Tässcben, 
schwarz  gefirnisst,  welches  zum  Trinkgebrauch  für  ein  ganz 
kleines  Kind  mit  einer  Röhre  versehen  war  (vgl.  Berliner 
Vasensammlung  Tal'.  7,  249).  Höhe  6cm.  Es  folgte  eine  ein- 
henkelige s.  gefirnisste  Pyxis  mit  Deckel  (Höhe  10cm),  sodann 
ein  kleines  8cm  hohes  Gefäss  in  Amphoraform  aus  dunkel- 
blauem mit  gelben  und  hellblauen  Zickzackmustern  verzierten 
Glas,  die  Henkelchen  sind  grün.  Das  beste  Stück  ist  ein  gros- 
ses Alahastron  von  Thon  mit  sehr  feiner  schwarzer  Zeichnung 
auf  weissem  Grunde  aus  der  Mitte  des  V.Jahrhunderts  (Höhe 
18cm). Dargestellt  sind  zwei  Frauen  einander  gegenüberstehend. 
Die  zur  Linken  ist  lang  gekleidet  und  trägt  eine  Haube  Mit 
der  rechten  Hand  hält  sie  einen  Zweig  mit  Äpfeln.  An  einen 
der  Apfel  fasst  die  andere.  Auch  sie  ist  lang  gekleidet  und  trägt 
ein  Diadem  im  Haar.  Zwischen  beiden  steht  ein  hoher  Korb, 
über  welchem  eine  Binde  hängt,  dabei  sinnlose  Buchstaben. 
Das  Stück  macht  einen  erheblich  älteren  Eindruck  als  das 
nächste.  Es  ist  das  eine  kleine  sehr  fein  gezeichnete  rotfigurige 
Oinochoe  (Höhe  9  t/./"1 ),  welche  als  Bild  ein  Knähchen  zeigt, 
das  in  beiden  Händen  ein  Geläss  trägt;  hinter  ihm  ein  Tisch. 
Neben  dieser  fand  sich  eine  kleine  Deckelpyxis  (  Höhe  5cin), de- 
ren Deckel  mit  einer  sitzenden  rf.  Eule  bemalt  ist.  Sodann  ein 
kleiner  Aryballos  mit  rf.  massiger  Zeichnung  eines  in  einen 
Mantel  gehüllten  Jünglings,  welcher  sich  auf  einen  Stock  stützt 
(Höhe  7cm).  Schliesslich  ein  kleines  Tässcben  mit  zwei  hohen 
senkrecht  stehenden  Henkeln,  ungelirnisst  mit  mehreren  in 
rötlicher  Farbe  aufgesetzten  Streifen  (Höhe8cm). 


EIN   ATTISCHER    FRIEDHOF  175 

Grab  189  (nicht  im  Plane)  liegt  nicht  weit  davon.  In  die 
rechte  Hand  hatte  man  dem  Leichnam  ein  kleines  Gefäss  aus 
blau  und  gelbem  Glase  in  Amphoraform  gegeben  (Höhe  9cai), 
in  der  linken  hielt  er  ein  kleines  Alabastron  (Höhe  Scmi.  Zu 
Füssen  lagen  vier  Süchtig  mit  schwarzen  Palmetten  bemalte 
Lekythen  und  ein  kleines  6  '//m  hohes  schwarzbraun  gefir- 
nisstes  einfaches  Kännchen. 

Grab  168  (nicht  im  Plane).  Der  Schädel  lag  am  nördlichen 
Ende  des  Grabes  ;  daneben  eine  kleine  zweihenkelige  Tasse 
(  Höhe  ß  l/,m )  m'1  m>1'  flüchtigen  schwarzen  Zeichnung  je  ei- 
nes Satyrn  zwischen  zwei  Palmetten  auf  gelbem  Grunde.  Zu 
Füssen  wieder  vier  Lekythen  11-13""  hoch,  welche  samtlich 
schwarze  Palmetten  auf  weissem  Grunde  zeigen,  zwei  Tassen 
einlach  schwarz  gefirnisst,  endlich  eine  tadellos  erhaltene 
schwarz  gefirnisste  Py.vis  mit  den  geringen  Resten  von  klei- 
nen Vogelknochen  Man  hatte  also  dem  Kinde  den  Liehlinus- 
vogel  mit  in  das  Gral»  gegeben.  Line  ganz  analoge  Erschei- 
nung bietet  das  Grab  6  des  Planes  Taf.6,2.  Auch  dort  wurden 
mit  Sicherheit  Knöchelchen  von  Vögeln  festgestellt,  welche 
hier  allerdings  nicht  in  eine  Pyxis  eingeschlossen  waren.  Als 
Beigaben  fanden  sich  im  Grabe  6  ausserdem  :  eine  kleine 
Oinochoe  von  (einer  Zeichnung  (  Höhe >8  l/  ,cm) .  ein  Knabe, 
welcher  sich  auf  einen  kleinen  Schemel  stutzt,  um  ein  vor  ihm 
stehendes  Gefäss  zu  erfassen;  an  (\ev  Wand  hängt  ein  Gerät. 
Oben  rechts  ist  mit  weisser  Farbe  flüchtig  die  Inschrift  MIKIQN 
aufgesetzt.  Das  war  wol  der  Name  dvs  Verstorbenen.  Hinzu 
kommen  zwei  kleine  schw arzgelirnisste  Näpfe  und  eine  zer- 
brochene ungefirnisste  Tasse 

Gral»  I  36  I  nicht  im  Plane)  gehörte  wahrscheinlich  dem  An- 
fange des  IV.  Jahrhunderts  an.  Es  einhielt  zunächst  einen 
kleinen  schwarz  gelirnissten  Napf  ohne  Dekoration,  sodann 
drei  einhenkelige  kleine  Kännchen, ungefirnisst.mil  roten  Strei- 
fen bemalt.  Fragmente  einer  kleinen  thönernen  Tierfigur, 
welche  sehr  bald  ganz  zerfielen  :  eine  Pyxis  aus  hellem  Thon, 
eine  kleine  zweihenkelige   Tasse  und  endlich  eine  kleine  rotli- 


176  A.   BRUECKNER   UND   E.   PERNICE 

surige  Hydria,  etwa  12cm  hoch,  darauf  in  ziemlich  flüchtiger 
Zeichnung  ein  Mädchen  nach  rechts  laufend  dargestellt. 

Neben  dem  Kindergrabe  135  (nicht  im  Plan)  fand  sich  eine 
Cikade  von  Thon,  wobei  zu  bemerken  ist,  dass  es  nicht  si- 
cher ist,  ob  das  Stück  wirklich  für  das  Grab  berechnet  war. 
In  dem  Grabe  selbst  lag  nur  die  Mündung  einer  Lekythos, 
keine  weiteren  Fragmente  derselben.  Da  die  Wanne  oben  zer- 
brochen war,  ist  es  wol  möglich,  dass  die  Lekythosmündung 
in  das  Grab  hineingeraten  ist,  ohne  wirklich  dazu  zu  gehören. 
Ähnliche  Fälle  sind  nicht  selten.  So  wurde  beispielsweise 
auch  in  dem  Kindergrab  125  ein  einziges  Fragment  einer 
sehr  grossen  Lekythos  gefunden,  welches  sicher  nicht  von 
Anfang  an  darin  gelegen  hatte.  Die  Erde  des  Gräberfeldes  ist 
so  stark  mit  Scherben  durchsetzt,  dass  Schuttmassen,  welche 
in  ein  leeres  Grab  eindringen,  stets  solche  mit  sich  führen. 

Das  Grab  4  (Taf.  6,2)  unterscheidet  sich  dadurch  von  den 
bisher  besprochenen  Gräbern,  dass  die  Wanne  oben  nicht 
durch  eine  zweite  Wanne  bedeckt  wird,  sondern  durch  eine 
einfache  Thonplatte.  ^'ahrscheinlich  war  es  das  Grab  eines 
Mädchens.  Zu  Füssen  lag  eine  kleine  Terrakotta  in  Fragmen- 
ten, ein  Rind  darstellend,  das  eine  Gans  in  den  Händen  trägt 
(wertlose  Arbeit);  es  folgte  sodann  eine  flache  3,m  hohe  Büchse 
ohne  Schmuck,  ein  kleines  Kännchen  von  4  */.2cm  Höhe.  In 
Brustgegend  lag  eine  schöne  gelbe  Glasperle  mit  weiss  und 
blauen  Augen1,  wahrscheinlich  von  dem  Kinde  um  den  Hals 
getragen,  zwei  kleine  Bronzeringe  von  einem  Geräte  herrüh- 
rend und  endlich  Reste  einer  kleinen  Bronzespange. 

Grab  20  (Taf.  6,2)  enthielt  an  Beigaben  eine  kleine  schwarze 
einhenkelige  Deckeltasse  sowie  eine  mit  s.  Palmetten  bemalte 
Lekythos. 

Grab  32  (Taf.  7).  An  dem  unteren  Ende  des  Grabes  lagen 
ausser  fünf  Lekythen  mit  s.  Palmettenornament  vier  Terra  - 


1  Sie  entspricht  völlig  den  in  so  grosser  Anzahl  im  Kabirenheiligtum  bei 
Theben  gefundenen  (Athen.  Milth.  XV  S.  377). 


BIM   ATTISCHER    FRIEDHOF  171 

kotten  des  V.  Jahrhunderts:  1)  stehendes  Mädchen  im  dori- 
schen Chiton,  mit  der  linken  Hand  das  Gewand  fassend;  die 
Rechte  liegt  an  der  Brust  und  hält  einen  Gegenstand.  2)  Ein 
Huhn.  3)  Ein  Halm.  4)  Sitzende  weibliche  Figur. 

In  einem  nicht  näher  bezeichneten  Grabe  fanden  wir  aus- 
ser einigen  wertlosen  Gefässen  eine  Seemuschel,  wahrschein- 
lich ein  Spielzeug  des  Verstorbenen. 

Von  den  bisher  beschriebenen  Formen  vollkommen  abwei- 
chend sind  zwei  Kindergräber,  deren  genauere  Besprechung 
hier  noch  folgen  muss.  Das  eine  derselben  ist  nicht  in  den 
Plänen  verzeichnet.  Es  fand  sich  nämlich  inmitten  von  ge- 
wöhnlichen Ziegelgräbern  die  Bohre  einer  Wasserleitung  mit 
einem  Durchmesser  von  v6cm  und  einer  Länge  von  7*2CD>.  Die 
Röhre  war  vorn  und  hinten  geschlossen  durch  je  einen  Dach- 
ziegel. Aussen  war  die  Röhre  mit  mehreren  schwarzen  Fir- 
nisstreifen bemalt,  innen  schwarzbraun  gelirnisst;  an  beiden 
Enden  ist  der  Anschlussrand  für  die  Nachbarröhre  vorhan- 
den. Nach  Hinwegnahme  der  Verschlussplatten  erkannte  man 
an  dem  einen  Ende  die  Reste  eines  kleinen  Schädels.  Weiter 
innen  lagen  eine  Menge  von  Thongefässen  in  der  Ordnung, 
wie  sie  die  Zeichnung  Gillieron's  auf  Taf.  9,1  zeigt.  Zunächst 
dem  Kopf  lag  eine  schwarz  gelirnisste  Pyxis  mit  Deckel,  13CU1 
hoch,  ohne  Inhalt;  neben  ihr  eine  Anzahl  kleiner  Tässchen. 
Diese  sind  zum  Teil  ohne  figürlichen  Schmuck;  zwei  zeigen 
zwischen  je  einer  s.  Palmette  eine  flüchtig  gezeichnete  sitzende 
Frau.  Es  folgen  dann  weiter  13-14  Lekythen,  welche  in  der 
gezeichneten  Weise  auf  einandergeschichtet  waren.  Fast  alle 
Lekythen  zeigen  als  einzigen  Schmuck  eine  schwarze  Palmette 
mit  Ritzung  auf  rotem  Grunde.  Auf  einer  [Höbe  l?*")  ist  mit 
weiss  auf  den  schwarzen  Firniss  ein  nach  rechts  stürmender 
Krieger  aufgesetzt.  Vor  ihm  kniet  ein  zweiter;  \<m  anderen 
sind  nur  noch  Spuren  vorhanden.  Am  Pussende  lag  eine  sf 
Lekythos  (Höhe  I9cm)  mit  gleichfalls  flüchtiger  Zeichnung  auf 
rotem  Grunde.  Es  wiederholt  sich  zweimal  ein  Gespräch  zwi- 
schen sitzender  Frau  und  Bteherdem  Mann. 

Zu  bemerken  ist  ein   Loch  im  Körper  der  Röhre  von  i»''" 


178  A.    BRUECKNER   UND   E.   PERN1CE 

Durchmesser,  welches  durch  den  noch  erhaltenen  Ausschnitt 
fest  verschlossen  werden  kann.  Dasselbe  ist  eleieh  bei  Anfer- 
tigung  der  Röhre  angebracht,  also  nicht  etwa  bestimmt,  um 
die  Beigaben  besser  im  Inneren  aufzubauen,  sondern  es  diente 
bei  der  Wasserleitung  dazu,  um  eine  bequeme  Reinigung  zu 
ermöglichen  (vgl.  Dörpfeld,  Athen.  Mitth.  XVII  S.  44  2). 

Wenn  man  dies  Grab  nach  der  Fülle  seines  Inhaltes  nicht  ei- 
gentlich ärmlich  nennen  kann, so  ist  dies  wol  der  Fall  bei  einem 
zweiten  Beispiele  derselben  Art  (Grab  10  Tat'.  6,2).  Die  Röhre 
war  hier  oben  mit  der  oberen  Hälfte  einer  rohen  Amphora  ge- 
schlossen, unten  mit  der  unteren  derselben.  Als  Beigaben  fan- 
den sich  beim  Kopfe  eine  kleine  Lekythos  mit  schwarzen  Pal- 
metten, eine  Pyxis,  schwarz  gefirnisst  mit  kleinen  Knochen 
(vielleicht Vogelknochen?)  angefüllt,  bei  den  Händen  ein  klei- 
nes ungetirnisstes  Kännchen  und  eine  kleine  schwarze  Tasse. 
Beispiele  einer  entsprechenden  Bestattung  sind  uns  aus  keiner 
anderen  Nekropole  bekannt  geworden. 

Für  die  zerschlagenen  Amphoren  mit  den  Leichnamen  von 
Kindern  führen  wir  als  Typen  folgende  Beispiele  auf: 

1)  Amphora  128.  Inhalt:  eine  kleine  flache  s.  gefirnisste 
Schale,  ein  kleines  Kännchen  ohne  Ornament. 

2)  Amphora  124.  Inhalt:  eine  zweihenkelige  grosse  schwarz 
gefirnisste  Tasse. 

3)  Amphora  140.  Enthielt  drei  geringe  Lekythen ,  wovon 
eine  mit  schwarzen  Palmetten  bemalt,  eine  Tasse  mit  Deckel 
und  eine  kleine  zweihenkelise  Tasse. 

4)  Amphora  141.  Zwei  kleine  Kännchen.  eine  zweihenke- 
lige Tasse,  ein  einhenkliger  Napf,  sämtlich  schwarz  gefirnisst. 

5)  Amphora  158.  Fine  kleine  schwarz  gefirnisste  Schale 
nebst  Deckel,  eine  werllose  sf.  Lekylhos  mit  liegendem  Dio- 
nysos und  einem  Satyr,  ein  kleines  ungefirnisstes  Gefäss. 

6)  Amphora  15  ( Taf.  6.2).  Eine  kleine  Kanne,  eine  ein- 
henklige Tasse,  eine  kleine  Pyxis,  sämtlich  schwarz  gefirnisst. 

7)  Amphora  17  (Taf.  6,2).  Ein  Kännchen,  eine  Tasse,  eine 
Pyxis,  sämtlich  schwarz  gefirnisst. 


EIN  ATTISCHER   FRIEDHOF  1*9 

8)  Amphora  18  ( Tat'.  6,2).  Eine  kleine  Lekythos  mit  schwar- 
zen Palmetten  (Höhe  18cm). 

Der  Inhalt  ist  im  Allgemeinen  gleichmässig  Nr.  6  und  7 
stimmen  sogar  genau  mit  einander  überein.  Viele  Amphoren 
enthalten  keine  Beigaben. 

Zu  erwähnen  ist  noch  das  Gefäss  14  des  Planes  Tat'.  6,2.  Es 
wurden  nämlich  die  Knochen  einer  erwachsenen  Person  darin 
gefunden.  Die  Amphora  ist  viel  zu  klein,  um  eine  solche  auf- 
zunehmen. Wir  vermuten,  dass  man  bei  Anlage  eines  späte- 
ren Grabes  ein  Grab  anschnitt  und  die  darin  liegenden  Kno- 
chen nebst  Beigaben  (eine  schwarz  gefirnisste  Lampe,  eine 
Lekythos  mit  schwarzer  Palmette)  in  dem  Gefässe  nochmals 
beisetzte. 

Wir  beschreiben  zum  Schluss  unserer  Übersicht  einige  Sar- 
kophaggräber.  Mehr  als  Worte  lehren  die  beigegebenen  Abbil- 
dungen (Fig.  33-35)  des  Inhaltes  von  drei  Marmorsarkopha- 
gen, welche  nach  an  Ort  und  Stelle  gemachten  Skizzen  ge- 
zeichnet worden  sind. 

Grab  37  (Taf.  7).  Vgl.  die  Abbildung  Fig.  33.  Der  Sarko- 
phagwar aus  sauber  gefügten  Marmorplatten  gearbeitet.  Trotz- 
dem war  das  Grundwasser  von  unten  nachgedrungen  und 
füllte  ihn  etwa  zu  einem  Drittel.  Das  Wasser  hat  auch  be- 
wirkt, dass  einzelne  der  beigegebenen  Gefässe  aus  ihrer  ur- 
sprünglichen Stelle  gerollt  sind.  In  dem  Sarkophage  fanden 
sich  viele  Restchen  von  kleinen  Zweigen.  Wie  die  Sllengis 
zeigt,  war  ein  Mann  in  dem  Sarkophage  beigesetzt  Sonst  wa- 
ren an  Beigaben  nur  Gelasse  vorhanden,  aus  denen  hervorgeht, 
dass  das  Grab  dem  Anfange  des  IV.  Jahrhunderts  angehört. 
Die  sämtlich  weissgrundigen  Lekythen  sind  leider  so  zerstört, 
dass  die  Abbildung  einzelner  Stücke  überflüssig  ist.  Es  sind 
folgende : 

Links  oben:  1)  Höhe  25"",  mit  schwarzem  Mäanderstreif, 
ohne  Darstellung.  Unten  2)  Höhe  23cm,  nicht  mehr  erkennbar. 
Rechts  von  oben  nach  unten  beschrieben  :  3)  Höhe  39cm.  ohne 
Darstellung,  i)  Höhe  98"*, erkennbar  eine  Stele  mit  roten  Bin- 
den. 5)  Höhe27cm  Mädchen  nach  rechts  vor  einem  Grabmal, auf 


180 


A.    BRUECKNER   UND   E.    PERNICE 


welchem  eine  Kanne  steht.  6)  Höhe  23cm,  Reste  einer  mit  gel- 
ber Farbe  gezeichneten  Stele.  7)  Höhe  23"°. unkenntlich.  8)  Höhe 
i9cul  mit  schwarzem  Mäanderstreif,  ohne  Darstellung.  9)  Höhe 
21"".  Reste  einer  mit  gelber  Farbe  gezeichneten  Stele.  10)  Höhe 
23"". Reste  eines  Grabmals.  II)  Höhe  27om, Jüngling  mit  rotem 
Reisehut  nach   rechts  vor  einem  Grabmal  stehend;  sehr  gute 


ä 


Fig.  33. 


Fig.  34. 


Zeichnung.  Zwischen  den  Rnieen  12)  Höhe  22"",  Mädchen 
Dach  rechts,  in  der  Rechten  ein  Gerät;  feine  Zeichnung.  Zu 
Füssen  lagen  ausserdem  zwei  s.  gefirnisste  Aryballen  und  ein 


drittes  ungefirnisstes  Gefäss. 


Grab  34  (Taf.  7).  Vgl.  Fig.  34.  Auch  in  diesem  Sarkophag 


KIN   ATTISCHER    FRIEDHOF  ISf 

stand  Wasser.  Ein  Versuch,  es  auszuschöpfen  misslang,  da  die 
Fugen    nicht  gut  schlössen    und   fortwährend  neues  Wasser 
nachdrang.  Die  Beigaben  lagen  nur  an  der  oberen  Hälfte  des 
Körpers,   zu  Füssen  nichts.  An  der  rechten  Seite  (von  unten 
nach    oben    beschrieben):  1)  Lekythos   ( Höhe  23cm).    Auf  w. 
Grunde  Reste  einer  nach  links  schreitenden  Frau.  Die  Fleisch- 
teile weiss  aufgetragen  (s.  Nr.  4).  2)  Lekythos  (Höhe  23cm). 
Auf  w.  Grunde  eine  nach  rechts  schreitende  Frau  (sf.).  3)  Le- 
kythos (Höhe  20cm).  Schwarze  Palmetten  auf  weissem  Grunde. 
4)  Lekythos  (Höhe  22").  Auf  w.  Grunde  Artemis  nach  rechts 
schreitend,  in  der  vorgestreckten  Linken   den  Bogen.  Gesicht 
und  [lande  mit  aufgesetztem  Weiss;    vor  ihr  ein  Schwan  mit 
aufgesetztem  Weiss.  Arbeit  des  V.  Jahrhunderts.  5)  Lekythos 
(Höhe  20c"1)  rf.  Jungling   im   Mantel  nach  rechts.   Über  dem 
Schädel  6)  Lekythos  (Höhe  16*-)  schwarz  gelirnisst.  An  der 
linken  Seite  (von  oben  nach  unten):  7)  Lekythos  ( Höhe  23cm). 
Um  die  Mitte  des  Bauches  ist  eine  schwarze   Epheuranke  auf 
w.  Grunde  gelegt.    8)  Lekythos  (Höhe  23-),  Zeichnung  ver- 
schwunden.   9)  Lekythos   (110116  24-)   wie  7.    10,  Lekythos 
(Höhe  24-)  wie  7. 

^  Grab  35  (Taf.7).  Vgl.  Fig.  35.  Im  Gegensatz  zu  dem  vorigen 
Grabe  fanden  sich  hier  die  Lekythen  vornehmlich  zu  Füssen 
des  Skeletts.  Nach  dem  Becken  zu  schliessen  ist  es  das  Grab 
einer  Frau.  Inhalt  (von  links  oben  beschrieben) :  1)  Weiss- 
grundige  Lekythos  mit  s.  Umrisszeichnung  (Höhe  17cm).  Frau 
nach  links  in  langem  Gewand«-,  hinter  ihr  hängt  eine  Binde 
an  der  Wand.  Vor  ihr  steht  ein  Altar,  aufweichen  sie  mit  ei- 
ner Schale,  die  sie  in  der  vorgestreckten  Rechten  hält,  spen- 
det. 2)  Lekythos  rf.  (Höhe  19-).  Nike,  nach  rechts  fliegend, 
in  den  Händen  eine  Binde  tragend.  3)  Weissgrund  ige  Lekythos 
mit  schwarzer  feiner  Umrisszeichnung  (Höhe  1 9°-). Frau  nach 
rechts  sitzend.  1)  Weissgrundige  Lekythos  mit  Epheuranke 
(Höhe  12"";.  5) Weissgrundige  Lekythos, vorn  mit  Netzmuster 
(Höhe  18-).  6)  Weissgrundige  Lekythos  (Höhe  15-), Zeich- 
nung  verschwunden.  7)  Weissgrundige  Lekythos  mit  mehre- 
ren schwarzen  Ornamentstreifen  (  Höhe  15-).  8)  \\i'.  Lekythos, 


18'2  A.    BRUECKNER   UND    E.    PERNICE 

Geflügelte  Nike  nach  rechts  schreitend  in  der  Hand  eine  Binde 
(Höhe  19™).  9)  Schwarz  gefirnisste  Lekythos  (Höhe  \\cm). 

Grab  31  (Tat.  7).  Sarkophag  aus  weichen  Porosp!atten ; 
der  Deckel  war  aus  drei  Stücken  hergestellt.  Das  Grab  ge- 
hörte einer  Frau  an.  Die  Arme  waren  ausgestreckt.  Beim 
Kopfe  lagen  zwei  Ary ballen,  an  der  linken  Seite  in  Handhöhe 


Fig.  35. 


ein  Alabastron,  in  Hüfthohe  ein  stark  zerfallener  Aryballos,  zu 
Füssen  zwei  Aryballen,  zwischen  den  Knieen  ein  Aryballos, 
in  der  Höhe  des  rechten  Ellenbogens  ein  Alabastron,  zwi- 
schen den  Unterschenkeln  Teile  einer  Bohre  von  schwarzem 
Hörn,  stark  verwittert,  ebenda  drei  Bronzeknöpfe  und  kleine 


EIN   ATTISCHER    FRIEDHOF  183 

Eisenteilchen.  Rechts  neben  den  Füssen  lag  der  Kopf  einer 
Bronzenadel.  Bestehen  von  Holz  fanden  sich  bei  dem  Schädel 
und  tinter  dem  oberen  Teile  der  Wirbelsäule. 

Grab  21  (Taf.  7).  Sarkophag  aus  Porosplatten.  Der  Inhalt 
bestand  aus  acht  Alabastren  von  blau  und  gelbem  Glas  (Höhe 
l(J-20cm.  AeVriov  1892  S.  1  1  Nr.  30).  Von  diesen  lagen  je  zwei 
rechts  und  links  vom  Schädel,  je  zwei  rechts  und  links  von 
den  Füssen.  An  dem  einen  Stück  war  die  Mündung  beson- 
ders eingesetzt.  Dieselbe  ist,  da  sie  aus  vergänglichem  Stoff 
war,  verloren  <>;e<>;any:en.  Zu  Füssen  fand  sich  ausserdem  ein 
Stückchen  Bronze  unbekannter  Bestimmung.  Ganz  analog  aus- 
gestattet ist 

Grab  1*23  (nicht  im  Plane).  Der  Sarkophag  war  aus  einem 
grossen  Porosblock  herausgearbeitet;  den  Deckel  bildete  eine 
Platte.  Auch  hier  lagen  rechts  und  links  neben  dem  Toten  je 
zwei  Alabastren  aus  Alabaster;  zu  Füssen  des  Toten  ausser- 
dem zwei  unbedeutende  schwarz  gefirnisste  Gelasse,  eine  Schale 
und  ein  Becher. 

Für  die  Bestattungsgräber  lässt  sich  aus  den  von  uns  auf- 
gedeckten Beispielen  zwar  nicht  folgern,  dass  von  den  drei 
Gattungen  eine  jede  die  andere  zeitlich  ausschliesst,  es  erge- 
ben sich  aber  aus  der  Betrachtuno;  des  Inhaltes  gewisse  An- 
haltspunkte  für  die  Anwendung  dieser  und  jener  Art.  Erd- 
schacht-und  Sarkophaggräber  gehen  neben  einander  her.  Wir 
haben  oben  mehrere  der  ersten  Gattung  aufgeführt,  welche  in 
das  V.  Jahrhundert  fallen;  auch  einige  .Marmorsarkophage 
gehörten  dieser  Zeit  an.  Wenn  die  meisten  der  letzteren  hier 
erst  aus  dem  IV.  Jahrhundert  sind,  so  wird  das  ein  Zufall 
sein,  denn  an  anderen  Stellen  vor  der  Stadtmauer  waren  die 
Sarkophage  wieder  älter '.  Ziegelgräber  von  Erwachsenen  ha- 
ben wir  nur  vereinzelt  gefunden,  welche  bis  in  das  fünfte  Jahr- 
hundert hinaufreichten.  Auch  Boss  hat  sicher  keine  archai- 
schen Gräber  dieser  Art  gesehen,  da  er  sie  alle  der  römischen 


1  Z.  li.  an  dem  Athen.  Bfittheilungen  läiU  6.371  bezeichneten  Punkte. 


184  A.    BRUECKNER   UND   E.    PERNICE 

Zeit  zuschreibt.  Die  Hauptmasse  der  Ziegelgräber  gehört  ih- 
rem Inhalte  nach  in  das  IV.  Jahrhundert.  Wir  schliessen  aus 
diesem  Verhältniss,  dass  die  Gräber  dieser  Art  im  IV.  Jahr- 
hundert allgemeiner  in  Anwendung  kamen,  während  sie  in 
älterer  Zeit  wol  nur  der  ärmeren  Bevölkerungsschicht  dienten. 
Die  Rinderii'i'äber  aus  Ziegeln  in  Wannenform  dagegen  gellen 
häufig,  wie  die  angeführten  Beispiele  zeigen,  in  das  V.  Jahr- 
hundert hinauf.  Damit  stimmt  die  wol  nicht  zufällige  That- 
saehe  überein,  dass  die  Erdschachtgräber  von  Kindern  wenig 
zahlreich  sind. Neben  dieser  Art  von  Kindergräbern  hergehen 
als  ärmlichere  Gräber  die  Amphoren.  Für  das  Alter  dieser 
Sitte  verweisen  wir,  da  der  spärliche  Inhalt  der  Amphoren 
einen  Schluss  auf  ihr  Alter  nicht  verstattet,  auf  die  Ampho- 
rengräber aus  der  Dipylonzeit.  Auch  das  sy^urpi'Ceiv  d.  h.  neu- 
geborene Rinder  in  einem  Gefäss  auszusetzen,  von  Aristopha- 
nes  für  das  V.  Jahrhundert  bezeugt,  darf  als  vortreffliche 
Analogie  zu  den  Amphorengräbern  zur  Zeitbestimmung  her- 
angezogen werden. 

Betrachten  wir  den  Inhalt  der  verschiedenen  Arten  von 
Gräbern,  abgesehen  von  den  eigentlichen  Beigaben,  so  wer- 
den einige  vereinzelt  gemachte  Beobachtungen  jetzt  als  fest- 
stehende Grabgebräuche  erwiesen. 

Der  sonst  vernichtenden  Wirkung  des  Feuers  verdanken  wir 
die  Lrkenntniss,  dass  man  den  Toten  im  Grabe  auf  ein  La- 
ger von  Weinreben  bettete  (s.  oben  S.  1 65 ).  Dass  diese  Sitte 
nicht  nur  auf  die  Brandgräber  beschränkt  war,  sondern 
im  Allgemeinen  galt,  ist  selbstverständlich.  Aber  in  den  Beer- 
digungsgiäbern  sind  die  Zweige  verfault  und  vergangen.  Nur 
in  einzelnen  gut  schliessenden  Sarkophagen  fanden  sich  noch 
spärliche  Reste  von  kleinen  Zweigen  (S.  179).  Wir  wissen  aus 
der  Überlieferung,  dass  es  Sitte  war,  bei  der  -pööeci;  den  Toten 
auf  ein  mit  Zweigen  geschmücktes  Lager  zu  betten;  Origanos 
und  Weinlaub  werden   von  Aristopluine* '   für  diesen  Zweck 


1  Kcclesiaz.  V.  1030. 


K1.N    ATTISCHER    FHIEDHOf  18.*! 

genannt.  Schon  auf  mehreren  Dipylonscherben  mit  der  xpö- 
0c(7i;  spielen  die  Zweige  eine  grosse  Rolle  und  wir  müssen  da- 
her diesen  Gebrauch  auch  für  die  ältesten  Zeiten  in  Altika 
annehmen.  Ein  dichtes  Lager  von  Olivenzweigen,  auf  welchem 
der  Tote  ruhte,  fand  Fauvel  in  Marmorsarkophagen  in  Athen1. 

Die  Knochen  der  verbrannten  Leichen,  welche  vom  Brand- 
platze aufgesammelt  winden,  hüllte  man.  bevor  man  sie  in  die 
Ostotbeken  that,  in  Leinwand.  Wir  haben  diese  namentlich  bei 
den  bronzenen  gut  geschlossenen  konstatirt.  Bei  den  thönernen 
Aschenbehältern  ist  ein  Einschlagen  der  Knochen  in  ein  Lein- 
wandtuch nicht  beobachtet  worden:  trotzdem  ist  das  ehemalige 
Vorhandensein  eines  solchen  nicht  unmöglich,  da  bei  dem 
schlechten  Verschluss  das  Zerfallen  des  leichten  Gewebes  sehr 
befördert  wurde.  Gropius  hat  leinene  Reste  vielfach  in  Gräbern 
bei  Aixone  gefunden  (Boss  a.  a.  O.  S.  24  ).  Zu  erwähnen  sind 
an  dieser  Stelle  noch  die  beiden  Tücher  aus  Leinewand,  wel- 
che sich  im  Museum  der  archäologischen  Gesellschaft  in  Athen 
befinden  (Inv.  Siao.  i/Xcöv  301).  Sie  sind  im  Jahre  1884  in  der 
Piräusstrasse,  also  bei  unserer  Nekropole  gefunden  worden  in 
einer  vierhenkeligen  bronzenen  durch  einen  Deckel  geschlos- 
senen Kalpis  (Inv.  /xX*.  1059).  Die  Kalpis  stand  in  einer 
Marmortheke,  welche  aussen  unbearbeitet,  innen  mit  roter 
Farbe  bestrichen  war.  Von  den  beiden  Tüchern  ist  das  eine 
sehr  feinmaschig,  das  andere  gröber;  in  letzterem  lagen  die 
\ erbrannten  Beste.  Auf  den  Tüchern  lag  ein  kleiner  Myrten- 
kranz. (Inv.  Siacp.  {A<z>v  303) J. 

Die  Beobachtung  der  Ziegelgräber  lehrt,  dass  man  den  To- 
ten wenn  auch  mit  noch  so  spärlicher  Hülle  gegen  die  auf 
ihn  geworfene  Erde  schützte.  Wir  haben  weiter  gesehen,  dass 
alle  Schacbtgräber  um  ein  Beträchtliches  länger  und  breiter 
sind  als  der  Tote  beansprucht,  und  nehmen  deshalb  als  sicher 
an,  dass  sämtliche  Toten  der  Erdschachtgräber  in  einem  Sarge 
lagen,   der  nach   Ausweis  der  mehrfach  von  uns  gefundenen 


*  Nach  Ross,  Arch.  Aufsätze  I  S    23, 
2  npaxTixa  1884  S.  20. 


ATHEN.    MITTHEILUNGEN    XVIII.  13 


186  A.    BRUECKNER    UND    E.    PERNIGE 

grossen  Nägel  sowie  der  Holzreste  aus  Holz  bestand.  Seine 
Form  zeigt  die  schwarzfigurige  Lutrophoros  in  Athen  (Mo- 
numenti  VIII  Tat".  4,5).  Es  ist  ein  länglicher  mit  Füssen 
versehener  Kasten,  ohne  die  bei  uns  gebräuchliche  Verjün- 
gung '.  Die  gleiche  Form,  aber  ohne  Füsse  hat  der  vorzüglich 
erhaltene  Holzsarg  im  Museum  der  archäologischen  Gesell- 
schaft (Inv.  o\a<p.  öXöv  ','9(5 ).  welcher  aus  dem  Piräus  stammt. 
Er  hatte  nach  Aussage  des  Verkäufers  in  einem  Marmorsar- 
kophag gelegen.  Seine  Länge  beträgt  1,80'",  seine  Breite  50cm, 
seine  Höhe  45cm.  Um  den  Rand  des  brettartigen  Deckels  ist 
eine  sauber  prolilirle  Leiste  gelegt  sowie  eine  fein  geschnitzte 
Perlenschnur.  Ähnlich  wird  der  Sarg  sein,  welchen  Fauvel2 
an  der  eleusinischen  Strasse  gefunden  hatte  und  der  gleich- 
falls in  einem  Sarkophage  geborgen  war.  Fauvel  bezeichnet 
ihn  als  caisse  de'couverte,en  bois,ornee  du  meilleur  goüt*. 
Weitere  Reste  von  Holzsärgen  fand  Stais  im  Grabe  H  von  Ve- 
lanidesa  '  und  Gropius  hat  nach  Ross  (Arch.  Aufsätze I  S.  24) 
in  den  Gräbern  bei  Aixone  hölzerne  Sära;e  so  wol  erhalten 
aufgedeckt,  dass  er  aus  dem  Holze  Lineale  und  Dreiecke  für 
Zeichner  machen  liess.  Reicher  skulpirte  Holzsärge, wie  die  von 
der  Krim3  sind  in  Attika  bisher  nicht  zu  Tage  gekommen. 

In  den  Sarkophagen  findet  sich  stets  eine  erdige  Masse  in 
grösserer  oder  geringerer  Menge,  und  die  Gräber  aus  Ziegeln 
sind  ganz  mit  dieser  angefüllt.  Sie  ist  im  Lauf  der  Zeiten 
durch  das  Wasser,  welches  erdige  Bestandteile  enthält,  hin- 


1  Nach  der  Darstellung  der  Lulrophoros  haben  die  beiden  Männer,  wel- 
che iai  Grabe  stehen  und  den  Sarg  herab  beben,  aeben  diesem  im  Grabe 
Platz.  So  erklärt  sich  die  übermässige  •'■rosse  der  Gruben. 

a  Nach  Koss,  Audi.  Aufsätze  1  S.  28. 

3  Da?>  kleine  Blück  Perlenschnur  von  einem  hölzernen  Sarge,  welches  in 
einem  marmornen  Sarkophage  an  der  Piräusstrasse,  dicht  bei  unserem 
Friedhufe  gefunden  wurde  (Upa/.t'.xa  1884  S.  20j  rührt  nach  Brückner's  Ver- 
mutung von  eben  diesem  Grabe  her,  das  Fauvel  ausgenommen  und  wieder 
zugeschüttet  hat. 

<  A:'/.t:ov  ipx-  1890  S.  23. 

i  Antiquitii  ''u  Bosphore  (Jim.  Tafel  81-84. 


EIN   ATTISCHER    FRIEDHOF  187 

eingespült  worden.  Denn  es  ist  doch  nicht  anzunehmen,  dass 
man  den  Leichnam,  bevor  man  ihn  durch  den  Sarkophag 
oder  das  Ziegeldach  gegen  die  in  den  Schacht  geworfene  Erde 
schützte,  schon  mit  Erde  beworfen  hätte,  wie  dies  Poltier-Rei- 
nach für  Myrina  und  ihnen  folgend  Clerc  für  Aigai  annehmen, 
wo  sicli  dieselhe  Erscheinung  gefunden  hat. Für  Eretria  hat  be- 
reits Tsundas  festgestellt. dass  die  in  den  Sarkophagen  befindli- 
che Erde  nicht  absichtlich  hineingeworfen, sondern  durch  Zu- 
fall hineingeraten  ist, und  dass  man  nur  in  einigen  Fällen  unter 
dem  Leichnam  ein  besonderes  Stroma  aus  weisser  Thonerde 
herstellte.  Ware  die  Bedeckung  der  Leichname  mit  Erde  in 
den  Sarkophagen  Sitte  gewesen,  so  hätten  wir  dieselbe  in  al- 
len ungefähr  gleichmässig  antreffen  müssen.  Das  ist  aber  nicht 
der  Fall.  In  einigen  Sarkophagen  liegt  die  Erdschicht  einen 
Finger  hoch,  in  anderen,  bei  denen  der  Deckel  nicht  fest  sass, 
ist  sie  sehr  bedeutend  und  wieder  in  anderen  besonders  gut 
scbliessenden  ist  gar  nichts  dergleichen  vorhanden.  Da  die  Zie- 
gelgräber besonders  schlecht  geschlossen  sind,  haben  sie  sich 
im  Lauf  der  Zeit  vollständig  mit  Erde  angefüllt. 

Die  grosse  Geräumigkeit  einiger  Sarkophage  lässt  anneh- 
men, dass  die  Toten  abgesehen  von  den  Hebzweigen  noch  ein 
weiteres  Unterlager  gehabt  haben.  Dass  die  Kline  selbst  in 
den  Sarkophag  gestellt  wurde,  ist  unwahrscheinlich;  wir  wür- 
den dann  sicher  Spuren  davon  gefunden  haben  Fauvel  be- 
schreibt ein  Grab,  in  welchem  der  Leichnam  reposait  sur  un 
matelas  ou  coussin,  qui  avait  encore  conserve  une  partie 
de  son  e'paisseur.  Aus  welchem  Materiale  das  Kissen  war. 
ist  nicht  angegeben.  Möglich  ist,  dass  in  unseren  Sarkopha- 
gen dem  Toten  wenigstens  unter  den  Kopf  ein  Polster  gelegt 
wurde.  Einen  sicheren  Beweis  hierfür  zu  geben  sind  wir 
allerdings  nicht  im  Stande. 

Den  berühmten  Obolos,  welcher  dem  Charon  als  Fährgeld 
dienen  sollte,  haben  wir  in  keinem  einzigen  Falle  gefunden. 
Es  ist  anzunehmen,  dass.  wenn  es  in  Attika  allgemeine  Sitte 
gewesen  wäre,  einen  solchen  beizugeben,  wir  ihn  trotz  seiner 
Kleinheit  einmal  wenigstens  unter  200  Fallen  gefunden  haben 


188  A.    BRUECKNEB    UND    R.    PEBNIHK 

würden. Fauvel  will  ihm  freilich  häufig  in  attischen  Gräbern, 
ja  selbst  in  Ostotheken  begegnet  sein.  Einen  sicheren  Fall  für 
letztere  berichten  die  \\ox/.-v/.i  1884  S.  20.  Boss  sind  Mün- 
zen in  Gräbern  im  Ganzen  selten  vorgekommen.  Verbreitet 
war  der  Brauch  auf  jeden  Fall  nicht.  Spätere  Funde  werden 
über  diesen  Punkt  Gewissheit  verschaffen.  Bemerkenswert  ist 
und  der  verhältnissmässig  jungen  Entstehung  der  Gharonfi- 
gur  entsprechend,  dass  sieh  in  der  alten  Nekropole  von  Me- 
gara  Hyblaea  die  Münze  nicht  findet,  während  sie  in  den  Grä- 
bern von  Myrina  sehr  häufig,  oft  dem  Toten  zwischen  die 
Zähne  geschoben,  vorkommt. 

Kindergräber  in  Form  von  Brandgräbern  haben  wir  nicht 
gefunden.  Wäre  in  unserem  Ausgrabungsfelde  nur  durch  Zu- 
fall  kein  solches  gefunden  worden  und  ihre  Zahl  demnach  sta- 
tistisch höher,  so  wäre  das  Verhältniss  der  Kindergräber  zu 
den  Gräbern  Erwachsener  ein  sehr  ungleichmässiges.  In  Born 
war  es  Gesetz,  dass  Kinder  ehe  sie  einen  Zahn  hatten,  nicht 
verbrannt,  sondern  begraben  werden  mussten1.  Wir  halten  es 
für  wahrscheinlich,  dass  in  Athen  eine  ähnliche  Vorschrift 
bestand. 

Für  die  Beigaben  ist  im  Allgemeinen  zu  bemerken,  dass 
sie  mit  vereinzelten  Ausnahmen  unmittelbar  neben  dem  Ske- 
lett gefunden  wurden,  d.  h.  in  den  Sarg  hinein  und  nicht 
auf  das  Grab  gelegt  worden  sind,  nachdem  dasselbe  bereits 
geschlossen  war.  Zu  diesen  Ausnahmen  gehört  z.  B.  Grab  8 
(Taf.  7),  in  welchem  die  Gelasse  so  dicht  an  der  Wand  des 
Grabschachtes  standen,  dass  sie  sicher  nicht  im  Holzsarge 
gelegen  haben.  Andere  Beispiele  s.  o.  in  der  Gräberliste.  Es 
isl  bekannt,  dass  in  Tanagra  sehr  häufig  die  Beigaben  nicht 
allein  in.  sondern  auch  ausserhalb  drv  Gräber  zum  Vorschein 
kamen.  Auch  in  Mvrina  wurden  vielfach  gute  Stucke  neben 
und  über  dem  dazu  gehörigen   Grabe  aufgefunden.  Bei  den 


1  Marquardt,  Rom.  Privataltertümer  8.  376,  vgl.  Plinius,  Nat.  Inst.  VII, 
16,72  und  Juvenalis  Sat.  XV,  14U. 


EIN    ATTISCHER    FRIEDHOF  189 

von  Tsundas  in  Eretria  aufgedeckten  Gräbern  sind  nur  wenige 
Stücke  ausserhalb  der  Graber  aufgelesen  worden.  Bestimm- 
te Regeln  in  der  Anordnung  der  Beigaben  haben  nach  unse- 
ren Erfahrungen  nicht  bestanden.  Das  zeigen  am  besten  die 
drei  Abbildungen  der  Gräber  Fig.  33-35.  In  einem  Falb-  liegen 
die  Beigaben  mehr  zu  Füssen  des  Toten,  im  anderen  zu  Häup- 
ten  und  im  dritten  um  die  ganze  Leiche  herum.  Vielfach  lässt 
sich  beobachten,  dass  einzelne  Stücke  aus  der  Zahl  der  beige- 
gebenen mit  besonderer  Absicht  hier  und  dorthin  gelegt  sind. 
So  wenn  der  Spiegel  des  Grabes  33  (Taf.  6,  2)  in  Hand- 
höhe, oder  wie  der  des  Grabes  87  (Taf.  7),  entsprechend 
dem  Gebrauche  in  Mvrina  beim  Kopfe  gefunden  wurde.  Dem 
Kinde  im  Grabe  175  hatte  man  in  die  Hand  kleine  Terrakot- 
tatierchen gegeben.  Nichl  ohne  Absicht  wählt  man  vielfach 
auch  die  Darstellungen  auf  den  Beigaben  aus.  In  Frauengrä- 
bern  linden  sich  Vasen  mit  Darstellung  des  Frauengemaches, 
bei  Rindern  solche  mit  spielenden  Kindern.  Xiken  und  Frauen 
zieren  die  Lekythen  (\(^  Sarkophages  35. 

Brandgräber  und  Beerdi«junursi>Täber  sind,  von  den  Osto- 
theken  abgesehen,  gleichmässig  ausgestattet:  es  giebt  bei  al- 
len Typen  Gräber,  die  reichlich  mit  Beigaben  versehen  sind 
und  andere,  die  ohne  oder  last  ohne  Inhalt  sind.  Nur  die  Zie- 
gelgräber  von  Erwachsenen  und  die  Amphoren  mit  den  Rin- 
derleichen sind  ärmlich  an  Beigaben. 

Am  wenigsten  reich  ausgestattet  sind  die  Gräber  von  .Man- 
nern.  Wallen  wurden  in  unserem  Gräberfeld  überhaupt  nicht 
gefunden.  Selbst  die  Stlengis,  die  natürlichste  Beigabe  in  (\i'i\ 
Gräbern  junger  .Männer,  haben  wir  nur  in  vereinzelten  Fällen 
gefunden.   Xuv  die  Lekythos  folgt  auch  dem  .Manne  in  das 

Grab  und  etwa  ;'-.'!  werllose  Gelasse  im   höchsten   Falle. 

Wie  anders  die  Gräber  der  Frauen!  Hier  finden  wir  selbst 
in    den    wenigen    Fällen,  die    wir    \  er/eieline!   haben,   von  den 

Lekythen  ganz  abgesehen,  den  ganzen  Apparat  des  Frauen- 
gemaches  wieder,  bronzene  Spiegel,  reich  verzierte  Schmuck- 
kästchen, Büchsen  mit  Schminke,  Alabastren  mitsamt  dem 
Löffelchen,    Farbenstifte  und   weiter  Schalen   und  Näpfe  und 


190  A.    BRUECKNER   UND   E.   PERNICE 

Fläschchen,  wie  sie  bei  der  Toilette  gewiss  in  grosser  Zahl 
gebraucht  wurden.  Das  ist  das  immer  wieder  variirte  Thema 
der  griechischen  Grabreliefs,  wie  die  Frau  in  ihrem  Gemache 
von  Dienerinnen  umgeben  sieh  mit  ihren  kleinen  Liebhabe- 
reien  beschäftigt.  Die  gleiche  Stimmung,  welche  wir  in  den 
Darstellungen  da-  Grabmonumente  finden,  klingt  zurück  aus 
dem  Innern  des  Grabes.  Von  den  Dingen,  mit  denen  sie  sich 
auf  dem  Steine  beschäftigt  und  mit  denen  sie  sich  im  Leben 
beschäftigte,  ist  sie  auch  im  Tode  umgeben,  l'nd  genau  so 
steht  es  mit  den  Kindergräbern.  Hier  ist  es  das  Spielzeug  aus 
Terrakotta,  der  Vogel,  die  Schildkröte,  kleine  Glassgcfässe, 
Glasperlen  und  anderes,  alles  Dinge  die  wir  von  den  Reliefs 
kennen. 

Zu  alledem  kommen  überall  und  ständig  immer  wieder  die 
Lekythen,  bald  mehr,  bald  weniger.  Wie  hat  die  Lekythos 
aus  ihrer  ursprünglichen  alltäglichen  Bestimmung  heraus,  w  ie 
sie  noch  die  Darstellung  des  Ölverkaufs  auf  der  Vase  des  Gre- 
gorianum  kennt,  diese  im  attischen  Totenkult  einzig  dasteh- 
ende Bedeutung  gewonnen ? 

Eine  grosse  Zahl  der  Lekvthen.  welche  wir  in  Scherben 
ausserhalb  der  Gräber  gefunden  haben,  war  in  Schulterhöhe 
geschlossen;  ihr  enger  Hals  konnte  nur  wenige  Tropfen  fas- 
sen. Sie  waren  zweifellos  dazu  bestimmt,  kostbares  wolrie- 
chendes  Öl  aufzunehmen,  mit  welchem  man  das  ganze  Geläss 
nicht  füllen  mochte. Solche  Gefässe  stellte  man  bei  der  Prothe- 
sis  um  die  Bahre  herum,  und  solche  werden  in  den  zahlrei- 
chen Darstellungen  zu  verstehen  sein,  wo  wir  auf  den  Stufen 
des  Grabmals  Lekythen  finden.  Auch  in  das  Grab  hinein  wird 
man  zuweilen  solche  Lekythen  gestellt  haben. Aber  die  meisten 
Lekythen  in  den  Gräbern  standen  nicht  aufrecht.  Das  zeigen 
schon  die  Abbildungen  der  Sarkophage  Fig.  33-35.  in  denen 
die  Mündungen  der  Lekythen  zumeist  nach  derselben  Seite  ge- 
richtet sind.  Standen  diese  ursprünglich,  so  wäre  weder  das  zu 
erklären,  noch  ihr  meist  unversehrter  Zustand.  Und  die  Leky- 
then zwischen  den  Knieen  von  •'>"  und  im  Arm  von  35  haben 
von  Anfang  an  gelegen.  Diese  Lekythen  waren  also  nicht  ge- 


BIM   ATTISCHER    FRIEDHOF  131 

füllt  und  ebenso  wenig  die  Alabastren,  die  neben  den  Leky- 
then  zahlreich  in  den  Gräbern  sich  finden.  Die  Erklärung  für 
diese  Erscheinung  liegt  nahe. 

Nachdem  dem  Toten  Auge  und  Mund  von  der  Hand  des 
nächsten  Verwandten  geschlossen  waren,  wurde  er  von  den 
Frauen  der  Verwandten  und  Angehörigen  gewaschen  und  ge- 
salbt. Die  Lekythen  und  Alabastren,  mit  welchen  man  dem 
geliebten  Toten  den  letzten  Liebesdienst  erwiesen  hatte,  gab 
man  ihm  mit  in  das  Grab.  Es  wäre  das  ein  Zug  durchaus 
würdig  der  Liebevollen  Empfindung,  welche  die  Grabreliefs 
uns  in  so  reichem  Masse  an  den  Tag  legen.  Und  zugleich  mit 
der  Sitte  der  Waschung  und  Salbung  des  Leichnams  ent- 
wickelte sich  das  Bedürfniss,  auch  die  Bahre  selbst  und  dann 
das  Grabmal  mit  köstlichem  Wolgeruche  zu  erfüllen. 

ALFUEL)  BRÜCKNER.     ERICH  PERNICE. 


■~^P-  ■ 


DEM ET KR  CHLOE 

Ooibosäohnäioi^Aeä^oy^n^iontää1" 

EITINIOinAPÄKPAinoÄEailTÄPÄ' 

OYÄÄOSIYMnÄSKÄHIIEirAAYKf 

ÄHMHTPOZXÄOIHZIEPONKOY0' 

OYnPnTONITÄXYIEYZH 

Ä  Z  17  P  O  T  E  POITT  *  ^ 

IAPY^\ 

Die  Erlaubniss  zu  der  Veröffentlichung  des  vorstehenden 
Orakelspruchs  verdanke  ich  der  Liebenswürdigkeit  II.  G.  Lol- 
ling's.  Das  kleine,  aus  pentelischeni  Marmor  bestehende,  etwa 
0,025m  dicke  Fragment1  befindet  sich  seit  mehreren  Jahren  in 
der  epigraphischen  Abteilung  des  Nationalmuseums  zu  Athen. 
Es  ist  im  Jahre  1889  südwestlich  vom  Nikepyrgos  gefunden 
und  von  Lolling;  sofort  mit  dem  von  ihm  im  AeX-riov  1889  S. 
113  Nr.  10  publicirten  Bruchstück  zusammengestellt  worden : 

N 

ÄnÄPxAi 

2  Ä  r  N  O  Y 
Z  X  N  Ä  I  2  I  N 
vNIOYZHI 
P  E  TT  T  Ä 
0  N    E   2  T  a  i 

Dass  beide  Fragmente  von  derselben  Inschrift  stammen, 
leuchtet,  ganz  abgesehen  von  Metrum  und  Inhalt,  sofort  ein  : 
aber  die  beiden  Stücke  passen  nicht  zusammen,  auch  haben 
sich  trotz  aller  von  Lolling  aufgewandten  Mühe  keine  ande- 
ren hieher  gehörigen  Fragmente  gefunden.  Die  vorliegenden 
Bruchstücke  sind   die  Reste  einer  kleinen  Marmorplatte,  von 


'  Von  Lolling  ;uj>  drei  Stücken  zusammengesetzt. 


0.    KERN,      DEMETER   CHLOE  1 9  I 

welcher  in  A  (grösste  Breite  0,305:  höchste  Höhe  0.15)  die 
obere  linke  Ecke,  in  #(Höhe  0.08;  Breite  0,12)  ein  Stück 
vom  rechten  Rande  erhalten  ist.  Bei  A  findet  sich  an  der 
Ecke  eine  trapezförmige  Einarbeitung  von  geringer  Tiefe,  die 
offenbar  für  die  Aufnahme  eines  Schmucks,  etwa  eines  Me- 
tallplättchens  bestimmt  war.  Lolling  fügt  bei  der  Veröffent- 
lichung von  B  hinzu  :  r,  i-iy;a^  Ssv  s'Ive  rcpoysvEGTEpx  to-j  Se-j- 
TEpO'j  alüjvo;  f/..  X. 

In  Umschrift  lauten  die  beiden  Bruchstücke  so: 

A. 

1.  <J>oi€o?   'A6r,va£oi;  Aslcpoü;  vaioov  xiSe  [e^tsv]' 

2.  "Ettiv  CO1,  rcap'  ax.pa<;  ::öXe<i);  -apx  -~  «-*#] 

3.  oü  Xaö;  cu{A7ca?  *>.r,i£ei  y^a--»/.^^*.   'A0/,vy,v  oder  /.o'jcyjv 

4.  Ay)anTpö;  XXoir,?  Upöv  Kou  cvi?  te  (/.xjtaipa?], 

5.  oü  tttocötov  crxxy'j;  6U?7)[8t]  £si(öv  Upiojv] 

6.  &(  7cpÖT£poi  7ra.T[ep6<; 

7 .  iSp'jTLavTO 

81.  i-x:/y.; 

9.  ;  iyvou 

10.  Tje^vatfftv 

1 1  .  ä]vio'j07i; 

12.  S]p£7TTa 

13.  t6§£  Xon  ov  icxa-.. 

Die  Ergänzung  von  Zeile  5  verdanke  icli  Herrn  Professor 
Diels,  welcher  für  die  Form  vjlr.hr,  auf  Papyrus  Londinensis 
medieiis  138  col.  13,33  (su^sto)  verweist.  Audi  auf  einer  eleu- 
sinischen  Inschrift  aus  der  Zeit  Sulla  's  ist  Eiceu&nj/ivov  I  C.I.A. 
11  628,30)  bereits  bezeugt,  vgl.  Lauten sach,  Verbalflexion  der 
attischen  Inschriften  |  Programm  Gotha  1 887  )  S.  5  und  Meister« 
bans  Grammatik  ■'  S.  1 36  Nr.  1 1  96.  Die  Ergänzungen  von  ßstam- 
men  bis  auf  die  von  Z.   13  von  Lolling.  Erst  der  Fund  von  .1 


1  Der  Bequemlichkeit  halber  ist  mit  der  Numeri  mag  fortgefahren, 


194  o.   KERN 

giebt  uns  die  Berechtigung  zu  der  Vermutung  töSs  Xwrov  lorai. 
Z.  15  ziclit»  ich  Slpswta  dem  \<m  Lolling  vorgeschlagenen  8]ps- 
r.-.x  vor. 

Lolling  schloss  aus  a]vtou<r/K  und  ä-a:/x:.  dass  sich  die  In- 
schrift vielleicht  auf  den  Kuli  i\v\>  Demeter  und  Rora  beziehe. 
Das  Fragment  .1  bestätig!  diese  Vermutung:  im  Vers  4  wird 
das  Heiligtum  der  Demeter  Chloie  und  ihrer  Tochter  erwähnt. 
Ks  ist  ein  böses  Spiel  des  Zufalls,  dass  gerade  die  Stelle,  in 
welcher  eine  nähere  Angabe  über  die  Lage  des  Heiligtums  zu 
erwarten  ist,  unheilbar  scheint.  Ich  habe  es  deshalb  vorgezogen 
den  Vers  2  unergänzt  zu  lassen,  weil  mich  hier  ein  zu  wenig 
besser  dünkt  als  ein  zu  viel.  Ilap'a/.pa;  Tzö'kzüx;  (wie  Soph.  An- 
tig. 1123  vaisTüiv  Trac'  üypöv  Tcpjvoü  pse0pov)  lag  der  Tempel 
der  Cbloe.  Soweit  der  Dichter  unsres  Orakels,  und  wenig 
weiter  führen  auch  nur  die  übrigen  Zeugnisse,  die  man  am  be- 
quemsten  in  Milcbhöfer's  Zusammenstellung  (Curtius,  Stadtge- 
schichte von  Atlien  S.  XXV)  übersieht.  Pausanias  I  2*2,3  er- 
wähnt das  A*/)|/.7)Tpo?  ispov  XXöns  bei  der  Beschreibung  seiner 
Wanderung  vom  Asklepieion  zur  Burg  hinauf  (wpo?  tt;v  ixpo- 
tcoXiv  louciv).  Er  kommt  zunächst  bei  dem  Tempel  der  Themis 
und  dem  Grab  des  Hippolytos  vorbei ;  dann  spricht  er  von 
dem  Heiligtum  der  Aphrodite  Pandemos.  Vor  diesem  steht  er 
auf  einem  höheren  aussichtsfreien  Punkte:  denn  Phaidra  hat 
den  Aphroditetempel  gebaut 

an  dem  Abhang  von  Athenas  Felsen, 
da  eben,  wo  der  Blick  Trozen  erreicht1  '. 

Noch  höher  liegen  die  Heiligtümer  der  Ge  Kurotrophos  und 
der  Demeter  Chloe.  Denn  bald  darauf  ist  Pausanias  oben,  da 
er  mit  den  Worten  ic,  $s  vr\s  axp67co>.iv  Ictw  egoSo?  pot  fortfährl 
und  dann  die  Beschreibung  der  Propyläen  beginnt.  Trotzdem 
mehrere  Inschriften  sowol  der  Pandemos  als  auch  der  Deme- 
ter Chloe  vor  dem  Burgeingang  gefunden  sind,  lässt  sich  die 
genaue   Lage  keines  dieser  Heiligtümer  mehr  ermitteln.  Über 


1  KaTÖ^iov  Eur.  Hippolytos  V.  30.  Lolling,  Hellenische  Landeskunde  8. 
330.  Wilamowitz,  Hippolytos  8.  32. 


DEMETEH   CHLOE  I9S 

Leake's  Vermutung,  dass  das  Adyton  der  Demeter  und  Ge  in 
den  beiden  Nischen  des  Nikepyrgoszu  suclien  sei,  vgl.  A.Momm- 
sen,  Heortologie  S.  41ö.  Bursian  (Geographie  von  Griechen- 
land  I  S.304)  spricht  von  einem  selbständigen  Bauwerk  über 
oder  neben  dem  Odeion  des  Ilerodes.  Jedesfalls  darf  man 
nach  Lolling's  Darlegung  über  das  Neroon  des  Aigeus  (Athen. 
Mitth.  XI  S.  322)  nicht  mehr  den  Felsausschnitt  Nr.  5  a  auf 
dem  kaupertschen  Plan  in  Curtius'  Stadtgeschichte  Taf.  V 
für  das  Heiligtum  der  Ge  Rurotrophos  und  Demeter  Chloe  in 
Anspruch  nehmen,  und  Kock's  (Fragm.  com.  I  309  Fr.  183) 
Bemerkung  von  dem  /antun  Cereris  nunc  ipsum  rursus 
inventum  ist  danach  zu  corrigiren.  Köhler  hat  Athen.  Mitth. 
II  S.  177  die  auf  die  Demeter  Chloe  bezüglichen  Inschriften 
gesammelt1,  und  es  bedarf  heule  nur  eines  besonderen  Hin- 
weises auf  C.  1.  A.  III  \  I  1 .  welche  die  eiV^c:  -reo;  gtjxov  BXau- 
tyk  y-al  KoupoTp6<pou  iveijxe'vy]  tw  07)(/.<p  erwähnt.  Das  AYesen  der 
BXauTTi  ist  uns  nicht  bekannt ;  nach  Töpffer,  Att.  Genealogie 
S.  144  ist  sie  mit  der  Nymphe  BX&gty)2,  der  Mutter  des  Epi- 
menides,  identisch:  wir  kämen  damit  ganz  in  den  Bereich  der 
Chloe;  denn  beider  Namen  bedeutet  dasselbe,  das  Sprossen 
und  Grünen  der  jungen  Saat.  Und  die  Verbindung  mit  der 
KoupoTföcpos  spricht  wahrlich  nicht  dagegen,  da  Demeter  Chloe 
und  Ge  Rurotrophos  nach  Pausanias  ein  Heiligtum  besitzen, 
und  nach  der  AsXriov  1889  S.  130,  5  publicirten  Inschrift  ein 
gewisser  Eisidotos  der  Demeter  Chloe  und  Kora  tt,v  Kouporpö- 
<pov  y.xT  övetpov  weiht.  Ein  Traumgesicht  befahl  dem  Eisido- 
tos, der  Demeter  und  Kora  die  Statue  ihrer  Kultgenossin  Ru- 
rotrophos zu  weihen.  Das  ist  nicht  merkwürdiger,  als  wenn 
dein  Poseidon  eine  Kora  geweihl  wird,  die  Statue  eines  Mäd- 
chens, deren  jungfräuliches  Leben  dem  Dienste  der  Athena 
gewidmet  war  (AeXriov  1890  S.  146  Nr.  5.  Th.  Sophulis,  Tx 
h  äx.po:r6>.£i  iyx.'Xu.xTX  aopoäv,  Athen   1892,  S.    13). 


'  Curtius,  Stadtgeschichte  von  Athen  S.  XXV. 

a  \V;is  Töpffer  über  den  Valer  des  Epimenides,  BäXoc,  >;ilti ,  schien  gut 
sur  BXeJuTT]  zu  passen.  Vber  dass  die  Vermutung  unrichtig  ist,  hat  OiHs, 
Sitzungsberichte  der  berlinei  Akade i  1891  8    393  gezeigt, 


196  0.    KERN 

Das  Orakel  erwähnt  von  diesen  vier  Gottheiten,  die  am 
Eingang  der  Burg  ihr  Upov  und  ihren  c-r/.öc  haben,  nur  De- 
meter Chloe  und  Kora.  Chloe  (outio  &s  Ti^axott  Ix  rr,;  y.x-ra  tüv 
y.r.Trcov  yXör,;  Schol.  Soph.  Oed .  Col.  1G00)  ist  die  Göttin  der 
aufkeimenden  Saat,  welcher  am  6.  Thargelion  ein  Widder 
geopfert  wird  '.  Sie  heisst  auch  EfyXoos  {CIA.  III  191)  und 
hatte  unter  diesem  Namen  einen  Kult  bei  dem  Kolonos  Hip- 
pios:  die  Töchter  des  Oidipus  gehen  auf  den  gegenüberlie- 
genden Hügel,  der  sich  noch  heute  im  Gegensatz  zu  dem  öden 
Kolonos  durch  üppige  Ölbäume  auszeichnet,  um  Wasser  zu 
holen.  Von  Demeter  Chloe  also  und  ihrer  Kora  spricht  unser 
Orakel.  Der  delphische  Apollo  erteilt  den  Athenern  ein  Ora- 
kel, das  mit  einem  Hinweise  auf  das  Heiligtum  dieser  beiden 
Göttinnen  anhebt.'  Du  —das  ist  der  Orakelstil,  siehe  z.  B.  He- 
rodot  Yll  141 — hast  bei  der  Akropolis,  wo  das  ganze  Volk 
die  Athena  preisend  anruft,  ein  Heiligtum  der  Demeter  Chloie 
und  ihrer  Tochter,  wo  zuerst  die  Frucht  des  heiligen  Getrei- 
des  gewachsen  ist,  welches  die  Väter  der  Vorzeit  fanden  und 
wo  sie  dann  ein  Heiligtum  errichteten  ' -'.  Das  ist  der  Sinn 
des  Bruchstücks  A.  Apollo  erinnert  die  Athener  an  ihren  Tem- 
pel der  Chloe.  Und  weshalb  er  dies  thut,  erfahren  wir  durch 
das  Bruchstück  B,  welches  uns  den  Zweck  des  Orakels  an- 
giebt.  Es  handelt  sich  um  dtwap^at  (V.  8),  um  die  Erstlinge 
des  Feldes,  welche  die  Athener  der  Chloe  schuldig  sind.  Und 
hierin  liegt  die  Bedeutung  des  neuen  Fundes. 

Apollo  wahrt  die  Interessen  der  Demeter:  er  fordert  für  sie 
die  Abgaben,  deren  Entrichtung  wieder  einmal  vergessen  war. 
Das  ist  öfter  geschehen  ;  denn  Isokrates  sagt  schon  im  Jahre 
380  (  Panegyrikos  $  31)  ai  ptiv  vap  -"XeicTat  tgjv  ttöXewv  ü-öavY)ua 
t/,:  77a).oaz:  euscysata;  ä—ap/a;  toO  otitou  x.aO  i/.y.mov  tov  £vi%utov 
(i>:  r,|7.a.<;  ä— 077£a— 0'j<7t.  zai(.  (T ixJemovcatc.  JioA.ldxiQ  r\  [Jvßla  JtpOQi- 
zaQer  äjtoftpetr  tu  ptpi\  zär  xd^.ifoy  xai  noietv  jtooq  r/'/r  nöMr  zr\r 


<  Slen^el,  Hermes  XXII  S.  90  f. 

2  'losjsavTo,  b.  das  Orakel  bei  Kaibel,  Epigrammata  1034  lepöv  |i'aiu]  ip- 

yaltDV  iSpuua, 


DEMETER    CHLOE  [91 

rjiuzi'par  za  ndtpia ,  und  noch  beredter  als  der  grosse  Rhetor 
spricht  zu  uns  die  berühmte  Lamponinschrift  (  Dittenberger, 
Sylloge  Nr.  13),  welche  mit  den  Worten  beginnt:  x-kzy-rixi 

rofv  Oioiv  toO  x.ap-oO  xarä  za  rrdrpia  xat  xi\r  narzdar  ii\r  er  Ae.t- 

<pa>r.  Sowol  bei  Isokrates  als  in  der  Inschrift  handelt  es  sich 
um  die  eleusinischen  Göttinnen,  und  auch  unsre  Demeter 
Chloie  ist  eng  mit  dem  eleusinischen  Gottesdienst  verknüpft. 
Denn  wir  besitzen  jetzt  das  Ehrendekret  für  den  eleusini- 
schen Demarchen  Pamphilos,  den  Sohn  des  Archon  {'Eyr- 
(i,epi?  ip£.  1890  S.  T26  Nr.  60).  Dieser  wird  am  Anfang  des 
zweiten  Jahrhunderts  vor  Chr.  unter  dem  Archontat  des  Pe- 
lops  wegen  der  Opfer  geehrt,  die  er  an  den  Haloia,  den  Chloia 
und  den  Kalamaia  besorgt  hat.  am  Fest  der  Tenne,  am  Fest 
der  grünenden  Saat  und  am  Fest  des  Kohresd.  h.  der  Blüte1. 
Die  Ilaloia  sind  als  eleusinisches  Fest  auch  anderwärts  be- 
zeugt (0.  lUibensohn.  Mysterienheiligtümer  S.  115),  und 
wenn  der  eleusinische  Deinarch  belobt  wird  wegen  Opfer,  die 
er  an  diesen  drei  Festen  seinen  Göttinnen  dargebracht  hat, 
so  liegt  nichts  näher  als  die  Vermutung,  dass  dies  in  Kleusis 
geschehen  ist,  dass  also  auch  Chloia  und  Kalamaia  in  Eleusis 
gefeiert  sind.  Rubensohn  scheint  freilich  anderer  Meinung  zu 
sein,  denn  er  sagt  ausdrücklich,  dass  ausser  den  grossen  My- 
sterienfeiern  für  Eleusis  nur  noch  die  Ilaloia.  Proerosia  und 
Dionysia  bezeugt  seien.  Die  Chloia  sind  natürlich  em  Früh- 
lingsfest und  dürfen  nicht  mit  dem  Opfer  am  sechsten  Thar- 
gelion  verwechselt  werden:  vgl.  Cornutus  c.  28  p.  55.13  Lang 
TcepL  6k  to  eap  ty]  XXör,  Ar,u.Y]Tpi  Oüo-jgi  j/stx  -xiÜ'.x;  k%\  yx:x;. 
'.^ovt£;  yXoä£ovTa.  y.xl  xy()<jvix^  ai>T0i$  i\-i.?ix  'jtto^ci/.vjvtz  und 
Mommsen,  lleortologie  S.  0  und  116.  In  der  Sammlung  der 
sog.  orphischen  Hymnen,  über  die  vieles  Treffliche  in  A.  Die- 
terich's  Habilitationsschrift  De  hymnis  Orphicis  i  Marburg 
1891)  gesagt  ist,  steht  ein  Kultlied  auf  die  eleusinische  De- 
meter-, in  welchem  dieselbe  unter  Anderem  angerufen  wird 
;ils  TT? :;;.;••/-,.  Twpixi?,  a./(0(it>/,  pUodxapxe. 


- 


1  Preller, Demeter  und  Persepbone  S  323.Pbilios,  'K^jLEcU-äoy.iSi'iis. 131 
-  s.  auch  'Efijjispij  i:/.  1892  8.  113. 


I9fi  0.    KERN.      DEMETER    CHLOE 

Also  im  zweiten  Jahrhundert  n.  Chr. —  denn  in  dieser  Da- 
tirung  der  Orakelinschrift  wird  Niemand  Lolling  widerspre- 
chen wollen  —  tritt  der  delphische  Apoll  wieder  einmal  für  die 
Demeter  und  die  ihr  geschuldeten  awap^ai  ein.  Man  denkt 
unwillkürlich  an  I ladrinn  und  seine  intimen  Beziehungen 
zu  Delphoi  und  zum  eleusinischen  Kult1.  Doch  das  ist  nur 
ein  Gedanke,  der  sich  nicht  beweisen  lässt. 

Da  wo  sich  später  das  Heiligtum  der  Chloe  und  ihrer  Toch- 
ter erhob,  haben  die  Ahnen  der  Athener,  die  rcpoTepoi  wa-repes, 
die  Getreidefruchl  gefunden  ;  von  Demeter  ist  aller  Segen  des 
Ackerbaues  ausgegangen.  Aber  das  ist  Priesterglauben  und 
eleusinische  Tradition.  Die  älteste  athenische  Sage  schrieb  die 
Erfindung  des  Pfluges  dem  Epimenides  Buzyges  zu,  und  trotz 
allen  Glanzes,  welcher  die  eleusinischen  Mysterien  umgeben 
hat,  ist  die  Erinnerung  an  Athena  Bou^üyn  (Töpffer,  Attische 
Genealogie  S.  137)  immer  lebendig  geblieben.  Dafür  ist  der 
dritte  der  drei  Lepoi  xporot  (  Plutarch  praec.  coniug.  42  p.  1  U  A) 
ein  deutliches  Zeugniss.  Unser  Orakel  aber  tritt  für  die  Rechte 
der  Eleusinierin  nachdrücklich  ein. 

Weitere  Schlüsse  wage  ich  aus  den  geringen  Resten  auf  B 
nicht  zu  ziehen.  Bei  <xyvö<;  wird  man  an  Hermes  denken  und 
könnte  mancherlei  dafür  anführen.  Doch  ich  möchte  nicht 
die  erste  Publikation  dieser  interessanten  Urkunde  mit  der 
Ausführung  einer  unsicheren  Hypothese  schliessen. 

Berlin.  Juni   1893. 

OTTO  KERN. 


•o-  i^r>".  •<--■ 


1  Dürr,  Reiseo  des  Kaisers  Hadrian  8.  4G. 


DIE  NEUEN  AUSGRABUNGEN   IN  TROJA 

Als  die  Ausgrabungen,  welche  Heinrich  Schliemann  unter 
Mitwirkung  des  Unterzeichneten  im  Jahre  1890  in  Troja  vor- 
genommen hatte,  wegen  der  eintretenden  Sommerhitze  ein- 
gestellt werden  mussten,  wurde  ihre  Portsetzung  für  das  näch- 
ste Frühjahr  in  bestimmte  Aussicht  genommen.  Der  im  De- 
zember 1890  erfolgte  plötzliche  Tod  des  unermüdlichen  For- 
schers schien  diese  Pläne  gänzlich  vernichtet  zu  haben.  Es  ist 
das  Verdienst  seiner  Wittwe  und  treuen  Mitarbeiterin,  der 
Frau  Sophie  Schliemann,  dass  dies  nicht  geschehen  ist.  In 
der  Vorrede  zu  dem  Bericht  über  die  Ausgrabungen  des  Jahres 
1890  erklärte  sie,  dass  sie  es  für  ein  heiliges  Vermächtniss 
halte,  die  Ausgrabungen  im  Sinne  des  Verstorbenen  zum  Ab- 
schluss  zu  bringen.  Dieses  Versprechen  hat  sie  jetzt  eingelöst, 
indem  sie  dem  Unterzeichneten  im  \ergangenen  Frühjahre  die 
zur  Fortsetzung  der  Arbeiten  erlorderlichen  Geldmittel  zur 
Verfügung  stellte. 

Die  neuen  Ausgrabungen  begannen  am  1.  Mai  und  wurden 
am  11.  Juli  abgeschlossen.  Bei  der  Leitung  der  Arbeiten  und 
beim  Studium  der  verschiedenartigen  Funde  standen  mir  meh- 
rere Herren  zur  Seite,  welche  von  dem  preussischen  Cultus- 
minister  auf  meine  Bitte  nach  Troja  entsendet  waren,  nämlich 
A.  Brückner  als  Archäologe,  H.  Weigei  als  Prähistoriker  und 
\V.  VVilberg  als  Architekt.  Als  Vertreter  der  türkischen  Re- 
gierung wohnte  Herr  Prof.  Mystakidis  den  Ausgrabungen  bei. 

Die  erzielten  Resultate  sind  überaus  wichtig  und  bezeichnen 
einen  ganz  neuen  Abschnitt  in  dw  Geschichte  der  Aufdeckung 
Trojas.  Ein  ausführlicher  Bericht  über  die  Ausgrabungen  soll 
im  Laufe  Ar*  \\  intera  veröffentlicht  werden,  liier  mag  nur  mit 
einigen  Sätzen  auf  die  Ergebnisse  hingewiesen  werden. 

Während  der  Ausgrabungen  des  Jahres  1890  waren  uner- 


OHO  \V.    DOEHPFELD 

wartet  einige  Funde  gemacht  worden,  welche  ein  neues  Licht 
auf  die  vielbesprochenen  Ruinen  warfen.  Bekanntlich  sind  in 
dem  Burghügel  von  Ilion  zunächst  7  verschiedene  übereinan- 
derliegende Schichten  oder  Ansiedelungen  gefunden  worden, 
welche  in  den  Büchern  -llios'  und  '  Troja  '  einzeln  beschrie- 
ben  sind.  Bei  Schliemann's  letzten  Ausgrabungen  hatte  sich 
diese  Zahl  bis  auf  9  vermehrt,  indem  zwischen  der  6.,  der  von 
ihm  lydisch  genannten,  und  der.7.,der  römischen  'Stadt'  noch 
zwei  weitere  Schichten  zu  Tage  traten,  welche  nach  den  darin 
gefundenen  Gegenständen  der  altgriechischen  und  der  spät- 
üriechischen  Zeit  angehörten.  Dass  Schliemann  in  der  Mitte 
des  Burghügels  von  den  Bauwerken  der  6..  7.  und  8.  Schicht 
nichts  gefunden  hatte,  erklärt  sich  wahrscheinlich  aus  der  jetzt 
festgestellten  Thatsache,  dass  die  Kömer  bei  Erbauung  des 
grossen  Heiligtums  der  ilischen  Athena  den  ursprünglich  un- 
ebenen Burghügel  durch  Abtragung  des  mittleren  höchsten 
Teiles  in  eine  ebene  Hochfläche  verwandelt  und  so  die  oberen 
Schichten  in  der  Mitte  der  Burg  zerstört  hatten. 

Neben  dieser  Vermehrung  der  Ansiedelungen  verdanken 
wir  aber  den  Ausgrabungen  von  1890  vor  Allem  die  chrono- 
logische Bestimmung  der  6.  Schicht  und  die  Auffindung  zweier 
stattlichen  Bauten  in  derselben.  Ausser  den  sogenannten  ly- 
dischen  Topfwaren  kamen  nämlich  in  der  6.  Schicht  eine 
grössere  Anzahl  von  Gefässcherben  und  einige  ganze  Vasen 
der  mykenischen  Art  zum  Vorschein.  Es  durfte  daher 
als  erwiesen  betrachtet  werden,  dass  diese  vorher  kaum  be- 
achtete Schicht  aus  derselben  Zeit  stammt,  wie  die  Burgen 
Tiryns  und  Mykenae.  Man  hätte  daran  weiter  die  Folgerung 
knüpfen  können,  dass  in  dieser  Schicht  diejenige  Burg  gele- 
gen haben  müsse,  um  welche  der  trojanische  Krieg  geführt 
wiii den  sei.  Dem  widersprach  jedoch  vorläufig  der  Um- 
stand, dass  in  dieser  Schicht  nur  zwei  Gebäude  gefunden 
waren  und  ihr  auch  keine  Burgmauer  mit  Sicherheil  zuge- 
schrieben werden  konnte.  Solange  die  6.  Schicht,  nicht  besser 
bekannl  war.  und  so  lange  die  zweitunterste,  also  eine  viel 
tiefer  liegende  Schicht  die  einzige  stattliche   Burganlage  dei 


DIE   NEUEN    AUSGRABUNGEN    IN   TROJA  201 

vorgriechischen  Zeit  an  jener  Stelle  war,  musste  man  Beden- 
ken tragen,  die  letztere  als  Pergamos  des  homerischen  Troja 
fallen  zu  lassen,  obwol  fast  alle  Sachverständigen  darin  über- 
einstimmten, dass  der  Culturzustand,  wie  er  durch  die  Bau- 
werke und  die  Kleinfunde  der  2.  Schicht  dargestellt  wird,  ein 
älterer  und  einfacherer  ist  als  der  mykenische  und  der.  wel- 
chen die  homerischen  Gedichte  schildern. 

Durch  unsere  neuen  Ausgrabungen  ist  diese  Ungewissheit 
gehoben.  Die  6.  Schicht,  von  der  wir  nunmehr  ein  grosses 
Stuck  freigelegt  haben,  hat  sich  als  die  stattlichste  Burganlage 
herausgestellt,  welche  in  vorrömischer  Zeit  auf  dem  Burghü- 
gel von  Ilion  gelegen  hat.  Die  Reste  von  sieben  grossen  Ge- 
bäuden sind  bereits  aufgefunden,  sie  haben  zum  Teil  den 
Grund riss  der  altgriechischen  Tempel  und  der  Megara  von  Ti- 
ryns  und  Mykenae,  übertreffen  diese  aber  noch  durch  ihre 
Abmessungen  und  die  Sorgfalt  ihrer  Bauweise.  Mindestens 
ebenso  viele  Bauwerke  werden  noch  unter  der  Erde  liegen. 
Das  bemerkenswerteste  unter  den  aufgedeckten  Gebäuden  ist 
ein  ziemlich  in  der  Mitte  der  Burg  gelegener  Bau,  welcher  aus 
einem  Saale  von  (J'"  Breite  und  1 1  l/2m  Länge  und  einer  nach 
N.  VV.  gerichteten  Vorhalle  besteht.  In  der  Axe  des  Saales  ist 
eine  steinerne  Säulenbasis  erhalten,  aus  deren  Form  und  Platz 
sich  ergiebt,  dass  der  Saal  einst  durch  drei  hölzerne  Säulen 
in  zwei  Schiffe  geteilt  wurde.  Der  Bau  hat  also  grosse  Ähn- 
lichkeit mit  dem  von  B.  Koldewey  ausgegrabenen  Tempel 
von  Neandria.  Ob  wir  es  auch  in  Troja  mit  einem  Tempel  zu 
thun  haben,  lässt  sicli  vorläufig  nicht  entscheiden. 

Die  Bauwerke  der  0.  Schicht,  die  jedenfalls  meist  Wohn- 
häuser sein  werden,  sind  umgeben  von  einer  stattlichen  Fe- 
stungsmauer, die  wir  schon  an  manchen  Stellen  aufgedeckt 
haben.  Ans  grossen  Steinen  erbaut,  ist  sie  .V"  stark  und  stellt 
noch  mehrere  Meter  aufrecht.  An  ihrer  Aussenseite  zeigt  sie 
eine  regelmässige  Böschung  Ein  gewaltiger  Turm  von  etwa 
18'"  Breite  ist  an  der  Nordostecke  vorgebaut,  dev  im  Innern 
eine  Treppe  enthält  und  noch  jetzt  eine  Höhe  VOI1  mehr  als  8 
hat.   In  Bezug   auf  seine  Abmessungen,    seine    Festigkeit   und 

ATHEN.    MITTHEILUNGEN    Will.  14 


202  \V.   DOERPFELU 

seine  sorgfältige  Bauart  kann  sicli  dieser  Turm  mit  jeder 
Turmanlage  aus  dein  griechischen  Altertum  messen.  Die  ge- 
naue Füuun<>-  der  Steine  und  die  saldiere  Bearbeitung  der  Ecken 
könnten  zu  der  Annahme  verleiten,  dass  der  mächtige  Turm 
aus  griechischer  Zeit  stamme,  aber  erstens  wissen  wir,  dass 
Troja  damals  von  zu  geringer  Bedeutung  war,  als  dass  es 
eine  solche  Burgmauer  erbauen  konnte,  und  zweitens  sieht 
man  an  Oit  und  Stelle  deutlich,  wie  der  Turm  in  grie- 
chischer Zeit  überbaut,  durch  Hinzufügung  einer  äusseren 
Treppe  teilweise  entfestigt  und  schliesslich  in  römischer  Zeit 
unter  gewaltigen  Quaderfundamenten  begraben  worden  ist. 
Endlich  kehrt  auch  die  Verwenduni''  rechtwinklig  bearbeite- 
ter  und  wolgeglätteter  Steine  bei  einigen  der  Häuser  der  6. 
Schicht  wieder.  Der  Turm  gehört  also  sicher  der  6.  Schicht  an. 

Da  nun  in  jenen  sieben  im  Inneren  der  6.  Burg  aufgedeck- 
ten Bauwerken  wiederum  neben  der  einheimischen  oder  '  ly- 
dischen  '  Topfware  sehr  viele  m\ kenische  Gelässcherhen  ge- 
funden sind,  und  da  zwischen  dieser  6.  Schicht  und  den  rö- 
mischen Bauwerken  an  mehreren  Stellen  noch  deutlich  zwei 
Schichten  von  verschiedenen  Gebäuden  zu  erkennen  sind,  so 
kann  es  nicht  mehr  bezweifelt  werden,  dass  wir  in  der  6. 
Schicht  thatsächlich  die  Burg  aus  mykenischer  Zeit,  also  die 
von  Homer  besungene   Pergamos  von  Troja  gefunden  haben. 

Die  Grösse  dieser  Pergamos  stimmt  etwa  mit  der  Grösse 
der  Burg  Tiryns  überein;  ihr  Flächeninhalt  ist  mindestens 
doppelt  so  gross  als  derjenige  der  Burg  der  zweiten  Schicht. 
Ihre  Höhe  über  der  Ebene  betrug  etwa  28m. 

Die  Frage,  ob  neben  der  bisher  nur  bekannten  Burg  in 
mykenischer  Zeit  auch  eine  Unterstadt  vorhanden  war.  dür- 
fen wir  zwar  noch  nicht  ganz  bestimmt  bejahen,  aber  manche 
Thatsachen  sind  anzuführen,  welche  für  ihr  Vorhandensein 
sprechen.  Hier  mag  nur  darauf  hingewiesen  werden,  dass 
bei  Ausgrabungen,  die  etwa  1  Kilometer  südlich  von  der  Akro- 
polis,  ausserhalb  der  römischen  Stadtmauer  gemacht  wurden, 
mykenische  Scherben  mit  einer  grossen  Anzahl  'lydischer' 
znsammen  gefunden  sind,  und  dass  ferner  neben  zahlreichen 


DIK    NEUEN   AUSGRABUNGEN    IN   TROJA  203 

jüngeren  Gräbern,  welche  an  derselben  Stelle  aufgedeckt  wur- 
den .  aucb  eine  der  Keramik  der  6.  Schicht  entsprechende 
Urne  mit  Leichenbrand  zu  Taue  gekommen  ist.  Machen  es 
diese  Funde  einerseits  wahrscheinlich,  dass  die  6.  oder  myke- 
nische  Stadt  sich  bis  zur  südlichen  Grenze  der  späteren  Stadt 
ausdehnte,  so  passt  andrerseits  die  durch  die  Urne  mit  ver- 
brannten Knochenresten  bezeugte  Art  des  Begräbnisses  sehr 
gut  zu  der  bei  Homer  geschilderten  Sitte  der  Leichenverbren- 
nung. 

Diese  wichtigen  Resultate  der  letzten  Ausgrabungen  haben 
unsere  Erwartungen,  ja  unsere  Hoffnungen  übertroffen.  Nicht 
nur  ist  das  letzte  Dunkel  aufgeklärt,  welches  noch  in  Bezuu 
auf  das  Zeitalter  der  verschiedenartigen  trojanischen  Ruinen 
bestand,  sondern  wir  haben  auch  in  der  6.  Schicht  eine  Burg- 
anlage kennen  gelernt  und  werden  sie  hoffentlich  bald  noch 
hesser  kennen  lernen,  die  sich  Tiryns  und  Mvkenae  würdig 
an  die  Seite  stellt  und  die  es  wol  verdient  hat  von  einem 
Homer  besungen  zu  werden. 

Die  Burg  der  zweiten  Schicht,  noch  durch  drei  übereinan- 
der liegende  Ansiedelungen  von  der  6.  getrennt,  muss  jetzt  in 
eine  Zeit  hinaufreichen,  aus  der  wir  in  Europa  keine  auch 
nur  annähernd  gleichaltrige  Anlage  aufweisen  können.  Sie 
wird  bis  ins  3.  Jahrtausend  vor  Chr.  hinaufzurücken  sein. 
Dass  die  erste,  die  unterste  Schicht,  noch  ganz  bedeutend  älter 
sein  muss,  ist  für  jeden  Kenner  der  trojanischen  Ruinen  ein- 
leuchtend. 

Eine  erwünschte  Bestätigung  unseres  Resultates,  dass  die 
6.  Schicht  dein  homerischen  Troja  entspricht,  liegt  in  dem 
Umstände,  dass  die  berühmten  trojanischen  Tumuli,  welche 
zum  grossen  Teile  im  Altertum  und  auch  in  neuerer  Zeit  als 
Heroengräber,  d.  h.  als  die  Gräber  der  trojanischen  und  erie- 
einsehen  Hehlen  galten,  nunmehr  auch  zeitlich  in  die  m\- 
kenische  Zeit  gesetzt  werden  dürfen.  Denn  Schliemann  hatte 
seinem  letzten  Berichte  (S.1S)  nach  in  den  ineisten  von  ihnen 
dieselben  einheimischen  Gefässcherben  gefunden,  welche  in 
i\w  6.  Schichl  vorherrschen. 


?0'i  \Y.    nOERPFF.I.D 

Noch  eine  zweite  Aufgabe  hatten  wir  uns  für  die  diesjähri- 
gen Arbeiten  gestellt.  Es  sollte  in  einem  Teile  der  Burg,  der 
noch  unberührt  war.  ein  kleinerer  Platz  von  oben  bis  un- 
ten hinab  abgegraben  und  dabei  nochmals  die  Bauwerke  und 
alle  Funde  jeder  einzelnen  Schicht  verzeichnet  werden.  Bei 
dieser  Grabung  haben  wir  von  oben  beginnend  eine  Schicht 
nach  der  anderen  aufgedeckt,  haben  alle  darin  gefundenen  Ge- 
genstände gewissenhaft  gesammelt  und  sind  dann  erst  zum 
Abbruch  der  Gebäude  und  zur  Auldeckung  der  nächst  unteren 
Schicht  übergegangen,  nachdem  die  Gebäude  genau  gemes- 
sen, gezeichnet  und  photographirt  waren.  Es  sind  dabei  die- 
selben Schichten  festgestellt  worden,  welche  wir  im  Jahr  1890 
beobachtet  hatten.  Ihre  Zahl  beträgt  mindestens  neun.  An  ei- 
nigen Stellen  lassen  sich  noch  mehr  Schichten  unterscheiden, 
doch  empfiehlt  es  sich  aus  manchen  Gründen,  bei  dieser  Zahl 
stehen  zu  bleiben  und  daneben  als  Unterabteilungen  noch 
verschiedene  Perioden  einzelner  Schichten  anzunehmen.  Dass 
z.  B.  die  zweitunterste  Schiebt  noch  in  drei  deutlich  getrennte 
Perioden  zerfällt,  ist  schon  früher  constatirt ;  dass  auch  in  der 
untersten  Schicht  mindestens  zwei  Perioden  zu  unterscheiden 
sind,  haben  die  letzten  Ausgrabungen  gelehrt. 

Eine  klare  Übersicht  über  diese  neun  Schichten  gewinnt 
man  am  besten  durch  folgende  Zusammenstellung: 

I.  vormykenische  oder  prähistorische  Schichten: 

a)  uralle  Ansiedelung  =  1 .  Schicht. 

b)  stattliche  Burganlage  mit  Wohnhäusern,  Burgmauer, 

Türmen  und  Thoren  =  2.  Schicht. 

c)  drei   unbedeutendere  Ansiedelungen,  nach  einander 

über  den   verbrannten  Ruinen   der  2.   Schicht  er- 
richtet =3.  bis  5.  Schicht. 

II.  die    mykenische    Schicht   oder  die  homerische    Perga- 

mos  =  G.  Schicht. 

III.  die  nachm) kenischen  Schichten  : 

a)  archaische  Wohnhäuser  =  7 .  Schicht. 

b)  griechisch-hellenistische  Wohnhäuser  =  8.   Schicht. 
e)  stattliche  römische  Bauwerke  =  9.  Schicht. 


DIE    NEUEN    AUSGRABUNGEN    IN   TKO.IA  Wn 

Wir  haben  es  lebhaft  bedauert,  dass  H.  Schliemann,  der 
Entdecker  Trojas,  die  Auffindung  der  6.  Schicht  mit  ihren 
grossartigen  Bauanlagen  nicht  mehr  erlebt  hat.  Nur  den  er- 
sten mykenischen  Bau  und  die  ersten  Vasenscherben  dieser 
Epoche  hat  er  noch  gesehen  und  ihre  Bedeutung  nicht  ver- 
kannt. Unzweifelhaft  wurde  er  sich  mit  Begeisterung  und  Ei- 
fer der  Untersuchung  und  möglichst  vollständigen  Aufdeckung 
der  neuen  Pergamos  gewidmet  haben.  Hoffentlich  werden 
auch  jetzt  die  Mittel  nicht  fehlen,  um  dies  Werk  durchzufüh- 
ren. Die  Bauwerke  im  Inneren  müssen  alle  untersucht  und, 
soweit  es  die  darüber  liegenden  späteren  Gebäude  gestatten, 
freigelegt  werden.  Die  mächtige  Burgmauer  darf  nicht  länger 
unter  dem  Schutte  der  Jahrtausende  begraben  liegen,  sondern 
muss,  soweit  sie  erhalten  ist,  ans  Licht  geschafft  werden.  Wir 
hoffen  zuversichtlich  diese  beiden  Aufgaben  im  nächsten  Jahre 
erfüllen  zu  können. 

WILHELM    DOKl'FELD. 


INSCHRIFTEN  AUS  SUBD-PHRYGIEN 

1.   Dinair  (Apamea).  Grabstele,  II.  1,07,  ß.0,55,  1).  0,41. 

AY.        '//TINOCAPICTttNOC  AG tivo?  'Aptfftwvos 

6nYHCATOHPQON6MAN  i^n^x  zo  -öpöJov  iy.au- 

TQK.TI-rYNAIKIMOYT  </§  tä  nftü)  -ri]  yuvaixt  pu  T[<fc- 

T    K.T6KN0ICIC06TeP  -r[a]-x(al)  texvoi«,  i«  o  l«p[o« 

eiA6MHeCTe  ou  xfotofaei']  et   Ss  pi  !<m 


AYTftnPOCTONOeON  kutö  xpöc;  röv  Geov. 

*2.   Zwischen   Dinair  und   Peltai,  20  Minuten  nördlich  von 

der  Station    Sundurlü   in  einen  Brunnen   verbaut.    II.  0,55, 
B.  0,34;  Buchstaben  sehr  geziert. 

.   E  N  O  (j)  n  N  Z  svocpcöv 

<  A  I  E  O  P  T  H  y.y.1  'EopTV] 

\  M  M  I   A  T   H  'AixuAx  rvi 

M  H  T  P  I  M  N  H  [XYjTpt  (Jtvri- 

5             MHIXAPIN  (xyj?  /zo-.v. 

3.   Aus  Kolossai.  Jetzt  auf  der  Station  Appa. 

TOMNHM        j  T6  pYj(A[eiov 

AIONOICIOYA  Aiovoigiou  'A[y- 

TEAIKOYKAIT  yeXtKOÖ  xai  t- 

HCrYNAIKOC  vit  yuvaiao? 

5      AYTOYTATA  kutoö  T&xaf? 

KAITHCGYff  xal  T9i;  6u[ya- 

TPOEHMQN  rpo;  yjjxöv 

IPHNHE.ENQ  "IpVivYis-  ev  cL 

ETEPOCOYK  krepo?  oü  x- 

10     HAEYGEIf ff  r,S£u(a)£t  [et  8- 

ETICTINf  e  xi?  riv[a 

KHAEYf/11  x^on,  &<ö- 

CEITfl(t)ICKfi  Tei  tu  (picxo 

X   A  *   a 


G.    WEBER,       INSCHRIFTEN   ALS    SUED-PHRYGIEN  207 

4.  Aus  Kolussai.  Jetzt  an  der  Station  Gondjeli. 

Z   ü    2    E    I    N  'Cuseiv? 

MAPKOZPOY  Mxo-z.o?  'Pou- 

nOYKAIAlO  tcou  kxI  Aio- 

NYIEIOIYO  vuaeio?  uo[? 

5      AYTOYENfi  <xutoG-  ev  d> 

KHAEYOY2I  JCY)Seu(8r))a(6)- 

TAi  §§i  wu..    [aSsxi; 

ETEPONKHAEY2  erepov  »cvjSeuo  n . 

AfiIEITa<t)IIKn  Sücst  reo  9^x.w 

5.  Aus  Anava-Sanaos.  Jetzt  auf  Station  Appa.  Quader  aus 
hartem  gelblichen  Kalkslein,  von  einem  Maurer,  der  nach 
Bausteinen  grub,  in  Sari-Kawak,  der  Stelle  des  alten  Anava, 
gefunden.  II.  0,59,  B.  1,20,  D.  0.35.  Buchstabenhöhe  0,05. 

KAAAIITPAT02AI0ADP0YT0N 
TOnONArOPAIAIIlAPEAYTOY 
KAITOBOYAEYTHPIONETTIZKEY 
A2A2METAAIOAftPOYKAI 
5  KAAAl^TPATOYTQNYinN 
2YMrTA2HKATA£KEYHT<7AH 
M  Q.  I 

KaA^tcTpxTOi;  A'.oScopo'j  tov 

TÖrov  ayopscra;  rzoif  sxotoü 

/ta!.  xö  ßo'jA£'jTv;piov  L~ig-/,vj- 

xgx$  1/.6TX  AioStopou  xai 

5  l\  XA'XlCTpXTO'J    TÖV    •j'.GJV 

i'ja  T^aTYi  xaxa<jy.6'j^  tcö  07)- 

IACO. 

Smyrna. 

<i.  WEBER. 


INSCHRIFTEN  AUS  MARATHON  UND  SALAMIS 

Auf  Ausflügen  nach  Marathon  und  Salamis  hatte  ich  Gele- 
genheit,  folgende  Inschriften  zu  sehen  und  von  ihnen  Abklat- 
sche zu  nehmen. 

1.  In  Bei  beiludet  sich  auf  dem  Gutshofe  des  Herrn  Skuse 
ein  kleiner  viereckiger  Altar  aus  pentelischem  Marmor,  der  im 
skuse'schen  Acker  südöstlich  vom  Dorfe  gefunden  wurde. 
H.  0.43.  B.  0,20".  Auf  der  Vorderseite  in  flachem,  stark  be- 
sessenem Relief  zwei  stehende  Frauen  in  Chiton  und  Mantel, 
die  rechts  stehende  hält  in  der  Linken  einen  undeutlichen  Ge- 
genstand. An  den  andern  Seiten  Girlanden.  Über  dem  Relief 
der  Vorderseite  und  auf  der  rechten  Nebenseite  steht  die  In- 
schrift :  vorn  :      A  H  A  A  TT  A  P  A  M  O  N  O  s  //// 

rechts  :   6YXH  N  M  HTPI06UJN 
Die  Buchstabenhöhe  beträgt  12mm;  die  Schrift  ist  sorgfältig, 

die  inneren  Querhasten  des  A,   E  und  0  sind  nicht  ganz  bis 

zu  den  äusseren  Strichen  durchgeführt. 

Ein   'lar/Skriz  Ilapaaövoy  MapaOwvto?  ist  durch  eine  Kosme- 

teninschrift  aus  der  Mitte  des  zweiten  Jahrhunderts  (C.  I.  A. 

III  740  Z.  17)  bekannt;  nach  dem  Schriftcharakter  und  dem 

Fundort  des  Altars  könnte  dessen  Dedikantin  wol  die  Tochter 

desselben  Paramonos  sein. 

2.  Im  Hofe  des  Klosters  Phaneromeni  auf  Salamis  trägt  ein 
Pflasterstein  nahe  dem  Brunnen  die  Inschrift: 

vi.vAOBOAOs 
^OYZIOYOYThN 
PE1T   I   A2 
Der  Stein  ist  rings  bestossen,  doch  scheint  die  Inschrift  mit 
ecrtai;  beendet  gewesen  zu  sein.  Buchstabenhöhe  durchschnitt- 
lich 2*2,nm.    Das   Fragment  stammt  augenscheinlich  von  einer 
Basis  und  ist  im  Wesentlichen  klar: 

Kux.]Xo£cao'j 

M'jpptlvO'Jffio'J  (?)    0'JTY)V 

ptüTjöevra  ä]<p'  e<ma$ 


A.    BRUECKNER.      INSCHRIFT   AUS    KEPHALE  2<K) 

3.  In  Ambelaki  bei  Konstantinos  Sakonos  Stele  mit  profi- 
lirtem  oberem  Hand,  H.  0,65,  B.  0,375'n. 

BOIAIONKOIMIAI 

4.  Ebenda  als  Wasserausguss  vermauerte  Stele,  B.  0,35"'. 

(fPYNIXOI 

O    I    N    I    A    O    Y 

KYAA0HNAIEY2 

Sehr  schlanke  weitgestellte  Buchstaben,  die  der  dritten  Zeile 
etwas  enger.  Durchschnittliche  Buchstabenhöhe  20""". 

ALFRED  KÖRTE. 


INSCHRIFT  AUS  KEPHALE 

Vor  drei  Jahren  sah  ich  im  südlichen  Teile  von  Keratea  in 
das  Hofthor  des  Joannis  Sotopulos  eingemauert  einen  Grenz- 
stein aus  laurischem  Marmor  (h.  0,82.  br.  0,27),  an  dessen 
oberem  Ende  in  noch  strengen,  etwa  der  Zeil  um  400  ange- 
hörenden Zügen  die  Inschrift  steht: 

H     O     P     O     £ 
TEMENOY£ 
A<J>POAITH£ 
KE0AAHOEN 

Es  isl  das  wol  dieselbe  Inschrift,  welche  Milchhöfer  nach 
einer  Mitteilung  von  E.  Curtius  unter  ("beruehunir  der  zwei- 
ten  Zeile  in  den  Untersuchungen  über  die  Demenordnung  des 
Kleisthenes  S.  25  (Anhang  zu  Al.hamll.  der  Beil.  Akad.1892) 
erwähnt.  Ebendort  ist  auch  darauf  hingewiesen,  dass  die- 
ses    Heiligtum    der    Aphrodite    bei    l8aeus    II.   31   erwähnt  ist. 


.'In  a.    BRÜECKNER,      INSCHRIFT  AUS   KEPHALE 

E.  Curtius  hatte  den  Pfeiler  'zwischen  Keratea  und  Kaki  Tha- 
Lassa'  gesellen:  so  gelegen  ist  auch  die  Gegend  Striphi,  am 
östlichen  Abhänge  des  Windmühlenberges  (vgl.  Karlen  von 
Attika  Blatt  XIII  und  XI  l  auf  dein  Wege  nach  Kaki  Thalassa; 
man  hat  mich  dorthin  geführt,  um  mir  die  Stelle,  von  der  vor 
Längeren  Jahren  der  Stein  fortgeschafft  worden  war,  zu  zei- 
gen. Der  Gegend  Striphi  benachbart  ist  die  Gegend  Rudseri, 
in  welcher  Milchhöfer  einen  Epistylblock  von  30°°  Höhe  mit 
dem  Inschriftreste  iveGr^/.sv  gesehen  hat  (Athen.  Mitth.  XII 
S.  286  Nr.  "201).  Die  zahlreichen  Grabinschriften  von  Demo- 
ten  Kephale's,  durch  welche  die  Lage  des  Demos  schon  seit 
geraumer  Zeit  als  bestimmt  gelten  konnte,  sind  insgesamt  im 
Umkreise  von  kaum  über  74  Stunde  um  die  Gegend  Striphi 
und  den  Windmühlenhere  herum  gefunden  worden  ;  siehe 
Milchhöfer  a.  a.  0.  Nr.  510  ff.  und  neuere  Funde  im  Aeatiov 
äo/x'.o^oy.x&v  18D-2  S.  24  von  Leonardos  beschrieben. 

In  seiner  Arbeit  über  die  Trittyen  und  Deinen  Attikas  hat 
R.  Löper  die  Vermutung  ausgesprochen,  der  Name  Kephale 
sei  davon  herzuleiten,  dass  'dieser  Demos  an  den  Quellen  des 
Flüsschens  lag,  welches  bei  Thorikos  in  das  Meer  mündet' 
(Athen.  Mitth.  XVII  S.  398).  Ich  möchte  den  Ursprung  des 
Namens  vielmehr  darin  sehen,  dass  Kephale  auf  dem  Sattel 
zwischen  den  beiden  Thälern  von  Kalyvia-Markopulo  einer- 
und dem  des  Potami  andererseits  liegt,  auf  der  höchsten 
Stelle,  welche  die  Strasse  von  der  Mesogaia  nach  Thorikos 
und  Laurion  zu  überwinden  hat.  Ke<paAy]  wäre  also  hier  in 
ähnlichem  Sinne  gebraucht,  wie  von  Xenophon  in  der  Kyro- 
pädie  III,  3,66,  wo  er  von  einer  y.ioxkr,  räcppou  spricht.  Die 
ungezwungene  Erklärung,  die  der  Name  des  Ortes  aus  dessen 
Lage  findet,  hindert  natürlich  nicht  anzunehmen,  dass  der 
König  Kephalos  der  Heros  Eponymos  des  Ortes  war. 

Aihen. 

ALFRED  BRÜECKNER. 


L  ITT  ERAT  I"  l: 

I.  Ko*INIÜTHS,  'IffTOpi*  tou  "Apvoj:  ixet' fitxdvwv.  Heft  16. 
Athen  1893. 

L.  Mii:mi:u,   Das  Grab  des  Sophokles.  Athen.   1893. 

E.  I..STAMATIAAHS,  'E7C6T7)pi<;  tt,:  'Hyeuovia?  Siptou  1893. 
Samos  1893. 

Estia  1893  Nr.  19-24.  Darin  u.  a.  S.  291  ff.  i\  Maupo- 
yidvTjs,  Bu^avrtv7]  Tr/vr,. — S.  313  Abbildung  der  Poseidonstatue 
aus  Melos  (Kavvadias  235).  —  S.  337.  A.  BixeXa«;.  Ex.  Aea- 
cptüv  (Allgemeines.  Die  ersten  Funde). 

ÜAPNASSOS ,  IleptoS'.y.ov  ffüyypa|/.ü.a  tou  ev  'A0rjvai?  6(i(s>vup.ou 
duXXöyou  XV,  8.  9.  Darin  u.  a.  S.  561.  A.  Kapaun,  Xio?  xai 
Xioi.  —  S.  G00.  B.  M.  A.  KaTCTira&oxixä  —  S .  615.  V.  I.  Ka- 
XaidaxT)?,  1 1 s p •  Tr,;  lv  Kpr,TV]  Az--x:  r,  ApyupouTco^eoK.  Lhine 
etwas  allgemein  gehaltene  Notiz,  die  von  zwei  neu  gefundenen 
Inschriften  ausgeht:  1.  Auf  einer  Basis  Xaipe  A-.ov.r/W,  2uu.€pi- 
Tis  ;  Xaipexs  -i^zi:.  2.  Auf  einer  Bleitafel,  die  von  demselben 
Grabe  stammen  soll  :  IlacxSiSwu.'.  to;.':  xaTa^dovioi;  8eoi?  toOto 
to  Yipwov  <p-.Aä<7<7eiv  Hao'jtcov.  xal  Ar, y./TC i  /.xi  Wizni'y^rr,  xai  'Epi- 
vuat  xai  rcaci  toi?  /.aTxyfyovio'.;  Oeoi;.  El  t-.:  xicoxoo^aet  toöto  to 
yjpöov  r,  äva<7TOao)G£i  r,  Tt  xai  ETepov  us  t  ?./.'.  vr.Tc'.  r,  oc'Jto;  y;  ot'  xX- 
a.o'j  [xr]  y/i  (aar?)  ar;  öaXaaaa  ttacoty;  aXV  ixpi^(i)6^(76Ta(  7cayy6vs£. 
rizai  toü?  x.ax.oi«;  — etpav  oaxret  xai  ©pixv)  xai  rcupETeji  rpixaicp  /.*■. 
TerapTait.)  xai  sXecpavTi  xal  vl^nar,  ( :  1  [/.oXuooou  (  ; )  wupi  xa!  otx 
xaxä  xal  öXs'Optx  yivsTai,  txütx  ysve'aötä  tu  TOAar(<jov7'.  ix  to'jtou 
tou  r(pcao'j  pt6Taxiv75oai  Tt.  Die  daraus  gezogenen  Folgerungen 
mögen  auf  sich  beruhen]. 


F  ü  N  D  E 

Attika.  Bei  der  Anlegung  einer  Wasserleitung  von  Mos- 
chato  nach  Piräus  ist  nahe  bei  Neu-Phaleron  ein  0  88m  brei- 
tes und  mit  dem  über  einem  flachen  Giebel  ziemlich  hoch  sich 
erhebenden  einfachen  Mittelakroterion  0.79'"  hohes  doppelsei- 
tiges Relief  aus  pentelischem  Marmor  gefunden.  Dem  Stile 
nach  gehört  das  Werk  in  die  Zeit  kurz  nach  dem  Parlhenon- 
fries  ;  die  Arbeit  ist  sehr  gut,  ebenso  die  Erhaltung.  Dargestellt 
ist  auf  der  einen  Seite  rechts  eine  Gruppe  von  drei  stehenden 
Mädchen,  offenbar  Nymphen,  vor  ihnen,  nach  links  gewendet 
stehen  zwei  bärtige  Männer,  von  welchen  der  den  Nymphen 
zunächst  stehende,  welcher  sich  nach  ihnen  umblickt,  durch 
zwei  kurze  Stierhörner  an  den  Schläfen  als  Flussgott  chara- 
kterisirt  wird  (vgl.  die  auf  den  Nymphenreliefs  übliche  Dar- 
stellung des  Acheloos).  All  diesen  Figuren  gegenüber  steht 
am  linken  Ende  der  Darstellung  eine  schlanke  jugendliche 
Gestalt  in  einem  feinfaltigen  bis  auf  die  Kniee  fallenden  Chi- 
ton, über  welchem  sie  noch  einen  nur  auf  der  linken  Schulter 
geknüpften  und  bis  auf  die  Mitte  der  Schenkel  reichenden 
zweiten  trägt.  Die  Haartracht  lässt  die  Figur  als  weiblich  er- 
kennen. 

Über  der  Darstellung  steht  die  Inschrift: 

EPMHIKAINYM<|>AmNAAEZOI§/li    /  A  § 

Auf  der  anderen  Seite  sieht  man  ein  nach  links  bergan  spren- 
gendes Viergespann,  vor  welchem  rückblickend  ein  nackter, 
nur  eine  Chlamys  tragender  Jüngling  läuft.  Auf  dem  Wagen 
steht  als  Lenker  ein  ganz  ähnlicher  Jüngling,  welcher  mit  der 
Linken  ein  neben  ihm  stehendes  Mädchen  umfasst;  dieses  in 
Chiton  und  Mantel  gekleidet  hält  sich  mit  der  Rechten  am 
Wagen rande  fest  und  scheint  sich  die  Entführung  nicht  un- 


FUNDE  £43 

gern  gefallen  zu  lassen.  Über  dem  Paar  stehen  die  Namen 
E  X  E  A  O  €  und  I '  '  A  €  I  A  H  (vielleicht  BowiXtj,  wie  Lolling 
vermutet,  und  wozu  die  Spuren  passen),   über  dem  Jüngling 

vor  den   Pferden  |  JHEPIMH2:-    Der  Grund  zeigt 

deutliche  Reste  hellblauer  Bemalung.  Eine  kurze  Notiz  von 
J.  Dragatsis  stellt  z.  B.  in  der  Ilpövotx.  Piräus  14  Juni  1893, 
mehr  darüber  von  demselben  in  der  'Emix  1893  Nr.  27,  vgl. 
auch  Kavvadias  in  der  'E<pY)p.epi$  äp/.  1893  S.  110.  Eine  Ver- 
öffentlichung in  der  'E-pr.u.splf;  steht  bevor. 

An  derselben  Stelle  sind  nach  Dragatsis  ein  antiker  Brun- 
nen mit  thönerner  Wandverkleidung,  Gefässcherben  und  zwei 
Grabsäulen,  auch  eine  von  N.  nach  S.  laufende  Mauer  ge- 
funden worden.  [P.  w.] 

Auf  den  beiden  Studienreisen  des  deutschen  Instituts,  wel- 
che in  den  Monaten  März  und  April  dieses  Jahres  unter  Be- 
teiligung vieler  deutscher  und  fremder  Archäologen  und  Phi- 
lologen durch  den  Peloponnes  und  nach  mehreren  Inseln  des 
ägäischen  Meeres  unternommen  wurden,  sind  die  meisten 
griechischen  Buinenplätze.  an  denen  grössere  Ausgrabungen 
stattgefunden  haben,  besucht  worden.  Da  ich  so  Gelegenheit 
hatte,  viele  in  letzter  Zeit  ausgegrabene  Gebäude  nochmals 
zu  sehen  und  die  sich  daran  knüpfenden  Fragen  mit  Fach- 
genossen zu  besprechen,  kann  ich  an  dieser  Stelle,  wie  schon 
in  früheren  Jahren,  über  eine  grössere  Anzahl  von  Ausgra- 
bungsplätzen berichten. 

1.  Mykenae.  Di»'  Ausgrabungen  der  griechischen  archäo- 
logischen Gesellschaft  sind  auch  in  diesem  Winter  unter  der 
bewährten  Leitung  des  Herrn  Tsundas  fortgeführt  worden  und 
haben  ein  neues  grosses  Kuppelgrab  zu  Tagf  gefördert,  das 
zwischen  dem  Löwenthor  und  der  von  Frau  Sehlieinann 
aufgedeckten  Tholos  liegt.  Es  unterscheidet  sich  zu  seinem 
Nachteil  von  den  übrigen  Kuppelgräbern  in  Mykenae  dadurch, 
dass  die  runde  Umfassungsmauer  aus  sehr  kleinen  Steinen 
hergestellt  ist.    Der  obere  Teil  der  Kuppel  ist  in  Folge  dessen 


Ol'«  FUN  DK 

eingestürzt,  und  eine  vollständige  Ausgrabung  wird  sich  ohne 

umfangreiche  Schutzvorrichtungen  nicht  ermöglichen  lassen. 

Die  im  Inneren  der  Burg  vorgenommenen  Grabungen  ha- 

DO  O 

ben  eine  Anzahl  aller  Mauern  freigelegt,  welche  zum  Teil 
aus  heroischer  Zeit  stammen  und  zu  den  Nebenbauten  des 
K.önigspalastes  gerechnet  werden  dürfen,  zum  Teil  aber  jün- 
geren Epochen  angehören.  Von  dem  Rönigshause  seihst,  wel- 
dies  die  Spitze  des  Burgberges  einnahm,  sind  keine  neuen 
Teile  ausgegraben. 

2.  Heraion  hei  Argos.  Das  amerikanische  Institut  hat 
seine  Ausgrabungen  an  dem  berühmten  Tempel  der  Hera, 
dem  Mittelpunkt  der  argivischen  Ebene,  in  diesem  Frühjahre 
wiederaufgenommen.  Die  Leitung  der  Arbeiten  liegl  wieder- 
um  in  den  Händen  des  Herrn  Ch.  Waldstein.  Bei  unserm 
Besuche  i\c^  Tempels  halten  die  neuen  Grabungen  noch  nicht 
begonnen.  Während  in  der  ersten  Campagne  hauptsächlich 
der  jüngere,  aus  dem  fünften  Jahrhundert  stammende  Tempel 
freigelegt  worden  ist,  soll  die  neue  Arbeitsperiode  dem  älte- 
ren Tempel  gewidmet  sein. 

3.  E  p  i  dau  ros.  Herr  Generalephoros  Rawadias  lässt  seine 
erfolgreichen  Ausgrabungen  in  dem  Hieron  des  Asklepios  bei 
Kpidauros  fortsetzen.  Nördlich  \on  dem  bisherigen  Ausgra- 
bungsfelde ist  neuerdings  ein  grosser  tempelartiger  Bau  ent- 
deckt worden,  der  \ielleichl  das  Hauptthor  des  heiligen  Be- 
zirks gebildet  hat.  Er  liegt  etwa  an  der  Stelle,  wo  der  von 
der  Stadt  Epidauros  kommende  Weg  das  Hieron  erreicht.  In 
ionischem  und  korinthischem  Stile  erbaut,  zeigt  er  an  seiner 
nördlichen  wie  au  seiner  sudliehen  Giebelseite  je  eine  Rampe, 
wie  sie  namentlich  im  Peloponnes  \or  Tempeln  und  Thorge- 
bäuden vorzukommen  pflegt  Nach  vollständiger  Freilegung 
und  genauer  Untersuchung  wird  sich  seine  Bestimmung  ge- 
w  iss  herausstellen. 

Die  wichtige  Bauinsehrif'l  über  die  Tholos  de-  Polyklet, 
welche  ich  schon  im  \  origeu  Jahre  erwähnte,  ist  jetzt  \on  dem 
Entdecker  Herrn  Staus  in  (\r\-  'Eyr^tols  i:y.  189*2  S.  69  und 
von  Herrn   Kavvadias  in  seinen  Fouilles  d'Epidaure  S.  93 


FUNDE  215 

herausgegeben.  Da  in  der  Inschrift  pentelischer  Marmor  als 
Baumaterial  erwähnt  wird,  während  der  Marmor  aller  in 
Athen  befindlichen  Bauglieder  der  Tholos  grobkörniger,  etwas 
bläulicher  Marmor  voe  Tegea  (Brüche  von  Dolianä)  ist.  ha- 
ben wir  bei  unserem  Besuche  von  Epidauros  die  sämtlichen 
marmornen  Bauglieder  des  Bundbaues  auf  ihr  Material  un- 
tersucht. Ks  stellte  sich  dabei  heraus,  dass  nur  der  an  den 
Orthostaten  und  dem  oberen  Wandgesimse  der  Cellamauer  ver- 
wendete Marmor  feinkörnig  ist  und  vom  Pentelikon  herrührt. 
Alle  übrigen  Steine  zeigen  das  grobkörnige  Material  von  Do- 
lianä. Diese  Thatsache  ist  für  die  ßaugeschichte  der  Tholos 
insofern  wichtig,  als  die  durch  die  Inschrift  gewonnene  Da- 
tirung  des  Baues  zunächst  nur  für  die  Cellawand  und  die 
Aussensäulen  gilt.  Die  Innensäulen  und  die  Decke,  welche  in 
der  Inschrift  nicht  erwähnt  sind  und  deren  Kunstformen  sich 
auch  Min  denen  des  Aussenhaues  wol  unterscheiden  lassen. 
können  möglicher  Weise  aus  einer  jüngeren  Zeit  stammen. 
Es  ist  hier  jedoch  nicht  der  Ort.  auf  diese  kunstgeschichtlich 
wichtige  Frage  näher  einzugehen;  es  mu ss  genügen,  sie  be- 
rührt zu  haben. 

4.  M  egal  op  o  l  i  s.  Die  Ausgrabungen,  welche  die  engli- 
sche Schule  seil  mehreren  Jahren  zur  Aufdeckung  der  Ruinen 
von  Megalopolis  unternommen  hat.  sind  in  diesem  Frühjahre 
fortgesetzt  worden.  Zunächst  hat  man  das  neben  dem  Thea- 
ter liegende  Thersileion,  den  Versammlungsraum  der  Zehn- 
tausend,  ganz  aufgedeckt  und  uns  damit  einen  Hau  geschenkt, 
der  wegen  seines  eigentümlichen  Grundrisses  in  der  griechi- 
sehen  Baugeschichte  einzig  dasteht.  Er  gleicht  in  mancher 
Beziehung,  so  namentlich  in  dem  Ansteigen  des  Fussbodens 
den  Sitzungssälen  der  heutigen  Parlamente,  enthält  aber  im 
Gegensatz  ZU  diesen  eine  grosse  Zahl  von  Innensäulen,  die  von 
t\rv    Mille    nach    drei    Seiten    strahlenförmig   angeordnet  sind. 

Sodann    hai   man  an  der  Westseite  ilrv  Agora  ein  Gebäude 

aufgedeckt,  dessen  Grundriss  sich  hei  unserer  Anwesenheit, 
noch  nicht   deutlich  erkennen  liess. 

Genaue    Aufnahmen    aller   bisher    m  Megalopolis  aufgefun- 


216  FUNDE 

denen  Bauwerke  sind  \on  dem  englischen  Architekten  Herrn 
Schultz  angefertigt  worden  und  werden  binnen  Kurzem  in  ei- 
nein  besonderen  Ergänzungsbande  des  Journal  of  Hellenie 
studies  erscheinen.  Allen  Fachgenossen,  welche  sich  mit  dem 
griechischen  Theater  beschäftigen,  werden  besonders  die  \ic- 
len  und  sorgfältigen  Pläne  und  Profilzeichnungen  des  Theaters 
erwünscht  sein,  weil  sich  ja  an  dieses  eine  lebhafte  Gontro- 
verse  darüber  geknüpft  hat,  oh  in  ihm  eine  erhöhte  griechische 
Buhne,  ein  aus  dem  vierten  Jahrhundert  stammendes  Logeion 
erhalten  ist  oder  nicht.  An  der  Hand  der  Pläne  und  der  ein- 
gehenden Beschreibung  kann  sich  jetzt  jeder  ein  eigenes  Ur- 
teil bilden. 

Da  Herr  E.  Gardner  in  einer  öffentlichen  Sitzung  der  eng- 
lischen Schule  in  Athen  die  Pläne  bereits  vorgelegt  und  seine 
jetzige  Ansicht  über  die  Einrichtung  und  Baugeschichte  des 
Theaters  vorgetragen  hat.  halte  ich  mich  für  berechtigt  und 
verpflichtet,  schon  jetzt  meine  abweichende  Ansicht  mit  eini- 
gen Worten  darzulegen.  Eine  eingehendere  Behandlung  werde 
ich  folgen  lassen,  sobald  die  englische  Publication  erschienen 
ist1. 

Zunächst  kann  ich  zu  meiner  Freude  constatiren,  dass  Herr 
Gardner  seine  frühere  Behauptung,  dass  die  deutlichen  Beste 
eines  sechsstufigen  griechischen  Logeion  gefunden  seien  [Jour 
nal  of  Hellenie  studies  I  890  S.  294)  zurücknimmt  und  da- 
für meiner  Ansicht,  dass  der  aufgefundene  Stufenbau  eine 
etwa  8"'  hohe  dorische  Säulenhalle  getragen  habe  (Athen. 
Mitth.  1891  S.  258  und  Athenaeum  vom  25.  Juli  1891). 
vollkommen  beitritt.  Der  englische  Architekt  hat,  wie  zu  er- 
warten war,  die  ehemalige  Existenz  der  Säulenhalle  lediglich 
bestätigt.  Auch  darin  stimmt  mir  Herr  Gardner  jetzt  zu,  dass 
diese  Halle,  welche  die  Vorhalle  des  Thersileion  war,  bei  den 
Aufführungen  als  Hintergrund,  als  scasnas  fronsK  gedient  hat. 

Er  glaubt  aber  jetzt  an  einer  anderen  Stelle,  nämlich  vor 
dieser  Säulenhalle,  das  ehemalige  Vorhandensein  einer  niedri- 


1  [st  während  des  Druckes  erschienen. 


FUNDE  217 

gen  griechischen  Bühne  nachweisen  zu  können.  Er  stützt  sich 
dabei  auf  einen  Höhenunterschied,  welcher  zwischen  der  Or- 
chestra und  der  Unterstufe  der  als  scaense  frons  dienenden 
Vorhalle  des  Thersileion  bestehen  soll. 

Dieser  Unterschied  hat,  wie  sich  leicht  zeigen  lässt.  in  Wirk- 
lichkeit nicbt  e.vistirt  und  demnach  hat  es  auch  kein  griechi- 
sches Logeion  in  Megalopolis  gegeben. 

Die  Vorhalle  (\c^  Thersileion  bat  zwei  ältere  Oberstufen  und 
drei  jüngere,  unzweifelhaft  spater  hinzugefügte  Unterstufen. 
Die  Orchestra  liegt  nun  nicht  in  der  Höhe  der  alten  Stufen, 
sondern  ungefähr  in  dem  Niveau  der  jüngeren  Unterstufe. 
Daraus  schliessl  Herr  Cardner.  dass  in  älterer  Zeit  ein  Po- 
dium vor  der  Vorhalle  bestanden  haben  müsse,  welches  jenen 
Höhenunterschied  zwischen  der  Orchestra  und  der  alten  Un- 
terstufe ausgeglichen  habe. 

Der  Unterschied  der  beiden  Pussböden  ist  aber  nur  dann 
vorhanden,  wenn  man  zwei  nicht  derselben  Periode  angehö- 
rige  Bauteile  mit  einander  vergleicht.  Das  Thersileion  und 
seine  Vorhalle  sind  älter  als  das  jetzt  vorhandene  steinerne 
Theater  und  seine  Orchestra.  jene  stammen  aus  der  Zeit  der 
Gründung  der  Stadt,  also  etwa  aus  den  sechziger  Jahren  des 
\.  Jahrhunderts,  diese  dagegen  aus  jüngerer  Zeit,  wahr- 
scheinlich aus  der  zweiten  Hälfte  desselben  Jahrhunderts. 
Die  Orchestra  des  ältesten  Theaters,  welches  noch  keine  stei- 
nernen Sitzreihen  hatte,  lag  nachweisbar  höher  als  die  spä- 
tere Orchestra,  nämlich  in  der  Höhe  der  älteren  Unterstufe 
des  Thersileion.  Als  bei  Erbauung  (\v^  mit  steinernen  Sitz- 
reihen  versehenen  Theaters  die  Orchestra  aus  technischen 
Gründen  tiefer  gelegt  winde,  erhielt  die  Vorhalle  des  Thersi- 
leion zu  ihren  beiden  Stufen  noch  drei  neue  hinzu,  damit  wie- 
derum die  Orchestra  mit  der  Unterstufe  der  Halle  in  einer 
Höhe  liege.  Dass  bei  der  noch  etwas  später  erfolgten  Aufstel- 
lung der  unteren  Sesselreihe  der  Boden  der  Orchestra  noch- 
mals um  ein  kleines  Stück  tiefer  gelegt  wurde,  wodurch  die 
Oberfläche   der   Orchestra   etwas  Getälle   erhielt,    kommt  hier 

ATHKN.    MIT!  Illvll.l  NGBN    .Will.  15 


•21$  FUNDE 

nicht  in  Betracht  und  es  herrscht  darüber  auch  keine  Mei- 
nungsverschiedenheit. 

Die  Gleichzeitigkeit  der  drei  unteren  Stufen  der  Vorhalle 
und  des  steinernen  Theaters  läugnet  Herr  Gardner  und  beruft 
sich  dabei  auf  eine  Verschiedenheit  in  der  Behandlung  der 
Oberfläche  d^v  Steine.  Weder  ich  noch  irgend  einer  unserer 
grossen  Reisegesellschaft  hat  diesen  Unterschied  entdecken 
können;  aber  selbst  wenn  ein  geringer  Unterschied  vorhanden 
wäre,  würde  er  die  Gleichzeitigkeit  der  beiden  augenschein- 
lich zusammengehörigen    Bauteile  nicht  widerlegen   können. 

Der  neue  Versuch  der  Herrn  E.  Gardner,  eine  griechische 
Bühne  nachzuweisen,  ist  also  ebenso  verfehlt  wie  der  frühere. 
Weder  in  Megalopolis  noch  in  irgend  einem  anderen  Theater 
hat  es  jemals  ein  erhöhtes  griechisches  Logeion  vor  der  Skene 
gegeben. 

Unter  den  anderen  von  der  englischen  Schule  aufgedeckten 
Bauwerken  ist  namentlich  der  Tempel  und  Bezirk  des  Zeus 
Soter  desshalb  bemerkenswert,  weil  er  sich  wider  Erwarten 
als  ein  Bau  nicht  aus  der  Gründungszeit  von  Megalopolis. 
sundern  aus  späterer  Zeit  herausstellt.  Die  einst  in  dem  Tem- 
pel vorhandenen  Bildwerke  können  daher  nicht,  wie  man  all- 
gemein annimmt,  von  dem  älteren  Kephisodot  angefertigt  sein, 
sondern  müssen  dem  jüngeren  Künstler  dieses  Namens  zuge- 
schrieben werden.  Auch  der  Mitarbeiter  des  Kephisodot,  der 
athenische  Bildhauer  Xenophon,  gehört  demnach  etwa  ans 
Ende  des  vierten  Jahrhunderts.  Die  Beweisstücke  für  das  ge- 
ringere Alter  des  Tempels  des  Zeus  Soter  sind  das  Material, 
aus  dem  er  besteht,  und  die  Eisen-Klammern,  die  bei  ihm 
angewendet  sind.  Während  das  Thersileion,  ein  Bau  aus  der 
Gründungszeit  der  Stadt,  neben  dem  harten  Kalkstein  nur 
Porös  als  Baumaterial  aufweist,  ist  der  Zeus- Tempel  aus  Kalk- 
stein und  Breccia  erbaut.  Das  letztere  Material  ist  aber  allge- 
mein das  jüngere,  wie  sieh  auch  für  Megalopolis  schon  daraus 
ersieht,  dass  es  beim  Thersileion  erst  bei  späteren  Verände- 
rungen oder  Zusätzen  vorkommt.  Ganz  entsprechend  linden 
wir  beim  Thersileion  die  älteren  Klammern  von  der  Form  H. 


PTJNDE  213 

während  die  Steine  des  Zeus-Tempels  durch  Klammern  von 
der  Form  m  und  n  verbunden  waren.  Die  letzteren  treffen 
wir  wiederum  erst  bei  den  Zusatzbauten  des  Thersileion.  z.  B. 
bei  den  jüngeren  Stufen  der  Vorhalle.  Das  Heiligtum  des 
Zeus  Soter  und  auch  der  jüngere  Theaterbau  verdanken  daher 
wahrscheinlich  ihre  Entstehung  der  Zeit,  als  Aristodemos  die 
Geschicke  der  Stadt  leitete  und  ihr  eine  zweite  Blütezeit  ver- 
schaffte. 

5.  Lykosura.  Bei  unserem  Besuche  des  vor  einigen  Jah- 
ren ausgegrabenen  Tempels  der  Despoina  in  Lykosura  haben 
wir  eine  sorgfältige  Untersuchung  über  das  Alter  des  Baues 
angestellt.  Bekanntlich  sind  die  in  dem  Tempel  gefundenen 
Bildwerke, welche  zum  Teil  in  das  Nationalmuseum  von  Athen 
gebracht  worden  sind,  Originalwerke  des  Damophon.  welcher 
allgemein  als  Künstler  des  vierten  Jahrhunderts  gilt.  Über 
das  Alter  der  gefundenen  Bildwerke  gehen  die  Ansichten  sehr 
auseinander.  Während  die  Rinen  sie  für  Werke  des  vierten 
Jahrhunderts  halten,  zögern  die  Anderen  nicht,  sie  in  eine 
viel  spätere,  vielleicht  sogar  in  römische  Zeit  zu  setzen.  Unter 
diesen  Umständen  muss  der  Yersucb  gemacht  werden,  die 
Frage  durch  die  Zeitbestimmung  des  Tempels  zu  entscheiden. 

Der  Bau  besieht  aus  einer  Cella.  in  welcher  die  Basis  der 
grossen  Kultbilder  noch  fast  ganz  erhalten  ist.  und  i  iner  nach 
Osten  vorgelegten  sechssäuligen  Vorhalle.  Die  Cellawände  ha- 
ben einen  Sockel  aus  Kalksleinen  und  bestanden  in  ibren 
Oberteilen  aus  gebrannten  Ziegeln:  die  Basis  der  Kultbilder 
ist  aus  demselben  Kalkstein  erbaut.  Als  Mörtel  ist  bei  den 
Kalksteinen  Lehm  verwendet,  an  einigen  Stellen  sind  auch 
Reste  eines  schlechten  Kalkmörtels  erhalten.  Die  Ziegel  sollen 
auch  mit  Kalk  verbunden  gewesen  sein,  doeli  ist  davon  nichts 
mehr  zu  sehen  ;  jedenfalls  kann  es  nicht  der  gewöhnliche  gute 
römische  Kalkmörtel  gewesen  sein,  wie  auch  die  Ziegel  ein 
Ungewöhnliches  Formal  haben  Die  Säulen  und  Barastaden 
des  Pronaos  und  das  Gebälk  und  die  Sima  i\vs  ganzen  Baues 
bestehen  ans  weissem  grobkörnigem  .Maiinor.  demselben  .Ma- 
teriale.  ans  dem   auch  die  gefundenen  Bildwerke  hergestellt 


220  IT  NDR 

sind.  Der  Marmor  scheint  aus  Dolianä  bei  Tegea  zu  stammen. 

Die  sämtlichen  Bauglieder  des  Tempels,  nämlich  die  Säulen, 
die  Gebälke,  die  Gesimse,  die  Simen  und  die  Profile  der  Ba- 
sis sind  so  schlecht  gearbeitet  und  die  Ornamente  '  sind  so 
unschön  gezeichnet,  dass  Jedermann  sie  sofort  für  römische 
Erzeugnisse  halten  wird.  Ich  habe  daher  auch  kein  Bedenken 
getragen,  den  Tempel  in  dieser  Zeitschrift  (1890  S.  230)  für 
einen  römischen  Bau  zu  erklären. 

Inzwischen  ist  aber  von  andrer  Seite  darauf  hingewiesen 
worden,  dass  vielleicht  zwei  Bauperioden  vorhanden  seien. 
Ein  älterer  Bau  aus  Kalksteinen  könnte  in  römischer  Zeit  in 
Marmor  erneuert  worden  sein.  Dass  eine  solche  Möglichkeit 
vorliest,  lässt  sich  zwar  nicht  vollständig  lammen,  aber  nach 
genauer  Untersuchung  sind  wir  bei  unserem  Besuche  von  Ly- 
kosura  doch  zu  dem  Besultat  gekommen,  dass  der  Tempel  ein 
einheitlicher  Bau  aus  der  späthellenistischen  oder  frührömi- 
schen  Zeit  ist. 

Gegen  die  Annahme,  dass  der  aus  Marmor  bestehende  Teil 
ein  späterer  Zusatz  sei,  lassen  sich  nämlich  mehrere  Gründe 
anfuhren.  Erstens  sind  am  ganzen  Bau  keine  Bausteine  ge- 
funden, welche  mit  Sicherheit  einer  älteren  Zeit  zugeschrieben 
werden  könnten.  Es  müsste  also  der  vorausgesetzte  ältere  Bau 
hölzerne    Säulen    und    ein    hölzernes   Gebälk    gehabt    haben. 

o 

Das  würde  aber  wiederum  schlecht  passen  zu  der  aus  Mar- 
mor bestehenden  grossen  Gruppe  der  vier  Kultbilder.  Solche 
Bildwerke  verlangen  einen  stalllicheren  Bau  und  es  scheint 
mir  entschieden  für  die  Gleichzeitigkeit  der  Bildwerke  des 
Damophon  und  des  Marmortempels  zu  sprechen,  dass  ebenso, 
wie  an  den  Kultbildern  die  Basis  aus  Kalksteinen,  die  Skulp- 
turwerke selbst  aber  aus  Marmor  bestehen,  so  auch  an  dem 
Tempel  der  ganze  Unterbau  und  die  unteren  Teile  der  Cella- 
wände  aus  demselben  Kalkstein  und  die  feineren  Bauglieder 
aus  demselben  Marmor  hergestellt  sind. 


'  Photographien  des  ganzen  Tempels  und  einzelner  Bauglieder  sind  vom 
athenischen  Institut  zu  beziehen  [ Peloponnes  Nr.  5.  13.  14.  33). 


Zweitens  zeigt  die  Kalksteinbasis  der  Kultbilder  nicht  nur 
an  ihren  Gliederungen  dieselbe  schlechte  Arbeit  wie  die  mar- 
mornen Bauteile,  sondern  ihre  Steine  sind  auch  mit  denselben 
jungen  n-förmigen  Eisenklammern  verbunden.  Diese  Klam- 
merform kommt  zwar  bei  Bauwerken  aus  der  zweiten  Hälfte 
des  vierten  Jahrhunderts,  so  z.  B.  beim  Philippeion  in  Olym- 
pia schon  vor.  bei  älteren  Gebäuden  ist  sie  dagegen  nicht  üb- 
lich. Das  aus  der  ersten  Hälfte  des  vierten  Jahrhunderts  stam- 
mende Thersileion  hat  z.  B.  noch  die  älteren  h  -förmigen 
Klammern. 

Endlich  haben  die  Standbilder  selbst  nicht  nur  denselben 
Marmor  wie  die  Bauteile  und  die  Oberfläche  des  .Marmors 
ist  nicht  nur  in  derselben  Weise  verwittert,  sondern  mehrere 
der  noch  inLykosura  befindlichen  Fragmente  der  Göttergruppe 
sind  durchaus  nicht  so  gearbeitet,  wie  man  es  im  vierten  Jahr- 
hundert  erwarten  muss. 

Ist  es  hiernach  kaum  möglich,  zuerst  einen  einfachen  älte- 
ren Bau  anzunehmen,  in  welchem  die  Bildwerke  des  Damo- 
phon  standen,  und  dann  einen  jüngeren  etwa  römischen 
Umbau  mit  marmornen  Säulen  und  Gesimsen,  so  kommen 
wir  zu  dem  Schlüsse,  dass  der  Tempel  und  die  Bildwerke 
nicht  im  vierten  Jahrhundert  hergestellt  sein  können  und  dass 
demnach    auch    Damophon  ein  jüngerer   Künstler  sein  muss. 

Bis  in  welches  Jahrhundert  man  hinabgehen  kann,  lässt 
sich  nicht  mit  Sicherheit  sagen;  es  wird  sich  aber  vielleicht 
die  genaue  Erbauungszeit  bestimmen  lassen  aus  mehreren 
Dachziegel-Stempeln,  welche  im  Tempel  gefunden  sind.  Ea 
schien  uns  wahrscheinlich,  dass  sich  dabei  das  zweite  oder 
erste  Jahrhundert  v.  (Mir  als  Herstellungszeit  der  Skulpturen 
und  des  Tempels  ergeben  wird. 

6.  Del os.  Die  überaus  erfolgreichen  Ausgrabungen  im 
Heiligtum  des  Apollon  auf  der  Insel  Delos  hat  das  französi- 
sche Institut  auch  in  dem  verflossenen  Jahre  fortgesetzt.  Es 
wird  bei  der  grossen  Zahl  der  vorhandenen  Gebäude  noch 
eine  Reihe  von  Jahren  mit  gleichem  Erfolge  dort  graben  kön- 
nen.  Wie  wir  bei  unserem   Besuche   der    Insel   bemerkten,   ist 


"22?  FUNDE 

im  letzten  Jahre  namentlich  das  Skenengebäude  des  Theaters 
und  seine  nächste  Umgebung  aufgedeckt  worden.  Die  Mauern 
und  Pfeilerbasen  der  Skene  und  des  Proskenion  sind  noch  so 
gut  erhalten,  dass  eine  bildliche  Reconstruction  des  Baues 
kaum  Schwierigkeiten  bieten  wird.  Da  kein  niedriges  römi- 
sches  Logeion  vorhanden  ist.  sondern  ein  hohes,  mit  Säulen 
geschmücktes  Proskenion,  so  haben  wir  hier  ein  neues  Bei- 
spiel für  die  Einrichtung  desjenigen  Theaters.welches  Vitruv 
als  das  griechische  seiner  Zeit  beschreibt. 

Tritt  hierdurch  das  Theater  von  Delos  in  die  lange  Reihe 
der  neuerdings  ausgegrabenen  Theater  mit  griechischer  Ein- 
richtung, so  nimmt  es  innerhalb  dieser  Reihe  eine  ganz  her- 
vorragende Stelle  dadurch  ein,  dass  sich  an  ihm  nachweisen 
lässt,  wie  in  einem  solchen  griechischen  Theater  gespielt  wur- 
de. In  Delos  kann  man  sehen,  dass  das  Proskenion  keine  hohe 
Bühne  war,  auf  der  die  Schauspieler  standen,  sondern  eine 
decorirte  Fassade  der  Skene.  also  ein  Hintergrund,  vor  dem 
sie  zu  spielen  pflegten.  Das  aus  einer  Pfeilerstellung  bestehende 
Proskenion  geht  nämlich  in  Delos  auf  allen  vier  Seilen  um 
das  Skenengebäude  ununterbrochen  und  in  gleicher  Höhe  her- 
um.  An  der  den  Zuschauern  zugewendeten  Seite  sind  die 
Pfeiler  etwas  reicher  ausgestattet  und  ihre  Zwischenräume 
mit  Tafelgemälden  geschlossen  gewesen.  Auf  den  drei  ande- 
ren Seiten  bilden  die  Pfeilerstellungen  offene  Säulenhallen, 
die  zum  Schmuck  des  einfachen  S kenenge bäudes  dienten.  Folg- 
lieh  kann  die  Pfeilerstellung  an  der  vierten  Seite  auch  nur 
eine  architektonische  Ausschmückung  der  Skene  gewesen  sein. 
Wer  hier  das  Proskenion  für  eine  Bühne  hält,  muss  es  für 
möglich  halten,  dass  die  Bühne  auf  allen  vier  Seiten  um  die 
Skene  herumgeht ! 

7.  Samos.  Auch  der  schwer  erreichbaren  Insel  Samos 
haben  wir  auf  der  Irselreise  einen  Besuch  abgestattet,  um  die 
Reste  dos  berühmten  Heratempels  und  die  grossartige  Was- 
serleitung des  Polykrates  zu  besichtigen.  Von  dem  Heratem- 
pel, der  bekanntlich  einer  der  grössten  Tempel  des  Altertums 
war,  stellt  nur  noch  eine  jonische  Säule  aufrecht  und  auch  sie 


PüNDfe  223 

hat  schon  ihr  Kapitell  verloren.  Einige  Säulenfundamente 
sind  zuerst  durch  K.  Humann  und  später  von  Mitgliedern  der 
französischen  Schule  in  Athen  ausgegraben  worden  '  ;  der  hei 
weitem  grösste  Teil  des  Tempels  liegt  noch  unter  den  Wein- 
gärten verborgen.  Die  Säule  und  aucb  die  Fundamente  schei- 
nen erst  aus  hellenistischer  Zeit  zu  stammen;  von  dem  älteren 
Tempel,  der  fast  ebenso  gross  gewesen  sein  muss,  sind  Stücke 
der  Säulenbasen  in  den  jüngeren  Fundamenten  verbaut. 

Das  gewaltige  Werk  der  W  asserleitung,  welches  unter  Po- 
lykrates  durch  Eupalinos  von  Megara  hergestellt  worden  ist. 
landen  wir  noch  in  demselben  Zustande,  wie  es  E.  Fabricius 
in  dieser  Zeitschrift  (1884  S.  165)  beschrieben  hat.  Die  da- 
mals beabsichtigte  Wiederherstellung  ist  nicht  erfolgt  und 
wird  sich  auch  so  bald  nicht  verwirklichen,  da  man  schon  be- 
gonnen hat,  das  Wasser  der  alten  Duellen  mit  Umgehung  des 
Berges  durch  eiserne  Röhren  zur  Stadt  zu  leiten.  Obgleich 
man  daher  den  alten  Tunnel  quer  durch  den  Berg  auch  jetzt 
noch  nicht  ganz  durchschreiten  kann,  ist  seine  Besichtigung; 
lohnend  und  lehrreich.  Seine  Anlage  entspricht,  wie  E.  Fa- 
bricius im  Einzelnen  dargelegt  hat,  genau  der  Beschreibung, 
welche  Ilerodot  (III,  60)  von  diesem  Wunderwerk  der  da- 
maligen Zeit  giebt. 

Es  mag  hier  hinzugefügt  werden,  dass  die  Thonrohre,  wel- 
che bei  dieser  Leitung  verwendet  sind  (vgl.  oben  1892  S.  4  4-2), 
fast  ganz  übereinstimmen  mit  den  Bohren,  welche  jetzt  bei 
der  Enneakrunos  in  Athen  gefunden  worden  sind.  Nicht  nur 
die  Durchmesser,  sondern  auch  die  Längenmasse  der  einzel- 
nen Bohrstücke  stimmen  überein:  handgrosse  elliptische  Lö- 
cher sind  bei  beiden  Rohrarien  an  der  Oberfläche  vorhanden, 
damit  eine  Beinigung  der  Leitung  möglich  war:  auch  sind 
beide  Rohre  im  Äusseren  mit  Streifen  \  erziert,  nur  dadurch 
unterscheiden  sie  sich,  dass  diese  Streiten  in  Samos  eingeritzt. 
in  Athen  dagegen  aufgemalt  sind.  |\\.  d.] 


'  Hall,  de  corr,  hell.  1880  8   383.  ins:,  s.  öüj. 


zH  FUNDE 

Auch  einige  Werke  der  bildenden  Kunst,  die  in  und  bei  dem 
,Ap^£'.o©'j>axeiov  in  Yathy  auf  Samos  aufbewahrt  sind,  wurden 
uns  bei  dieser  Gelegenheit  besser  oder  überhaupt  erst  bekannt. 
Vor  allem  isl  der  Torso  einer  archaischen  Apollofigur  zu  nen- 
nen, ganz  im  gewöhnlichen  Schema  und  noch  sehr  altertüm- 
lieh.  Er  ist  10'»""  hoch,  an  den  Schultern  48c,n  breit  und  besteht 
aus  weissem  Marmor,  dessen  Kr\ stalle  durchaus  nicht  beson- 
ders gross  sind.  Auf  dem  linken  Schenkel  steht  die  Inschrift 
/»  EVKIOSAA'EeHKEA' 
TftlAPO/^Q/^l 

Erwähnt  ist  die  Figur  in  der  'E<ma  1890,  Beiblatt  Nr.  26 
und  darnach  Athen.  Mitth.  1800  S.  413,  gefunden  ist  sie  in 
der  Nähe  der  alten  Stadt,  bei  der  Glyphada.  Eine  Photographie 
(Samos  Nr.  5)  ist  leider  nicht  ganz  nach  Wunsch  ausgefallen. 

Ein  Sarkophag,  architektonisch  ausgestaltet,  ringsum  mit 
ganz  flach  gehaltenen  ionischen  Säulen  decorirt,  gehört  noch 
dem  sechsten  Jahrhundert  an.  Hoffentlich  wird  sich  eine  ge- 
nauere Bekanntmachung  dieses  interessanten  Stückes  ermög- 
lichen lassen  (Photographie  Samos  Nr.  8). 

Dasselbe  gilt  für  das  dritte  grössere  Stück,  ein  1 7 5cm  hohes. 
6-4 cm  breites,  links  unvollständiges  Relief  (Samos  Nr.  6)  aus 
weissem  Marmor.  Es  ist  bei  Chora  gefunden  und  von  Stamatiadis 
(  'E-i-zr.clc,  1889  S.  157)  kurz  beschrieben,  darnach  auch  Athen. 
Mitth.  890  S.  526,  wo  es  irrtümlich  als  Grabrelief  bezeichnet 
ist.  Man  erkennt  links  die  Reste  einer  sitzenden  Gestalt,  die 
einen  Stab  mit  herabhängender  Tänie,  wol  einen  Thyrsos, 
hält.  Ihr  gegenüber  steht  ein  nackter  Jüngling,  in  der  Linken 
ein  viereckiges  Kästchen,  in  der  gesenkten  Rechten  eine  wei- 
tere Binde  haltend.  Die  Zeichnung  dieser  Gestalt  ist  von  be- 
sonders hoher  Schönheit:  die  Arbeit  gehört  dem  Ende  des 
fünften  Jahrhunderts  an.  [p.  w.j 


— K-  w  '■*♦• 


31.  Juli  isya. 


DIE  ÄLTE8TE  ATTISCHE  INSCHRIFT 
(  Hierzu  Tafel  X) 

Die  älteste  attische  Inschrift,  welche  eine  aus  den  Gräbern 
am  üipylon  herrührende  Oinochoe  des  jüngeren  Dipylonstils 
auf  ihrer  gefirnissten  Schulter  eineravirf   traut1,   ist  meines 

O  DO 

Wissens  noch  nicht  vollständig  gelesen.  Klar  ist  nur  der  von 
dem  ersten  Herausgeber,  S.  Kumanudis,  erkannte  Hexame- 
lii  :  8?  vöv  opYYiCTÖv  7?avT0)v  ir«X(i)TaTa  t:xCCh.  'Wer  nun  von 
den  Tänzern  am  zierlichsten  tanzt'  — ;  tzvXCv.v  in  dieser  spe- 
ciellen  Bedeutung  findet  sich  bekanntlich  schon  hei  Homer. 
Den  zwölf  folgenden  Buchstaben  aber  ist  noch  kein  irgend  be- 
friedigender  Sinn  abgewonnen  worden.  Denn  die  zögernd  vor- 
getragene Lesung  von  Kumanudis:  toutov  exaucev,  wider- 
spricht  nicht  nur.  wie  Kirchhoff  dargethan  hat,  dem  Thatbe- 
stande  und  der  Paläographie,  sondern  ist  auch  sprachlich  be- 
denklich und  sachlich  kaum  zu  verstellen. 

Und  doch  liegen  die  Bedingungen  so  «jünstiu  wie  möglich. 
Das  Gefäss  ist  aus  Bruchstücken  vollständig  zusammengesetzt 
und  nichts  berechtigl  zu  der  Annahme,  dass  die  Inschrift  un- 
vollendet geblieben  sein  könnte;  vielmehr  spricht  die  Art, 
wie  der  Schreiber,  nachdem  er  sich  mit  dem  Hexameter  an 
den  unteren  Hand  des  gefirnissten  Schulterfeldes  gehalten 
hatte,  das  Ende  aufwärts  umbog,  weil  er  dem  Henkel  zu  nahe 
zu  kommen  fürchtete,  deutlich  für  das  Gegenteil.  Die  einzel- 
nen Zeichen  sind,  trotz  einiger  Verletzungen  und  l  nsicherhei- 


i  'A8j{vaiov  IX  1880  Beilage  hinter  8.  50  (S.  Kumanudis).  Athen.  Millh. 
VI  1881  Tal'.  3  8.  106  IV.  (Kircbboffund  Furlwängler).  C.LA.  IV,  I  S.  119 
Nr.  492a.  Röbl,  fmagines  8.  68  das  ganze  Qef&ss  auch  bei  Baumeister  III 
8.  1945.  Zur  Inschrifl  vgl.  Kircbhoff,  Studien  *  8.  93  -.  WilamowiU,  Ho- 
mer, l  fntersuchungen  S.  287  '» 

ATHEN.   MITTHEILUNGEN   XVIII.  16 


226  I'\    STIDNICZK.V 

ten  der  Linienführung,  fast  ohne  Ausnahme  ganz  deutlich. 
Endlich  ist  auch  der  Sinn,  den  sie  ergeben  müssen,  im  We- 
sentlichen klar  voniczeichnet :  ich  wenigstens  habe  nie  an 
dem  gezweifelt,  was  neulich  Heisch  ausgesprochen  hat,  dass 
das  Ganze  'doch  wo!  besagen  will:  wer  von  den  Tänzern 
seine  Kunst  am  besten  versteht,  dem  soll  dieses  Gefäss  zu  Teil 
werden  '  \ 

Einen  Teil  der  Schuld  an  jenem  Misserfolge  tragen  freilich 
die  beiden  bisherigen  Publicationen 2.  Das  sonst  sehr  treue 
Facsimile  im  'A07)vatov  gibt  zwei  Zeichen,  darunter  eines  von 
den  zwölf  letzten,  unvollständig,  und  die  Abschrift  Lolling's 
oder  wenigstens  die  danach  angefertigte,  ans  den  iMittheilun- 
gen  in  das  Corpus  und  Röhl's  Imagines  übergegangene  Ab- 
bildung, berichtigt  zwar  diese  Versehen,  enthalt  aber  zwei 
andere,  deren  eines  wieder  einen  der  entscheidenden  Buch- 
staben betrifft.  Deshalb  teile  ich  auf  Tat".  10  eine  neue  Ab- 
bildung der  ganzen  Inschrift,  last  in  natürlicher  Grösse,  mit, 
welcher  eine  Wolters  verdankte  Durchreibung  und,  für  das 
Ende,  von  Kaiinka  freundlich  zur  Verfügung  gestellte  Photo- 
graphien zu  Grunde  liegen,  und  die  schliesslich  nochmals  vor 
dem  Original  nachgeprüft  worden  ist.  Für  ihre  Genauigkeit 
in  allem  irgend  Wesentlichen  bürgen  die  zu  verschiedenen 
Zeiten  von  mir  und  neuerdings  von  Wolters  vorgenommenen 
Untersuchungen  des  Gelasses  selbst.  In  der  Mitte  der  Tafel 
ist  sodann  der  fragliche  Schluss  der  Inschrift  nochmals  un- 
mittelbar nach  einer  Photographie  wiedergegeben. 

Deutlich  sind  ohne  Weiteres  folgende  zehn  Lettern,  die  ich 
in  gewöhnlichen  Inschrifttypen  rechtsläulig  wiedergebe:  TO 
TOAEK.  .  K£/^.  Das  durch  einen  Bruch  verletzte  A  hat 
schon  Kirchhoff  nach  Lolling's  Abschrift  festgestellt,  gegen 
Kumanudis,  der  hier  K  ergänzte :  ihm  war  nämlich,  ebenso 
wie  an  dein  B,  der  untere  wagerechte  Strich  entgangen,  weil 


1  üriecli.  Weibgeschenke  (Aldi,  des  arch.-epigr.  Seminars  in  Wien  VIII, 
S.  6U  i. 
a  8.  üben  B.  225  Anm.  1. 


DIE   AELTESTE   ATTISCHE   INSCHRIFT  227 

er,  in  einem  von  den  fast  tonfarbig  gebliebenen  Kreisen  am 
unteren  Rande  des  Schulterfeldes  gelegen,  für  das  Auge  viel 
schwerer  wahrnehmbar  ist,  als  die  übrigen,  vom  schwarzen 
Firnissgrunde  deutlich  abstechenden  Ritzlinien.  Kirchhof?  hat 
auch  in  dem  S,  welches  ein  durch  Ausgleiten  des  Griffels 
hervorgebrachter  langer  Haarstrich  nicht  zweifelhaft  machen 
kann,  das  gewundene  Iota  erkannt,  obwol  dieses  in  wai£ei  nur 
zwei  Mal  gebrochen  erscheint,  ein  Schwanken,  für  das  es 
kaum  der  Analogien  bedarf1.  Unzweifelhaft  ist  schliesslich 
das  K  am  Ende,  obwol  auch  hier  der  von  der  schwierigen 
Gravirarbeit  rings  um  die  Schulter  des  Gefässes  erlahmten 
Hand  ein  überflüssiges  Strichelchen  entfahren  ist. 

Es  bleiben  also  nur  die  zwei  am  stärksten  verstümmelten 
Buchstaben  zu  bestimmen.  Der  zweite  kann  nicht  mit  Kuma- 
nudis  zu  Y  vervollständigt  werden,  schon  weil  der  schräge 
Strich  viel  weiter  oben  angesetzt  haben  müsste  als  üblich  und 
als  das  andere  Y  zu  Anfang  der  Inschrift  zeigt2,  vor  Allem 
aber  weil  Lolling  mit  Recht  in  der  Form  des  oberen  Endes  die- 
ser Haste  die  Spur  eines  spitzen  \\  inkels  erkannt  hat,  was  bei 
der  Enge  des  Raumes  nur  zwischen  N  (=X)  und  K  zu  schwan- 
ken gestattet.  Von  dem  vorhergehenden  Zeichen  ist  zunächst 
A  klar.  Da  nun  die  Lautgruppen  xyXp  oder  y.yvt/.  undenkbar 
sind,  müssten  wir  mit  Kumanudis  A  lesen,  auch  wenn  An- 
fang und  Ende  des  Ouerstrichs  nicht  deutlich  wären,  was  nur 
in  der  Publication  Kirchhoff's  dadurch  verdunkelt  ist,  dass  die 
beiden  Reste  nicht  in  einer  Geraden  liegen  und  das  über  den 
linken  Schenkel  von  A  hinausragende  Ende  Ins  an  den  fol- 
genden Ruchstaben  durchgezogen  ist.  während  es  in  Wirk- 
lichkeit ein  kleiner  Rest  des  Firnissgrundes  davon  trennt.  Das 
Zeichen  kann  also  nur  Alpha  sein,  und  wir  brauchen  uns 
nicht  ein  Mal  sehr  darüber  zu  verwundern,  dass  der  überhaupt 
nicht  allzu  consequente  Schreiber  nur  an  dieser  einen    Stelle 


1  Vgl.  /..  1?.  ili«1  korinthischen  Pinakes  Berlin  Nr.  -IT."..  873  Furtwängler. 
-  |);iss  dieses  ungeschwänzl  erscheint,  ist  der  zweite  Fehler  der  deutschen 
Publicationen. 


F.   STÜDNIC2KA 

die  sonst  festgehaltene  liegende  Form  des  phönikischen  Mut- 
teralphabets  '  zu  Gunsten  der  in  der  griechischen  Schrift  herr- 
schenden Stellung  des  Alpha  aufgegeben  hat;  denn  es  ist  klar, 
dass  er  es  aus  der  bereits  S.  295  gekennzeichneten  Sorge,  mit 
dein  Räume  nicht  auszureichen,  gethan  hat.  Ol»  dem  A  ein  r 
otler  K  folgte,  das  mag  auch  jetzt  noch  zweifelhaft  bleiben, 
obschon  von  vornherein  die  Lautgruppe  a^.iv  unglaubwür- 
diger klingen  dürfte  als  avpiv. 

Es  ergibt  sich  also  folgende,  nur  in  dem  einen  Punkte  nicht 
unbedingt  sichere  Lesuno;:  To-roosx.a V u.iv  und  daraus  vermas 
ich,  nach  sechs  Jahre  hindurch  immer  wiederholten  Bemü- 
hungen, nur  eine  Deutung  zu  gewinnen.  In  ihrer  Begründung 
hat  mich  Jakob  Wackernagel  durch  höchst  dankenswerte  Mit- 
teilungen gütig  unterstützt. 

Weil  der  echte  Diphthong  im  Demonstrativum  todto  der 
Regel  nach  mit  OY  geschrieben  wird,  glaubten  Kirchhoff  und 

O  O  o 

Wilamowitz,  im  Gegensatze  zu  Kumanudis.  toö  tgSs  oder  tgS1 
lesen  zu  müssen.  Aber  was  dann  übrig  bleibt,  (6)xav[«v  oder 
(e)*a),aiv  gibt  keinen  Sinn.  Zum  Glücke  ist  denn  auch  jene  He- 
gel nicht  ohne  Ausnahme.  '  Meisterhans  verzeichnet  im  Gan- 
zen elf  Belege  von  TOTO  gleich  touto  oder  touto-j  und  von 
TOTON.TOTftN  gleich  toütcov  aus  attischen  Inschriften 
der  Jahre  415,  414  und  377  v.  Chr.  2.  Dazu  kommt  TOTfil, 
TO^OTOI.TOTON  auf  der  Inschrift  von  Dekelea  aus  dem 
Jahre  396  3  und  TOTO  touto  auf  einem  Steine  von  Thasos 
aus  dem  Jahre  411  4.  In  ähnlicher  Häufigkeit  zeigt  sich  O  statt 
OY  nur  noch  bei  der  Negation  oux,  sonst  nur  in  ganz  verein- 
zelten Fällen.  Ob  die  eigentümliche  Schreibung  mit  einer  Be- 
sonderheit der  Aussprache  zusammenhängt,  also  etwa  bei  tou- 


i  Hervorgehoben  durch  Wilamowitz  a.  a.  0.  Vgl.  ausser  dem  Mesa-Stein 
namentlich  die  dem  griechischen  Alphabet  uoch  näher  stehende  Inschrift 
C.  f.  Sem.  I  Nr.  5. 

2  Meisterbans.  Gramm,  der  attischen  Inschr.  a  8.  19  *38  aus  C.  f.A.  I 
Nr.  128.  133  II  Nr.  814. 

■•  'B^fiepi«  ipX.  Insn  S.  |  ff.  X.  76.  109. 

*  Journal  of  Bell,  studies  VIII  S.  401. 


DIE   AELTESTE   ATTISCHE    INSCHRIFT  229 

Ton  auf  einer  Art  Assimilation  an  die  zweite  Silbe  beruht,  lässt 
sich  vorläufig  nicht  ausmachen.  Die  Schreibung  selbst  steht 
fest,  auffällig  an  unserem  Beispiel  ist  bloss  sein  hohes  Alter'. 
( \\  ackernagel) 

Ich  lese  also  unbedenklich  touto   und   beziehe  es  natürlich 
auf  to  ayyetov  selbst.   Nicht  minder  einleuchtend  scheint  mir 
am  Schlüsse  das  Pronomen   jaiv,  welches  passend  auf  das  85 
des  Anfangs  zurückweist.  Das  Ganze  lautet  demnach: 
0;  vuv  op/r,(7T(I)v  ttzvtcov  a.TaXü>7aTa  7cats£t 

TO'JTO    OEX.ZV   [J.'.V 

und  der  Adonius  besagt  das,  was  der  Hexameter  erwarten 
liess:  'Wer  von  den  Tänzern  am  zierlichsten  tanzt,  der  soll 
dieses  (Gefäss)  empfangen'.  Der  imperativische  Infinitiv  Sexav 
gehört  zu  einem  Verbum  Sejcaw,  welches  freilich  nicht  zu  bele- 
gen ist,  mir  aber  ohne  Schwierigkeit  als  Nebenform  von  §=/=- 
<jOai, Sey.ec70ai,  auch  neben  8sxa£eiv  -nehmen  machen,  bestechen' 
verständlich  schien.  Ich  freue  mich  hier  wieder  das  Wort  an 
Wackernagel  abtreten  zu  dürfen.  '  Bei  $6)täv,  empfangen,  könn- 
te wegen  ttoosSoxäv  das  e  der  ersten  Silbe  überraschen.  Aber 
■xsSzv,  77SC7.V  und  das  in  I'xtqti  steckende  *  sx.zv  zeigen  bei  elei- 
chem  Bildungstypus  ebenfalls  e.  Auch  sei  an  &ex<fc£6iv  "be- 
stechen' erinnert,  das  gerade  so  neben  Ssx.xv  steht,  wie  die 
zahlreichen  von  Curtius,  Verbum  I  '  S.  :'..'!.'.  verzeichneten 
Verba  auf  -a'(s-.v  neben  den  mit  ihnen  stammgleichen  auf  -äv. 
Die  Bedeutungsverschiedenheil  zwischen  <W.zv  und  &6X&&CV 
erklärt  sich  am  einfachsten,  wenn  man  das  mediopassive  Üz- 
x.a'Cojxxi  'ich  lasse  mich  bestechen'  (Timaeus,  Lexicon  Plato- 
nicum  S.  75  Ruhnken),  eigentlich  'ich  nehme  (leid  für  mich 
an',  älter  sein  lässt.  als  das  activische  (W.z'Cw,  wie  denn  auch 
bei  anderen  Verben  auf  -a£siv  die  mediopassive  Form  aller  ist 
als  die  activische,  so  bei  euvi&w  und  bei  öy'.z'Cs'.v  'heilen', das 
zu  öy.aivs'.v  in  ähnlichem  Bedeutungsverhältniss  steht,  wie  nach 
unserer  Annahme  Sexi^eiv  zu  Ssxäv'. 

Der  wiedergewonnene  Schlussvers  bezeichnet  die  Vase  un- 
zweideutig als  Preisgefäss,  doch  wol  von  einem  öffentlichen 
Agon.  dessen  Ansehen  sie  Würdig  machte.  .Irin  Toten  als  >tol- 


230  F.    STUDVICZKA,      DIE   AELTESTE   ATTISCHE   INSCHRIFT 

zer  Besitz  mit  ins  Grab  gegeben  zu  werden.  Aber  dem  gele- 
gentlich ausgesprochenen  Einfall  Reisch's,  es  an  die  Spitze  der 
athenäischen  Preisgefässe  zu  stellen1,  widerspricht  sowol  der 
Tänzeragon  als  auch  die  Form  der  Oinochoe,  die  nicht  für 
den  von  Athena  verliehenen  öipreis  taugt.  Beides  weist  \iel- 
niehr  auf  ein  dionysisches  Fest  hin,  für  das  ein  Weinkrug, 
natürlich  kein  leerer,  als  passendstes  Athlon  erscheinen  inusste 
in  dieser  alten  Zeit  der  Wert- und  Naturalpreise.  Vielleicht 
darf  man  hei  unserem  pö;  geradezu  an  das  Kanneniest  dw 
Anthesterien  denken,  für  das  allerdings  nur  das  bekannte 
Wettrinken  mit  einem  vollen  Schlauche  jungen  Weines  als 
Preis  überliefert  ist2. 


Freiburg  i.  B.,  Februar  1893. 


FRANZ  STUDNICZKA. 


— ~oJ=££«c>~- 


1  Oben  B.  226  Anm.  1. 

2  Iw.  Müllers  Handbuch  V  3  8.  164  (Stengel 


BEZIRK  EINES  HEILGOTTES 

(Hierzu  Tafel  XI) 

Bei  den  vom  athenischen  Institut  unternommenen  Ausgra- 
bungen, welche  zur  Auffindung  des  Stadtbrunnens  von  Athen, 
der  Enneakrunos.  geführt  haben,  ist  am  Westabhange  der 
Burg  ganz  unerwartet  der  Bezirk  eines  Heilgottes  zum  Vor- 
schein gekommen,  von  dem  Dörpfeld  folgende  Beschreibung 
giebt. 

'Auf  der  östlichen  Seite  der  allen,  zur  Akropolis  fuhren- 
den Fahrstrasse  trat  zwischen  Pnvx,  Areopag  und  Akropo- 
lis der  Eingang  und  die  westliche  Grenzmauer  eines  Bezirks 
zu  Tage,  welcher  sich  durch  die  darin  gemachten  Funde  als 
das  Heiligtum  eines  Heilgottes  herausstellte'. 

'  Durch  einen  quer  durch  den  Bezirk  gezogenen  Graben  sind 
seine  Abmessungen  soweit  bestimmt,  dass  sein  Umfang  we- 
nigstens vermutungsweise  in  der  nachstehenden  Zeichnung 
(Fig.  1)  angegeben  werden  konnte.  Seine  genaue  Gestalt  wird 
sich  erst  bei  der  in  Aussicht  genommenen  Weiterführung  der 
Ausgrabungen  feststellen  lassen'. 

'  Im  Grundriss  scheint  der  Bezirk  ein  unregelmässiges  Vier- 
eck gebildet  zu  haben,  von  etwa  17"'  mittlerer  Länge  und 
etwa  13"'  mittlerer  Breite.  Der  Eingang  liegt  nicht,  wie  es 
gewöhnlich  dw  Fall  ist.  in  der  Mitte  der  an  die  Strasse  stos- 
senden  Seite  des  Vierecks,  sondern  an  der  nordwestlichen 
Ecke,  offenbar  weil  sich  an  dieser  Stelle  ein  zweiter  direel  zur 
Akropolis  führender  Weg  von  der  grösseren  Pahrstrasse  ab- 
zweigte. Bei  einem  Heiligtum,  das  an  zwei  sich  kreuzenden 
Strassen  lag.  war  die  Anordnung  des  Einganges  an  dem 
kreiiziingspunkte  die  zweckmässigste'. 

•Was  von  der  Umfassungsmauer  aufgedeckt   und  wieviel 


232 


A.    KOERTE 


von  ihr  noch  erhalten  ist.  lässt  sich  aus  dem  Plan  ersehen. 
Die  zerstörten  Teile  sind  hell,  die  erhaltenen  dunkler  schraffirt; 
die  noch  nicht  ausgegrabenen  Stücke  sind  nur  punktirt.  Das 
.Material  der  .Mauer  ist  der  blaue  harte  Kalkstein,  aus  dem  der 
Akropol isteisen  und  die   benachbarten   Hügel   bestehen.    Die 


FAHRSTRASSE        ZUR       AKROPOLIS 


J I L_ 


FlG.    1. 


einzelnen  Steine  sind  polygonal  geschnitten  und  sorgtältig 
aneinandergefügt.  Der  verschiedenen  Bedeutung  der  beiden 
Wege  entsprechend  ist  die  an  <\>-\-  Fahrstrasse  gelegene  Mauer 
aus  grösseren  Steinen  (bis  L ,40™  lang),  die  an  den  Fussweg 
anstossende  dagegen  aus  viel  kleineren  Steinen  erbaut'. 

'Das  Eingangsthor  hat  im  Altertum  seine  Gestalt  veran- 


BEZIRK    EINES   HEILHOTTES  233 

dert.  Ursprünglich  bestand  es  aus  einer  doppelten  Thür  mit 
einem  einfachen  Vorraum,  der  wahrscheinlich  keinerlei  ar- 
chitektonischen Schmuck  aufwies.  In  römischer  Zeit,  als  sich 
der  Fussboden  der  Strasse  bedeutend  erhöhl  hatte  ist  ein 
höher  gelegener  besonderer  Vorbau  aus  bläulichem  Marmor 
hergestellt  und  wahrscheinlich  mit  zwei  Pilastern  oder  Säulen 
ausgestaltet  worden.  Die  Breite  des  alten  Tliores  beträgt  1 ,31'", 
entspricht  also  genau  vier  altgriechischen  Fuss'. 

'  Im  Inneren  des  Bezirks  sind  wichtige  Beste  der  ursprüng- 
lichen Einrichtung  gefunden  wurden:  mehrere  Fundamente 
für  Weihegaben  der  verschiedensten  Form,  mehrere  Reliefs, 
welche  augenscheinlich  Weihgeschenke  für  einen  Heilgott  ge- 
bildet haben  und  von  denen  eines  den  Namen  des  Asklepios 
enthält,  die  Fundamente  einer  Kapelle  mit  dem  Unterteile  ei- 
nes Opfertisches  und  schliesslich  der  grosse  Mündungsstein 
eines  Brunnens '. 

'Von  den  Fundamenten,  welche  ihrer  Gestalt  nach  Weih- 
geschenke getragen  haben,  sind  die  meisten  (A,  B,  C.  I)  und 
E)  noch  an  ihrer  Stelle  und  nur  zwei  (G  und  II)  vielleicht 
von  ihrem  ursprünglichen  Standorte  etwas  entfernt.  Sie  alle 
haben  Reliefs,  runde  Säulen  oder  Stelen  setragen,  wie  sich 
aus  den  verschiedenen  Einlasslöchern  und  Befestigungsspuren 
ergiebt'. 

'Die  Reliefs  selbst,  welche  gefunden  wurden,  befanden  sieh 
nicht  mein-  an  ihrem  ursprünglichen  Aufstellungsplatz.  Auch 
das  grosse  Relief  mit  dem  ein  grosses  Bein  trauenden  Manne 
welches   zwischen    dem    Thore    und    der  Basis  J   dicht  an  dvv 

Umfassungsmauer  aufrechl  stehend  zum  Vorschein  kam.  durfte 
wegen  dv^  Fehlens  eines  besonderen  Fundamentes  nicht  mehr 
seinen  ursprünglichen  Platz  eingenommen  haben.  Gleichwol 
ist  die  in  Athen  ausgesprochene  Vermutung,  dass  die  Reliefs 
von  dem  -rossen,  an  drv  Südseite  dv\-  Akropolis  gelegenen 
Asklepieion  hierher  verschleppt  worden  seien,  vollkommen 
unzulässig.  Da  die  Reliefs  durch  den  ganzen  Bezirk  und  in 
verschiedenen  Hohen  gefunden  wurden,  müsste  man  anneh- 
men, dass  sie  m  verschiedenen  Jahrhunderten  hierher  gebracht 

■ 


234  A.   KOERTE 

worden  seien  und  zwar  gerade  an  einen  Platz,  wo  sich  tief  in 
der  Erde  Fundamente   für  ähnliche  Weihesaben   befanden1. 

•  Besonders  wertvoll  ist  das  an  seinem  alten  Platze  aufge- 
fundene  Unterteil  eines  Marmortisches  {F),  von  welchem  aus- 
ser der  Pussplatte  die  Reste  von  zwei,  beiderseits  mit  Löwen- 
tatzen ausgestatteten  Tischbeinen  und  von  der  sie  verbinden- 
den  Platte  erhalten  sind.  Letztere  war  auf  der  nach  Norden 
gerichteten  Seite,  wie  man  aus  geringen  Resten  noch  deutlich 
erkennen  kann,  mit  zwei  Schlangen  geschmückt.  Der  Tisch 
scheint  in  einer  Kapelle  gestanden  zu  haben  ;  man  sieht  näm- 
lich in  seiner  Nähe  mehrere,  aus  verschiedenen  Zeiten  stam- 
mende Mauern,  die  wahrscheinlich  ein  kleines  Tempelchen 
bildeten.  Seine  Gestalt  wird  sich  aber  erst  nach  Aufdeckung 
des  ganzen  Baues  erkennen  lassen1. 

'Schliesslich  verdient  noch  der  grosse  Mund ungsstein  eines 
Brunnens  erwähnt  zu  werden,  welcher  bei  Ä'  zu  Tage  ge- 
kommen  ist.  Zwar  scheint  er  nicht  mehr  an  seiner  alten  Stelle 
zu  liegen,  doch  dürfte  er  wegen  seiner  Grösse  auch  nicht  weit 
von  seinem  ursprünglichen  Platze  entfernt  worden  sein.  Das 
Vorhandensein  eines  Brunnens  liess  sich  für  den  Bezirk  eines 
Heilgottes  erwarten,  weil  ein  Brunnen  oder  eine  Quelle  stets 
zu  den  Bestandteilen  eines  Asklepieion  gehört.  Dass  sieh  in 
unserem  Bezirk  Wasser  befand,  ist  ausserdem  durch  eine  Was- 
serrinne gesichelt .  welche  schon  bei  Erbauung  des  Bezirks  in 
der  nördlichen  Umfassungsmauer  (  bei  L)  angelegt  worden  ist. 
Mit  grosser  Wahrscheinlichkeil  darf  dem  Bezirk  auch  eine 
Wasserleitung  zugeteilt  werden,  welche  weiter  südlich  von  der 
grossen  pisistratischen  Wasserleitung  der  Enneakrunos  ab- 
zweigt und  Trinkwasser  unter  der  Fahrstrasse  her  in  die  Ge- 
gend unseres  Heiligtums  leitet.  Auch  hierüber  werden  erst  die 
weiteren  Ausgrabungen  Aulklärung  Illingen'. 

'  Die  Entstehungszeit  des  heiligen  Bezirks  genau  zu  bestim- 
men, ist  vorläufig  nicht  möglich.  Aus  der  polygonalen  Bau- 
weise und  aus  dem  verwendeten  .Material  ergiebl  sich  nur  mit 
Sicherheit,  dass  er  aus  älterer  griechischer  Zeit  stammt.  Da 
aber  mehrere  an  der  alten  Pahrstrasse  liegende  Bauwerke  und 


BEZIRK   EINES   HEILGOTTES  235 

vielleicht  auch  diese  Strasse  selbst  der  Zeit  der  Pisistratiden 
ihre  Entstellung  verdanken,  so  darf  auch  unser  Bezirk  mit 
einiger  Wahrscheinlichkeit  noch  dem  sechsten  Jahrhundert 
zugeteilt  werden '. 

Dörpfeld's  vorstellender  Beschreibung  des  heiligen  Bezirks 
lasse  ich  eine  Besprechung  der  einzelnen  Funde  folgen. 

1.  Votivrelief.  Abgebildet  auf  Taf.  11,  H.0,73ra,  Br.0,35m. 
Pentelischer  Marmor.  Der  oberste  Teil  fehlt,  ausserdem  ist  die 
Platte  diagonal  gebrochen,  die  Bruchflächen  schliessen  gut 
an  einander.  Der  untere  Rand  ist  rauh  gelassen,  er  war  an- 
scheinend in  eine  Basis  eingelassen,  von  der  Art  \n  ie  die  un- 
ter  A-F,  G  und  H  auf  dem  Plane  verzeichneten.  Das  Relief 
wurde  gleich  links  neben  dem  alten  Eingang  (zwischen  die- 
sem und  L)  aufrecht  an  die  .Mauer  gelehnt  gefunden,  mit  der 
skulpirten  Seite  nach  dem  Innern  des  Bezirkes  zu. 

Ein  nach  links  stehender  bärtiger  Mann  umfasst,  den  Ober- 
körper etwas  vorgebeugt,  mit  beiden  Händen  ein  kolossales 
rechtes  Bein,  das  vor  ihm  auf  dem  Boden  steht  und  ihm  bis 
an  die  Brust  reicht.  Seine  beiden  Füsse  stehen  mit  ganzer 
Sohle  auf  dem  Boden  auf,  der  rechte  ist  etwas  vorgestellt. 
Sein  Mantel  ist  von  der  linken  Schulter  aus  unter  der  rechten 
Achsel  hindurch  um  den  Leib  geschlungen  und  dann  wieder 
überdie  linke  Schulter  geworfen,  er  lässt  somit  die  rechte  Schul- 
ter und  Brusthälfte  frei.  Der  Kopf  mit  ziemlich  langem,  spit- 
zem Bart  ist  gut  erhalten,  nur  die  Xase  etwas  bestossen.  Das 
volle  Haar  ist  hinten  in  der  besonders  für  Dionysos  charakte- 
ristischen WVise  aufgebunden;  dieselbe  Haartracht  findet  sich 
auch  bei  einigen  Asklepiosköpfen  (Ziehen.  Athen.  Mitlh.  XVII 
S.  243  ff.).  Man  könnte  versucht  sein,  den  Mann  wegen  die- 
ser Haartracht  für  den  Heilgott  selbst  zu  halten,  aber  die 
Grösse  des  vor  ihm  stehenden  Beins  verbietel  das:  unmöglich 
kann  der  Gott  kleiner  dargestellt  sein  als  etwa  ein  Weihge- 
schenk in  seinem  Heiligtum.  An  dfem  Kolossalbein  tritt  sehr 
auffallend  eine  starke  Ader  hervor,  die  sich  von  der  linken 
Hand  des  Mannes  bis  zum  Knöchel  erstreckt  :  ohne  Zweifel 
soll  sie  das  Leiden  andeuten,  von  dem  der  Kranke  durch  den 


236  a.    KOERTE 

Gott  befreit  wurde  — er  litt  eben  an  Krampfadern.  Dass  die 
Scene  im  Heiligtum  selbst  gedacht  ist.  lehren  die  beiden  Füs- 
se,  welche  vor  dem  Bein  links  in  einer  Nische  aufgestellt 
ebenfalls  als  Weihegaben  aufzufassen  sind.  Durch  ähnliche 
Glieder  ist  das  Heiligtum  einer  Heilgottheil  auf  einem  böoti- 
sehen  Kraler  der  hiesigen  arch.  Gesellschaft  (5840,  abgebildet 
'V.or.u.-:'.;  y.oy.  IS'0  Taf.  7),  gekennzeichnet;  auf  attischen 
Votivreliefs  ist  mir  eine  entsprechende  Andeutung  des  Lokals 
nicht  bekannt. 

Die  Darstellung  unseres  Heliefs  steht  unter  den  Weihge- 
schenken an  Heilgötter  bisher  vollkommen  allein  da.  Ks  las- 
sen  sieh  unter  diesen  Weihegaben  drei  Klassen  scheiden. 

Die  schlichteste  Form  ist  die  einfache  Nachbildung  des  ge- 
heilten Gliedes,  eine  Form  des  Dankes  gegen  die  Gottheit,  die 
sich  ja  bis  in  unsere  Tage  gehalten  hat.  Solche  Glieder  aus 
Gold  oder  Silber  zählen  die  Inventare  aller  Heiligtümer  von 
Heilgöttern  in  Mengen  auf1,  aus  Stein  gearbeitet  hat  man  sie 
an  den  verschiedensten  Kultsliitten  gefunden,  und  auch  in  un- 
serem  Heiligtum  fehlen  sie  nicht  (s.  Nr.  6-8,   11.  1w2). 

Eine  zweite  Form  ist,  dass  der  Geheilte  sich  und  die  Sei- 
nen darstellt,  wie  sie  dem  Gotte  ihren  Dank  durch  Opfer  und 
Anbetung  bezeugen.  Dahin  gehört  die  überwiegende  Mehrzahl 
der  im  grossen  Asklepieion  am  Südabhange  der  Burg  gefun- 
denen Reliefs. 

Endlich  wird  zuweilen  die  Heilung  durch  den  Gotl  selbst 
dargestellt  (vgl.   Ziehen.   Athen.   Mitth.   XV11  S.  230  ff.2). 

Auf  unserem  Relief  linden  wir  nun  eine  neue  Form,  gleich- 
sam eine  Verschmelzung  (\<'i  ersten  und  zweiten  Art  von 
Weihegaben.    Das  geheilte  Glied  ist  dargestellt,    zugleich  aber 

C  C*  CT  » 


1  S.  die  Inventare  des  Asklepios  in  Athen  G.I.A.  11766  t.,  des  Heros 
[alros  ebendorl  G.  I.A.  II  103,  des  Araphiaraos  in  Oropos  G.  I.Grxcix 
Septentr.  1  303  und  3498. 

-  Zu  den  von  Ziehen  angeführten  fünf  Stücken  tritl  als  sechstes  ein  Re- 
lieffragrnenl  aus  dem  Amphiareion  in  Rhamnus.  Neben  einem  aul  der  Kline 
liegenden  Mann  sitzt  der  Gotl  (nur  der  i  aterkörpei  erhalten)  und  berührt 
inscheinend  da    Kinn  des  Kranken, 


BEZIRK    EINES    HEILGOTTES 

auch  dessen  DarbriDgung  durch  den  Dedikanten;  der  Gott  frei- 
lich, der  auf  der  Mehrzahl  der  Reliefs  den  Mittelpunkt  bildet, 
ist  hier  fortgelassen. 

üngewiss  bleibt,  ob  (U>\-  dargestellte  Dedikant  der  Geheilte 
oder  der  Arzt  ist.  Kur  letztere  Annahme  könnte  man  die  dem 
Typus  des  Gottes  angenäherte  Erscheinung  des  Mannes  anfüh- 
ren. Es  ist  an  sich  sehr  wo!  möglich,  dass  auch  cm  Arzt  ein- 
mal für  eine  besonders  glückliche  Kur  seinem  göttlichen  Her- 
ren eine  Weihegabe  darbringt.  In  einem  der  Reliefs  aus  dem 
Asklepieion  (Nr.  '.I  Duhn)  hat  Girard  '  mit  grosser  Wahr- 
scheinlichkeit das  Weihgeschenk  eines  Ärzte-Collegiums  ver- 
mutet, und  dass  die  Ärzte  zweimal  im  Jahre  dem  Asklepios 
und  der  Hygieia  opferten  faep  -;  x-jtüv  *ai  töv  supTuv  d>v 
EitaffTot  iiffavTo  ist  inschriftlich  überliefen  (C.l.A.  II 
352  b). 

Die  Arbeit  des  Reliefs  ist  handwerkmässig  aber  frisch,  wie 

hei  den  meisten  Votivreliefs  aus  dem  Asklepieion.  Dass  wir 
hier  einem  sonst  niehi  bekannten  Typus  begegnen,  macht  es 
ratsam  das  Relief  verhältnissmässig  früh  anzusetzen,  ehe  die 
Typen  für  diese  Weihegaben  völlig  erstarrt  waren,  also  in  die 
erste  Hälfte  des  vierten  Jahrhunderts.  Dazu  passt  auch  der 
Schriftcharakter  der  über  dem  Kopf  des  Mannes  angebrach- 
ten Inschrift,  welche  leider  zu  stark  verstümmelt  Ist,  um  eine 
Ergänzung  zu  gestatten    Wir  lesen: 

I  I 
~i  ft    M    T    E    Y    I    / 

StN<EMNOTATHN 

AHSAY€IMAXOYAXAPNE 

-cov  Tsuca- 

-Cov    56jXV0TCtTY)V 

Ajn'.u.zy.  ür,;  AufflfXse^ou    'Avapvefü?. 


i  Bull,  de  corr.  hell.  II  S.  89  i)'.  Die  Bedenken,  die  Girard  selbst  später 
( /.  \scltpieion  d'Athines  S.  18)  gegen  seine  frühere  Annahme  geltend  ge- 
macht hat,  scheinen  mir  nicht  stichhaltig  (vgl.  Köhler  zu  C.l.A.  II  1449 
Kern,  'E9»)|i.epU  *.-/.•  189*2  S.'H6.  Curtius,  Stadlgeschichle  S.  211  . 


238 


A.    KOERTE 


Z.  2  scheinen  die  beiden  ersten  Buchstaben  op  oder  9p  (etwa 
ap]8p&)v)  gewesen  zu  sein.  Die  Form  ^uvo-rar*]  macht  sehr 
wahrscheinlich,  dass  die  Inschrift  metrisch  abgefassl  war. 
Ein  Lysimachides  Lysimachos'  Sohn  aus  Acliarnae  kommt  vor 
C.  I.  A.  II  1924. 

2.   Votivrelief,  nachstehend  abgebildet,  (Fig.  2)  H   0  32"' 
Br.0,4  P'.Oben  und  rechts  abgebrochen,  ein  anpassendes  Stuck 


Fig.  2. 


des   Grundes  wurde   gesondert  gefunden.    Links  Ante,  über 
welche  die  Darstellung  übergreift.  Pentelischer  Marmor. 

Hechts  steht  ein  runder  bekränzler  Altar,  über  demselben 
erkennt  man  den  Rest  einer  von  rechts  ausgestreckten  Hand, 
die  einen  Kantharos  hält.  Der  Arm.  zu  dem  diese  Hand  «je- 
hört,  laß  nicht  auf  dem  Reliefgrund  auf,  er  war  frei  eearbei- 

C1  o  o 

tet  und  vermutlich  angestückt.   Links  neben  dem  Altar  steht 
eine  Göttin  in  Vorderansicht  (rechtes  Standbein),   ihr  Kopf 


BEZIRK    EINES    HEILGOTTES  239 

und  der  ehemals  besonders  angesetzte  rechte  Unterarm  fehlen. 
Sie  ist  bekleidet  mit  einem  ärmellosen  gegürteten  Chiton  und 
einem  Mantel,  der  über  den  Hinterkopf  gezogen  ist  und  von 
der  rechten  Hand  in  der  Höhe  des  Kinns  gefasst  wird.  Der 
Chiton  ist  an  der  rechten  I lulle  etwas  aufgenommen  und  quillt 
in  einem  kleinen  Bausch  über  den  Mantel  hervor.  Ein  etwa 
wagerechter  Strich,  der  den  Chiton  etwas  über  den  Füssen 
quer  durchschneidet  und  eine  Doppelung  desselben  anzudeu- 
ten scheint,  ist,  wie  ich  glaube,  ein  unbeabsichtigter  Säge- 
strich. In  der  Linken  hält  die  Göttin  eine  runde  Büchse  mit 
flach  gewölbtem  Deckel. 

Auf  sie  zu  schreiten  von  links  fünf  Adoranten,  zuerst  ein 
Mann  (Kopl  fehlt),  dessen  Mantel  die  Arme  verhüllt  und  nur 
die  anbetend  gehobene  rechte  Hand  und  einen  Teil  der  Brust 
frei  lässt.  sodann  ein  zweiler.  gleichfalls  ohne  Kopf,  dessen 
schlaff  herabhängender  rechter  Arm  ebenso  wie  die  Brust  nicht 
vom  Mantel  bedeckt  sind.  Ls  folgen  ein  ganz  in  den  Mantel 
gehüllter  Knabe  sowie  zwei  Frauen  (die  vordere  ohne  Kopf) 
mit  anbetend  erhobenen  Händen,  beide  in  Chiton  und  Man- 
tel, der  bei  der  letzten  über  den  Hinterkopf  gezogen  ist. 

Spuren  von  Blau  sind  auf  dem  Reliefgrund,  von  Rot  an 
der  Basis  des  Altars,  dem  Chiton  der  Göttin,  den  Schuhen 
des  vordersten  Mannes,  dem  Haar  und  den  Schuhen  des  Kna- 
ben erhalten. 

Das  Relief  entspricht  in  Composition  und  Arbeit  durchaus 
der  Masse  der  am  Südabhang  der  Burg  gefundenen.  \\  ir  dür- 
fen in  der  Göttin  mit  Sicherheit  Hygieia  erkennen;  bis  auf  die 
Büchse  in  ihrer  Linken  stimmt  sie  völlig  überein  mit  der  Hy- 
gieia des  Reliefs  Duhn  (Arch.  Zeitung  1877)  Nr.  1 7  =  Sybel 
3994;  auch  Duhn32=Sybel  iO  13,  Duhn  15=Sybel  4009  und 
Duhn  1 0  =  Sybel  1001  (abgebildet  Athen.  Mitth.  X  S.  258) 
sind  in  der  Darstellung  der  Göttin  nahe  verwandt.  Wir  finden 
die  Göttin  anfallen  diesen  Reliefs  in  dem  volleren  mehr  ma- 
tronalen  Typus,  den  Koepp  (Athen.  Mitth.  X  S.  251  ff.)  mit 
Recht  von  dem  später  durchgedrungenen    jugendlichen  schei- 


240  A.    KORRTE 

det1.  Die  Büchse,  ein  ;m  sieh  vortrefflich  für  die  Heilgöttin 
passendes  Attribut  finden  wir  seilen  in  ihrer  Hand,  soviel  ich 
sehe,  kehrl  sie  nur  auf  dem  Relief  Dühn  29  =  Sybel  -4032 
wieder2.  Den  Kantharos,  der  als  einziger  Resl  von  der  Gott- 
heit rechts  erhalten  ist.  vermag  ich  nid' den  Reliefs  dieser  Gat- 
tung sonst,  nicht  nachzuweisen.  In  (\w  Hand  des  Asklepios 
findet  sieh  dies  stehende  Attribut  der  Heroen,  so  viel  ich  sehe, 
niemals3.  Eine  tiefe  Kylix  hüll  Asklepios  auf  dem  leinen 
Fragment  (l)nhn  5  =  Sybel  4510,  abgebildel  Athen.  Milth 
XVII  S.  240),  welches  Ziehen  als  Heispiel  für  die  Spendung 
ärztlicher  Hülfe  durch  den  Gott  anführt.  Aber  diese  Bestim- 
mung kann  der  Kantharos  auf  unserem  Relief  schwerlich  ha- 
ben; reichte  der  Gotl  dem  Sterblichen  dm  heilenden  Trank, 
so  müsste  der  Adorant  dem  Altare  näherstehen  und  die  Hand 
nach  dem  Hecher  ausstrecken.  Hier  wie  auf  den  zahlreichen 
Heroen- Reliefs  dient  der  Kantharos  nur  zur  Andeutung  der 
Spende,  die  der  Gott  oder  Heros  vom  Sterblichen  entgegen 
nimmt. 

3.  Bruchstück  eines  Votivreliefs.  Oben  und  links  abgebro- 
chen. Hechts  eine  Ante,  über  welche  die  Darstellung  über- 
greift. H.  0,185m,  Hr.  0.10"'    Pentelischer  Marmor. 

Im  Vordergrund  ein  Opferschaf,  das  von  einem  in  der 
zweiten  Reihe  stehenden  Knaben  nach  links  gerührt  wird, 
hinter  diesem  (in  driller  Heilte)  eine  adorirende  Frau  in  Chi- 
ton und  Mantel.  Ihr  folgt  rechts  ein  Mann  im  Mantel  mit  halb 
entblösster  Brust,  seine  Linke  ruht  vor  der  Hüfte.  Die  Ar- 
beil des  Reliefs  ist  sehr  gering,  die  Erhaltung  schlecht,  be- 
sonders sind  die  Köpfe  iU'^  Mannes  und  des  Knaben  stark 
zerstört. 


1  Thrämrr  (in  Roscber's  Lexikon  I  S.  2780 ff.)  will  in  allen  malronalen 
Gestalten  Epione  erkennen,  mit  Unrecht.  Wie  sich  das  Schwankendes 
Hygieia  -Tj  pus  in  der  attischen  Kunsl  erklärt,  werde  ich  weiter  unten  zeigen. 

2  Duhn  und  Sybel  haben  sie  hier  übersehen 

■  A.uf  dem  von  Kern  i  'V^t^.-.y.t  ■!;./.  I  f.  7)  publicirten  böotischen 

Krater  hall  eine  Heilgottbeil  den  Kantharos;  ob  aber  der  gelagerte  Man  i 
Asklepios  oder  einen  Heilheros  darstellt,  lässl  sich  oichl  entscheiden. 


BEZIRK    EINES    HEILGOTTES  241 

4.  Bruchstück  eines  Votivreliefs,  von  allen  Seiten  bestossen. 
II.  0,19,  Br.  0,10"'.  Pentelischer  Marmor. 

Bärtiger  Adorant  nach  rechts.  Der  Mantel  lässt  die  Brust 
und  den  rechten  Ann  unbedeckt.  Der  aufwärts  gerichtete  Kopf 
ist  stark  bestossen.  die  Unterschenkel  fehlen. 

5.  Bruchstück  eines  Totenmahls,  H.  0,28,  Br.  0.25m.  Der 
alte  Band  ist  nur  rechts  erhalten,  wo  er  Antenform  hat.  Pen- 
telischer Marmor.  Gefunden  etwa  1,50,n  nördlich  vom  Bezirk 
auf  der  Strasse. 

Rechts,  zum  Teil  vor  der  Ante,  steht  eine  grosse  Amphora 
mit  Volutenhenkeln,  in  ihrem  unteren  Teil  sehr  zerstört.  Es 
folgt  links  ein  Jüngling  von  vorn.  Kopf,  rechter  Arm  und 
Füsse  fehlen,  auch  die  Oberfläche  des  Körpers  ist  stark  be- 
stossen, die  Linke  hält  einen  undeutlichen  Gegenstand  (Trink- 
horn?).  Neben  ihm  sieht  man  links  ein  Stück  einer  über- 
hängten Kline  mit  einem  niedrigen  Tisch  davor  und  geringe 
Reste  des  auf  der  Kline  gelagerten  Heros.  Wir  dürfen  als  si- 
eher  annehmen,  dass  dies  Totenmahl  in  dem  heiligen  Bezirk 
aufgestellt  war.  in  dessen  unmittelbarer  Nähe  es  gefunden  ist. 
Mit  Vorliebe  schliesst  sich  ja  der  Kult  der  heroisirten  Toten 
an  die  Heiligtümer  der  Heilgötter  und  Heroen  an.  Zu  den  Fun- 
den im  athenischen  Asklepieion  (vgl.  Milchhöfer.  Jahrbuch 
II  S.  '26  ff.)  kommen  jetzt  solche  aus  den  Kultstätten  des  Am- 
phiaraos  in  Oropos  und  Rhamnus  (Asatiov  1891  S.  1  17  Nr.  23), 
und  es  ist  gewiss  kein  Zufall,  dass  auch  in  Athen  nahe  den 
Amphiaraos- Reliefs  (AsXriov  1891  S.  89  Nr.  23  f.)  ein  Toten- 
mahl zu  Tage  gekommen  istfAsVriov  1891  S.  1  15  Nr.  5). 

6.  Marmorplatte  mit  weiblicher  Brust  in  hohem  Relief. 
Fig.  3.  II.  0.17'".  Br.  0.08'".   Pentelischer  Marmor. 

Unter  der  Brust  steht  auf  etwas  verjüngtem  Ansatz  die  In- 
schrift: 

H  A  E  I  A  A  ?: 
K  A  H  n  I 
Q.  I 
Die   Inschrift  ist  sehr  nachlässig  geschrieben    und  gehört 
wol  frühestens  in  das  dritte  Jahrhundert.  Ein  zwischen  Brust 

ATHEN.    MITTHEILUNGEN    XVIII.  17 


24"2 


A.   KOEhTE 


und  Inschrift  hindurchgetriebener  Nagel,  der  zur  Befestigung 
an  der  Wand  oder  einem  Pfeiler  diente,  hat  durch  sein  Ver- 
rosten das  Abbrechen  des  unteren  Teils  verursacht. 


Fig.  3. 


7.  Marmorplatte  mit  männlichen  Genitalien  in  Relief.  Fig. 
4.  Das  Glied  ist  abgebrochen.  Der  Reliefgrund  war  rot  ge- 
färbt. Die  Platte  war  an  die  Wand  genagelt,  wie  ein  rundes 
Loch  unterhalb  der  Hoden  zeigt.  11.  0,1  lm,  Br.  0,08'". 


jüj 


Fn;. 


8.  Marmorplatte  mit  zwei  Ohren  in  Relief.  Fig.  5.  II.  0,105'". 
Br.  0,155"'. 

9.  Platte  aus  bläulichem  Marmor,  unten  abgebrochen.  II. 
0,23"',  Br.  0,24m.  Aufbäumende  bärtige  Schlange,  von  der 
ausser  dein  gehobenen  Kopf  und  Hals  noch  eine  Windung  des 
geringelten  Leibes  erhalten  ist. 

10.  Rings  besessenes  Fragment  aus  weissem  Marmor.  II. 
0,14m,  Br.  0,08m.  Line  Schlange  ringelt  sich  an  einem  Fel- 
sen in  die  Höhe,  der  Kopf  fehlt.  Vermutlich  von  einem  Vo- 
tivrelief. 

11.  Die  beiden  vorderen  Glieder  eines  Fingers,  der  einzeln 
geweiht  zu  sein  scheint.  Bläulicher  Marmor.  L.  0,085"'. 


BEZIRK    EINES   HEILGOTTES  243 

12.  Zwei  Glieder  eines  Fingers,  wol  auch  einzeln  ge- 
weiht. Pentelischer  Marmor.  L.  0,085'". 

13.  Statuette  einer  Göttin.  Pentelischer  Marmor.  H.0,31ra. 
Kopf.  Hals,  der  r.  Oberarm  und  der  ganze  1.  Arm  waren 
besonders  angesetzt  und  fehlen  jetzt,  auch  der  r.  Fuss  und  die 
Hälfte  des  1.  sind  abgebrochen*.  Die  Göttin  ist  bekleidet  mit 
einem  ärmellosen,  hochgegürteten  Chiton  und  anscheinend  ei- 
nem Mantel.  Am  1.  Schuh  Spuren  von  Rot.  Ganz  rohe  Arbeit, 
wol  aus  römischer  Zeit. 

1  \.  Rechter  Fuss  einer  Statuette  aus  pentelischem  Marmor, 
L.  0,08'". 

15.  Unterarm  einer  Statuette  aus  pentelischem  Marmor,  L. 
0,09'". 

16.  Elfenbeinstatuette,  H.  0,075'".  Aus  vielen  Stücken  wie- 
der zusammengeleimt.  Die  Rückseite  ist  nicht  bearbeitet,  die 
Oberschenkel  sind  stark  abgesplittert,  die  Unterschenkel  feh- 
len bis  auf  ein  Stück  des  linken. 

Stehender,  bartloser  Mann.  Der  Kopf  ist  etwas  nach  rechts 
vorn  geneigt,  die  Arme  sind  vor  der  Brust  gekreuzt.  Er  trägt 
einen  Kettenpanzer  (vgl.  Olympia  IV.  Die  Bronzen  Taf.  LX, 
N°98/i.  Antiquites  du  Bosphore  Cimme'rien  Taf.  27,  4-6. 
Compte-rendu  1876  Taf.  2,19)  darüber  einen  Chiton  und  ei- 
nen über  die  linke  Schulter  geworfenen  .Mantel.  Sorgfältige 
römische  Arbeit. 

17.  Folgende  Terrakotten  wurden  im  Innern  des  Bezirks 
sämtlich  nahe  dein  alten   Eingang  gefunden: 

a)  Archaische  thronende  Göttin  im  üblichen  Typus.  Lange 
Locken  fallen  auf  die  Schultern,  beide  Hände  ruhen  auf  den 
Obersehenkeln.   IL  O.HP. 

b)  Sitzende  Frau,  ganz  in  den  .Mantel  gehüllt,  die  R.  vor 
(\i'\-  Brust,  die  L.  im  Selmss.  Kopl  fehlt.  Reste  von  Weiss. 
IL  0,055m. 

c)  Sitzende  Frau  genau  desselben  Typus,  ebenfalls  ohne 
Kopf.  Reste  von  Weiss.  IL  0,055m. 

//)  Oberkörper  einer  stehenden  Frau  mit  Kind  auf  dem  1. 
Ann.  Die  Köpfe  fehlen.  Reste  von  Rosa.  H.  ll.llti.V". 


244  A.    KÖERTE 

e)  Torso  einer  stehenden  Frau  im  Mantel,  die  L.  in  die  Seite 
gestemmt.  Kopf  und  Unterschenkel  fehlen.  11.  0,01)'". 

/')  Weibliche  nackte  Puppe  mit  besonders  angesetzten  Ar- 
men. H.  0.10'". 

g)  Mädchenkopf  zum  Einsetzen  in  eine  Figur  bestimmt. 
Senkrecht  durchbohrt,  im  Haar  Spuren  von  Gelb.  H.  0,U4m. 

h)  Köpfchen  desselben  Typus, hinten  abgesplittert.  H.0,04"1. 

In  Schichten,  die  tiefer  lagen  als  die  alte  Thürschwelle, 
wurden  endlich  eine  Anzahl  Scherben  der  Dipylongattung  ge- 
funden. 

Die  Funde  beweisen  ,  dass  der  bescheidene  Bezirk  eine 
lange  Reihe  von  Jahren  Kultstätte  war.  Nach  den  archi- 
tektonischen Merkmalen1  darf  er  (nach  Dörpfeld)  'mit  ei- 
niger Wahrscheinlichkeit  noch  dem  sechsten  Jahrhundert  zu- 
geteilt werden";  mir  scheint  diese  Wahrscheinlichkeit  durch 
die  Terrakotten  (besonders  a)  noch  erhöht  zu  werden2.  Aus 
dem  vierten  Jahrhundert  haben  wir  sodann  die  Yotivreliefs 
(1-5,  10),  aus  jüngerer  Zeit  die  skulpirteu  Glieder  (6-8,  11, 
12),  und  dass  das  Heiligtum  auch  in  römischer  Zeit  noch 
Verehrung  «enoss,  lehren  der  Umbau  des  Einganges  und  Funde 
wie  die  Elfenbeinstatuette  (16). 

Wenn  ich  die  Adoranten-Heliefs  rund  in  das  vierte  Jahr- 
hundert und  die  skulpirten  Glieder  jünger  ansetze,  so  glaube 
ich  dazu  durch  die  Analogie  anderer  Heiligtümer  von  Heilfföt- 
tern  berechtigt  zu  sein.  Es  ist  längst  bemerkt  worden  (Koepp, 
Athen.  Mitth.  X  S.  263),  dass  die  ganze  Masse  der  Yotivre- 
liefs vom  Südabhang  der  Hing,  denen  sich  die  aus  den  Amphia- 
raien  in  Oropos  und  Rhamnus,  sowie  die  aus  unserm  Heiligtum 
stilistisch  vollkommen  anschliessen,  einem    \erhältnissmässig 


1  Xu  den  von  Dörpfeld  geltend  gemachten  Gründen  möchte  ich  noch  das 
Material  der  allen  Schwelle  hinzufügen,  es  i -.t  derselbe  weiche,  gelbliche 
Porös,  aus  dem  die  Wasserleitung  und  Teile  des  Brunnenhauses  der  Ennea- 
krunos  erbaut  sind  (vgl.  Athen.  Mitth.  XVII  8.  442  f.). 

-  lj,t-,>  die  aufgezählten  8  Stücke  im  Heiligtum  geweiht  waren,  ist  bei 
dem  geringen  Raum,  auf  den  verteil!  sie  gefunden  wurden,  nielit  zu  be- 
zweifeln. 


BEZIRK    EINES    HEILGOTTES  245 

kurzen  Zeitraum  entstammen.  Das  fast  plötzliche  Abbrechen 
einer  Klasse  von  Weihgeschenken,  die  sich  eine  gewisse  Zeit 
hindurch  so  grosser  Beliebtheit  erfreute,  Lässt  sich  nun  nicht 
etwa  aus  einem  raschen  Schwinden  der  Blüte  des  Heiligtums 
erklären — dem  widersprechen  die  inschriftlichen  Zeugnisse  — 
sondern  wir  müssen  die  Gründe  dafür  in  andern  Verhältnissen 
suchen.  Brückners  wichtiger  Nachweis  (Arch.  Anzeiger  1892 
S.  23),  dass  durch  Demetrios'  des  Phalereers  Grabgesetz  mit 
einem  Schlage  die  blühende  Grabreliefplastik  Attikas  vernichtet 
wurde,  erklärt  auch  das  plötzliche  Aufhören  der  Votivreliefs. 
Das  Verbot  der  Grabreliefs  unterband  eben  dem  gesamten  Be- 
triebe der  attischen  Reliefhandwerker  die  Lebensader,  diese 
ganze  Industrie  ging  offenbar  in  kurzer  Zeit  zu  Grunde  und  mit 
ihr  verschwanden  die  Votivreliefs.  Die  folgenden  Jahrhunderte 
beschränkten  sich  in  ihren  skulpirten  Weihgeschenken  auf 
die  mehr  oder  weniger  rohe  Wiedergabe  des  geheilten  Glie- 
des, und  diese  Art  Anatheme  scheint  besonders  in  römischer 
Zeit  sehr  beliebt  geworden  zu  sein  '. 

Wenn  wir  uns  nun  die  Frage  vorlegen,  wem  gelten  diese 
Weihuneen,  wer  ist  der  Herr  des  heiligen  Bezirks,  so  ist  die 
Antwort  darauf  nicht  so  leicht  zu  geben,  als  es  zunächst  den 
Anschein  hat.  Wol  besitzen  wir  eine  Weihinschrift  an  Askle- 
pios,  aber  sie  ist  spät  und  reicht  meines  Erachtens  nicht  aus, 
um  den  Gott  als  Inhaber  des  Heiligtums  für  frühere  Jahrhun- 
derte  zu  erweisen.  Wir  dürfen  weitergehen:  Asklepios  kann 
nicht  der  ursprüngliche  Herr  des  Bezirks  gewesen  sein, 
denn    er   ist   eist   in  den  letzten  Jahrzehnten  des  fünften  Jahr- 


'  Römisch  sind  die  sämtlichen  derartigen  Weibungen  an  Zeus  Hypsistos 
von  der  Pnyz  -  Terrasse  G.I.A.  II!  150-456,  ferner  die  aus  M  elos  Rxptdi- 
Hon  de  Marie  111  Tal.  29,2  vgl.  8.  47,1  G.  I.  A.  2429.  Annali  1829  8. 
(Lenormant),  1843  S.332  (Ross),  das  in  Woburn-Abbej  Arch.  Anzeiger  1864 
Taf.  .1  Fig.  l.  ein  Stück,  das  ich  in  Oropos  zu  sehen  Gelegenheit  hatte,  and 
die  meisten  aus  dem  athenischen  Asklepieion  0.1.  A-  III  132  g-h  ,p-r,  \\ul 
auch  Bybel  1058  und  i7:io.  Älter  sind  die  etwas  reicher  ausgestalteten  Ana- 
Lheme  des  Bukrates  in  Eleusis  i  "E?i||upl«  ipx-  1892  Taf.  5  8.  M3  ff.  Kern) 
und  des  Praxias  in  Athen  (Curtius,  Atlas  von  Alben  Bl  XI.  C.  f.  A.  11,4453), 
auch  C.  I-  i.  II.  1482. 


246 


A.    KOERTE 


liunderts  nach  Athen  gekommen.  Die  Einführung  des  Askle- 
pios-Kultes  in  Athen,  die  Koepp  (Athen.  Mitth.  X  S.  255) 
und  neuerdings  auch  Wilamowitz  {Commentariolum  gramm. 

IV  S.  55.  1)  mit  überzeugenden  Gründen  in  die  Zeil  des  pe- 
Loponnesischen  Krieges  setzen  (vgl.  auch  Wolters,  Athen. 
Mitth.  XVJ  S.  164,  2).  lässt  sich  nocli  genauer  bestimmen  als 

bisher  geschehen  ist.  Aristophanes  kennt  in  den  Wespen  (V. 
122)  noch  keinen  Asklepioskult  in  Athen,  aber  Sophokles 
feiert  den  Gott  noch  in  einem  Paian  ;  die  durch  diese  beiden 
Thatsachen  gegebenen  Jahre  't2'2  und  406  bildeten  bisher  die 
Grenzen,  innerhalb  deren  man  die  Einführung  des  Gottes  an- 
setzen musste1.  Nun  besitzen  wir.  wie  längst  bemerkt  worden 
ist,  einen  inschrif'tlichen  Bericht  über  die  Gründung  des  Askle- 
pieion  (Köhler  zu  C.  I.  A.  II,  1649,  Wilamowitz  a.  a.  0.); 
Telemachos  von  Acharnä  war  es,  der  den  Asklepios-Kult  in 
Athen  einführte,  und  er  war  nicht  wenig  stolz  auf  diese  Thal 
(s.  C.I.A.  II,  1442.  1443.  16-'iV.  1650).  Wenn  Köhler  an 
der  Wiederherstellung  der  wichtigen  Urkunde  C.I.A.  11.1649 
ganz  zu  verzweifeln  scheint,  so  hat  das  seinen  Grund  in  einer 
irrigen  Zusammensetzung  zweier  Fragmente,  die  den  Zustand 
der  Inschrift  viel  hoffnungsloser  erscheinen  lässt,  als  er  ist. 
Ich  wiederhole  hier  die  beiden  Fragmente  b  und  r  nach  Köh- 
ler's  Ausgabe,  unter  Weglassung  der  für  uns  unwichtigen  Ne- 
benseite (b  6): 


b 
E  Y  T 
T   =   $  Y 

lOYTOk 
■"OTOIYAOP 

nIAPOIEPITC 
EYA^OHTAI 


\  i  A  K  A  I  T 


1  Das  in  dieser  Frage  mehrfach  benutzte  Fragment  dos  Hermipp  (Kuck 
Fr.  73)  scheint  mir  nichts  für  einen  Asklepios-Kult  in  Athen  zu  beweisen, 
denn  seine  Genealogie  der  Asklepiosfamilie  weicht  von  der  athenischen  und 
epidaurischeu  ab. 


BEZIRK    EINES    HEILGOTTES 


247 


AITAAOIPA 
POSIAPY€A 
TOSEPI FOY 
HKAIkATES 

(AHOTEME 
AEITfilE^ 


EPfiN PPOS 
o  K  P  I  T  O  S  E  i 
C0YTEYSEKAI 
"i   H€EkO€MH£AS~ 
-I  O  ^APANTEAE 
^kAAAIA£< 
'PITOYT 
D  / 


Bei  einer  Revision  der  Steine  ergab  sich  mir  mit  Bestimmt- 
heit, dass  diese  scheinbar  so  vortrefflich  an  einander  an- 
schliessenden Fragmente  nicht  zu  einander  gehören.  Weder 
das  T  in  Z.  10  noch  das  N  in  Z.  1 1  lässt  sich  aus  den  auf  bei- 
den Steinen  erhaltenen  Besten  so  zusammenfügen  wie  es  im 
Corpus  geschehen  ist,  beide  Buchstaben  würden  um  die  Hälfte 
zu  breit  werden.  Der  eigentümliche  Zufall,  dass  c  dem  Sinne 
nach  so  gut  an  b  anpasst,  erklärt  sich  bei  genauerem  Zusehen 
sehr  einfach.  In  c  werden  dieselben  Dinge  fast  wörtlich 
wiederholt,  die  auch  in  b  berichtet  worden.  Die  letzten  Buch- 
staben jeder  Zeile  von  c  sind  identisch  mit  den  ersten  Buch- 
staben der  folgenden  Zeile  von  b.  es  kehren  wieder: 


f.. 

6-  7   AIT 

» 

7-  8  PO£ 

)) 

8-   9   TO€EI 

» 

9-10   EKAI   (HKAI  b) 

)) 

10-11    £AS 

» 

11-12   AE 

Streicht  man  in  der  köhler'schen  Ausgabe  diese  überein- 
stimmenden Buchstaben  in  c  einmal  fort,  so  schliessen  die 
ein/einen  Zeilen  an  einander  an,  und  ihre  Länge  lässt  sich  auf 
18  Buchstaben  bestimmen.  Wir  können  somit  b  teilweise  aus 
c  ergänzen  Z.  6  iw«ffx]«u&G8r  ~'xi a  x|al  tx  Xoixx  [töv(?) 

i]epcöv     7r|po<ji§p'jTa70    .  .  .  öy.prxo;    bei  to-j \  r\    y.x!.    xxts- 

BTYjai   y.oTy.r.  ix;  to   t£u.cvo;   xwav  ti|Xm   Ttö    i[Wr]o(?)    KxXkix;. 
Die  Wiederholung  war  nicht  genau  wörtlich,  das  beweisen 


A.    KOERTE 


die  Verschiebung  der  übereinstimmenden  Buchstaben  von 
Z.  6  und  7  i  in  c)  um  zwei  Stellen  nach  reclits  und  das  H  am 
Anfang  von  Z.  10  an  Stelle  des  nach  c  vorauszusetzenden  E. 
Der  Grund  für  die  ganze  Wiederholung  ist  mir  nicht  ersicht- 
lich, an  ihrem  Vorhandensein  jedoch  nicht  zu  zweifeln. 

Wertvoll  ist  nun,  dass  wir  aus  der  richtigen  Benutzung 
von  /;  und  c  auch  für  das  weitaus  wichtigste  Fragment  a  eine 
gesicherte  Zeilenlänge  von  18  Buchstaben  erhalten.  Dasselbe 
lautet  ' : 

i  < 
M  E  A  O  ü  I      A  E  O  o 
^ISTOISMET/ 
irETOESTOE/ 
5        MK\IOIKOOEf 
YAMENOSAIA 
\rENAEYPFE<t>'" 
T  H  A     I,  M  A  X  O  f  §  A  § 
aMAHAOENYT 
10        OYTd^lAPYOH 
HOAcAPANEPI 
AOAPXONTOaY 

a  p  i  r  a  €  e  n  i  t  o 

H  §  Y  K  E  £  H    M  0  E  £  B 

15        ftPIOkAIENIA 

-ANIOH^AIAN 

)YTOEY 
FPIT 


Versuchen  wir  nun  eine  Ergänzung  der  wichtigsten  Zeilen 
10  ff.  zu  18  Buchstaben,  so  ergiebt  sich  ohne  weiteres  die  Le- 
sung  outü);    iop-jOy)  [tÖ    Lspö]v  röSe  arcav   ext ao    apyovro;. 


1  Z.  4  schreibt  Köhler  I  P.  Ich  halte  den  scheinbaren  kürzeren  Schenkel 
des  P  für  eine  zufällige  Verletzung  des  Steins,  die  wagerechte  Linie  gebt 
über  seinen  Ansatz  deutlich  hinaas,  der  Buchstabe  war  also  wol  r  nicht  P; 
die  senkrechte  Haste  vor  dein  r  steht  nicht  über  der  Mitte  sundern  über 
dem  r.  Schenkel  des  n  in  Z.  5,  ist  somit  kein  I  sundern  Rest  eines  N  oder  H. 


BEZIRK  EINES   HEILGOTTES  249 

Wer  war  der  genannte  Archon,  dessen  Name  auf-Xo$  endict? 
Im  Jahre  442  haben  wir  den  Archon  Diphilos,  aber  dieses  Jahr 
ist  viel  zu  früh,  auch  passt  die  Buclistabenzahl  des  Namens 
nicht,  381  linden  wir  Demophilos  als  Archon,  doch  dies  Jahr 
ist  unbedingt  zu  spät,  in  den  60  dazwischen  liegenden  Jahren 
begegnet  uns  nur  ein  Archon  auf  -Xo:,  das  ist  der  von  420, 
Astyphilos.  Hier  passen  Namenlänge  und  Jahr  gleich  vor- 
züglich und  wir  dürfen  es  daher  als  eine  gesicherte  Thatsache 
hinstellen,  dass  4  20  unter  dem  Archon  Astyphilos  das  athe- 
nische Asklepieion  gegründet  worden  ist. 

Ich  bedaure  lebhaft,  die  übrigen  Zeilen  der  Inschrift  nicht 
mit  gleicher  Sicherheit  herstellen  zu  können. 

Z.  4-5  ist  Girards Vorschlag  (L'Asclepieion  dAthenes  S. 
130)  £?  tö  'EX[£uutviov  wol  möglich, 

Z.  5  I.  halte  ich  oi'/.oOs^v  (xeT*7cspi,]<j/&pievo5  für  sicher, 

Z.  7  ist  mit  Köhler  zu  lesen  -rjy]ay6v  Seöpe,  und  dann  wird 
vielleicht  Z.  8  des  Telemachos  Name  im  Nominativ  als  Sub- 
ject  zu  ergänzen  sein.  Aber  dazwischen  klaffen  Lücken,  de- 
ren Ausfüllung  mir  bisher  nicht  geglückt  ist. 

Sicher  glaube  ich  dagegen  noch  Z.  9  ergänzen  zu  können 
%a  yjXößv  Tyfieia  /.ai . . .  Wer  anders  soll  mit  dem  'aus  seiner 
Heimat  geholten'  Gotte  gleichzeitig  gekommen  sein  als  die  Göt- 
tin, deren  beide  ersten  Buchstaben  ja  auf  dem  Steine  stehen? 

Wir  haben  also  als  festen  Kern  der  Inschrift  den  Satz :  aua 
tjXOsv  Yyisia  &ai  outoj;  iSpuöv}  to  ispov  tö§£  3t7:av  i-\  'AcrucpiXou 
ap^ovTO? '. 

Hygieia  kam  gleichzeitig  mit  Asklepios  nach  Athen,  da- 
rin behält  Thrämer  (Roscher's  Lexikon  1  S.  2773)  gegen  koepp 
(Athen.  Mitth.  X  S.256IT.),  Wilamowitz  (Isyllos  S.  192  f.) 
und  neuerdings  Blinkenberg  (Asklepios  oghans  Fraender 
i  Hieron  ved Epidauros  S.  78)  Recht,  aber  sie  kam  nicht 
aus  Epidauros,  das  lehrt  schon  unsere  Inschrift,  wo  ihre  Ein- 
führung deutlich  von  der  des  Asklepios  aus  Epidauros  (oko8«v) 


K  In  den  folgenden  /.eilen  isl  nur  verständlich  14  o;  x]if[p]uxcc  rju»so6fi(-nj- 

aav  xJwpiou  (s.  Wilaiuuwilz  >t.  a.  (.).). 


250  A.    KOERTE 

geschieden  ist.  Überall  wo  wir  die  epidaurische  Asklepiosfa- 
milie  vereinigt  finden,  fehlt  in  älterer  /eil  Hygieia1.  So  er- 
hallen in  der  Anfangs  des  vierten  Jahrhunderts  geschriebenen 
Opfervorschrifl  aus  dein  munichischen  Asklepieion  C.I.A.  II, 
1651  laso,  Akeso  und  Panakeia  ihre  -ö--/va  zugewiesen,  Hy- 
gieia dagegen  wird  nicht  genannt2.  Ebensowenig  finden  wir 
sie  auf  dem  von  Ziehen  veröffentlichten  Relief  des  athenischen 
Asklepieion,  das  die  Asklepiosfamilie  besonders  vollständig 
und  mit  den  Namensbeischriflen  Epione,  Akeso,  laso  und 
Panakeia  (Athen.  Mitth.  XVII  S.  243  Fig.  7)  bietet.  Als  Hy- 
gieia aus  dem  Peloponnes.  wo  z.  B.  in  Titane  ihr  Kult  offen- 
bar alt  ist  (Paus.  II  II,  (i  und  VII  23.8),  nach  Athen  kam 
und  mit  Asklepios  gemeinsam  das  Heiligtum  am  Südabhang 
der  Bure  bezos;,   da  stand  sie  neben  der  epidaurischen  Fami- 

CO7  l 

lie  des  Gottes  zunächst  als  eine  Fremde,  sie  war  weder  Gattin 
noch  Tochter  des  epidaurischen  Asklepios  :}.  So  konnten  sie 
Ariphron  (Athen.  XV  p.  702)  und  Likymnios  ( Sextus  Emp. 
XI  49)  als  -czißLizy.  [/.ay.äpojv  und  als  'X'.7rap6;j.a3CT£  aoexio  an- 
rufen, so  erklärt  sich  auch  das  Schwanken  der  Voti\reliel's 
zwischen  dem  matronalen  und  dem  jugendlichen  Typus  Ganz 
allmählich  wird  ihr  Verhältnis  zu  Asklepios  als  ein  töchter- 
liehes  fixirt  und  noch  in  dem  späten  Paian  des  Makedon  ist 
sie  nicht  völlig  mit  den  andern  Asklepiostöchtern  verschmolzen 
.    {C.  1.  A.  III  171  b). 


1  Es  ist  Tbrämer  a.  a.  0.  S.  2774  nicht  gelungen,  einen  Kuli  der  Hygieia 
in  Epidauros  für  die  ältere  Zeit  nachzuweisen  (vgl.  Blinkenberg  a.  a.  '  >. 
S.  79  f.).  Die  älteste  Weibung  an  Hygieia, die  wir  in  Epidauros  haben  (Cav- 
\;idi;is,  Fouilles  d'ßpidaure  1  Nr.  250),  stammt  etwa  aus  dem  Jahr  200  v.  Chr. 
die  Benennung  der  Göttin  auf  den  epidaurischen  Münzen  (s.  Im'-.  Lambros, 
No;i'^aara  -f,;  'Ajj.opyoj  Nr.  28)  ist  ganz  willkürlich,  ebenso  gut  kann  hier 
Epione  dargestellt  sein. 

-'  Darum  nennt  sie  auch  Arisiophanes  im  Plutos  nicht,  dessen  Heilungs- 
scene  633  IV.  eben  im  munichischen  Heiligtum  spielt. 

3  Dass  sie  in  Titane  und  anderen  Orten  ursprünglich  üatti  Q  des  Askle- 
pios  war,  halte  ich  nicht  für  ausgeschlossen  (s.  z  I'..  die  schwer  verständ- 
liche Stelle  Paus.  VII  23,  7),  auch  ihre  ältesten  Darstellungen  /  B.  im 
Weihgeschenk  des  Smikytbos  zu  Olympia  (Paus.  V26, 2)  könnten  sehr  wo1 
malronal  gewesen  > « •  i  i  > . 


BEZIRK   EINES   HEILGOTTES  251 

Nach  dieser  Abschweifung  kehre  ich  zu  unserem  heili- 
gen Bezirk  zurück.  Da  Asklepios  im  Jahre  420  nach  Athen 
gekommen  ist,  kann  das  Heiligtum  nicht  für  ihn  zuerst  an- 
gelegt sein,  denn  es  ist  zweifellos  älter.  Es  fragt  sich  also 
nur,  wann  hat  Asklepios  einen  älteren  Gott  oder  Heros  hier 
verdrängt,  hez.  hat  er  ihn  jemals  ganz  verdrängt1?  Die  Wahr- 
scheinlichkeit, dass  man  den  epidaurischen  Gott  bald  nach 
Errichtung  seines  grossen  glänzenden  Heiligtums  am  Südab- 
hang  der  Burg  in  einen  zweiten,  jenem  so  nahe  gelegenen 
Bezirk  eingesetzt  habe,  ist  nicht  sehr  "ross.  Das  £>anze  Alter- 
tum  hindurch  kennen  Schriftsteller  und  Inschriften  nur  ein 
Asklepieion  in  Athen  (siehe  die  Zeugnisse  bei  Curtius,  Stadt- 
geschichte S.  XVllj,  zum  Unterschiede  von  dem  munichi- 
schen  (s.  AiVrtov  1888  S.  132  ff.  vgl.  Bull,  de  corr.  hell. 
XIV  S.  6'i9)  tö  iv  x<jT£i  genannt,  und  wir  werden  nicht  ohne 
unbedingt  zwingende  Gründe  für  die  klassische  Zeit  ein  zwei- 
tes annehmen.  Wir  wissen  freilich,  dass  Demon  des  Demo- 
meles  Sohn,  der  Vetter  des  Hedners  Demosthenes,  um  die 
Mitte  des  vierten  Jahrhunderts  Haus  und  Garten  dem  Askle- 
pios weiht  und  sein  Priester  wird  (C.  1.  A.  II  1654),  aber 
diese  Weihung  kann  —  wenn  sich  aus  ihr  überhaupt  ein  be- 
sonderes Heiligtum  entwickelt  hat  —  keinesfalls  identisch  sein 
mit  unserem  heiligen  Bezirk,  der  eben  als  Heiligtum  be- 
trächtlich älter  ist.  Neben  den  bereits  erwähnten  Terrakotten 
beweist  schon  das  völlige  Fehlen  alter  Innenmauern,  dass  hier 
nicht  etwa  ein  altes  Privathaus  später  in  ein  tejxevo?  verwan- 
delt ist. 

Nun  könnte  man  glauben,  in  den  Reliefs  1  und  2  einen 
zwingenden  Beweis  für  das  Alter  des  Asklepioskultes  in  un- 
serem Bezirk  zu  besitzen.  Wir  sehen  einen  Mann  mit  dem 
Köpft vpus   des  Asklepios  auf  dem  einen,   sehen   Hvgieia  auf 


1  Die  eine  Weihung  an  Asklepios  beweist  noch  nicht  eine  völlige  Ver- 
drängung, auch  in  das  Heiligtum  eines  verwandten  Gottes  konnte  einmal 
eine  Weihegabe  für  den  Heilgott  y.o.-.  l;o/r^  gestiftet  werden,  itimal  in  jün- 
gerer Zeil. 


552  A.    KOERTE 

dem  andern  Relief,  da  liegt  der  Schluss  sehr  nahe,  dass  diese 
Reliefs  Weibgeschenke  an  Asklepios  seihst  sind,  der  Gott  also 
schon  im  vierten  Jahrhundert  von  dem  Temenos  Besitz  erijrif'- 
i'en  hat.  Der  Schluss  lieel  nahe,  aber  er  ist  nicht  zulässig,  wie 
eine  Betrachtuns  der  bildlichen  Tradition  lehrt. 

Asklepios  war  nicht  der  älteste  Heilgott,  den  die  attische 
Kunst  darzustellen  unternahm.  Erheblich  älter  als  alle  atti- 
schen Asklepiosbilder  und  Heiligtümer,  von  denen  wir  wis- 
sen ',  ist  das  kleine  Amphiareion  in  Rhamnus,  dessen  Aus- 
grabung der  griechischen  archäologischen  Gesellschaft  ver- 
dankt wird.  Hier  sind  nun  zwei  kleine  Köpfe  des  Gottes  ge- 
funden worden,  die  Staus  (AsXxiov  1891  S.  117  Nr.  19  und  20) 
kurz  beschrieben  hat.  Der  eine  (Nr.  19)  weniger  gut  erhal- 
tene, ist  noch  völlig  archaisch,  wol  aus  dem  Ende  des  sechs- 
ten Jahrhunderts,  er  erinnert  in  der  Bildung  von  Haar  und 
Bart  an  altertümliche  Zeusköpfe,  der  andere  (Nr.  20),  un- 
gleich schöner  und  besser  erhalten,  ist  gewiss  nicht  jünger 
als  430.  Das  volle  Haar  füllt  lang  und  schlicht  in  den  Nacken, 
von  den  Schläfen  ist  es  in  zwei  mächtigen  Wellen  nach  hin- 
ten zurücko;estrichen.  weich  bangt  der  Schnurrhart  auf  den 
kräftigen,  leicht  gelockten  Vollbart  herab,  die  grossen  Augen 
sind  noch  ein  wenig  streng  gebildet,  der  ganze  Kopf  hat  trotz 
seiner  Kleinheit  etwas  Majestätisches.  Hier  ist  offenbar  ein  be- 
sonderer Typus  für  den  Heilgott  noch  nicht  gefunden,  der 
Zeustypus  ist  einfach  auf  ihn  übertragen2.  Zur  Zeit  als  man 
den  epidaurischen  Gott  in  Athen  einführte,  schufen  dann  die 
Künstler  des  phidiasischen  Kreises  —  am  liebsten  wird  man 
an   Alkamenes  denken :!  (vgl.  Overbeck,   Gesch.  der  griech. 


•  Um  vod  dem  jugendlichen  unbär Ligen  Asklepios  das  Kaiamis  in  Sikyon 
(I'aus  II  10,  3)  abzusehen,  der  nicht  genau  zu  daliren  isl  und  aufdieKunsl 
der  Folgezeit  offenbar  uichl  eingewirkt  hat. 

2  Ich  möchte  glauben,  dass  in  wenigen  erhaltenen. Köpfen  so  viel  von  dem 
Zeus  des  Pbidias  steckt,  wir  in  dem  kleinen  rhamnuntiseben  Köpfchen. 

;  Ein  Asklepios  des  Alk. nes  isl  nicht  Für  Athen,  aber  Für  Mantinea 

bezeugl  (Paus.  VIII  9,1).  Der  stehende  Asklepios  auf  späten  Münzen  von 
Mantinea  Is.  Catalogue  of  the  Greek  coins  in  the  British  Museum.  Peloponne- 
sus  Taf.  XXXV,  9)  gebt  \\ul  auf  dies  Bild  zurück.  Von  Kolotes  kennen  wi 


BEZIRK    EINES    HEILGOTTES  253 

Plastik  4  I  S.  379  und  vor  allem  Reisch,  Eranos  Vindobo- 
nensis  S.  21  f.)  —  für  ihn  jenes  Ideal,  das  ein  ins  Milde, 
rein  Menschliche  herabgestimmtes  Zeusideal  isl '  (  Brunn,  Göt- 
terideale S.  96  ff.).  In  den  beiden  Typen  des  thronenden  und 
des  auf  seinen  Stab  gelehnt  stehenden  Gottes  beherrscht  dies 
Ideal  die  attischen  Asklepiosreliefs  des  vierten  Jahrhunderts 
unbedingt,  aber  es  ist  nicht  für  Askiepios  allein  verwendet 
worden.  Ohne  die  leiseste  Veränderung  werden  die  beiden 
Typen  des  Askiepios  auf  Amphiaraos  übertragen,  für  den  sich 
ein  eigener  Typus  überhaupt  nicht  entwickelt.  Den  bald  ste- 
henden, bald  thronenden  Gott  auf  den  Reliefs  aus  Oropos  (vgl. 
Berliner  philol.  Wochenschrift  1888  S.  259),  aus  Rhamnus 
(AeVriov  1891  S.  1  17  Nr.  18  und  23),  aus  Athen  (AfVriov  1891 
S.  89  Nr.  23)  würde  man  ohne  Renntniss  des  Fundortes  bez. 
der  Inschriften  unbedingt  für  Askiepios  halten  müssen.  Ja 
noch  mehr,  die  attischen  Handwerker,  welche  gewohnt  waren 
neben  dem  Askiepios  die  Hygieia  darzustellen,  gesellen  die 
Göttin  auch  dem  böotischen  Heros  zu,  den  sie  ihrem  Askie- 
pios gleichsetzen,  obwol  Amphiaraos  von  Haus  aus  nicht  das 
Geringste  mit  Hygieia  zu  thun  hat2.  Kaum  würden  wir  es 
wagen,  die  Göttin  auf  den  angeführten  Reliefs  Hygieia  zu 
nennen,  wäre  ihr  nicht  einmal  (AiVriov  1891  S.  89  Nr.  23) 
der  Name  beigeschrieben.  Es  ist  das  ein  höchst  merkwürdiges 


zwei  Darstellungen  des  Gottes,  eine  Goldelfenbeinstatue  in  Kyllene  (Strabo 
VIII,  337 )  und  ein  Relief  au  der  xpineZa  in  ( »lympia  ( Paus  V  20,  I). 

Amelungs  Versuch  ein  zweites  Asklepios-Ideal  des  ausgebenden  5. 
Jahrhunderts  nachzuweisen  [Florentiner  Antiken  S.  39  ff.)  scheint  mir 
ii iolit  geglückt.  Der  schöne  von  ihm  veröffentlichte  Kopf  ist  wol  eher  ein 
ideales  Dichterporträl  als  der  Heilgolt. 

-  Dass  sie  in  Pausanias'  Zeil  zusammen  mit  Aphrodite,  Panakeia,  [aso 
und  Atbena  Paionia  ein  Fünftel  des  grossen  Ampbiaraos-Allars  in  Oropoa 
inne  hatte  (Paus.  I  34,  3i,  beweist  natürlich  nichts  für  eine  alte  Verbin- 
dung mit  dem  Gott.  Auf  diesem  Altar  sind  alle  Gottheiten  vereinigt,  die 
sich  m i i  Heilkunst  und  mit  Oropos  nur  irgend  in  Beziehung  bringen  Hes- 
sen. Seine  späte  Entstehung  wird  durch  die  Reste  älterer  Aliare  unter  sei- 
nen Fundamenten  erwiesen  (s.  flpaxtutä  1884  S.  92  Tu.  B,  Dörpfeld).  Wo 
Hygieia  alten  Kult  hat,  wie  in  Titane  'Paus.  II  11,6.  VII  23,8),  isl  sie 
n  u  r  mit  Askiepios  verbunden. 


254  A.    KOERfE 

Beispiel  von  dem  mächtigen  Einfluss,  welchen  die  Kunst  mit 
ihren  Typen  auf  die  Kulte  ausübt.  Hygieia  kam  nach  Oropos 
und  Bhamnus  nur,  weil  der  athenische  Steinmetz  neben  dem 
Heilgott  auch  die  hülfreiche  Göttin  anbringen  wollte,  die  er 
mit  ihm  zu  verbinden  gewohnt  war.  In  Oropos  scheint  sie  in 
der  That  allmählich  ein  ähnliches,  wenn  auch  loseres,  Ver- 
hältniss  zu  Amphiaraos  eingegangen  zu  sein,  wie  sie  es  in 
Athen  zu  Asklepios  hat.  wir  sehen  wenigstens,  dass  im  ersten 
Jahrhundert  v.  Chr.  der  Demos  der  Oropier  Statuen  der  Me- 
tella, Sullas  Gattin,  und  eines  Lentulus  'Aaoiapaw  xxl  Tyieia 
weiht  (  'E?Y)«xEpU  apx-  1885  S.  102  Nr.  4.  S.  106  Nr.  6, vgl. 
1891  S.  1371)- 

Es  giebt  noch  ein  zweites  Beispiel  für  die  Zähigkeit,  mit 
der  die  attischen  Steinmetzen  an  den  für  Asklepios  einmal  aus- 
gebildeten Relieft)  pen  gegenüber  verwandten  Gottheiten  festhal- 
ten, das  ist  das  schöne  Relief  aus  Luku, welches  Lüders  veröf- 
fentlicht hat  {Annali  1873  S.IHff.Taf.  M.  N.  SybelNr.  319). 
Bei  dem  heutigen  Kloster  Luku  hatte  Polemokrates,  nach  Pau- 
sanias  1138,6  ein  Enkel  des  Asklepios,  ein  Heiligtum  (vgl. 
Lolling  in  Iwan  Müller's  Handbuch  III  S.  166),  aus  dem  das 
erwähnte  Belief  und  noch  ein  anderes 2  ( Sybel  357,schlecht  ab- 
gebildet Expedition  de  More'e  III  Taf.  90)  offenbar  stammen; 
beide  sind  nach  Material  und  Stil  zweifellos  attisch.  Hier  hat 
nun  nicht  Polemokrates  den  Typus  des  Asklepios  angenom- 
men, sondern  der  Bildhauer  hat  einfach  den  Asklepios  mit 
zahlreicher  Familie  dargestellt,  und  es  dem  Belieben  des  Be- 
stellers überlassen,  welchen  von  den  beiden  Jünglingen  hinter 
Asklepios  er  für  Polemokrates  halten  wollte.  Der  Heros,  dem 
die  Weihung  doch  voraussichtlich  galt,  ist  also  in  seinem  ei- 
genen Heiligtum  als  eine  Nebenperson  neben  dem  attischen 
Gott  dargestellt.  Daneben  bietel  sieb  freilich  die  Möglichkeit. 
das  Belief  als  eine  Weihung  an  Asklepios  selbst  aufzufassen; 
dann   wurde  es   in  dein  Heiligtum  des  Polemokrates  dieselbe 


"  Vgl.  auch  C.  I.  Grmc.  Sept,  412  und  Alben.  Milth.  XII  S.  318  Nr.  418 
8  Auf  diesem  sind  nur  die  Deilikanten  erhalten« 


ÖE21RK    EINES    HEILGOTTES  255 

Stellung  einnehmen,  wie  vielleicht  die  Weihung  der  Hedeia 
in  unserem  athenischen  Temenos. 

Für  unser  Heiligtum  ist  die  Analogie  der  Amphiaraos-Re- 
lief's  besonders  wichtig.  Dem  Amphiaraos  wird  in  Rhamnus 
im  dritten  Jahrhundert  der  Heros  Aristomachos  gleich  gesetzt; 
'IepoxV?i?  'h'ctovo;  'Ao^tou-z/w  'Ap^upacp  lautet  die  Inschrift  an 
der  Basis  seines  Kulthildes  (AsXtiov  1891  S.  110  Nr.  14.  Lol- 
ling,  'AÖTjva  III  S.  597,1).  Aristomachos  ^ird  wieder  in  Ma- 
rathon mit  dem  Heros  latros  identificirt '  (  Bekker.  Anecdota 
I  S.  262,16),  und  für  letzteren  hat  neuerdings  Kern  ( 'Eor,- 
aepi«;  äp/.  1892  S.  115 ff. )  eleusinischen  Ursprung  wahrschein- 
lich gemacht.  Man  sieht  also,  die  attischen  Heilheroen  haben 
eine  sehr  enge  Verwandtschaft  untereinander  trotz  ihrer  ver- 
schiedenen Herkunft,  und  es  können  die  Typen  der  Askle- 
pios-Keliefs  ebenso  gut  wie  auf  Amphiaraos  auch  auf  jeden 
andern  Heilheros  übertragen  worden  sein  2.  Somit  lässt  sich 
aus  unsern  Reliefs  Nr.  !  und  2  schlechterdings  nicht  erken- 
nen, welchem  Gott  oder  Heros  sie  geweiht  sind.  Vielleicht 
spricht  aber  der  Kantharos  des  Reliefs  Nr.  2  dafür,  dass  in 
der  That  ein  Heros,  nicht  Asklepios  dargestellt  war. 

Von  den  uns  bekannten  athenischen  Heilheroen  können  zwei 
für  unsern  Bezirk  nicht  in  Frage  kommen,  weil  ihre  Hei- 
ligtümer an  andern  Stellen  der  Stadt  fi.virt  sind.  Für  den  He- 
ros  latros,  an  den  man  hier,  in  der  Nachbarschaft  des  Eleu- 
sinion,  wegen  seiner  Beziehungen  zu  Eleusis  |  'E<p7i(xepi?  xpy. 
1890  S.  117  f.  1892  S.  115)  besonders  gern  denken  würde, 
ist  die  Lage  im  Norden  der  Stadt  gesichert,  da  wo  jetzt  die 
Boreasstrasse  mit  der  Athenaslrasse  zusammentrifft.  Dort  sind 
zwei  grosse  aufsein  Heiligtum  bezügliche  Inschriftblöcke  ge- 
funden worden  (6'.  /.  A.  II  41)3  und  i04),  und  auch  die  lit- 
terarischen  Zeugnisse  [s.  Curtius, Stadtgeschichte  S.  L)  wei- 
sen dorthin.  Amphiaraos  ferner,    dessen  Kult  in  Athen  durch 


1  Irrtümlich  giebt  Lolling  a.  a.  Ö.  au,  ilas*  auch  der  rhamnuntische  Am- 
phiaraos den  Beinamen  Heros  latros  führe. 

-'  Für  Trophonios  ist  durch  Pausanias  (IX  ;>'.». o  uml  i)  ausdrücklich  be- 
zeugt, dass  Praxiteles  ihn  im-Asklepiostypus  bildete. 


256  A.    KOERTE,      BEZIRK   EINES    HEILGOTTES 

die  eben  erwähnten  Reliefs  und  die  Sakralgesetze  des  Lykurg 
(C.  I.  A.  II  162  Z.  21.  Add.  S.411)  bezeugt  ist4,  hatte  nach 
Pausanias  18,2  nahe  bei  den  Eponymen  eine  Statue.  Dass 
er  in  derselben  Gegend  einen  von  Pausanias  nicht  erwähnten 
Bezirk  besass,  lehren  die  Reliefs,  welche  bei  der  Verlänge- 
rung der  Piräusbahn  in  der  Nähe  des  Theseion  gefunden 
w  urden. 

Sonst  kennen  wir  von  athenischen  lleilheroen  noch  Alkon2, 
dessen  Priestertum  Sophokles  bekleidete,  dessen  Kult  also 
älter  war  als  der  des  Asklepios.  Es  ist  sehr  wol  möglich,  dass 
gerade  er  der  alte  Inhaber  unseres  Bezirks  gewesen  ist:!. 

Wir  müssen  es  also,  meiner  Ansicht  nach, vorläufig  unent- 
schieden lassen,  ob  hier  im  Westen  der  Burg  unter  Benutzung 
eines  älteren  Bezirks  ein  zweites  Asklepieion  entstand,  oder  ob 
dies  Heiligtum  noch  im  vierten  Jahrhundert  einem  andern 
Heros  gehörte,  neben  dem  in  späterer  Zeit  auch  Asklepios 
verehrt  wurde.  Es  ist  wol  zu  hoffen,  dass  neue  Ausgrabungen 
diese  Frage  entscheiden  werden. 

Athen. 

ALFRED  KÖRTE. 


1  Wann  sein  Kuli  in  Athen  eingeführt  ist,  lässt  sich  nicht  genau  ermit- 
teln. Das  genannte  Sakralgesetz  nennt  ihn  vor  Asklepios  —  y.a.\  x&  'A^iapaoj 
xai  t<;>  'Azy.lr^.M —  woraus  man  auf  höheres  Aller  seines  Kultes  schliessen 
möchte.  Dagegen  spricht  aber  wol  der  I  instand,  dass  Aristopbanes  in  dein 
415  aufgeführten  Ampbiaraos seinen  Kianken  noch  nach  Oropos  zuschicken 
scheint.  Ich  möchte  das  besonders  aus  dem  äxpaicpv^  uBcup  (Fr.  32  Kock)  fol- 
gern, denn  die  <iüte  und  Kalte  der  Quelle  in  Oropos,  die  ja  noch  jetzt  je- 
den Besucher  des  schonen  Waldthals  erquickt,  wird  im  Altertum  gerade 
mehrfach  gerühmt  iXenophon  Mem.  III  13,3,  Athen.  II  p.  46c). 

-  I  in  von Toxaris  abzusehen;    s.  Sybel  Hermes  XX  iS.  41  ff. 

:;  Sybel's  Versuch,  Alkon  an  dem  Südabhang  der  Burg  als  Vorgänger  des 
Asklepios  anzusetzen  (Athen.  Millh.  X  6.  117),  ist  durch  Wilamowitz, 
[syllos  S.  189  ff.  widerlegt. 


INSCHRIFTEN  AUS  THASOS 


Die  folgenden  Inschriften  bilden  die  kleine  epigraphische 
Ausbeute  einer  Heise,  die  ich  im  August  vorigen  Jahres  nach 
Thasos  unternommen  habe.  Sie  stammen  sämtlich  aus  Lime- 
nas,  dem  Haupthafen  der  Insel.  Hier  habe  ich  auch  im  Wein- 
garten des  Arztes  Dimitriadis  nördlich  von  dem  \on  Bent  auf- 
gedeckten Theater  die  im  Journal  of  Hellenla  studies  VI II 
(1887)  S.  417  Nr.  19  publicirte  Weihinschrift  für  Nemesis 
wiederaufgefunden.  Im  Journal  steht :  Front  Thasos:  but  the 
locality  is  not  specified.  Perhaps  from  the  temple  at 
Aliki?  Herr  Dimitriadis  bemerkte  ausdrücklich,  dass  sie  in 
seinem  Weingarten  gefunden  sei.  Über  die  Lage  von  Haliki. 
das  ich  auch  besucht  habe,  leider  ohne  einen  genügenden 
Eindruck  über  den  von  Bent  ausgegrabenen  Tempel  gewin- 
nen  zu  können,  vgl.  Conze,  Heise  auf  den  Inseln  des  thraki- 
schcn  Meeres  S.  30.  Die  späte  Weihinschrift  des  Euhemeros 
steht  auf  einer  1,90  hohen,  0/28  breiten.  0.30  tiefen  Votiv- 
stele  unter  einer  0,45  hohen  Nische,  in  der  das  Weihgeschenk 
für  Nemesis  einstmals  stand  '.  Nirgends  wird  jetzt  wol  weni- 
ger für  die  Erhaltung  der  antiken  Denkmäler  gethan  als  auf 
Thasos.  Herr  Christidis  in  Panagia,  ^v  schon  Conze  und  Mil- 
ler auf  ihren  Fahrten  begleitet  hat.  und  dem  so  mancher  schöne 
Fund  verdankt  wird,   ist  alt  geworden  und  kann  nicht  mehr 

mit   derselben    Sorgfall    über   die    im    Liinenas   fast   täglich  zu 

Tage  kommenden  Antiken  wachen  wie  in  jungen  Tagen.  Zwei 
schöne  Totenmahlreliefs  des  vierten  Jahrhunderts,  viele  Mar- 
morköpfe und  viele  antike  Werkstücke  und  sonstige  Frag- 
mente  sah    ich  in    den    Häusern    des    Limenas   verbaut,    aber 


1  Eine  e weile  Weibung  an  Nemesis  Journal  a.  a.  < ».  Nr.  1^  from  weslern 
galt  "l  Thasos. 

ATHEN.    MITTHEILUNGEN    XVIII.  18 


•258  0.  KiMiN 

meist  so  verschmiert,  dass  sie  kaum  mehr  kenntlich  sind. Wie 
anders  auf  der  Nachbarinsel  Samotbrake,  wo  Herr  Phardys 
mit  unermüdlichem  Eifer  und  Geschick  für  die  Erhaltung  der 
Altertümer  Sorge  trägt!  Vielleicht  erstellt  in  meinem  freund- 
lichen Führer  Herrn  Apotheker  Pnlidis  ein  neuer  Conservator 
der  thasischen  Altertümer. 

1 .  In  der  Treppe  der  Apotheke  (nicht  weit  vom  Konak)  als 
Stufe  vermauert  ein  0,62  hoher,  0.78  breiter,  0,27 dicker  Mar- 
morblock. Die  Vorderseite  und  die  linke  Schmalseite  tragen 
Inschriften.  Reinach  giebt  beide  Inschriften  nach  Abschriften 
des  Herrn  Ghristidis  Revue  archeologique  XV  (1890)  S.  282 
Nr.  I  und  IV,  die  aber  in  wesentlichen  Punkten  zu  berichti- 
gen sind. 

A.    Vorderseite. 


HPAlf/lj  2Ml1I 

MO    YÄÜIOIM'IIAAA^ 
TT  Y  O  I  n  N 
frei 

Xbetoyiiäio^attoäAinapioz 

r-  T  I  T  I  N  N  '  r  y  M  I  K  K  O  Z 

XAPHIAI  %  F  M  I  A  O  P  O  Y 
ZftZIMOZrriONlAOY 
AI02K0P02Za2     I     K 
'PÜAhCZAMOY 
frei 
ISIMOSSEPATTIftNO 
MAH"AONI*0*ApT 

Die  Buchstaben  der  drei  oberen  und  der  beiden  letzten  Rei- 
hen sind  kleiner  (0,025  hoch)  als  die  der  mittleren  (0,04). 
Die  Schrift  ist  spät  und  unregelmässig.  Das  E  zeigt  neben  der 
gewöhnlichen  Form  wie  auch  sonst  auf  Thasos  die  Form  2-, 
das  2!  ist  regelmässig  gebildet1. 


1  Vgl.  Conze,  Reise  auf  den  Inseln  des  tlirakischen  Meeres  S.  18.  Auf  der 
von  Cunze  mitgeteilten  Inschrift  hat  das  X  die  Form  i. 


INSCHRIFTEN  AUS  THASOS  259 

Der  Stein  tragt  zwei  Namenslisten  : 

Ä. 

1 .  'HpdbtX[ei*ro]s  M£«j[tou] 

2.  M.  Ouawio«  Me<y<x4tAa< 

3.  HoOiwv 

frei 

4.  'ASeTO'jvSio?  'ATroAXivip'.o; 

5.  F.  Titivvios  Müxoc 

6.  Xapns  'Ap^Tjeu.i&copo'j 

7.  ZtoTiixo?  repovtSou 

8.  AtÖTx.opoi;  Zojiiu[ou] 

9.  "IIpo>Svj?  2ct|A0u 

frei 

10.  ZwctpLo;  Sepaictwvo^] 

11.  MaKeSoviKO;   'ApxfepuSüpou  ?] 

Zeile  1.  fehlt  auf  Christidis'  Abschrift.  Der  Name  MeVro; 
ist  bezeugt  z.  B.  C.  LG.  III  5638. 

Zeile  4.  'A^etoovSio?  glaube  ich  zu  lesen.  Reinach  hat  'A£e- 

TOUYJotO(. 

Zeile  5.  Reinach:  ETTITINNI02.  Mixo«:  Bechtel,  Ab- 
handlungen der  göttingischen  Gesellschaft  der  Wissenschaften 
XXXII  (1885)  S.  14  Nr.  8. 

Zeile  6.  Reinach  :  TspoviSou. 

Zeile  9.  Reinach  giebt  hinter  Sdjiou  noch  die  Buchstaben 
OMO,  die  ich  auf  dem  Stein  nicht  gelesen  habe.  Er  fügt  hin- 
zu  :  les  lettres,  que  je  ne  comprends  pas,  sont  plus  pelites 
que  les  autres. 

Zeile  10.  Reinach:  ZEPATTIOY. 

Zeile  11.  fehlt  bei  Reinach. 

B.    Linke  Schmalseite1 . 

1.  H    P   O   A   O 

2.  H  P  O  A  O  T  O 


i  Reinach  giebt  dies  Namensverzeichniss  a.  a.  <>.  8.  283  Nr.  IV  als  »elh- 
rtändige  Inschrift. 


•260  0.    KERN 


3. 

)>  1  Ä  O  <t>  P  ft  N 

4. 

<j)iAinnoY 

5. 

E  Y  0  P  1  /    A  O 

1 

6. 

TT  A  N   K  P  A   T 

7. 

A  O  Y  O  K  /    1 

8. 

O  Z-  O  A  r 
frei 

9. 

TAAIOI 

lü. 

BPONTOff 

11. 

§  N  T  1  0  Q  N 

19 

O  A  2  O  Y 

1.  'HpoSofxo;] 

2.  'HpoSöTo[u 

3.  «In^öcppwv 

4  .           «JH^tTTTCO'J 

5.  Eucppt^ofc] 

6.  n<xv)tpaT[t] 

7.  Sou  6  xat 

8.  0eoSd)[po<;] 

9.  .    toco\o; 
10.       Bp6vro[u] 

1  1  .         ['AJvTlCpCÖV 

12.       Bxcou 

Zeile  4.  4>i>.i7rTCou  felilt  in  Christidis1  Abschrift. 

Zeile  5.  Der  Name  EfypiXkot;  begegnet  uns  öfter  in  thasi- 
sclien  Urkunden:  C.  I.  G.  II  2161,2;  Ariniiaire  de  l'asso- 
ciation  pour  Vencour agement  des  etudes  grecque-s.  1872 
S.  1  S 1  (Miller);  Becbtel  a.  a.  0.  S.  i:>  Nr.  10.  S.  26  Nr.  18; 
Conze,  Reise  auf  den  Inseln  des  tbraki sehen  Meeres  S.  131. 


'  Conze  giebl  freilich  EY4>PIAA;  der  ^rhrochenc  Querstrich  in  A  ist 
Fehlei  des  Steinmetzen  oder  zufällige  Verletzung.  Übrigens  ist  diese  In- 
Bchrift  auch  inhaltlich  interessant,  wenn   man  sie  nach  G.  /.  G.  II  21G4  er. 


INSCHRIFTEN    AUS   THASOS  261 

2.  Die  unterste  Stufe  derselben  Treppe  besteht  aus  einem 
ähnlichen  .Marmorblock  (0,64  hoch,  0,77  breit,  0,26  dick), 
dessen  linke  Schmalseite  ebenfalls  ein  Namensverzeichniss 
trägt.  Die  Vorderseite  ist  nicht  sichtbar. 

Beide  Steine  sind  nach  der  Angabe  des  Herrn  Apothekers 
Pulidis  in  einem  Garten  dicht  bei  der  Apotheke  vor  einigen 
Jahren  gefunden  worden.  In  demselben  Garten  sollen  noch 
mehrere  Blöcke  derselben  Art  sein.  Mir  fehlte  leider  die  Zeit, 
der  Sache  weiter  nachzugehen. 

Von  dem  Namensverzeichnisse  auf  der  linken  Schmalseite 
konnte  ich  das  Folgende  entziffern. 


1. 

N  Y  M  4   1  |  U 

2. 

KT  H  Z  1  <t> 

3. 

Z6Y0O / 

4. 

/ 

O  Y  K  1  O  1 

5. 

A  1 

6. 

O  Y 

1. 

Nüp.<pi[o<;] 

2. 

KT7)Tl<p[(öv] 

3. 

Seu9o[u] 

4. 

Aoujtio[c] 

5. 

Aiovu[ci] 

6. 

00 

Der  ersten  Zeile  muss  noch  mindestens  eine  vorangegangen 

OD          C 

sein,  welche  den  Namen  des  Sohnes  des  Nymphis  galt. 


gänzt.  Sic  giebt  «las  zweite  Zeugniss  für  die  poppllXorec  auf  Tbasos  (vgl 
Böokh  zu  2164);  OH  muss  zu  ijceXil](b)  vervol Island igl  werden.  —  Aucbdie 
Inschriften  begeben  sich  ufi  auf  Wanderung.  Denn  diese  Inschrift,  die  Cpnze 
1858  auf  Thasos  sah  und  abschrieb,  ist  offenbar  identisch  mit  der  in  den 
Untersuchungen  auf  Sarnot hrake  11  8.101  Nr  14  publicirlen.  Benndorf  be- 
merkt dazu  'angeblich  aus  Mavronia  stammend,  die  in  einem  aus  Dedea- 
gatsch  landenden  Kaik  vom  Festlande  herübergebracht  worden  war'.  Nicht 
aus  Maroneia  stammt  dies  Fragment  also,  sondern  aus  Thasos.  Conze's  Ab- 
schrift isi  vullsländiger;  Benndorf  bezeichnet  die  Inschrift  auch  als  'riera- 
lich  verscheuert'.  Statt  eyopiaa  riebt  er  r  y<i>pia/  . 


262  0.    KERN 

3.  Grosse  Marmorplatte  (hoch  0,50;  breit  etwa  1,40)  als 
Schwelle  verwandt  in  dem  Gehöft  des  türkischen  Unteroffi- 
ziers Chamsa  Chilmi,  der  sie  vor  einem  Jahre  in  seinem  Ta- 
baksfelde gefunden  hat.  Nur  auf  der  rechten  Hälfte  Inschrift; 
die  linke  (etwa  0,85'")  ist  leer.  Buchstabenhöhe  0,06. 

Z    A    M    O    Z    H 
Z   A   M   O   Y   T   C 

EKTflNIAinf 
HPftAHZKAlZ 
^tiipiakAITO 

Sä(Ao?  'H[pwSou  toö]  (Vgl.  die  Inschrift  oben  Nr.  1,9). 
—  i[i.ou  to[ö  .... 

'HpcöSri?  Kai  ^[äjxo; :}  xa  XP^"] 
CTTipia  x.al  xo  [ 

Vgl.  die  Inschrift  aus  Delos  in  Comptes  rendus  de  Vaca- 
de'mie  des  inscriptions  48  se'rie  1  (1873)  S.  256,  nach  wel- 
cher ein  gewisser  Poseidonios  Sohn  des  Poseidonios  aus  dem 
Demos  Skambonidai  dem  Zeus  Ivynthios  und  der  Athena 
Kynthia  xr,v  xpy.7:e*(av  xat  xa?  ffxiß&Sa;  *  x.al  xa  yp^cxripta  weiht; 
auch  s.mst  sind  xa  ^pyjcxrjpia  aus  Delos  bekannt:  Bull.  <le 
corr.  hell.  VI  S.  323,12  (zusammen  mit  xo  Traaxocpöptov)  und 
S.  489,1.  Vgl.  auch  die  Inschrift  aus  Nysa,  welche  Hiller 
weiter  unten  mitteilen  wird. 

4.  a)  Marmorblock  (hoch  0,26,  breit  0,78,  dick  0,10); 
dient  als  Thürschwelle  im  Hause  des  Georgios  Athanasudi. 
Buchstabenhöhe  0,075,  Zeilenabstand  0,035.  b)  Eingemauert 
im  Schornstein  desselben  Hauses;  nicht  messbar. 

d)  -^YNTHTYNA 

DICHACI   E    KAITHT 


<  Über  axiCai?  und  9tt6&«ov  vgl.  Wilhelm,  Athen.  Milth.  XVII  S.  191. 


INSCHRIFTEN    AUS   THASOS  263 

b)       MZilZIMHI 

OAEI6     EKTo 

Beide  Stucke  sind  zusammen  in  einem  benachbarten  Felde 
gefunden  und  ergeben  die  Inschrift: 


g    <jüv    T75    YuvaL']|'t'  Zcögi  [/.■/) 

.   .   .  [Oe]ot£   7TÄ(7l    '/.Cd   TT)    TT j 6X6t   6/C    T<ö[v    lölü)V 

5.  Eingemauert  im  Balkon  des  Herrn  Pestella.  Ganz  ver- 
schmiert.  Soweit  sichtbar,  lang  0,52.  hoch  0,28;  Buchsta- 
benhöhe 0,025.  O  und  Q.  sind  viel  kleiner  als  die  übrigen 
Buchstaben;  <J>  0,04.  Oben  und  unten  profilirter  Rand. 

H   I   Kfi  Ntxw 

AIONYSI(|)A/^oY  Aiovj<ji<pavou[s] 

O  A  Y  M  0   I  H  'OXuvO^ 


Eine  sichere  Datirung  dieser  Grabschrift  wird  sich  nicht 
geben  lassen.  Die  Knöpfe,  in  welche  die  Buchstaben  auslau- 
fen, sind  keine  selbständigen  Verzierungen.  Vgl.  darüber  E.  .la- 
cobs,  Thasiaca  (Berlin  1893)  S.  27.  Jedesfalls  wird  sie  aber 
noch  vor  das  Ende  des  fünften  Jahrhunderts  gehören. 

Zeile  3  steht  deutlich  A  statt  A. 

6.  Marmorfragment;  eingemauert  in  der  Hütte  des  Theo- 
doro  neben  der  Thür.  Breit  0,28,  hoch  0.18;  Buchstaben- 
höhe 0,03. 

-       i      U      <      A 

ITAI*PPO*4>l 

.     .  E'.O?     \\  .      . 

7.  Säule  (weisser  Marmor ;  Höhe 0,74;  Durchmesser  0,37) 


204  0.    tERN 

vor  dem   Hause  des  Georgios  Skaiamanga.   Oben   tragt   die 
Säule  in  ganz  später,  gezierter  Schrift  zwei  Namen 

a)  TTAKKAPTTO^ 

b)  4>   I   A   A 

a.  hat  die  Buchstabenhöhe  von  0,05,  b.  von  0.03-0,05. 
Beide  Namen  sind  offenbar  von  derselben  Hand  eingetragen. 
Das  erste  A  in  a  siebt  inmitten  der  beiden  parallelen  Hasten 
des  TT. 

8.  Magazin  des  Nikolas  Skaramanga.  Rechteckige  Marmor- 
platte;  Höhe  0,76,  Breite  0,32,  Buchstabenhöhe  0,02-0,025. 

0APNAKH2TIMOKAEI 
AOYEPMAI20APNAKOY 
(t)lAOTPOCj)EXAIPE 
EAENHTIMOKAEIAOY 

Sou  'Ep[i.ai?  ^apvay.o'j 
cpiXörpcxpe  yaips 
'EXevv)  Ttp.ottXeiSou 

9.  Im  Magazin  des  Soliris  Rastrinos.  Ganz  versebmiert 
und  schwer  lesbar.  Hoch  etwa  0,36,    breit  etwa  0,56. 

I   A  1 


A   / 

A 

1    2    T 
X 

N 

H    ■ 

E 

TT 

1    1 

'  11 

O    N 

O  Y  E 

N 

O 

- 

E 

TT 

1 

r  o 

N  o    : 

X 

A 

1 

P 

E 

Auf  diesem  Stein  standen  mehrere  Grabschriften,   aber  nur 
die  drei  letzten  Zeilen  lassen  sich  in  Umschrift  geben : 


INSCHRIFTEN    ALS   THASOS  265 

yu]vr]   'Eiciyövou   'E[«ij- 

[yovo<;   'E^iyovo[ul 

10.   Haus  des  Kepfaalo  Theodore.  Kest  eines  spätrömischen 

Grabsteins.  Oben  und  unten  gebrochen  ;  Höhe  0,37,  Breite 
0,41.  Über  dem  rohen  Bildniss  eines  Mannes  stellen  die  In- 
Bchriftreste : 

O   T   O   C   M 

M    o    y    n    P    o    c 
h   c   x  e  p  e 

oto;  M .  .  . 

Herr  A.  de  Ridder,  der  wenige  Wochen  vor  mir  Thasos 
besucht  hat,  publicirt  soeben  {Bull,  de  corr.  hell.  XVII  S. 
125)  unter  Anderem  auch  eine  Inschrift  aus  Limenas,  welche 
Ostern  1892  zusammen  mit  einem  schönen  Totenmahlrelief 
auf  einem  Felde  in  der  Nähe  des  Hauses  des  Strungos  gefun- 
den ist.  Die  Inschrift  gehört  wol  sicher  noch  dem  Ende  des 
fünften  Jahrhundert  an  (für  die  Datirung  der  thasischen  In- 
schriften vgl.  die  oben  genannte  Schrift  von  E.  .Jacobs.  Tha- 
siaca  S.  25-33).  Ich  bemerke  zu  /eile  4,  dass  hinter  2a>- 
<7Tpaxo?  noch  ein  E  kenntlich  und  dass  Z.  8  am  Anfang  das  N 
auf  meinem  Abklatsch  deutlich  ist.  Unten  ist  der  Stein  von 
moderner  Hand  abgemeisselt :  man  sagte  mir  auch,  dass  der 
andere  Teil  dr^  Steins  in  demselben  Hause  verbaut  sei. 

Herr  de  Ridder  veröffentlich!  an  derselben  Stelle  auch  In- 
schriften aus  Lemnos.  Mit  einem  kleinen  Beitrag  ans  Barusi, 
einem  Stadtteil  von  Kastro  (Conze.  Reise  S.  101)  |,  seien  diese 
Zeilen  geschlossen.  Ich  sah  dort  im  Haus»-  dos  Herrn  Johan- 
nes Kepuridis  ein  0,13  hohes,  0,12  breites.  U,05  dickes  Frag- 
ment aus  weissem  Marmor,  dessen  Hand  rechts  erhalten  ist. 


"26fi  0.    KERN,      INSCHRIFTEN   AUS  THASOS 

l\    &     t 

M   O   Y   P  P  o 

i   I   M   E  A  E  I   A  r- 

T   O    I    £  E  Y  H 

1    T    Y    X  E  I  A 

I   E  n  A    I  N  E  £ 

Rest  eines  Psephisma. 

2 ](i,OU    7C00- 

t3 ilwial^eiav 

4 toi;  i<b'f)- 

5.  aiTuevotg    i]uT'jyeta- 

6.  v /cocjt  iwaivea- 

7.  ai 

Z.  5.  euT'jy£iav  =  sjTu^iav  war  bisher,  soviel  ich  weiss,  nur 
aus  christlichen  Inschriften  bezeugt.  An  das  Fest  ra  Euxu^eia, 
(Bull,  de  corr.  hell.  VI  S.  143)  wird  schwerlich  zu  den- 
ken sein. 

Berlin,  Juli  1893. 

OTTO  KERN. 


-<"  s^S^H*" 


INSCHRIFTEN  AUS  MILET 

Von  den  hier  mitgeteilten  Inschriften  stammen  die  drei  er- 
sten Nummern  aus  Palatia,  dem  elenden  Türkendorfe,  das 
heute  auf  den  Trümmern  Milets  steht.  Die  anderen  sind  von 
F.  Winter  und  mir  im  Dezember  1892  in  Ak-kiöi  abgeschrie- 
ben, einem  4km  südlich  von  Palatia  gelegenen  Griechendorf. 
Unser  Aufenthalt  war  leider  von  sehr  ungünstigen  Umständen 
begleitet,  so  dass  wir  nicht  allem  nachgehen  konnten.  Ak-kiöi 
wird  auf  dem  Wege  nach  Didymoi  von  den  archäologischen 
Reisenden  meist  schnell  durchritten:  eine  genaue  Durchfor- 
schung des  freundlichen  Dorfs  —  wir  sahen  auch  eingemauerte 
Skulpturfragmente  —  würde  sicher  noch  zu  manchem  Resul- 
tat führen.  Die  Inschriften  scheinen  zumeist  aus  der  Nekro- 
polis  von  Milet  zu  stammen.  Das  von  Le  Bas,  Inscriptions 
Nr.  '219  aus  Ak-kiöi  mitgeteilte  Fragment  einer  runden  Ba- 
sis  fanden  wir  an  einem  Brunnen  ausserhalb  des  Dorfes  wie- 
der, da  wo  die  Strasse  nach  Hieronda  (Didymoi)  abgeht. 

1.  Palatia,  östlich  nahe  bei  der  grossen  Moschee;  Säule 
aus  weissem  Marmor,  hoch  1,00,  Durchmesser  0,58.  Abschrift 
von  Karl  Humann  (Juni  1891). 

A    I    O    1.  Aio; 

Yf   IZTOY  T+wtou. 

2.  Im  WesteD  des  Dorfes  Palatia.  Säule  aus  grauem  Mar- 
mor. 1,10  hoch;  0,56  oberer,  0.58  unterer  Durchmesser. 
Buchstabenhöhe  0,028-0,03;  grösste  Länge  der  Schriftfläche 
etwa  0.50.  Oben  in  der  Mitte  unregelmässiges  Dübelloch  mit 
Gusskanal,  unten  runde  Aushöhlung  Mm  0,20  Durchmesser 
und  0,07  Tiefe.    In  der  fünften   Zeile  ein  Loch,    das  offenbar 


268  0.    KERN 

älter  als  die  Inschrift   ist.    Abschrift  von  F.  Hiller  von  Gär 
tringen  (Juni  1891). 

imZONAAHMHTPIOY 

TYMNAZIAPXH2ANTA 

TH^rEPOYSIASKAITQN 

NEfiNkAITTATPOSKAI 

TTPOrONftN  TENO 

MENONAEITOYPTftN 

KAIAIAANAOHMATftN 

KOZMH2ANTQNTHNTE 

nOAlNKAITOIEPONTOY 

OEOYATTOAAflNOZAl    AY 

MEftZETTITETOYTOISTI 

MHOENTAYTTOTHZBO"* 

AHZKAITOYAHMOYAN 

APIAZIKAIEIKOZIXPYZAIZ 

Tff^AINASQTAAOY 

TONEAYTHZYION 

'Iacova  A7)[X7)Tpio'j 
yuij.va<7iap^Y]<7xvTa 
tyis  yepouata?  y.ai  tgjv 
v£G)v,  x.ai  7raTpö(;  xai 
5.        Trpoyövtov  yevö- 
jj.£vov  XeiTOupyaiv 
Kai  S'.i  avaOr,[j.aTtov 

K0aU.Y)9aVT(0V    TT/V  T£ 

7rö^tv  xai  to  tepöv  tou 
10.        OeoO   'A7c6»,ü)vo?  A-.S-j- 

UEü>C    £Xt  T£   TOUTOl?   Tl- 
p.Y]0£VTa    Ü7TÖ   T7^    ßO'J- 

~kv\c,  xai  toO  ÖTjaou  äv- 
opix<7'.  xai  E'ix.O'ji  yp'j^aü 
15         T[p'j]<patva  Xojtzoo'j 
tÖv  £aur>K  ulöv. 


Inschriften  aus  milet  269 

3.  Palatia  in  der  Gegend  der  westlichen  Nekropolis.  Rechts 
gebrochen,  hoch  0,24,  lang0,40,  tief  0,21 .  Schlechte  Schrift. 
Buchstabenhöhe  0,02-0,03.  Abschrift  von  F.  Hiller  von  Gar- 
tringen (Juni  1891). 

EKXUÜPHII2A 
XEIÜUN    •    A    Y    P 
B'     T     o     Y     A     H     N 
TPITON0ESE 

Exy&pYicric  § [*P~^ 

yeicov  AupnrjAio?.  .  .  . 

(tou  Aüpr,Aiou)  to0  Avjv[aiou 

TplTOV'    6£C6[l  Ö£  toO  öeivo^ 

Vgl.  hierzu  die  Grabinschrift  aus  Smyrna  C.  I.  G.  II  3394 
ax-ra  ty)v  yEyovmxv  lx./&pn<nv.  Der  Name  Ay(vxio?  ist  auch  für 
Milet  durch  eine  Münze  bezeugt. 

4.  Ak-kiöi,  im  Haus  des  Konstantinos  Hadji  Panagioti. 
Ein  1,32  langer,  0,17  hoher  Block  aus  bläulichem  Marmor, 
der  jetzt  als  Thürschwelle  dient.  Hellenistische  Schrift. 

THIAE<t>IAAIAAOHkENEO*PO*l*AM4>IAETYMBON 
TO*EnArEOTEPASAEIMATOKAAONOAOY 
OAAAAOrESTENAXftNOAOHIMErAME  O   ,0 

1.  Tr,'.ö£  $tA9Uoa  Or./.s  vs'o;  7rdai{,   xu.y.  hi  T'JaSov 

2.  KXsi  to;  67r'  «YpOTepaj;  ociixaTQ  xaXöv  öSoö, 

3.  7t]oaax  o   öye  crevaytov  gaot.i  [aeyoc  pte*  u.<(ixto  Moipy) 

Zeile  2  lasen  wir  ATEOTE.PAC;  die  einleuchtende  Ver-r 
besser ung  In  aypoTepa«  (68oö)  bat   F.  \.  Hillergefunden    Die 

Ergänzung  Zeile  3  verdanke   ich   1*.  Wolters;  vgl.  Antholo- 


210  0.   KERN 

gie  VII   561:    e!   os   veo?  teOvyi/Cev  CcrepTepa  vrip-axa  Moipv]?  [AttAOlO 
und  Kaibel,  Epigrammata  574. 

5.  Ak-kiöi,  auf  der  Treppe  eines  Hauses,  dessen  Besitzer 
ich  mir  leider  nicht  notirt  habe.  Weisser  Marmor,  hoch  0,22, 
breit  etwa  0,27.  Buchstabenhöhe  0,017,  Zeilenabstand  0,Ol. 
Der  Stein  ist  stark  verrieben  und  auf  der  Treppe  des  Hauses 
einem  baldigen  Untergang  geweiht.  Hellenistische  Schrift. 

OYNOMEXON 
NAKATAXOO 
K   E   I    M   A   I 

MIAH2IHHIEni> 
MOZEXEITEKN  II 

n       y 

A  K  O  I      O 

O  Y  N  N 

Rest  eines  Grabepigramms  für  eine  Frau. 

ouvofjt.'  s^o[uca 

va  y.xTX  ^0ovo<; 

xetuai 

M'.AYjsiY)  r\c,  iic\  a\y\u.x  ? 

po«  exet  Te(/>vi[; 

5.  Ak-kiöi,  Haus  des  Michali  Sokianis.  Weisser  Marmor. 
Hoch  0,45,  breit  mindestens  0,22,  dick  0,08.  Oben  frei  0,36, 
unten  frei  0.05.  Buchstabenhöhe  0,013-0,017.  Hellenistische 
Schrift. 

E  I  T  I  ft  N  0  I  A  i  [KX]«t{uv  *ft(ü[vos] 

Der  Name  KXsitiuv  scheint  bisher  nur  unsicher  bezeugt  zu 
sein  in  einer  1709  von  Sherard  in  Hieronda  (Üidymoi)  gefun- 
denen Inschrift  (C.  I.  G.  II  2857),  in  der  ■•EiriftNOZ  von 
Böckh  zu  KXeiticüvo;  ergänzt  ist. 

7.  Ak-kiöi,   im  Hause  des  Dimitri  Aslis;  Höhe  0,16,  Breite 


INSCHRIFTEN    AUS    UlLEf  2*1 

1,14,  Buchstaben  höhe  bis  zu  0.03.    Oben  eiofacbes  Profil; 
Dicke  nicht  messbar. 

TOMNHMAAYAOY  To  u.vr,jj.x  AuXo-j 

AIMIAIOYA  AI   AIO  Y  AijmXiou  AxCkio-j 

Z   H  ft 

F.  Hiller  von  Gärtringen,  welcher  im  Juni  1891  zusammen 
mit  Hu  mann  Palatia  besucht  hat,  fand  dort  '  in  der  westlichen 
Nekropolis  in  einem  römischen  Gebäude,  dessen  Dach  ein 
Tonnengewölbe  ist  und  in  dessen  verputztem  Inneren  sich  auf 
beiden  Seiten  Nischen  befinden,  etwas  grösser  als  sonst  in 
Kolumbarien,  an  die  man  hier  zuerst  denken  würde,  einen 
1,07  breiten,  0,115  hohen,  0,21  dicken  Marmorblock  mit  der 
Inschrift  (  Buchstabenhöhe  0,05)  Tö  pvTipa  AuXou |  AipuXiou  Aai- 

AlOU  '. 

8.  Ak-kiöi,  Haus  des  Stelios  Sokianis.  Grabstein  in  der 
Form  eines  Naiskos;  bläulicher  Marmor.  Hoch  0,33.  breit 
0,24. 


Z  T  P  A  T  O 

Zxpaxo- 

N    1    K    H 

VOM] 

X   P   H   2   T   H 

JCpncxr, 

X    A    1    P    E 

Xoup£. 

Juni  1893. 

OTTO  KERN 

o  >-:<  o 


ÜBER  DAS  RHEAEPIGRAMM  AUS  PHAISTOS 

In  dem  Museo  italicuio  III  S.  736  hat  Halbherr  eine  aus 
der  hellenistischen  Zeit  stammende  metrische  Inschrift  aus 
Phaistos  herausgegeben,  welche  der  Interpretation  und  Aus- 
nutzuni; erhebliche  Schwierigkeiten  bereitet.  Blass,  der  einzige 
meines  Wissens,  der  sich  mit  diesem  dialektisch  wie  religions- 
geschichtlich höchst  merkwürdigen  Denkmal  abgegeben,  ist 
auffallend  unglücklich  gewesen.  Sein  Erklärungsversuch  hat 
der  Sache  mehr  geschadet  als  genützt  (Fleckeisen's  Jahrbücher 
1891   S.  1  ff.).  Die  Verse  lauten: 

0<xüu.a  [/iy1  ävOpcoTtoi?  7rxvTü)v  MocTvip  tcioixvuti' 

toi?  6<7ioi?  x,iv^py)Ti  y,cl\  o'i  yovsav  vTziyovza.'., 
toi?  os  7capecoatvov(7t  Gtüv  ys'vo?  ävTia  TfpaTei. 
~ävT6?  o  euceßie?  xe  x.ai  euyXcöOoi  TiapiÖ'  äyvoi 
i'vÖeov  £?  Mey&Xa?  MaTpo?  vaov,  i'vOsa  $'  e'pyx 
yvcoG7)(T  äOav&Tac,  a£ia  tö»Ss  vxcä. 

Es  ist  eine  als  Instruction  für  die  Besucher  an  dem  Rhea- 
tempel  angebrachte  Inschrift.  Bluss  übersetzt:  'Die  Mutter 
aller  Wesen  zeigt  den  Menschen  ein  grosses  Wunder:  den 
Frommen  leiht  sie  dar  und  denen,  welche  Zinsen  verspre- 
chen ;  denen  aber,  welche  das  Geschlecht  der  Götter  frevent- 
lich verletzen,  wirkt  sie  entgegen.  Alle  fromm  gesinnten  und 
fromm  redenden  (oder  schweigenden )  aber,  naht  euch  rein 
herzu  in  den  gottvollen  Tempel  der  Grossen  Mutter;  gottvolle 
Werke  der  unsterblichen  Göttin,  würdig  dieses  Tempels,  wer- 
det ihr  sehn'.  So  viel  ich  weiss,  ist  dieser  Auffassung  der  In- 
schrift öffentlich  nicht  widersprochen  worden,  aber  das  nehme 
ich  allerdings  an,  dass  kein  Kenner  griechischer  Art,  vol- 
lends der  griechischen  Religion,  ein  solches  Sacrilegium,  wie 
Blass  herausinterpretirl  hat,  für  möglich  halten  kann.  Dass 
die  Verwaltung  griechischer  Tempelgüter  nutzbringend,  also 


K.    MAASS,       L'EBER    DAS    RHBAEPlGRAMM    ADS    PHAISTOS  273 

auf  Zinsen,  ausgeliehen  hat,  war  eine  bekannte  und  verstän- 
dige Einrichtung. Wenn  aber  an  der  Stelle,  wo  der  Leser  eine 
Orientirung  über  das  Heiligtum  als  solches  erwartet,  von  Geld- 
ausleihen  und  Zinsen  die  Rede  sein  soll,  dazu  in  einem  markt- 
schreierischen Tone,  wie —  nach  BläSS — in  unserem  Gedicht. 
so  ist  das  einfach  unerhört.  Fs  nützt  nichts,  wenn  Blass  so 
fortfahrt :  '  War  nun  etwa  dieser  Tempel  der  Göttermutter  ein 
Bankinstitut?  Fs  könnte  dies  als  nicht  unmöglich  erscheinen; 
aber  inwiefern  dies  ein  grosses  Wunder  sein  soll,  dass  nur 
gegen  Versprechen  (sie)  von  Zinsen  dargeliehen  werde,  das 
ist  nicht  abzusehen,  auch  nicht,  wie  man  es  machte,  nur 
Frommen  zu  leihen,  Frevlern  aber,  wenn  dieselben  Geld 
wünschten,  nicht  zu  leihen.  Also  wird  man  wol  bildlieh  ver- 
stehen müssen:  den  Frommen  erfüllt  die  Göttin  ihre  Gebete, 
falls  sie  Zins,  d.  h.  Dank  und  den  Ausdruck  desselben  (yjx- 
pwTifjia,  auf  andern  Inschriften  yjxpttfTYif'.a  i.  dabei  versprechen'. 
Auch  so  bleibt  die  Ungeheuerlichkeit,  dass  eine  Tempel- 
aufschrift statt  ihrem  Zwecke  entsprechend  aufzuklären  den 
Leser  durch  zweideutiges  Gerede  verwirrt.  Was  eine  solche 
Aufschrift  leisten  soll,  mag  das  folgende  Heispiel  lehren.  Die 
Inschrift  vom  Arsinoetempel  auf  dem  Cap  Zephyrion  Ihm  Ale- 
xandria, welche  der  alexandrinische  Dichter  Posidipp  gedich- 
tet hatte,  lautete  so  • 


Metoov  eyü  'Papir,?  ix-Tvic  otojaätÖs  ts  Kavuirou 

Ew  7r6picpa'.vou.£vto  xuaaxi  ycöpov  v/u 

T'/^OS    7:0Aupp7)V0'J    AtOUT)?    ävStAcöSsa    YTjATJV 

T7)v  ivaTSivoi/ivYiv   6t£  'IxaAov  Zeffiupov. 
fvöa  y.e  KaAA'./tpzTr,;  lopucotTO  x.ai  ßa<r.AiG$YK 
Upov    'Apcivdr,;  Kuicpioo;  wvofxaoev. 

(XAA     677'.    TY)V    Ze<pupÜ7lV    äx.G'JGOUEvr.V     'A©pOOlT7)V 

'Eaa^vwv  äyvai  ßxivers  Suyaxep«? 
oi  6' a.AÖ<;  epyäTai  avf5p£;'  6  yap  vauapyof  trsu^ev 
toö8'  ispöv  7cavrö:  »cuaaTO?  suaiiacvov  '. 


1  Erhalten  auf  dem  von  H.Weil  in  den  .!/■•■  gw  publits  pur  lus- 

ATHEN.    MITTHEILUNGEN   XVIII.  19 


074  E.    MAASS 

Sodann  hat  Blass  das  Adjeclivum  ev9so<;  in  evöso.  epya  und 
evOjov  vaöv  nicht  senü^end  heuchlet;  wenigstens  lässt  seine 
Übertragung  'gottvoll'  nicht  erkennen,  oh  er  ;  des  Gottes 
voll '  versteht  oder,  wie  wir  heutzutage  wol  allgemein  'gott- 
voll' fassen,  einfach  =' göttlich'.  Natürlich  ist  iv6eo;  durchaus 
prägnant  des  Gottes  voll',  besonders  gern  daher  vom  Dichter 
und  Seher  gebraucht.  Was  ist  denn  aber  nun  'der  der  Göttin 
volle  Tempel',  was  sind  'die  der  Göttin  vollen  Thaten'?  Das 
konnte  Y.  2  ohne  Weiteres  lehren:  to^  ocioi?  x.iyyp-oTt.  Dies 
Verbum  bedeutet  nicht  bloss  -leihen'  sondern  (genau  wie  das 
unreduplicirte  Simplex)  auch  '  weissagen  '.  Weissagungen  also 
sind  die  evöea  Ipya,  die  man  nicht  'sieht'  (so  wieder  irrig 
Blass),  sondern  'hört'  ;  vernimmt '  ( yvGNjvyre ).  'Avria  izpöcxu 
heisst  ferner  nicht  'sie  wirkt  entgegen'  ganz  allgemein,  son- 
dem  es  bezeichnet  Nichts  als  den  Gegensatz  zu  jciy^p-nri,  also 


socialion  pour  l'encouragement  des  Hudes  grecs  1879  S.  3(1  veröffentlichten  Pa- 
pyrus Iwiederholt  von  Blass  im  Rheinischen  Museum  INSU  S.  '.Mi.  N'euer- 
diogs  isl  die  Hypothese  aufgestellt,  noch  ein  zweites  Gedichl  des  Posidipp, 
welches  uns  Alhenaeus  VII  3IS  D  erhallen  hat,  sei  auf  demselben  Arsinoe- 
lerapel  aufgeschrieben  gewesen.  Es  lautet: 

Touxo  xat  iv  ROVTtü  y.J.'.  int  /Oov.  -f^  <f>tXa8eXfOU 

KujtpiSo;  tXaaxsaO1  Eepöv   Apaivd7)s, 
i^v  draxoipaveouaav  ir.\  Ze^upiTiSo?  ixiijs 

np&iGC  6  vaJao/o;  OrJxaTO  KaXXixpärr)?. 
r,  oi  y.a;.  EÜrcXotrjv  Scoast  x.a;.  /e!|j.aTi  ;x£-ra  ;i 

to  jcXeriü  Xiaaopivoi?  ExXinavet  -£/.ayo:. 

Der  Tempel  der  Arsinoe- Aphrodite  spricht  jedenfalls  nicht:  da  wurden 
wir  (wie  in  dem  ersten  Gedichl)  nicht  die  drille  Person  (touto)  sondern 
die  erste  lesen.  Wer  also?  Ich  denke,  der  Dichler;  nur  sind  die  verfehl- 
ten blassischen  Conjecluren  zu  entfernen  (wie  ich  gethan)  und  vielmehr 
einzusetzen:  V.  3  fjv,  i'v«,  xoipavs'oiKjav  und  V.  \  Upu/ceO  für  icp&To;  Es  ist 
kein  Zufall,  dass  Posidipps  Gedichl  auf  den  Pharostburm  (welches  Weil 
und  Blass  a.  a.  ()  veröffentlicht  haben)  so  beginnt:  'EXXifvwv  acü-cijpa,  $apou 

n/.'-.i'yi.  cü  ä/a  QpuTEü,   EcoaTpaTOi  EOT7j«v  A:;''.'ra/oj    Kviötoj   /.:/..    Der  plian-rhc 

Proleus  isl  Nachbar  des  Caps  Zephyrion.  Damit  ist  Alles  erklärt.  Das  Epi- 

gn n  war  also  keine  Tempelaufschrift.  Wozu  auch  zwei,  wo  eine  genügt? 

Es  gehört  vielmehr,  wie  das  auf  den  Pharos,  zu  der  auf  Initiative  der  Pto- 
lemäei  besonders  gepflegten  Gattung  von  Epigrammen  auf  Paradoxa  (Anti« 
gonos  im  ' Wunderbach '  L'.l'j  p.  6  Kellen. 


ÜEBER    DAS    RHEAEPIGRAMM  AUS   PHAISTOS  275 

soviel  als  'sie  weissagl  Dicht',  contra  facit,  nicht  contraria 
facit-.  ivxia  ist  hier  wie  oft  lediglich  als  Adverbium  empfun- 
den. Alles  ist  jetzt  verstanden,  nur  nicht  01  yoveav  'j-iy^-y.. 
Wer  sind  diese,  da  es  Zinsen  versprechende'  nun  einmal 
nicht  sein  können  ?  rWri  für  yeve-Ji  steht  auch  im  Sinne  des 
concreten  Kind'.  Das  mag  die  folgende  auf  einen  Dichter  zu- 
rückgehende Partheniosstelle  beweisen.  Cap.  3  heisst  es  am 
Schlüsse  dort  von  Odysseus:  wpo?  ttk  xutö^  dlutoC  yeveäs —  also 
Telegonos — rp<i>9ei$  ixäv6^i  hy.'/.y.aiy.:  ::/'ovo;  st6A6ütyi<J6V.  So- 
dann uTC6£6c0ai  yoveyjv  -sich  das  Rind  unterhalten1  (unter  die 
Brusl  i:  was  ist  daran  auffällig?  Ich  denke.  Nichts.  'Nähren- 
den .Muttern"  meint  das  Epigramm  'weissagl  die  Göttermut- 
ter'. Es  ist  ja  eine  logische  Härte,  eine  besondere  Species  v. 
yoveav  uwl^ovrai)  so  neben  dem  Genus  (toi?  ocioi?)  zu  linden; 
aber  diese  lläi'te  bleibt,  wie  immer  man  die  Worte  auffasse. 
Im  Volksmunde  ist  sie  auch  sonst  zu  treffen.  Auf  einer  kreti- 
schen Inschrift  (Hierapytna:  Museo  italiano  IM  S.  617  l  wer- 
den aufgezählt  'A-öVaüjv.  AexaTaoopcp  y.y.l  toi^  ö&oexa  SeoT?  icac 
'A0avai«  rioAiiSt:  es  ist  doch  wol  nicht  anzunehmen,  dass 
Athena  und  Apollo  nicht  in  dem  dortigen  Zwölfverein  waren. 
So  such  Kallimachos  in  der  neugefundenen  Hekale,  nur  dass 
er  durch  den  Zusatz  xaa<ov  die  von  ihm  empfundene  Härte  et- 
was abmildert.  S.  10  Gomperz  :  to'jtx/.i  <T  rt  (x.ev  (Athena).  Vfft 
epuaa  yOovö;  oopa.  fix^Giro,  Tyjv  ca.  viov  yr.ocp  ~z  A-.o:  öuoxaioexd 
t'  xaaoov  'AOavxxcov  "Ocpio?  te  (Kekrops)  y.xTE^AaSs  (/.apTupiTjciv 
y.TA.  Auch  hier  gehören  Athena  und  Zeus  zu  den  Zwölfgöttern 
selber  mit,  Kekrops  allerdings  nicht. 

Endlich  die  masculine  Form  -rA:  octoi?  ■/.<.-:■/ :r-:  v.y.\  ot  yoveav 
üxeyovTai.  wo  at  zu  erwarten  war.  Wir  haben  es  mit  einer 
Art  Attraction  —  an  das  allgemein  gefasste  toi$  öt^.'.c  —  zu 
tluin.  Ein  Irrtum  war  ja  auch  völlig  ausgeschlossen,  da  es 
sieh  hier  nur  um  nährende  '.Mutter     handeln  kann. 

'Es  ist  ein    gewaltiges  Wunder.   d;i>s    llhea  den   Frommen, 

zumal  den  .Muttern,  weissaut'.   Nachdem  oben  S.  ;^7  IV.  über- 
zeugend  nachgewiesen  ist.  dass  die  Cultgruppe  von  Olympia 

Eilcilhs  la-Sosipolis    Niemanden   anderes   als   die  Geburtsgöt- 


276  E.    MAASS,       UEBER   DAS    RHEAEPIORAMM    AUS   PHA1ST0S 

tin  Rhea  mit  dem  Zeusknaben  darstellt,  scheint  mir  Rheas 
Proplietenamt,  das  unsre  Inschrift  voraussetzt,  leicht  zu  ver- 
stehen. Gern  werden  —  begreiflicherweise  —  die  mit  prophe- 
tischer Kraft  beiiahten  Schicksalsgöttinnen  mit  der  Geburts- 
göttin gepaart  :  Plato  Syrfvp.  206  1)  Moipx  xal  EiXstGuia  r,  x.aX- 
>ovy)  6C7T-.  ty,  ysvscrs'.  ( Hug  z.  d.  St..  Kai  bei  Epigr.  238,  W  ila- 
mowitz,  Isyllos  S.  13),  Pindar  Olymp.  VI  41  (von  Euadne) 
tz  uev  6  XfjGox.ou.as  7tpaü[/.r)Tiv  t  EilsiOuiav  —apscraGsv  ts  Motpa«;, 
u.  A.  Die  Weissagungen  verheisst  in  dem  kretischen  Epi- 
gramm nur  nicht  Moira,  sondern  Rhea-Eileithyia  selbst,  und 
dies  ist  meines  Wissens  neu,  aber  nicht  befremdlich.  Die 
herodotische  Geschichte  von  dem  Wunder  der  Helena  in  The- 
rapne  (VI  61)  mag  als  Parallele  dienen.  Demaratos'  Mutter 
war  als  kleines  Rind  sehr  hässlich.  Da  trügt  die  Amme  sie 
Tag  für  Tag  in  den  Tempel  der  Helena  Ko-jpoTpöcpo?.  Einmal 
erscheint  die  Göttin,  streichelt  das  Kindchen  und  prophezeit  cü; 
•/.vXkKn-rvjov.  7ra<7£cov  tgjv  h  Ew&pr/)  yjvaix.d>v.  \]n(\  s0  geschieht 
es.  Jamblichos  erzählt  ein  ähnliches  Wunder  von  Aphrodite 
[Erotici ed.  Hercher  \  p.  224).  Übrigens  war,  nach  dem  Ton 
des  Gedichtes  zu  urteilen,  zur  Zeit,  da  es  entstand,  das  Rhea- 
orakel,  für  Phaistos  wenigstens,  noch  etwas  Neues.  Auch  das 
ist  eine  nicht  zu  unterschätzende  Bereicherung  unseres  Wissens. 

Greifswald.  7.  August  1893. 

ERNST  MAASS. 


ZUR  ATTISCHEN  LOCALVERFASSUNG 

Schneller  als  ich  hoffen  durfte,  beginnt  der  zum  Schluss 
meiner  '  Untersuchungen  über  die  Demenordnung  des  Klei- 
sthenes'  (Anhang  zu  den  Abhandlungen  der  preussischen  Aka- 
demie der  Wissenschaften  1895)  an  die  Mitwirkung  der  Fach- 
genossen gerichtete  Appell  in  Erfüllung  zu  gehen.  Eis  traf  sich 
gut,  dass  R.  Lüper  dem  gleichen  Gegenstande  bereits  einge- 
hende Studien  gewidmet  hatte.  Als  direkte  Aufnahme  und 
Fortführung  des  \on  mir  Begonnenen  bewegen  sich  jetzt  seine 
Darlegungen  über  •  die  Trittyen  und  Deinen  Anikas  (Athen. 
Mitth.  XVII  S.  319  ff.)  zugleich  in  engem  Anschlussan  meine 
Schrift,  womit  bei  der  Fidle  des  Stoffes  und  der  Finzelfragen 
auch  dem  vergleichenden  Leser  gewiss  am  besten  gedient 
ist.  Allerdings  empfängt  letzterer  gerade  deshalb,  weil  nun 
mehr  die  abweichenden  Meinungen  zur  Sprache  kommen 
mussten,  vielleicht  nicht  gleich  ein  ganz  richtiges  Bild  von 
der  Zahl  und  namentlich  der  Bedeutung  der  controversen 
Punkte  im  Verhältniss  zu  dem  durch  Übereinstimmung  ge- 
sicherten Ertrage. 

Ich  habe  hieran  grösseres  Interesse  und  glaube  schon  aus 
diesem  Grunde,  zugleich  einem  Wunsche  des  Verfassers  ent- 
sprechend, das  Worl  ergreifen  zu  sollen,  noch  che  andere 
Forscher  in  die  Untersuchung  eintreten.  Mine  gedeihliche  Wei- 
terarbeil wird  ja  zweiffellos  um  so  besser  vorbereitet,  je  brei- 
ler vorher  die  Basis  unserer  gemeinsamen  Verständigung 
sein  konnte.  Nur  inuss  ich  es  mir.  namentlich  im  zweiten  'Tei- 
le, oller  gestalten  dürfen,  mich  einfach  auf  Zustimmung  oder 
Widerspruch  zu  beschränken.  Denn  dem  Verfasser,  dessen 
Arbeit  die  meinige  an  Umfang  bereits  um  weil  mehr  als  das 
hoppelle  übertrifft,  in  alle  Einzelheilen  zu  folgen,   in  solche 


278  A.    MILC.UHOEFER 

zumal,  die  doch  nicht  zur  Entscheidung  gebracht  werden  kirn- 
oen,  hiesse  die  Discussion  ins  Endlose  (lehnen. 

Scheiden  wir  alles  dasjenige  als  neutrale  Zone  aus.  worü- 
ber es  erlaubt  bleibt,  verschiedener  Meinung  zu  sein,  oder 
worüber  man  sieh  vorläufig  nicht  einmal  eine  subjeetive  Mei- 
nung verstatten  dar!',  so  linde  ich,  dass  Löper  die  30  kleisthe- 
nischen  Bezirke  mit  einer  Ausnahme  (s.  unten:  Leontis)  um 
die  gleichen  loealen  Centren  wie  ich  gruppirt  und  dass  er  im 
Zusammenhange  damit  (s.  unten  :  Akamaulis  )  örtlich  ziemlich 
übereinstimmend  gruppirte  Deinen  anders  auf  die  Tritlyen 
vertheilt.  Ich  will  «leieli  hier  bemerken,  dass  ich  diese  beiden 
Abweichungen  Cur  sehr  beachtenswert  halte. 

Was  die  Lage  des  wichtigsten  binnen  ländischen  Demos  der 
Antiochis,  Pallene,  und  somit  die  Hauptregion  der  entspre- 
chenden Tritt) s  anlangt,  so  habe  ich  in  der  That,  wie  schon 
bei  Löper  S.  \'2oA  angedeutet  ist,  meine  frühere,  auch  von 
ihm  adoptirte  Ansicht  nicht  aufgegeben;  die  abweichende 
Darstellung  der  Karte  beruht  auf  einem  Experiment,  das  nicht 
von  mir  ausuino-. 

Endlich  ist  mir  Löper  bei  fast  allen  in  meinen  letzten  Ar- 
beiten topographisch  begründeten  Neubestimmungen  wichti- 
gerer Deinen  gefolgt;  ich  nenne  Sphettos,  Angele.  Phrear- 
rioi,  Prospalta.  kykala,  (Marathon),  lkaria,  Phlya,  Sypalet- 
tos,  Cholargos,  Erchia,  Euonymon  u.  s.  w.  Die  loealen  Ver- 
schiebungen der  beiden  letztgenannten  werden  sich  nur  als 
nicht  ganz  glückliche  Consequenzen  seines  Systems  heraus- 
stellen. 

Und  so  scheint  es  fast,  als  ob  der  von  Löper  aufgewandte 
Apparat  eingehendster  Erörterungen  mehr  dazu  angethan  sei, 
gewisse  Unterschiede  des  Standpunktes  und  der  Methode  ins 
Licht  zu  setzen,  als  in  den  letzten  Resultaten  aar  weit  ausein- 
anderzuführen.  Der  Verfasser  char akter isirl  sein  Vorgehen 
selber  als  •  unabhängiger  von  den  bisherigen  Ergebnissen  der 
Dementopographie'  (S.  323),  während  ich,  wie  es  ihm  schei- 
ne, •doch  mehr  als  nötig  war.  an  den  früheren  Annahmen 
und  Vermutungen,   eigenen   und  denen  Anderer,  hinge'  (S. 


ZUR   ATTISCHEN   LOCALVERFASSUNG  279 

322).  Vielleicht  erklärt  sich  meine  Abhängigkeil  eben  durch 
den  Umstand,  dass  ich  mich  schon  seil  Jahren  mit  attischer 
Topographie  beschäftigt  habe,  in  welche  Löper  völlig  unbe- 
fangen eintritt:  vielleicht  würde  ich  an  seiner  Stelle  den  Ge- 
genstand gleichfalls  '  unabhängiger '  angegriffen  haben,  aber 
sehr  wahrscheinlich  ist  mir  das  nicht.  Denn  auch  in  diesem 
Falle  hätte  ich  mir  als  Erster,  der  die  noch  zweifelhafte  Au- 
torität der  neuentdeckten  aristotelischen  Schrift  an  einem  even- 
tuell weittragenden  Passus  zu  prüfen  unternahm,  wol  gesaut, 
dass  ich  jene  Angaben  nicht  von  vorn  herein  als  bewiesen  be- 
trachten und  darnach  die  Dementopographie  construiren 
dürfe,  sondern  dass  ich  zuzusehen  hätte,  wie  weit  wir  mit  un- 
serem bisher  gewonnenen,  wirklichen  oder  vermeintlichen 
Wissen  kämen. 

Trotz  des  Ballastes  aller  'Vorurteile'  hat  sich  die  erste  Orien- 
tirungsfahrt  doch  als  gelungen  herausgestellt:  die  Hauptzüge 
der  kleisthenischen  Organisation  Hessen  sich  unverkennbar 
nachweisen.  Dass  dieselbe  aber  ohne  jede  Veränderung  200 
Jahre1  lan»-  Bestand  gehabt  habe,  wäre  wiederum  eine  Voraus- 
Setzung  gewesen,  zu  der  uns  von  vorn  herein  nichts  berech- 
tigte '. 

Wenn  also  von  dem  regionalen  Einteilungsprincip  für  un- 
ser Auge  Abweichungen  hervortreten,  so  schien  kein  princi- 
pieller  Grund  vorzuliegen,  sie  dennoch  wegzuleugnen  und 
mit  allen  Mitteln  zu  beseitigen.  Ich  würde  eher  einem  Er- 
gebniss  misstraut  haben,  bei  dem  Alles  ohne  Ausnahme 
•  klappte'. 

Bei  Löper  bildet  der  Gedanke,  dass  die  kleislhenische  Eintei- 
lung auch  im  vierten  Jahrhundert  noch  ausnahmslos  fortbe- 
stand, nicht  so  sehr  (las  Ergebniss  seiner  Untersuchungen, wie 
die  Richtschnur  für  dieselben  Desgleichen  die  Überzeugung, 
dass  in  den  Prytanen  in  Schriften  und  anderen  Katalogen,  die  er 
mit  besonderer  Sorgfalt  untersucht  hat,  die  Denien  einer  Phyle 


1  Köhlers  Erwägungen,  Athen,  Miiih.  X  s  ms  |f.  erachte  ich  doch  nicht 
gls  umsonst  ljcncIii  jehen. 


280  A.    MILCHHOEFER 

öfter,  als  ich  es  annahm,  mit  strenger  Berücksichtigung  der 
Trittyenteilung  aufgeführt  seien.  Nach  diesen  Gesichtspunkten 
wird  das  Material  disponirt,  allen  Enclaven  und  sonstigen 
Unregelmässigkeiten  der  Krieg  erklärt,  die  entgegenstehende 
Überlieferung  mehrmals  unbedenklich  geändert  oder  umin- 
terpretirt,  mit  früheren  Meinungen  natürlich  erst  recht  auf- 
geräumt. 

Dass  auch  eine  solche,  mehr  dogmatische  und  systemati- 
sirende  Methode,  unter  Umständen  zu  beachtenswerten  Re- 
sultaten fuhren  kann,  soll  nicht  geleugnet  werden.  Nur  be- 
steht ihre  Schwäche  gar  zu  häufig  darin,  dass  die  leitenden 
Principien  sich  nicht  beweisen  lassen  und  gleich  von  Grund 
aus  verdächtig  werden,  sobald  sie  auch  nur  in  einem  einzigen 
Falle  ihre  Wirksamkeit  versagen. 

Es  hält  nun  nicht  schwer,  solche  Fälle  bei  Löper  nachzu- 
weisen. Ein  besonders  schlagendes  Beispiel  für  seine  Art  zu 
construiren  und  sich  auf  seiner  Jagd  gegen  die  Enclaven  gründ- 
lich zu  verirren,  bietet  die  Behandlung  von  Probalinthos  (S. 
334,  367  ff.)  dar. 

Probalinthos  gehört  zum  Verbände  der  marathonisclien  Te- 
trapolis,  die  bisher  noch  jeder  Forscher  als  locale  Einheit  be- 
trachtet hat.  Alte  Reste  am  südlichen  Zugange  zu  der  be- 
rühmten Ebene  und  Grabinschriften  auf  Probalisier,  nament- 
lich ein  Familiendenkmal  ebendort  noch  an  Ort  und  Stelle, 
durften  als  Bestätigung  und  für  die  genauere  Lage  als  befrie- 
digendes Indicium  angesehen  werden  (s.  Karten  von  Attika, 
Textheft  [II— VJ  S.  40;  andre  suchen  Probalinthos  bekannt- 
lich noch  näher  an  Marathon  bei  Vranä).  Jedenfalls  nur 
sehr  unfreiwillig  hat  nun  Löper  diese  Ortschaft  etwa  andert- 
halb Wegesmeilen  südlicher,  auf  der  anderen  Seite  des  Pen- 
telikon  und  von  Maralhon  durch  eine  Reihe  fremder  Ort- 
schaften getrennt  angeselzl  .  bloss  um  sie  der  Küstentrittys 
der  Phyle  Pandionis  zu  nähern,  welcher  sie  angehört.  Aber 
auch  so  bleiben  die  sicheren  Orte  dieser  Küstentrittys  (  Stei- 
ria,  Prasiai,  Angele,  Myrrinus)  noch  fern  genug,  während 
die  Paralia  gerade  hier  durch  Demen  der  Aigeis  besetzt  ist.  So 


ZUR   ATTISCHEN   L0CALVERFA88UNG  2«! 

ist  Löper  genötigt,  den  Anschluss  an  sein  Probalinthos  durch 
einen  vom  Meere  abgetrennten  Streiten  zu  erreichen  und  da- 
mit der  Paraliatrittys  der  dritten  Phyle  eine  Gestalt  zu  geben. 
die  nicht  weniger  künstlich  ist.  wie  die  südliche  Verlegung 
von  Probalinthos. 

Von  weiteren  verliängnissvollen  Consequenzen  dieser  Anord- 
nung will  ich  nur  die  schon  oben  erwähnte  (nordwestliche) 
Verschiebung  von  Erchia  nennen  (S.  353  ff.),  dessen  Lage 
bei  Spata  schon  durch  die  Inschriftfunde  völlig  gesichert  ist. 
Spata  nämlich  musste  trotz  seiner  dominirenden  Lage  an  den 
unbedeutenden  Demos  Kytheros  ausgeteilt  werden,  weil  sonst 
auch  auf  der  westlichen  Seite  absolut  kein  Platz  und  kein 
Zwischenglied  blieb,  um  den  supponirten  nördlichen  Ausläufer 
des  Küstenbezirkes  der  Pandionis  hindurchzuschieben. 

Zurückgewiesen  wird  natürlich  auch  die  (zuerst  wol  von 
Bursian,  Geographie  von  Griechenland  I  S.  347,1  ausgespro- 
chene) Vermutung,  dass  im  Texte  des  Strabo  (p.  399)  bei  der 
Aufzählung  der  Paraliademen  :  Prasiai,  Steiria,  Brauron,  Ha- 
lai  Araphenides,  Myrrinus,  Probalinthos.  .Marathon  u.s.  w. 
der  bekanntere  Xamen  Myrrinus  irrig  für  Myrrinutte  ein- 
getreten sei;  denn  auch  dadurch  würde  Probalinthos  an  sei- 
nen alten,  nördlicheren  Posten  zurückgeschoben.  Aber  jene 
Annahme  hat  an  Überzeugungskraft  noch  ausserordentlich  ge- 
wonnen, da  wir  jetzt  Myrrinutte  als  nichtstädtischen  Demos 
der  Aigeis  auf  jeden  Fall  in  dieser  Gegend  suchen  müssen. 
Mit  Myrrinus  dagegen,  dessen  Lage  bei  Merenda  feststeht, 
würde  Strabo  die  topographische  Aufzählung  seiner  Paralia- 
orte  unterbrochen  und  auf  einen  weiter  südlich,  dazu  von  der 
Küste  mehr  entfernten  zurückgegriffen  haben. 

Allerdings  sucht  nun  Löper  solches  'Nachholen1  bei  Strabo 
geradezu  als  Regel  darzuthun  und  mit  Hülle  dieser  Beweis- 
führung  noch  andere,  von  mir,  wie  er  meint,  nicht  genügend 
überwundene  Schwierigkeiten  zu  lösen 

Mehr  um  der  letzteren  willen,  als  wegen  der  Präge  M\i- 
rinus-Myrrinutte,  die  für  unseren  .Nachweis  von  Probalin- 
thos als  Enclave  der  Pandionis  nur  noch  accessoriseben  Werl 


282  A.    MILCHHOEFER 

hatte,  ist  es  geboten,  auf  Löper's  Erörterung  der  betreffenden 
Strabostelle  (S.  326  ff.)  näher  einzugehen. 

Der  Verfasser  erinnert  daran,  dass  ich,  soviel  er  wisse,  der 
erste  gewesen  sei.  'welcher  (Sitzungsberichte  der  berliner 
Akademie  1887  S.  42)  die  Frage  aufgeworfen  hat.  wie  man 
die  von  Strabo  verzeichneten  Deinen  anzusehen  habe,  ohne 
sie  damals  zu  beantworten'.  Aber  meine  Meinung  darüber, 
die  ich  auch  heute  noch  hege,  ging  schon  aus  dem  Zusam- 
menhang jener  Stelle  ganz  deutlich  hervor:  seine  Paraliade- 
men  brauchen  keineswegs  unmittelbare  Hafenorte  zu  sein, 
aber  sie  mussten  wenigstens  vom  Meere  her  gesehen  werden 
können  ;  denn  die  ganze  Aufzählung  scheint  in  erster  Linie 
von  dem  Augenpunkte  des  Küstenfahrers  aus  genommen, wenn 
sie  nicht  geradezu  aus  einem  für  die  Interessen  desselben  zu- 
sammengestellten -soit'Xo'jc  stammt.  Dieser  Norm  fügen  sich 
alle  Deinen,  deren  Lage  und  Namen  unzweifelhaft  feststeht. 
Der  Unterschied  zwischen  Paralia  und  Mesogaia  wäre  also  rein 
praktisch  zu  verstehen;  Deinen  wie  Myrrinus  oder  das  ma- 
rathonische Oinoe  hätten,  wiewol  politisch  zur  Paralia  gehö- 
rig, keinen  Anspruch  auf  Erwähnung.  Dass  auch  die  Liste 
der  '  Küstendemen '  keine  absolut  vollständige  war.  habe  ich 
anderwärts  (Demenordnung  S.  1  w2 )  betont:  ebenso,  dass  in 
einem  nachweisbaren  Falle  eine  Vertauschung  eingetreten, 
nämlich  Lamptrai  hinter  Thorai  statt  vorher  genannt  ist  (S. 
38).  Mit  der  Annahme  solcher  gelegentlichen,  vielleicht  auch 
bloss  handschriftlichen  Irrtümer  glaube  ich  besser  auszukom- 
men, als  mitdercomplicirt.cn.  den  Leser  geradezu  irreführen- 
den Abfolge  vorderer  und  zurückliegender  Reihen,  welche 
Löper  bei  Strabo  "vermutet.  Der  Vergleich  mit  Böotien  spricht 
keineswegs  dafür,  sondern  dagegen.  Denn  wenn  Strabo  hier 
eine  Anzahl  Ortschaften  ans  dem  Hinterlande  nachträgt,  so 
unterbricht  er  ja  seine  Küsten besebreibung  ausdrücklich  und 
orientirt  genau  von  den  schon  genannten  Punkten  ans  land- 
einwärts, ein  Verfahren,  dem  bei  Anika  das  nachträgliche 
Aufzählen  der  vorliegenden  Halbinseln  und  Inseln  entspricht. 

Löper's  ganze  Erörterung  über  den  Strabotext  zielt,  abge- 


ZUR   ATTISCHEN   L0CALVERFAS8UNG  283 

sehen  von  Myrrinus,  namentlich  darauf  hin.  den  Demos  Po- 
tamos  von  seiner  unbequemen  Stelle  an  der  Küste  zwischen 
Thorikos  und  Prasiai  zu  entfernen,  damit  Thorikos  auf  der 
Karte  nicht  als  Enclave  erscheine,  sondern  mit  anderen  De- 
men  der  Akamantis  in  Verbindung  treten  könne. 

Aber  gerade  hier,  hei  den  Demen  nordwärts  Sunion.  betont 
Straho  die  locale  Aufeinanderfolge  so  nachdrücklich  wie  mög- 
lich :  ä;'.ÖAoyo:  §r,y.o:  Soüviov,  sitol  ööpe/.oc,  eiTa  II  o  Tau.  o: 
oyiij.o;  O'jtu  jta'Xo  o  [7.6  v  o  c,  i\  ou  ol  a.vSps:  FI  o  t  ä  y.  to  i.  bTtoc 
Ilpaaia  ÜTsip'.a  Bpxupüv  u.  s.  w.  Und  doch  soll  nach  Löper 
Potamos  weder  das  Gebiet  zwischen  Thorikos  und  Prasiai 
einnehmen,  noch  überhaupt  der  Demos  der  Potamier  /.xt'  l£o- 
^y)v  sein,  sondern  nur  identisch  mit  den  unbedeutenden  IloTa- 
(jt-tot  AeipaSicörat,  die  schon  U.  Köhler  (Athen.  Mitth.  X  S.  107) 
in  richtigem  sprachlichen  Gefühl,  unter  Ablehnung  der  jetzt 
von  Löper  vorgetragenen  Ansicht  als  eine  Verschmelzung  je 
eines  Teils  von  Deiradioten  und  Potamiern  erklärt  hat.  Diese 
Potamier  aber  wären  nach  Löper  gar  nicht  hier  sondern  in  der 
städtischen  Trittys  der  Leontis  nicht  weit  von  Athen  zu  su- 
chen. Der  letztere  Schluss  beruht  einzig  und  allein  auf  der 
Vorstellung,  welche  der  Verfasser  sich  von  der  topographi- 
schen Beweiskraft  einer  Prytanenurkunde  sowie  einer  Demen- 
liste gebildet  hat  und  wird  daher  in  anderem  Zusammenhange 
zu  besprechen  sein.  Hier  soll  nur  bemerkt  werden,  dass  uns 
'die  Potamier'  in  der  alten  Überlieferung  hinreichend  oft  be- 
gegnen und  zwar  immer  schlechtweg  so  genannt,  ohne  An- 
deutung, dass  solche  an  zwei  Orten  existirt  hätten.  IIoT<fc|Moi 
hiess  ein  Stück  des  Strattis;  insbesondere  wurden  sie  von 
den  Komikern  wegen  ihrer  Bereitwilligkeit  mitgenommen,  das 
Bürgerrecht  an  Fremde  zu  erteilen:  bei  Pausanias  lag  das 
Grab  des  Ion  iv  QoTau,oi$  ~r,t  yuoy.c  (I,  31,  3).  Auch  die  Le- 
\iea  kennen  nur  einen  Demos;  der  Scholiast  zu  w  545  weiss 
von  seiner  Zweiteilung  in  xtx0u7:6pOev  und  &7cev6p0ev,  während 
die  Abzweigung  der  IIotxu.-.o'.  AetpaSitöTOtt  nirgends  erwähnt 
wird.  Dass  es  aber  bloss  eine,  und  zwar  im  Osten  gelegene 
Potamiergegend  gab,    folgt  nicht  bloss  e  silentio,  nicht  bloss 


"?84  A.    MJLCHHOEFER 

aus  der  so  umständlichen  Anführung  der  av&ps;  IIoTätxiot  bei 
Strabo,  sondern  ohne  weiteres  auch  aus  Pausanias,  der  an 
jener  Stelle  von  den  entlegneren  Demen  Attikas  spricht,  und 
endlich  auch  aus  den  komikercitaten,  da  die  Verlockung  zu 
einträglicher  Bürgeraufnahme  sich  gewiss  am  besten  aus 
dem  Zustrom  der  Fremden  in  die  Bergwerksdistricte  erklärt. 

Für  die  genauere  topographische  Einordnung  der  Potamier 
zwischen  Thorikos  und  Prasiai  eilt  mir  nach  dem  oben  Ge- 
sagten  der  Wortlaut  des  Strabo  allein  als  vollkommen  ent- 
scheidend.  Weshalb  sollte  Strabo  auch  gerade  die  ganz  unbe- 
deutenden deiradiotischen  Potamier  mit  Unterbrechung  der 
Localfolge  einer  nachträglichen  Erwähnung  gewürdigt  haben, 
nicht  aber  die  Deiradioten  selber,  die  Phrearrier,  Kephaleer 
und  andere  grössere  Ortschaften  der  angrenzenden  Paralia. 
Mit  Strabo  stimmt  aber  auch  die  Aufzählung  hei  Plinius  (IV, 
7,  24)  überein:  Sanium Promontorium ,  Thoricos Promon- 
torium, Potamos,  Sterin,  Brauron,  wo  der  Name  unseres 
Demos  freilich  arg  verderbt  war,  aber  längst  richtig  eingesetzt 
ist.  Löper  hat  es  unterlassen,  sich  mit  der  Stelle  auseinander- 
zusetzen. 

Dass  das  von  Keratea  und  Kuvara  ausgehende  bei  Thorikos 
mündende  psü^ua  wirklich  Wasser  führt  und  noch  heute  den 
auszeichnenden  Namen  '  Potaini '  trägt,  ist  zumal  für  diese 
Gegend  keineswegs  belanglos;  eben  nur  in  seinem  Gebiet  ver- 
teilt sowie  an  der  benachbarten  Rüste  können  die  Potamier 
gesessen  haben,  am  nördlichsten  wol  die  deiradiotischen,  da 
sich  die  Lage  des  Demos  Deirades  gerade  in  der  Nähe  von 
Keratea  durch  einige  (nschriftfunde  ankündigt  (s.  Anlikenbe- 
rieht  Nr.  207.  212).  Auch  verlangt  der  Hafenplatz  von  Daska- 
lio  eine  Besetzung  mit  einem  bedeutenderen  Namen,  als  ihn 
die  allenfalls  noch  disponibel!)  KupreiSai  darbieten.  Die  neuer- 
dings aufgedeckten  Spuren  einer  grosseren  Ansiedlung.  wel- 
che Löper  im  südlichen  Lauriondislriele  erwähnt  (S.  382). 
könnten  den  Phrearrier]]  angehören.  Die  Potamier  und  Dei- 
radioten  vermöchte  ich  schon  räumlich  hier  so  wenig  unter- 


ZUR   ATTISCHEN"    LOCALVERFASSUNG  585 

zubringen,  wie  in  einem  der  Rinnsale  den  'Potamos"  zu  er- 
kennen. 

Will  man  also  nicht  etwa  Thorikos  durch  einen  schmalen 
Küstenstreiten  mit  dem  nächsten  Demos  gleicher  Phyle  (also 
mit  Rephale,  Akamantis)  in  Verbindung  bringen,  was  ich 
stillschweigend  abgelehnt  habe,  so  sehe  ich  auch  heute  noch 
keine  Möglichkeit,  hier  die  Annahme  einer  zweiten  Enclave 
zu  vermeiden.  Da  das  Hecht  zu  principieller  Negirung  solcher 
Falle  bereits  durch  das  Beispiel  von  Probalinthos  beseitigt 
worden  ist.  so  muss  ich  annehmen,  dass  sich  die  Zahl  der- 
selben bei  näherer  kenntniss  sämtlicher  Demenlagen  für  ein 
Kartenbild  des  vierten  Jahrhunderts  eher  vergrössern  als  ver- 
mindern würde. 

Ein  anderer  Punkt  allgemeinerer  Art,  den  Löper  (S.  323  ff.) 
eifrig   discutirt.    knüpft   sich   an    meine    Stellung   zu   einigen 
gleichnamigen  Demen.   die  verschiedenen  Phylen  ange- 
hörten. Es  ist  zunächst  nicht  genau,  wenn  der  Verfasser  sagt. 
ich  halte  dieselben  (mit  Ausnahme  von  Oinoe,  Oion.  Halai) 
jedesmal  für  Teile  eines  und  desselben  Demos.  Ich  habe  stets 
nur  mit  der  bislang  herrschenden  Ansicht  gerechnet  und  le- 
diglich   nachzuweisen  versucht  (S.  43):     wie  die  Annahme 
(dass  Phylengrenzen  mitten  durch  Gemeindefluren  liefen)  z.  B. 
sogar  für  den  dreigeteilten   Kolunos  zutreffen  kann'.  Auf  S. 
14  sagte  ich  nur  'die  (drei)  Kolonosdemen  behandele  ich  als 
locale  Einheit'.   Für  eine  principielle  Erörterung  der  Frage 
schien  mir  schon  deshalb  kein  Anlass  vorzuliegen,  weil  die- 
selbe zu  sicherer  Entscheidung  vorläufig  doch  nicht  gebracht 
werden  kann  und  weil  sie  mir  für  meine  Zwecke  keineswegs 
die  Bedeutung  zu  haben  schien,   die  ihr  Löper  jetzt  beilegen 
möchte.   Gesetzt,  die  Annahme  eines  localen  Zusammenhan- 
ges der  gleichnamigen  Demen  Kolonos,  Eitea,  Phegaia.  Eroia- 
dai  Hesse  sich  in  jedem  Falle  sicher  widerlegen,  worin  wäre 
jene  irrige  Voraussetzung  meinen  Trittyendispositionen  denn 
so  verhängnissvoll  geworden  ?  Die  Stadttrittys  der  Antiochis 
rückte   auch   ohne  Vermittelung  der  Eiteaioi  nordwestlich  an 
die  Demen  der  Akamantis,  und  ohne  die  dv>  Kolonos  im  \\  e- 


286  A.    MILCHHOEFEft 

sten  an  die  Aigeis  heran  (S.  das  Nähere  unten  bei  den  be- 
treffenden Phylen).  Andrerseits  war  doch  für  die  Ansetzung 
der  städtischen  Leontisdemen  nicht  die  Lage  des  Kolonos 
sondern  die  desKerameikos  massgebend,  nach  welcher  ich 
Oion  Kerameikon  glaubte  bestimmen  zu  müssen.  Statt  des 
einen  Phegaia,  mit  welchem  icli  an  der  östlichen  Rüste  aus- 
komme, muss  Löper  ebendort  zwei  nicht  weit  getrennte  De- 
inen   deichen   Namens   schaffen.    Eroiadai    endlich    bot  mir 

i 

durchaus  nicht  die  entscheidende  Veranlassung,  neben  Pal- 
lene  noch  eine  binnenländische  Enclave  der  Antiochis  anzu- 
nehmen, sondern  meine  (S.  37  vorgetragene)  Ansicht  über 
die  Lage  von  Semachidai.  Ich  verzichtete  damit  ja  ausdrück- 
lich auf  den  Nachweis  eines  ganz  einheitlichen  Territoriums 
für  den  Landbezirk  dieser  Phyle,  aber  ich  sehe  die  Lösung 
dieses  Problems  auch  heute  noch  nicht  gefördert. 

Die  Eroiadai  sind  schon  vorhältnissmässig  früh  für  zwei 
Phylen  bezeugt.  Aber  gerade  hier  ist  es  doch  wenig  wahr- 
scheinlich, dass  die  eine  unbekannte  Familie  ihren  Namen  an 
zwei  ganz  verschiedene  Gemeinden  vererbt  habe.  Ein  ver- 
gleichender  Blick  auf  die  'attische  Genealogie1  und  die  De- 
menlisten lehrt  uns  ja  ungefähr  das  Verhältniss  kennen,  in 
welchem  Kleislhenes  den  Adels<>eschlechtem  Einfluss  auf  seine 
Onomatoloüie  der  Deinen  einräumte. 

Viel  annehmbarer  schon  ist  die  Voraussetzuno;,  es  hätten 
verschiedene  Ortschaften  ihren  Namen  von  dem  '  Hügel',  den 
'Weiden',  den  'Eichen'  hergeleitet.  Aber  wir  dürfen  auch 
nicht  vergessen,  dass  uns  wenigstens  Phegaia  in  der  Pandio- 
nis  und  Eitea  in  der  Akamantis  urkundlich  erst  seit  der  Ein- 
richtung neuer  Phylen  und  zwar  recht  schwach  bezeugt  sind, 
also  aus  einer  Zeit,  in  der  auch  sonst  dauernde  oder  vorüber- 
gehende Teilungen  und  Umstellungen  stattgefunden  haben 
(eine  Heihe  von  Beispielen  zuletzt  bei  .1.  E.  Kirchner,  liliein. 
Mus.  XLV11  S.  .Vif)  ff.).  Ich  balle  es  somit  immer  noch  für 
geratener,  mit  (\w  localen  Einheil  von  Eroiadai.  Phegaia.  Ei- 
tea zu  rechnen,  während  bezüglich  der  Kolonoi  nur  der  Alan- 


ZUR   ATTISCHEN    LOCALVERFASSUNG  287 

gel  an  Unterscheidungsnamen  gegen  die  Annahme  getrennter 
Locale  spricht. 

Zum  Schluss  der  allgemeinen  Erörterungen  berühre  ich  die 
Frage  nach  der  topographischen  Verwertbarkeit  der  inschrift- 
lichen, demenweise  geordneten  Kataloge.  Löper  erkennt 
an  (S.  336),  dass  icli  zuerst  die  Aufmerksamkeit  auf  dieses 
Material  gelenkt  habe,  glaubt  aber,  durch  genauere  Prüfung 
desselben  noch  bessere  Resultate  erzielen  zu  können.  Er  geht 
dabei  aus  von  der  '  Bedeutung,  welche  die  Trittyen  gerade 
auch  bei  der  Wahl  einer  grossen  Zahl  der  Phylenrepräsentan- 
ten  gehabt  haben  müssen',  und  erwartet  deshalb,  dass  man 
diese  Unterabteilungen  in  den  Verzeichnissen  berücksichtigte; 

C  D        ' 

eine  Spur  davon  glaubt  er  auch  noch  in  der  regelmässigen 

I  <  DD 

Dreizahl  der  Columnen  zu  erkennen. 

Aber  diese  Vertreter  wurden  ja  in  weitaus  den  meisten  Fäl- 
len durchaus  nicht  nach  Trillyen,  sondern  nach  Deinen  und 
nach  Massgabe  ihrer  Stärke  gewählt  :  die  Fünfzigzahl  der  Pry- 
tanen  zumal  ist  von  vorn  herein  nicht  auf  ein  Hervorgehen  aus 
drei  gleichen  Abteilungen  angelegt  und  die  genügend  erhalte- 
nen Listen  des  vierten  Jahrhunderts  gar  [»liegen  einen  höchst 
ungleichmässigen  Anteil  der  drei  Localbezirke  an  der  Herstel- 
lung jener  Gesamtsumme  zu  erweisen.  Die  einzige  ausdrück- 
lich nach  Trittyen  geordnete  Inschrift  C.  I.  A.  11.87  1  cha- 
rakterisirt  sich  schon  durch  das  Ungewöhnliche  ihrer  Über- 
schriften als  Ausnahme,  für  die  ich  mit  Köhler  (Athen.  Mitth. 
Vll  S.  110)  eine  ganz  besondere  Veranlassung  suche,  lud 
welche  Art  von  Trittyen  war  denn  die  hier  verzeichnete? 
Erinnert  man  sich  der  Rolle, welche  Demosthenes  (XIV,  22  IV.) 
den  Trittyen  zudachte  und  welche  die  gleiche  Leistungsfähig- 
keit derselben  voraussetzte  |  Vgl.  auch  die  Tritt varchen  bei 
(dunes  IM.  30  und  als  Finanzbehörde  C.  I.  A.  II.  297  IV.), 
so  kommt  man  notwendig  auf  den  Gedanken,  dass  damals  die 
Localeinlieii  der  Trittyen  wegen  der  unumgänglich  geworde- 
nen Ausgleiche  im  Princip  bereits  aufgegeben  war.  Einen 
sehr  lehrreichen  Wink  in  dieser  Hinsicht  scheinen  zunächst 
wieder  für  die  Pandionis  noch  einige  andere  Listen  zu  ge- 


3$ö  A.    M1LGHH0EFEH 

währen  (C.  I.A.W.  865  AsVriov  ipX.  1889  S.  18),  deren  An- 
ordnung nach  Trittyen  ich  bereits  früher  vermutete  (Demen- 
ordnung  S.  17)  und  die  auch  Löper  (S.  337)  annimmt.  Dar- 
nach wäre  Probalinthos  im  Laufe  der  Zeit  ausgleichsweise  zur 
städtischen  Trittys  |  k \  dal hen)  gezogen  worden,  etwa  gar  aus 
Phyle  II  oder  IX.  wodurch  die  'Enclave'  nun  ihre  natür- 
lichste Erklärung  fände.  Auch  darauf  habe  ich  a.  a.  0.  be- 
reits hingewiesen,  ohne  damals  die  ziemlich  weittragenden 
Consequenzen  zu  ziehen:  denn  die  Verfolgung  dieses  Gesichts- 
punktes hätte  in  ein  Capitel  von  den  Schicksalen  der  Trittyen 
und  Deinen  während  der  zwei  Jahrhunderte  seit  Kleisthenes 
und  namentlich  während  der  ersten  Hälfte  des  V.  Jahrhun- 
derts gehört,  für  welches  mir  die  Zeit  noch  nicht  gekommen 
scheint. 

Für  Löper  kommt  ein  solches  überhaupt  nicht  in  Frage  und 
doch  ist  es  klar,  dass  unter  unserer  Voraussetzung  den  Kata- 
logen ausnahmslose  topographische  Beweiskraft  gerade  dann 
erst  recht  abgehen  muss,  wenn  sie  wirklich  '  nach  Trittyen 
geordnet  waren '. 

Soll  nun  damit  die  eingehendere  Beschäftigung  mit  den  Li- 
sten  etwa  herabgesetzt  werden?  Gewiss  nicht  und  ich  erkenne 
gerne  an.  dass  Löper  den  localen  Zusammenhängen  innerhalb 
derselben  consequenter  als  ich  und  nicht  ergebnisslos  nach- 
gespürt hat.  Nur  bestreite  ich,  dass  der  Fortschritt  auf  prin- 
cipiell  verschiedenem  Wege  erzielt  worden  ist,  und  dass  er 
nicht  schliesslich  auf  demselben  Eklekticismus  beruht,  wel- 
chen der  Verfasser  gelegentlich  mir  zum  Vorwurfe  macht. 
Denn  in  einzelnen,  durch  offenkundige  Localzusammenhänge 
vertrauenswürdigeren  Urkunden  eine  dazu  noch  durchgehende 
'Berücksichtigung  der  (kleisthenischen)  Trittyen '  herausfin- 
den zu  wollen,  muss  ich  schon  nach  dem  Gesagten  für  unzu- 
lässig halten.  Man  wird  sich  lediglich  so  ausdrücken  dürfen, 
dass  in  gar  nicht  wenigen  Fällen  beim  Aufstellen  der  Listen 
die  örtliche  Gruppirung  der  Deinen  zum  Ausdruck  gekom- 
men ist.  aus  der  dann  für  uns  noch  die  Grundzüge  des  klei- 
Bthenischen  Systems  hindurchblicken.  Diese  Locale  Disposition 


ZUR    ATTISCHEN    LOCALVERFASSUNG  289 

bildete  aber  weder  die  Regel  nocb  herrschte  sie  du.  wo  sie 
zur  Geltung  gelangte,  unumschränkt.  Der  Vorrang  solcher  De- 
inen, welche  die  Pbylenbeamten,  wie  den  Tamias  und  Gram- 
mateus  stellten,  manche  Rücksicht  auf  symmetrische  Anord- 
nung der  Columnen,  wobei  wiederum  die  durch  zahlreichere 
Vertreter  ausgezeichneten  Demeo  gern  an  die  Spitze  gestellt 
winden,  die  Schaar  der  kleinsten  den  Beschluss  bildete,  und 
gewiss  noch  andre  Gesichtspunkte,  die  sich  bis  jetzt  unserer 
Beobachtung  entziehen,  scheinen  daneben  massgebend  gewe- 
sen zu  sein  und  die  landschaftliche  Anordnung  durchkreuzt 
zu  haben. 

Erwägungen  dieser  Art  sind  es,  welche  mir  vor  allzu  aus- 
schliesslichem Vertrauen  auch  auf  solche  Urkunden  zu  warnen 
scheinen,  denen  wir  zufällig  keinen  Verstoss  gegen  das  Lo- 
calprincip  nachweisen  können,  während  sich  andrerseits  bei 
vorsichtig  angestellten  Vergleichen  die  bedingte  Brauchbarkeit 
sovvol  der  unregelmässiger  aufgestellten  Listen  wie  auch  der 
des  dritten  Jahrhunderts  und  der  Folgezeit  immer  noch  moti- 
virt.  In  der  That  verzichtet  auch  Löper  keinesweges  auf  die- 
ses 'eklektische  Verfahren'. 

Praktisch  wird  die  Frage,  wieweit  wir  gewissen  Inschrif- 
ten entscheidende  Autorität  beimessen  sollen,  meistens  nur 
für  Demen  niederen  Ranges  von  Bedeutung.  Wir  verlegen 
diese  Fälle  ebenso  wie  die  wichtigeren,  in  denen  jenes  Hülfs- 
mittel  seine  eigentliche  Probe  zu  bestehen  haben  wird,  bes- 
ser in  die  Einzelbesprechung. 

I.    Erecktheis. 

Von  meiner  Verteilung  der  Demen  dieser  Phyle  weicht  Lö- 
per nur  insofern  ab,  als  er  Pergase  bei  der  Landtritt \s  Kephi- 
sia  anstatt  bei  Agryle  sucht.  Er  hat  dies  (S.  343  |  wo!  richtig 
aus  Aristophanes  Hitlern  V.  3"21  ff.  erschlossen,  wenn  hier 
Demosthenes  aus  Aphidna  redete,  während  ich  mit  Elmsley, 
Dindorff  u.  A.  geglaubt  hatte,  dass  vielmehr  Nikias  zu  Worte 
kam.  Auf  eine  genauere  Ansetzung  von  Sybridai  glaubte  ich 

ATHEN.    MITTHEILUNGEN   XVIII.  20 


•290  A.    MILCHHOEFER 

verzichten  zu  sollen.  Löper  teilt  auch  diese  Ortschaft  dem  in- 
neren Bezirke  zu,  indem  er  den  von  Norden  herabkommen- 
den Hauptfluss  des  Kephisos,  welcher  doch  seine  ganze  Rich- 
tung bestimmt,  für  den  Syverus  flumen  (Plin.  37.  35)  er- 
klärt und  sogar  den  Ortsnamen  Fasidero  mit  Sybridai  zusam- 
menbringen möchte!  Im  Zusammenhange  damit  steht  denn 
die  ganz  unmögliche  Ansetzum»  von  Trinemeia  (s.  unten  :  Ke- 
kropis).  Freilich  sollen  jene  bedenklichen  Argumente  auch 
nur  die  aus  den  Listen  gewonnene  Überzeugung  von  der  Nach- 
barschaft  der  Sybriden  mit  Kephisia  stützen ;  doch  wider- 
sprechen sich  hier  die  beiden  einzigen  Inschriften,  welche 
sonst  Spuren  localer  Anordnung  aufweisen  könnten,  indem 
CIA.  111,  1019  Sybridai  hinter  Paraliademen  steht  und  nur 
in  der  Demenliste  C.I.A.  11,  991  zwischen  Pergase  und  Phe- 
gus.  Löper  giebt  letzterer  wie  immer  den  Vorzug.  Wir  wer- 
den ihren  Wert  bei  der  Leontis  näher  zu  prüfen  haben  ;  hier 
sei  nur  bemerkt,  dass  die  Auswahl  von  Demen,  welche  wir 
darin  für  die  ersten  fünf  Phylen  ganz  oder  bruchstückweise 
besitzen,  zwar  regelmässig  mit  städtischen  anhebt,  in  Bezug 
auf  die  der  Paralia  und  Mesogaia  aber  entweder  keine  con- 
stante  Reihenfolge  wahrt  oder  bisweilen  eine  dieser  Land- 
schaften überhaupt  vernachlässigt.  Endlich  scheinen  hier  wie 
in  manchen  Prytanenurkunden  bisweilen  kleinere  Demen  ohne 
Rücksicht  auf  ihre  Lage  den  Beschluss  der  Reihe  zu  bilden. 
Noch  ein  Punkt  der  speciellcren  Ortskunde  muss  berührt 
werden.  Löper  ist  zwar  ebenfalls  überzeugt,  dass  Euonymon 
schon  um  der  Grabschriftfunde  willen  in  die  Paraliagegend 
gehört;  er  weist  diesem  bedeutenden  Demos  aber  eine  Lage 
an,  wo  nie  eine  Ansiedlung  existirl  haben  kann.  Überhaupt 
ist  östlich  vom  Hymettos  kein  Platz  dafür  vorhanden.  Die  Ge- 
gend am  südlichen  vYestabhange  des  Gebirges  in  Anspruch 
zu  nehmen  hinderten  ihn  seine  Ansichten  über  die  'natür- 
lichen Grenzen'  der  Triltyen,  sowie  über  die  Lage  von  Aixone 
und  Halai  (s.  unten:  Leontis  und  Kckropis).  Meiner  Meinung 
nach  collidiren  die  Ruinenstätten,  welche  ich  für  Euonymon 
ins  Auge  gefasst  habe  (a.  a.  O.  S.  12;   Löper  S.  410  scheint 


ZUR   ATTISCHEN   LOCALVERFASSUNG  291 

mich  misszuverstehen),  keineswegs  mit  Halai.  dem  ganz  gut 
noch  der  Küstenstreif  bis  Kap  Zoster  vorbehalten  sein  konnte. 
Erwägt  man  übrigens,  dass  sich  die  Fundzone  der  meisten 
Euonymeergrabsteine  zwischen  Trachones  und  Pirnari  er- 
streckt und  dass  schliesslich  für  jene  Stätten  am  Hymettos 
andre  Üemen  aus  Phyle  I  oder  VII  (Löper  denkt  an  Epieiki- 
dai)  verfügbar  waren,  so  muss  ich  die  Möglichkeit  offen  las- 
sen, dass  Euonymon  nördlich  von  Aixone  lag,  also  mit 
Agryle  zur  Stadttrittys  gehörte.  Erscheint  doch  Agryle  (mit 
dem  kleinen  Themakos)  allein  als  Trittys  in  noch  ungünsti- 
gerem Grössen  verhältniss  zu  den  beiden  andern  der  gleichen 
Phyle,  wie  die  meisten  übrigen  Stadtbezirke.  Selbst  die  älte- 
ren Kataloge  (C.  I.  A.  1,  338  und  Athen.  Mitth.  IV  S.  330, 
vgl.  Löper  S.  348  ff.)  liessen  sich  mit  dieser  Annahme  recht 
wol  vereinigen  und  so  fragt  es  sich  von  neuem,  wie  viel  Au- 
torität wir  der  entgegenstehenden  Anordnung  der  Demenliste 
C.  I.A.  II.  991  beizumessen  haben. 


II.    Aigeis. 


Der  Umstand,  dass  wir  von  den  20  Deinen  der  Aigeis  (na- 
mentlich nach  Ermittelung  von  Ikaria,  Erchia,  Plotheia)  alle 
wichtigeren  hinreichend  genau  bestimmen  können,  baut  je- 
der einseitigen  Speculation  auf  Grund  der  Inschriften  vor. 
Von  nicht  weniger  als  drei,  zum  guten  Teil  erhaltenen  Pry- 
tanenurkunden  will  nun  in  der  That  keine  zustimmen:  viel- 
mehr ist  hier  das  massgebende  Princip  ihrer  Anordnung  leicht 
ersichtlich  :  abgesehen  von  den  vorangehenden  Deinen,  welche 
die  Beamten  stellten,  ordnen  sich  die  übrigen  nach  der  Zahl 
ihrer  Vertreter,  wobei  die  kleinen  und  kleinsten  teils  am  Ende 
der  Columnen  zur  Ausfüllung  verwandt,  teils  in  der  letzten 
Columne  mehr  summarisch  vereinigt  werden.  Die  Demenliste 
C.  I.  A.  II,  991  beginnt  wieder  mit  städtischen  und  bricht 
leider  ab  mit  Gargettos;  dazwischen  Erikcia  und  Otryne.  Sol- 
len diese  unbedeutendsten  Ortschaften  wirklich  die  Paralia 


291  A.    MILCHHOEFER 

repräsentiren  ?  Otryne  lag  freilich  am  Meer,  aber  das  '  Haide- 
dorf '  passt  meiner  Erfahrung  nach  doch  nicht  wol  zur  atti- 
schen Rüstenlandschat't  sondern  gehört  in  das  Innere. 

Da  Löper  (S.  350)  übrigens  anerkennt,  dass  meine  Trit- 
tyen der  Aigeis  mit  den  seinigen  in  der  Hauptsache  überein- 
stimmen und  dass  es  auch  in  der  Verteilung  der  Deinen  unter 
die  Trittyen  keine  wesentliche  Meinungsverschiedenheit  zwi- 
schen uns  giebt,  so  will  ich  in  Bezug  auf  topographische  Ein- 
zelfragen nur  bemerken,  dass  ich  Myrrinutte  und  Lrchia  schon 
oben  behandelt  habe,  an  den  Teithrasioi  festhalte,  die  lonidai 
(a.  a.  0.  S.10)  ja  ungefähr  ebenda  gesucht  habe,  wo  Löper 
sie  ansetzen  möchte  (S.  354).  Da  die  Gleichsetzung  von  Bäte 
und  Patisia  durchaus  nicht  stichhaltig  ist.  füllt  jeder  Anlass 
fort,  die  ohnehin  schon  grosse  Stadttrittys  so  übermässig  nach 
Norden  auszudehnen.  Dagegen  muss  die  Umsetzung  von  An- 
kyle  aus  der  südlichen  Richtung  auf  die  nördliche  Seite  von 
Agryle  als  statthaft  bezeichnet  werden;  ebenso  (S.  36*2)  die 
Verlegung  von  Araphen  nach  der  Demenstätte  Velanidesa,wo 
ich  mit  Anderen  bisher  Phegaia  annahm.  Dann  gehört  der 
letztere  Demos  aber  seinerseits  nach  Raphina,  womit  sich  nun 
noch  besser  die  Angabe  desStephanos  von  Byzanz  'Aaoci.  (xera^ü 
<£>Y,y£Ci):  toö  wpo?  MapaOam  jcoti  Bpaupä>vo<;  verbindet1.  Zu  S. 
3ö0  ff.  bei  Löper  sei  noch  betont,  dass  ich  an  dem  Centrum 
von  Brauron  (um  die  von  mir  nachgewiesene  Akropolis,  über 
dem  Heiligtum)  natürlich  auch  heute  noch  festhalte;  da  das 
ganze  Flussthal  des  Erasinos  mit  seinem  linken  Nebenthal  be- 
siedelt war,  und  der  Hafen  seine  Bedeutung  verloren  hatte, 
nehme  ich  Philaidai  etwa  so  an,  wie  die  Schrift  auf  meiner 
Karte  sich  erstreckt ;  das  Ortszeichen  hat  allerdings  an  seiner 
Stelle  keine  besondere  Berechtigung. 


1  Ich  halte  die  Stelle  keineswegs  ausser  Acht  gelassen  und  dachte  mir 
auch  bei  der  früheren  Ansetzung  das  Küstengebiet  von  Halai  südlich  Phe- 
gaia Ih>  nach  Brauron  ausgedehnt,  was  auf  der  Karte  nicht  gut  angedeutet 

werden  konnte. 


ZUR    ATTISCHEN    LOCALVERFASSUNG  293 

III.    Pandionis. 

Nach  Zurückweisung  der  von  Löper  angenommenen  Lage  von 
Probalinthos  (s.  obenS.  '280fr.)  und  im  Zusammenhange  damit 
der  unmöglichen  nördlichen  Gestalt  seiner  Küstentrittys  bleibt 
mir  hier  nur  noch  wenig  zu  bemerken.  Auf  ein  zweites  Phe- 
gaia  glaube  ich,  wie  schon  ausgeführt,  verzichten  zu  können; 
die  eben  citirte  Wendung  bei  Stephanos :  («Ta£u  $7)ye<ö$  tov 
Trpo?  MapaOtövi  kann,  wenn  damit  überhaupt  ein  Unterschied 
gemacht  sein  soll,  sehr  wol  auf  das  fast  identisch  benannte 
Phegus  (Erechtheis)  abzielen.  Kytheros  muss  irgendwo  zwi- 
schen Paiania,  Erchia  (Spata)  und  Gargettos  gelegen  haben, 
wie  ja  der  jüngste  (bei  Löper  S.  370  ff.  nach  Brückner  ange- 
führte) Grabschriftenfund  von  Papangelaki  mit  den  Namen 
zweier  Personen  aus  Oa  für  die  nähere  Bestimmung  dieses 
Demos  in  ebenderselben  Gebend  sehr  verwertbar  erscheint. 
Die  KccltreiXi;  hat  Löper  wol  endgültig  beseitigt  (S.  371).  Statt 
der  ganz  deutlichen  Fpar,?  der  Demenliste  (C.  I.  A.  11,  991) 
aber  die  npacrujc  einzusetzen  ist  doch  allzu  kühn.  Ich  habe 
(Demenordnung  S.  18)  angedeutet,  wie  diese  Gemeinde  zu 
beurteilen  sein  wird,  und  wenn  ich  dort  die  Laiie  derselben 
bei  Oropos  auch  nicht  für  sicher  gegeben  erachtete,  so  möchte 
ich  hier  hinzufügen,  dass  mir  andrerseits  aus  ihrer  Stellung 
in  der  Demenliste,  wo  Phegaia,  Graes,  Oa  den  vielleicht  ganz 
lockeren  Beschluss  machen,  car  nichts  zu  folgen  scheint. 

IV.    Leontis. 

•  Hinsichtlich  der  Trittyen  i\vv  Leontis  haben  wir  mit  Milch- 
höfer  wol  die  grösste  Meinungsverschiedenheit  sagt  Löper 
I  S.  376).  Den  Grund  dafür  darf  ich  namentlich  darin  erken- 
nen, dass  sieh  von  den  /.ablreielien  Demen  dieser  Ph\le  nnl 
den  sonstigen  topographischen  Hülfsraitteln  ohne  weiteres  nur 
recht   wenige  festlegen    lassen    und    dass   somit   den  \on   Löper 

bevorzugten  inschriftlichen  Combinationen  diesmal  |  sehr  im 


:94  A.    MILCHHOEFER 

Gegensätze  zur  Aigeis,  s.  oben)  ein  verUältnissmässig  weiter 
Spielraum  offen  steht.  Insbesondere  hat  hier  jenes  öfter  er- 
wähnte Demenverzeichniss  C.I.A.  11,991)  die  stärkste  Pro- 
be  auf  seine  Brauchbarkeit  auszuhalten,  und  in  der  That  schei- 
nen ihm  die  vollständige  Prytanenliste  C.  I.A.  II,  864,  sowie 
auch  das  Fragment  Athen.  Mitth.  X  S.  106  zu  Hülfe  zu  kom- 
men. In  den  beiden  ersten  Urkunden  finden  wir  nämlich  über- 
einstimmend die  städtischen  Skamboniden  und  die  an  den 
noch  städtischen  Phaleron  grenzenden  Halimusier  mit  Kettos 
Potamos  und  Leukonoe  vereinigt,  dazu  kommen  in  der  zwei- 
ten Inschrift  noch  die  Cholleidai,  welche  aber  auch  in  ande- 
ren Katalogen  mit  einzelnen  dieser  Demen  vereint  auftreten. 
Auf  dein  Fragmente  kehren  in  derselben  Columne  (II)  und 
fast  in  gleicher  Reihenfolge  wie  C.I.A.  II,  864  wol  auch  mit 
genau  derselben  Demotenzahl  vier  Demen  (  Phrearrioi,  Su- 
nion,  Deiradiotai  und  Potamioi  Deiradiotai)  wieder, von  denen 
drei  sicher  und  die  Phrearrier  aller  Wahrscheinlichkeit  nach 
der  Paralia  angehören.  In  der  dritten  Columne  enthält  die  Pry- 
tanenliste 9  kleinere  Demen,  von  denen  sich  am  Ende  der 
Demenliste  wenigstens  7  wiederholten.  Das  kann  nicht  Zu- 
fall sein  und  es  ist  Löper's  entschiedenes  Verdienst,  auf  diese 
constante  Folge  nachdrücklicher  hingewiesen  zu  haben,  wäh- 
rend ich  nur  die  Zusammenhänge  der  zweiten  Columnen  to- 
pographisch verwertete. 

Da  letztere  Columne  Demen  der  Paralia  aufführt,  die  dritte 
mindestens  6  sicher  ins  Binnenland  gehörige,  die  erste  aber 
den  städtischen  Demos  Skambonidai, dazu  das  von  Athen  nicht 
ferne  Halimus  aufweist,  so  gelangt  Löper  zu  dem  Schluss, 
dass  in  unserer  Inschrift  jede  Columne  je  eine  Trittys  reprä- 
sentire  und  somit  die  darin  aufgeführten  Demen  jedesmal  ört- 
lich zusammenhingen. 

Uns  interessiren  vor  allem  die  von  Löper  als  'städtisch'  in 
Anspruch  genommenen  Ortschaften  Für  seine  Verlegung  der 
ganzen  Gruppe  nach  Süden  bietet  sich  der  sehr  vorteilhafte 
Ausgangspunkt,  dass  wir  dann  das  sonst  isolirte  Halimus  mit 
einbeziehen  können  und  dass  auch  für  die  Skamboniden,  zu- 


ZUR    ATTISCHEN   LOCALVERFASSUNG  295 

mal  nach  Verlegung 'von  Ankyle  (s.  Aigeis),  in  dieser  Rich- 
tung hinreichender  Platz  vorhanden  und  schon  von  Lolling  in 
Anspruch  genommen  worden  ist.  Ich  will  zu  Gunsten  dieser 
Annahme  von  den  Gründen  ansehen,  welche  mir  früher  (De- 
menordnung S.  19)  für  nordwestliche  Lage  der  Skamhoniden 
zu  sprechen  schienen  und  mich  namentlich  auch  über  die  ra- 
dicale  Methode  hinwegsetzen,  mit  welcher  Löper  die  überlie- 
ferte, für  ihn  aber  hinderliche  Zugehörigkeit  von  Oion  hera- 
meikon  zur  Leontis  (durch  Textänderung,  vgl.  Hippothoontis) 
beseitigt.  Dann  also  kann  man  Skambonidai  und  Halimus  im- 
merhin  vereinigen  und  noch  einen  oder  den  anderen  Demos 
derselben  Rubrik  zu  dieser  Gruppe  heranziehen;  gegen  die 
Kettioi  z.  B.  spricht  nichts,  und  vielleicht  ist  sogar,  wie  ich 
hinzufügen  will,  die  in  Chasani  befindliche  Grabschrift  Anti- 
kenbericht Nr.  740:  KJyjttio«  zu  ergänzen. 

Indess  wenn  die  Autorität  der  Inschriften  allein  entschei- 
den soll,  so  müsste  hier  eine  noch  grössere  Zahl  von  Demen 
beisammen  gelegen  haben:  die  Cholleidai,  die  Leukonoeis, 
beide  volkreicher  als  Skambonidai  nnd  endlich  die  doppelt 
geteilten  Potamier. 

liier  bieten  sich  zunächst  rein  topographische  Schwierig- 
keiten, auch  wenn  wir  Ankyle.  Aixone.  Euonymon  in  weiter 
Ferne  hallen.  Ein  Blick  auf  Löper's  Karte  zeigt,  wie  er  genö- 
tigt ist.  für  diese  Trittys  ein  unverhältnissmässig  weites  Ge- 
biet in  Anspruch  zu  nehmen,  neben  welchem  die  benachbar- 
ten städtischen  Bezirke,  namentlich  derjenige  der  Erechtheis 
(mit  Agryle)  stark  verkürzt  erscheinen.  Ms  stunde  ferner  zu 
erwarten,  dass  so  bedeutende  Deinen  wie  Cholleidai  und  Leu- 
konoe  bei  dieser  nahen  Verbindung  mil  der  Hauptstadt  durch 
die  Überlieferung  wie  durch  die  Inschriften  besser  bekannt 
geworden  wären.  Alle  diejenigen,  welche  wir  auf  jener  Strecke 
andersher  mit  Sicherheit  kennen  wie  Halimus,  Aivone.  Halai. 
Kiionwnon.  dann  Anagyrus  u.  s.  w.  haben  sich  auch  durch 
sepulcrale  Funde,  /..  T.  reichlich,  belegen  lassen,  aber  kein 
Leukonoeus.  kein  Cholleide  ist  bisher  aufgetaucht.  Vielmehr 
schienen  uns  (a.  a.  0.  S.  VI  I  die  Grabsteine  und  anderes  Ma- 


296  A.    MILCHHOEFER 

terial  für  Leukonoe  in  ganz  andre  Richtung  zu  weisen;  noch 
weniger  dürfen  wir  nach  Aristophanes'  Acharnern  (V.33  ff.) 
geneigt  sein,  die  Heimat  des  Cholleiden  Dikaiopolis  in  der 
Umgebung  Athens  zu  vermuten;  man  vergleiche  nur  die  Ver- 
se, in  denen  er  sieh  als  Feind  der  Stadt  hinstellt  und  nach  sei- 
nem ruhigen  Dorfe  sehnt,  welches  seiher  seine  Kohlen  brennt 
und  alle  Nahrungsmittel  seiher  hervorbringt. 

Endlich  entscheiden  gegen  den  strengen  Lokalzusammen- 
hang jener  inschriftlichen  Demengruppe  Ww  sich  allein  schon 
die  Potain ier.  Es  ist  bereits  oben  S.  283  ff. ausgeführt  worden, 
dass  mit  den  avSpss  Uotxuaoi  in  allen  unseren  Nachrichten  stets 
dieselben  und  zwar  die  östlich  beim  Meere  wohnenden  gemeint 
sind,  dass  aber  diese  unmöglich  bloss  mit  den  secundären 
IIoTxa'.o'.  AsipxS'.wTou  identisch  sein  können,  während  im  Be- 
reiche der  Stadt  selber  ein  gleichnamiger  Doppeldemos  gele- 
gen hätte. 

Aber  kommen  nicht  in  der  Prytanenurkunde  C.  I.  A.  II, 
864  Potamier  an  zwei  verschiedenen  Stellen,  nämlich  Columne 
I  Z.  17-*2 \  und  Columne  11  Z.  38  ff.  vor?  Sehen  wir  uns  die- 
selbe noch  einmal  auf  ihre  Composition  an.  Der  äusserliclien 
Längensymmetrie  der  drei  Columnen,  welche  nach  Löper 
streng  s;eschieden  Deinen  des  Stadtgebietes  der  Paralia  und 
der  Mesogaia  enthalten  sollen,  entspricht  auch  ein  nahezu  voll- 
ständiges Gleichgewicht  der  Vertreterzahl  jeder  Abteilung 
(nämlich  17+1 7  +  1 6  =  50  Buleuten).  Wahrlich  ein  Verhäll- 
niss  wie  es  im  vierten  Jahrhundert  sonst  keine  der  übrigen 
Phylen  mehr  darbietet '.  Ich  glaube  nun  in  der  Thal,  dass  die 
Rechnung  hier  allzu  glatt  aufgeht  und  dass  die  Annahme 
eines  so  exceptionellen  Falles  vielmehr  durch  eine  andere  Er- 
klärung zu  beseitigen  ist.    Die  Lösung  scheint  mir  durch  die 


•  Ich  babe  wol  nicht  ru'iii^,  ausfuhrliche  Belege  beizubringen.  Für  jede 

Phyle  liegt  in  Bei sn-(und  Bphehen-)  listen  oder  doch  in  Fragmenten 

von  solchen,  auch  in  unserer  sonstigen  Kenntniss  von  den  Deroen  hin- 
reichendes Material  vor,  um  wenigstens  an  je  einer  sicheren  Localtrittya 
festzustellen,  wie  weil  ihre  Grösse  sich  bereits  von  dem  durcbschnittlicben 
Drittel  nacli  ölten  oder  nach  unten  zu  entfernt  bat. 


ZUR    ATTISCHEN    LOCALVERFASSUNTr  297 

Analogie  der  oben  besprochenen  Pandionislisten  gegeben,  wel- 
che auch  in  der  formalen  Anordnung  durch  Verbindung  von 
Kydathen  mit  Probalinthos,  also  mit  Durchbrechung  des  Lo- 
calprincips  einen  Ausgleich  der  alten  Trittyen  darstellen, 
so  dass  jede  einzelne  derselben  nun  wiederum  die  annähernd 
gleiche  Zahl  von  Repräsentanten  stellen  und  auch  sonst  die 
gleichen  Functionen  wie  Lasten  übernehmen  konnte. 

In  demselben  Sinne  stellen  die  3  Columnen  unserer  Leon- 
tis-Inschrift  allerdings  die  3  Trittyen  dar,  aber  in  einem  Sta- 
dium der  Reorganisation,  welche  den  Zweck  hatte,  sie  ver- 
mittelst gewisser  Umordnungen  wieder  auf  ein  gleichmässi- 
geres  Stärkeverhältniss  zu  bringen.  Die  Übereinstimmungen 
der  Demenliste  und  einiger  Fragmente  (s.  Löpcr  S.  390  ff.) 
wird  ebenfalls  aus  der  Renutzung  gleichartiger,  auf  der  revi- 
dirten  Trittyenordnung  der  Leontis  beruhender  Vorlagen  zu 
erklären  sein. 

Wir  sind  also  nicht  genötigt,  in  den  nach  Columnen  geord- 
neten Demengruppen  ausnahmslos  locale  Einheiten  anzuer- 
kennen, aber  ebenso  wenig,  das  Trittyenprincip  aufzugeben, 
wenn  einzelne  Gemeinden  aus  dem  Local verbände  heraustreten. 

Die  Demenstatistik  lehrt,  dass  gerade  die  Paraliademen  im 
Laufe  der  Zeit  sehr  stark  gewachsen,  die  städtischen  (ausser 
Peiraieus)  am  meisten  zurückgeblieben  sind  (vgl.  Demenord- 
nung  S.  44  ff.).  \\  ie  Probalinthos  ursprünglich  vielleicht  der 
Aigeis  oder  Aiantis  angehörte,  so  könnten  die  Potamier  und 
Deiradioten  aus  der  Akamantis  stammen,  womit  auch  die  Nö- 
tigung wegfiele,  Thorikos  als  kleisthenische  Enclave  zu  be- 
trachten. 

Ich  verzichte  darauf,  nun  noch  die  zahlreichen  kleinen  De- 
inen der  dritten,  überwiegend  binnenländischen  Abteilung 
unter  demselben  Gesichtspunkt  einzeln  zu  verfolgen.  Die  Län- 
genausdehnung meiner  Tritts s  hat  Löper  zwar  etwas  einzu- 
schränken versucht;  aber  wenn  er  an  dem  einen  Ende  Hekale 
um  ein  so  Beträchtliches  nach  Westen  ruckt,  giebl  er  einfach 
den  einzigen  topographischen  Anhalt  auf,  dass  dieser  kleine 
Demos  am  Wege  von  Athen  Dach  Marathon  lau1.  Andrerseits 


298  A.    MILOHHOEFER 

verlegt  er  in  das  Gebiet  des  Aigaleos,  wo  ich  Manches  für  Leu* 
konoe  anführen  konnte,  sicher  unrichtig  Oie  (vgl.  unten  Oi- 
neis).  Meine  unverächtlichen  Gründe  für  Aithalidai  (bei  Chas- 
sia,  in  der  Parnesschlucht)  verwirft  er  bloss  zu  Gunsten  der 
kohlen  brennenden  Acharner2,  während  er  diesen  wieder  alle 
ihre  reichen  Weingelände  nimmt  (vgl.  Oineis),  nur  um  un- 
sere Triltys  an  der  südlichen  und  östlichen  Seite  dieses  gröss- 
ten  Demos  hindurchführen  zu  können. 

Ich  wiederhole  zum  Schluss,  dass  ich  (trotz  Oion  Keramei- 
kon  und  der  Gründe,  welche  auch  für  Skambonidai  westliche 
Lage  zu  empfehlen  scheinen)  Löper's  Vorschlag  einer  Verle- 
gung der  Stadttrittys  nach  Süden  unter  den  oben  bezeichneten 
Einschränkungen  zuzustimmen  geneigt  bin  und  darin  einen 
Fortschritt  in  der  Beurteilung  dieser  besonders  schwierigen 
Phyle  gern  begrüssen  möchte. 

V.    Akamantis. 

In  Bezug  auf  die  Dementopographie  herrscht,  abgesehen 
von  'Verschiebungen  innerhalb  enger  Grenzen '.  Einverständ- 
niss  auch  da,  wo  ich  erst  neuerdings  zu  festeren  Ansätzen  ge- 
langt  bin  (s.  namentlich  Sphettos,  Agnus,  Prospalta,  Kephale, 
Cholargos).  Die  wenigen  unsicheren  Ortschaften  spielen  keine 
erhebliche  Rolle  und  könnten  dahingestellt  bleiben.  Doch  ist 
auch  Löper  bereit,  die  Porioi  und  Eiteaioi  an  den  kephisos 
zu  verlegen;  die  Kyrteidai  suchi  er  wol  besser  an  der  Östlichen 
Küste.  Dagegen  gehört  Kikynna  dein  Stadtgebiet  ganz  gewiss 
nicht  an:  ich  bleibe  im  Wesentlichen  bei  meinen  AusIVihrun- 


*  Die  Lage  von  Hekale  an  einer  'besuchten  Fahrstrasse '  i>t  jetzl  (gegen 
Löper  8.  ■  64  I  bezeugl  (s.  Maass,  Deutsche  Litleraturzeitung  1893  S.  1036); 
leider  sind  die  beabsichtigten  Ausgrabungen  der  Amerikaner  in  Kukunarti 
!vl'I.  •  Demenordnung '  8.  1\  ff.)  oicbl  zu  Stande  gekommen. 

2  Mussio  flenn  die  Nutzniessung  des  Gebirgswaldes  demenweise  abge- 
grenzt gewesen  sein  ' 


ZUR   ATTISCHEN    LOCALVERFASSUNG  299 

gen  (S.  26)  und  ergänze  auch  in  der  Demenliste  C.  I.A.  II. 
991  c  Z.  18  K[ijtuwa],  da  Sphettos  vorhergeht. 

Als  wesentliche  Änderung  stellt  sich  jetzt  nur  die  Vertei- 
lung der  Üemen  auf  die  drei  Trittyen  dar.  Wenn  man  den 
Stadtbezirk  der  Leontis  aus  der  Gegend  des  kerameikos  hin- 
weg nach  Süden  verlegt,  so  ist  es  nur  folgerichtig,  diesem 
Demos  mit  Löper  die  nordwestlich  benachbarten  aus  der  glei- 
chen Phyle  anzuschliessen  und  somit  die  ganze  Gruppe  zum 
Astygebiet  zu  rechnen.  Denn  auch  die  entfernteren  Gemein- 
den dieser  Phyle,  die  sich  jenseits  des  Hymettos  von  Sphettos 
bis  Thorikos  hinziehen,  vertragen  sehr  wol  eine  Zweiteilung 
in  Mesogeia- und  Paraliademen,  zumal  wenn  einst  noch  die 
Potamier  und  Deiradioten  dazugehörten  (s.  oben  S.  297  )1. 

VI.     Oineis. 

Hier  ist  an  Stoff  zu  neuen  Erwägungen  noch  weniger  hin- 
zugekommen. Gegen  die  ganz  unzulässige  Cernirung  der  Achar- 
ner  habe  ich  schon  oben  (s.  S  298)  Einspruch  erhoben.  Lö- 
per's  Versuch,  Oie  in  das  Gebiet  von  Dafni,  d.  h.  des  Pythion 
zu  verlegen,  scheitert  zweifellos  bereits  an  der  citirten  Sopho- 
klessteile (Oed.  Col.  V.  1045  ff.).  Die  IhJO'.at  ixrai  im  Berei- 
che des  Apolloheiligtums  und  die  westlich  gelegenen  Weide- 
plätze von  Oie,  Stätten  die  der  Chor  in  wechselnden  Phanta- 
siebildern nach  einander  nennt,  können  eben  nicht  identisch 
sein.  Wir  haben  zudem  dringende  Veranlassung,  die  weiten. 
wolliabenden  Gebiete  westlich  vom  Aigaleos  mit  verfügbaren 
Deinen  zu  bevölkern.  Auch  auf  den  Zusammenhang  der  Orts- 
naincn  Oia.  Melainai  und  Eleusis  |  Demenordnung  S.  28)  sei 
nochmals  hinge wiesen. 


1  Auffallend  bleibt  immer  die  so  häufige  Nachbarschaft  mehrerer  Trittyen 
derselben  Phyle;  angesichts  der  aristotelischen  Überlieferung,  dass  Klei- 
sthenes  IxXifptoacv  tpstj  (tpi-rcSc)  d;  Tf,v  puXJjv  'mii-r;,  wird  man  trotzdem  an 
Zufall  denken  müssen,  bs  sei  denn,  dass  die  Zuloosung  sich  nur  auf  Namen 

und  iteihenfolL'i'  der  schon  gebildeten  Phylen  bezogen  hätte. 


300  A.    MILGHHOEFER 

VII.     Kekropis. 

Da  Löper  meine  Bestimmung  von  Sypalettos  und  Phlya  an- 
nimmt und  auch  bezüglich  Pithos  und  Daidalidai  hinreichen- 
de Übereinstimmung  herrscht,  bleibt  allenfalls  noch  von  Tri- 
nemeia  zu  reden,  welches  der  Verfasser  bei  näherer  Local- 
kenntniss  gewiss  nicht  zwischen  Kephisia  und  deu  Pentelikon 
einzuzwängen  versucht  haben  würde.  Weder  ist  hier,  in  der 
Schlucht  von  Kokkinarä,  Platz  für  einen  weiteren  Demos  vor- 
handen, noch  kann  mit  den  äp/ai  des  Kephisos  bei  Strabo 
(p.  400)  der  östliche  Nebenarm  bezeichnet  sein,  welcher  sich 
seitlich  mit  dem  bereits  tief  eingerissenen  Hauptbette  verbin- 
det. Es  wird  dabei  bleiben  müssen,  dass  Trinemeia  an  dem 
Yercinigungspunkte.  oder  wol  noch  höher  hinauf  (Monomati, 
Fasidero)  gelegen  hat.  Löper  muss  demnach  seine  binnen- 
ländische Gruppe  der  Erecbtheis  (vgl.  oben  S.  290)  beträcht- 
lich einschränken. 

Gar  zu  weit  nach  Süden  ist  Aixone  gerückt,  was  sich  aus 
Löper's  Bestreben  erklärt,  möglichst  viel  Raum  für  seine  Leon- 
tis- Deinen  zu  gewinnen. 

Zu  S.  4  10  a.  E.  ('von  den  Ruinen  des  Theaters  [der  Ai- 
xoneer1  beim  Einlange  in  die  Schlucht  von  Pirnari  konnte 
ich  ebensowenig  Reste  finden,  wie  Lolling  und  Milchhöfer'), 
sei  noch  berichtigend  bemerkt,  dass  gerade  Lolling  der  Urhe- 
ber dieser  Angabe  ist  (Athen.  Mitth.  IV  S.  193  ff.). 

VIII .    Hippoth oon tis . 

Nach  den  Beamten- und  Ephebenlisten,  namentlich  auch 
den  späteren,  ist  Azenia  neben  dem  Peiraieus  in  dieser  Phyle 
ganz  besonders  stark  und  regelmässig  vertreten.  Um  so  schwe- 
rer wird  man  sich  entschliessen  können,  diesen  Demos  durch 
eine  Correctur  des  Strabotextes  (Löper  S.  3*J5  'Azryeic,  statt 
des    überlieferten    '  X'^ryv.c, )  '    von    -seinem    lange    behaupteten 


1  Zu  demselben  Vorschlag  ist  auch,  wie  ich  eben  sehe,  V.  vod  Schöffe 


ZUR    ATTISCHEN   LOCALVERFASSUNG  301 

Platz'  an  der  südöstlichen  Küste  Attikas  (und  gar  von  der 
Paralia  überhaupt,  vgl.  S.  418)  zu  beseitigen  und  völlig  ins 
Dunkel  zurücktreten  zu  lassen.  Wenigstens  kann  nach  unse- 
ren Erfahrungen  mit  Probalinthos  und  Thorikos  der  Umstand, 
dass  Azenia  auf  unserer  Trittyenkarte  als  Enclave  erscheint, 
nicht  mehr  als  zureichender  Grund  für  eine  solche  Änderum^ 
geltend  gemacht  werden.  Atene  glaube  ich  zudem  in  der  rui- 
nenreichen Gegend  von  Olympos  neben  Aigilia  nicht  entbeh- 
ren zu  können. 

Auch  Kopros,  als  vrjco*  rö;  'Attixtj?  (daher  t]  Köwpo«)  ver- 
mag ich  nur  auf  der  vorliegenden  Insel  unterzubringen;  an 
Lero  zu  denken  ist  ebensowenig  möglich  wie  etwa  an  Salamis. 

Bestimmterer  Widerspruch  erhebt  sich  ferner  gegen  Löper's 
Behauptung,    dass  Oion  nicht  eben  das  Dekeleia  benachbarte 
Oion  Dekeleikon   der  gleichen  Phyle  sei,   wie  Harpokration 
und  Suidas  angeben   und  bisher  doch  auch  aus  der  Diäteten- 
urkunde  C.l.A.  II,   944   allgemein  geschlossen   wurde  (wo 
Chandler  Col.  II  Z.  17    .  .jIOINOY  las).   Die  Phralrien- 
urkunde  C.  I.  A.  II,  841  b  mit  AeXtiov  £pX.  1888  S.  161  ff. 
lehrt  uns  zudem  nicht  bloss  das  intime  Privatverhältniss  der 
beiden  Deinen  kennen,  sondern  auch  die  gemeinsame  Benut- 
zung des   ' Versammlungshäuses  der  Dekeleer'  in  Athen,  wo 
doch  gewiss  auch  öffentliche  Angelegenheiten  (der  Trittys?) 
beraten  wurden.  Indem  Löper  diesen  natürlichen  Zusammen- 
hang und  zwar  wiederum  durch  Textänderungen  zerreisst,  ist 
er  überdies  genötigt,  die  binnenländische  Trittys  unserer  Phyle 
um  Dekeleia  herum  auf  das  üusserste  einzuschränken,  so  dass 
in  dem  Winkel  des  Gebirgslandes  ausser  dem  ganz  unbedeu- 
tenden Sphendale  für  weitere  Demen,  die  hier  sicher  noch 
vorhanden  waren,  gar  kein  Platz  mehr  übrig  bleibt.  Ich  wur- 
de daher,  um  bezüglich  der  Leontis  entgegenzukommen,  lie- 
gekommen (s.  Bursian'8  Jahresbericht  1893,  III  6.  19  u..  sein  dort  oitir- 
tes  Werk  'Bürgerschaft  und  Volksversammlung  von  Athen '  ist  mir  noch 
nichtzu  Gesicht  gekommen.  Beide  berufen  sich  darauf,  dass  auch  ich  Atene 
ganz  in  der  Nähe  angesetzt  habe,  und   Löper  wundert  sieb  deshalb,  nicht 
auch  bei  mir  schon  jene  Conjectur  zu  linden, 


302  A.    MILCHHOEFER 

ber  noch  Oion  Kerameikon  östlich  vom  Demos  Rerameikos 
abtrennen — ein  '  Töpfervorwerk '  könnte  auch  anderswo  gele- 
sen haben  ;  für  die  Thonlasjer  von  Kolias  und  somit  die  Nach- 
barschaft  von  Halimus  sprächen  allerdings  die  Kataloge  nicht — 
als  an  der  bisherigen  Zuteilung  von  Oion  Dekeleikon  ändern. 
Für  eine  Reihe  kleinerer  Deinen  ( Hamaxanteia,  Anakaia, 
Auridai,  Acherdus,  Elaius,  Eroiadai)  liisst  uns  die  Überlie- 
ferung völlig  im  Stiche;  wir  können  hier  und  da  höchstens 
zu  Vermutungen  kommen,  über  deren  Wert  sich  natürlich 
streiten  lässt.  Ich  finde  die  meinigen,  denen  auch  die  Listen 
zustimmen  würden,  nirgends  verbessert.  Die  Verbindung  von 
Anakaia  mit  den  "Ava>ce?  und  ihrer  Tradition  um  Dekeleia 
hatte  auch  ich  erwogen,  aber  als  sprachlich  unzulässig  ver- 
worfen. Die  Ölbaumkultur  von  'Elaius'  entscheidet  nichts 
gegen  die  Thäler  der  Parnesregion  ;  dagegen  wird  man  ein 
4  Artischokenfeld'  wie  es  für  Anakaia  (C.  I.  A.  111,  61  A  III, 
31)  bezeugt  ist,  eher  in  der  Ebene  von  Eleusis  vermuten. 


IX.    Aiantis. 

Eine  Meinungsverschiedenheit  bezüglich  dieser  Phyle  liegt 
nicht  vor.  Auch  meiner  Ansetzung  des  kleinen  Demos  Ky- 
kala  stimmt  Löper  vollkommen  zu. 

X.     Antioc  his. 

Die  Küstentrittys  von  Thorai  bis  Besä  ist  hinreichend  scharf 
umgrenzt;  auch  über  die  zugehörigen  Demen  bleibt  nichts 
mehr  zu  bemerken,  es  sei  denn,  dass  Löper  (S.  422)  die  '  Er- 
gadeis'  recht  ansprechend  im  Bergwerksbezirke  vermutet  (vgl. 
das  heutige  Ergastiria).  während  die  Gleichsetzung  der  4>up- 
vrjdtot  mit  Pherisa  doch  äusserst  gewagt  ist. 

Von  dem  städtischen  Bezirke  steht  die  Lage  des  Hauptde- 
mos Alopeke  unbestritten  fest.  Löper  ist,  namentlich  auf  seine 
Interpretation  der  Listen  hin,  geneigt,  dieser  Trittys  überhaupt 
keine  Demen  mehr  zuzuweisen.  Aber  ich  muss  darauf  beste- 


ZUR    ATTISCHEN    LOCALVERFASSUNG  303 

hen,  dass  dann  das  übrige  Gebiet  zu  beiden  Seiten  des  Turko- 
vuni  ungenügend  besetzt  bleibt:  im  Westen,  wohin  von  Am- 
belokipi  ein  direkter  Weg  zwischen  dem  Hauptstock  dieser 
Bergreihe  und  dem  Lykabettos  hindurchführt,  können  De- 
inen der  ohnehin  weitgedehnten  und  ortreichen  Aigeistrittys 
nicht  auch  nocli  alles  Gebiet  von  Kypseli  und  dem  kolonos 
bis  nach  Patisia  und  darüber  hinaus  occupirt  haben;  aber 
auch  im  Osten,  zwischen  Turkovuni  und  Hymettos  sind  De- 
menstatten  zu  benennen,  die  am  natürlichsten  mit  Alopeke  in 
Verbindung  gesetzt  werden. 

Diese  letzteren  Gebiete  hatte  freilich  auch  ich,  wie  jetzt 
Löper,  in  meinem  ursprünglichen  Entwürfe  mit  Pallene  und 
der  Landtriltys  unserer  Phyle  in  Verbindung  gebracht.  Aber 
nach  Allem,  was  ich  über  den  letzteren  Demos  bis  jetzt  glaube 
ausmachen  zu  können,  blickte  er  nach  Westen  und  Gargettos 
war  es,  welches  das  Zwischengebiet  zwischen  dem  Pentelikon 
und  der  Nordspitze  des  Hy mettos  (dem  i>tpü)TY)C'.ov  zu  Garget- 
tos, Schol.  Aristoph.  Thesm.  898  ;  vgl.  das  äpav/joiov  am  Wen- 
depunkt, wo  Theseus  die  Stadt  zum  letzten  Male  sah,  Plut. 
Thes.  35)  beherrschte.  So  vermag  ich  mit  Pallene  selbst  den 
Demos  Pentele  (welcher  von  den  alten  Marmorbrüchen  auf 
keine  Weise  zu  trennen  ist  und  oberhalb  des  heutigen  Klo- 
sters lag)  nicht  zu  verbinden,  noch  weniger  für  das  von  Dio- 
nysos begnadete,  also  hervorragend  mit  Weinkultur  gesegnete 
Semachidai  in  der  nächsten  Umgebung,  welche  zudem  der 
Epakria  angehören  soll,  einen  irgendwie  geeigneten  Platz  aus- 
findig zu  machen.  Löper's  Versuch  in  den  dürren  und  dürfti- 
gen Strichen  östlich  und  nördlich  von  dem  oäsenartigen  .le- 
raka  fünf  und  mehr  Deinen  unterzubringen,  muss  ich  \om 
topographischen  Standpunkte  aus  für  verfehlt  halten. 

Diesen  Bedenken  gegenüber  glaubte  ich  den  Wunsch,  auch 
für  die  Landtriltys  der  Antiochis  einen  möglichst  abgerunde- 
ten Bezirk  herauszuschälen,  zurücktreten  lassen  zu  müssen. 
Hier  mögen  Verschiebungen  eingetreten  sein,  die  wir  nicht 
controliren  können.  Und  gehörte  nicht  nach  der  Angabe  des 
Stephanos,  die  wir  ohne  weiteres  zu  verwerfen  doch  kein  Recht 


304  A.    MILCHHOEFER,      ZUR    ATTISCHEN    LOCALVERFASSUN  G 

haben,  auch  das  weit  entfernte  Melainai  einst  dem  Verbände 
der  Antiochis  an  ? 

Ohnedies  haben  sich  die  Grundzüge  der  kleisthenischen  De- 
men Verfassung,  wie  Aristoteles  sie  angiebt,  auch  für  unser 
Auge  noch  auf  das  Unverkennbarste  bestätigt.  Wir  stehen  vor 
der  methodischen  Frage,  wie  auf  dem  Boden  des  Erkannten 
und  Gewonnenen  weiter  zu  schreiten  sei. 

Die  sorgfältige,  meine  '  Demenordnung '  bis  in  alle  Einzel- 
heiten hinein  verfolgende  Arbeit  Löper's  bietet  nun  wol  die 
objeetive  Gewähr,  und  dies  ist  nicht  ihr  geringstes  Verdienst, 
dass  alle  bis  jetzt  zur  Erreichung  unseres  Zieles  verfügbaren 
Mittel  angewandt  und  keine  irgendwie  fruchtbaren  Gesichts- 
punkte unerörtert  gelassen  sind.  Ich  weiss  daher  nicht,  ob  die 
naheliegende  Versuchung,  nach  der  Art  eines  bekannten  Ge- 
duldspiels  durch  fortgesetztes  Proben  mit  diesem  selben  Ma- 
terial jeden  Demos  in  seiner  Trittvs  unterzubringen,  Aussicht 
auf  weitere  Erfolge  haben  würde.  Entscheidende  Fortschritte 
müssen  wir  vielmehr  in  Zukunft  von  der  praktischen  Local- 
forschung  erwarten.  Aufklärung  über  einen  einzigen  Punkt  ist 
jetzt  leicht  im  Stande,  ganze  Striche  unseres  Gebietes  zu  er- 
hellen und  jedenfalls  ist  die  Zeit  vorüber,  in  der  man  von 
eignen  Fachgenossen  noch  wol  das  Urteil  zu  hören  bekam, 
dass  der  Wissenschaft  im  Grunde  genommen  an  ein  paar  neu- 
entdeckten Demen  wenig  gelegen  sein  könne. 

Münster  i.  W. 

A.  MILCHHÜFER. 


r 


ZUM  FRIESE  VON  GJÖLBASCHI 

In  dem  umfassenden  Kommentare,  den  Renndorf'  seiner 
Veröffentlichung  der  Friese  angeschlossen  hat,  welche  die 
grosse  Graljanlage  beim  lykischen  Trysa  schmückten,  sind 
diese  sowol  ihrer  grossen  kunstgeschichtlichen  als  auch  ihrer 
inhaltlichen  Bedeutung  entsprechend  und  erschöpfend  behan- 
delt worden1.  Mir  scheint,  abgesehen  von  den  Schlüssen,  die 
Benndorf  aus  der  Anordnung  der  Reliefs  auf  den  Charakter 
der  polygnotischen  Gemälde  gezogen  hat,  nur  ein  Teil  seiner 
Darlesungen  zweifelhaft,  die  Deutung  der  beiden  Friesstreifen 
der  Westwand. 

Die  vollkommene  Abhängigkeit  der  Kunstler  aller  dieser 
Friese  von  der  attischen  Kunst,  die  dem  Beschauer  sofort  ent- 
gegentritt, ist  von  Henndorf  gebührend  hervorgehoben  wor- 
den. Die  Art  und  Weise,  grosse,  figurenreiche  Bilder  zu  com- 
poniren,  zeigten  ihnen  die  attischen  Friese  und  vor  allem  die 
monumentale  Malerei  Polygnots  und  seiner  Schule.  Nur  die 
Anordnung  in  zwei  Streifen  übereinander  fanden  sie  dorl 
nicht,  da,  wie  wir  von  Robert  gelernt  haben,  jene  Künstler 
anders  malten.  Vielmehr  trat  aus  technischen  Gründen  die 
Friescomposition  an  Stelle  der  Gruppirung  auf  mehreren  Bo- 
denlinien in  dem  Momente,  wo  der  Vorwurf  des  Gemäldes  In 
Relief  auf  Stein  übertragen  wurde-'.  Hierin  also  erlauben  die 


1  Aussei'  in  dem  'Vorläufigen  Bericht',  Arcbäologisch-epigraphische Mit- 
theilungen aus  ( islerreich  1882  (VI)  8.151  lt..  im  Jahrbuch  der  kunsthistori- 
schen Sammlungen  des  Allerhöchsten  Kaiser-Hauses  1889  l>.i->  Neroon  von 
Gjöl  hasch  i -Trysa',  von  <».  Benndorf  und  G.  Niemann. 

2  Vgh  Robert,  Die  Nekyia'des  Polygnot  (10.  Hallisches  Winkelmanns- 
programm 1892)  8,  36  11'.  und  8   42  Anm.  16 

ATHEN.    MITTHEILUNGEN   XVIII.  21 


306  k.  Ni>.\c.k 

Friese  von  Gjölbaschi  keinen  Schluss  auf  die  Kunst  des  Po- 
lygnot,  denn  grade  hier  hört  sein  Einfruss  auf  und  beginnt 
derjenige  der  grossen  attischen  Friese.  In  dw  Wiedergabe  von 
Typen  und  Einzelgruppen  dagegen  haben  jene  Meister  eben- 
sosehr unler  dein  Kinl'lnsse  des  grossen  Thasiers  gestanden  wie 
die  attische  Kunst  überhaupt.  Die  Werke  attischer  Plastik  und 
Malerei,  von  Polygnot  bis  zum  Phigaleiafriese,  haben  Inhalt 
und  Charakter  der  Reliefs  von  Gjölbaschi  bestimmt1. 


1  Eine  vollständige  Vergleichung  aller  einzelnen  Typen  dieser  Friese  mit 
attischen  Kunstwerken  des  fünften  Jahrhunderts  würde  noch  deutlicher,  als 
es  bei  Benndorf  geschehen,  zeigen,  dass  die  Skulpturen  von  Gjölbaschi  Mo- 
tive der  verschiedensten  Art  und  der  verschiedensten  Epochen  vereinigten, 
dass  ihre  Meister  gewissermassen  die  Summe  jener  künstlerischen  Ent- 
wickelung  gezogen  haben,  dass  daher  diese  Friese  ersl  an  das  Ende  der 
ganzen  Reihe  zu  stehen  kommen  und  nicht  früher  al>  am  Ausgänge  des 
fünften  Jahrhunderts  entstanden  sein  können. 

Die  tanzenden  Mädchen  unterhalb  des  Gelages  (  Benndorf  a.  a.  0.  Tal'.  XX  ) 
und  noch  mehr  die  beiden  Kalathiskoslänzer  am  Eingang  (Taf.V)  erinnern 
an  die  beiden  berliner  Reliefs,  Arch.  Anzeiger  1893  S.76  77.  und  an  andere 
tanzende  Figuren,  vgl.  F.Winter  im  Fünfzigsten  berliner  Winkelmannspro- 
gramm Taf.  1  f.,  rutligurige  Vasen  bei  Miliin  1  52.  53  und  in  der  Sammlung  der 
archäologischen  Gesellschaft  zu  Athen  Nr.  1314  und  3442.  Für  den  unmittel- 
baren Einfluss  der  grossen  Malerei  ist  der  Freiermord  des  Odysseus  im  Athe- 
natempcl zu  Plataiai  das  grundlegende  Beispiel.  Aber  Polygnot  hatte  auch 
den  Raub  der  Leukippiden  (Anakeion  in  Athen),  Onasias  als  Gegenstück 
zum  Freierraord  die  Sieben  gegen  Theben,  Mikon  Amazonen  und  Kentau- 
renkämpfe (Sloa  Poikile,  Theseion]  und  mit  Panainosdie  Marathonschlacht 
gemalt.  Auf  dem  Fries  mit  dem  Freiermord  linden  wir  auch  die  Gruppe,  die 
in  der  /.weiten  Hälfte  des  fünften  Jahrhunderts  sich  besonderer  Beliebtheit 
erfreute,  hier  für  die  drei  Mägde  verwendet:  Nikefries  (Overbeck,  Plastik4  I 
Fig.  124  e).  Erechtheionfries  (Schöne,  Griech.  Reliefs  Taf.  1  16.22)  und  das 
am  15.  Febr.  d.  J.  von  Philios  in  der  Sitzung  des  alhcn.  Institutes  besprochene 
Urkundenrelief  aus  Eleusis.  Für  die  Gestall  der  Penelope  darf  ausser  der 
Eurydike  des  <  »rpheusreliefs  in  Villa  Albani  |  Benndorf  S.  100 )  noch  an  die 
Athena  und  einige  andere  Frau  engestallen  vom  Nikefries  (a.  a.  I  >.  a-d)  und 
an  Nr.  21  \'>iii  Erechtheionfries  (a.a.O.)  erinnerl  werden.  Der  Partheno'n- 
fries  bietet  natürlich  eine  reiche  Auslese;  ich  nenne  nur  blas  und  Lyn- 
keus  im  Leukippidenraub  Taf.  XVI  A  3.  U  3,  vgl.  Michaelis,  Parthenon 
Taf.  9  Hatte  IX.  Selbst  für  die  Amazonenschlachl  sind  Motive  von  dorther 
genommen:  Taf.  .XIV  .1  14  und  XV  I  15  hal  der  Bildbauer  das  Motu  Par- 
thenon Taf.  13,  XXXVIII  besser  und  getreuer  verwertel  aU  der  Vasenmaler 


ZUM    FRIESE    VON   GJOELBASCHI  307 

Der  grössere  Teil  der  Reliefs  setzt  dank  eini-en  sehr  be- 
stimmt und  charakteristisch  wiedergegebenen  Einzelzügen  der 
Erklärung  keinen  Augenblick  Schwierigkeiten  entgegen  an- 
dere Teile  des  Frieses  enthalten  Scenen  von  allgemeinerem 
Charakter,  der  die  Deutung  auf  einen  besonderen  Sagenzue 
™n  vornherein  ausschliesst.  Mil  Scenen  dieser  beiden  Gat- 
tungen sind  d,e  S..d-. Ost- „nd  Nordwand  bedeckl  '  Die  Süd- 
wand zeig!  aussen  (1)  links  vom  Eingang  Amazonen  (a)  und 
Kentaurenkampfe  (Ä),  rechts  eine  Landungsschlacht  [b)  und 
darüber  die  Sieben  Nor  Theben(«);  auf  der  Innenseite  ( II ) 

(Winter,   Die  jüngeren  altischen  Vasen  S.  34   35)    Die   I)Msi,ii„n 

^fansich,,  die  am  Parthe tat  oicht,  .«^1«^^^ 

11  --«„.,„,  sog.  Theseion  schon  öfter  begegnen,  kom n  in  i  ■    ü         , 

ehrhäuügvor.   Auch  der  Phigaleiafries  kommt  nicht  nur  wegen le   über 
--«.nun,,,,,,,,  Molive  (Vg..  Vorläufige,  Bericht  S.^.GjölSi  S  H4^n 
^cht-sondern  auch  wegen  der  ähnlich  wie  in  den  Skilptown  wd  ffii" 
^f»u»r;';'f»  "nd  übertriebenen  Gewandbehandlung:  z.PB.Ta,VHfl 
;,  A  '2;/nou    ^ust.  Vgl.  aber  auch   das   Relief  der  Grabfassade 

"'"">;■■■'■' :;'-'".  Lykien  H  Taf.  15.  Schliesslich  möchte  ich  nocl  Jen 
wX    n,FUIKSlen   'nder  Landu^chlacbt  (Taf.  XXIV.  ü  1 m7  nein 
Werke  vergleichen,  das  gleichfalls  dem   attischen   Kuns.kreise  -,,.,'h  , 
««.lieh  b.I  dem   thronenden  Greise  auf  dem  sog.  flCriÄ 

' I  efs  dieses  Sarkophages  noch  den  Stil  reifer  strenger  Kunst.  Sie  sind  noch 

S".0*.'?  den  B»»nkrei  ^esPheidias  und  der  Par.henonskulp.uren  geLten 

Ähnlich  .bei -.wie  bei  dem  lykischen  Sarkophage  (s.  S.  330 Anm 3)   wdsi 

uch  hier  schon  eine  Figur  aus  de ignen  Kreisedi rRelfeJs  he  ius  und 

ZTS:/V°mel '   rBhl^ln"«eken.nrfcl.lgeblldeie«nrita-^ 

st.  tvord cmV -ergespann;  der  Versuch  ist,  das  , man  «ros.chen Tesfer 

k  ''  '        Üage-e"  inochle  "»"  «ich  bei  der  Darslellung  des  bewegten  Ge 

Ä^rr"" '— M-voderT«n,ri Ä 

,    '  f°htbf  ei<;hncun^  Benndorf's  Vorgang  die  obere  Reihe  mit  e   die  un- 

e;e.ra,t*und^h|e  ^e  einzelnen  Gegenstande  von  links  nach  rech  s  auf 

l,s,,( "'"    «ich.  herstellen  kann.  Auch  glaubte  ich.  da  diese  Pub^c.ln 

i  n?;Chl  ?r2ich'en  '"  ,,Ürfen"  Ml1  der  ^önen  Darstellung 
1>,,lll,M!;UI"  s.'ß«ber  in. keiner  Weise  verglichen  werden •  sie  .St 
n«r  das  Notwendigste.  Vgl.! h  Friederichs-Wollers  993- ' 


30S  V-  noac.k 

den  Freiermord  des  Odysseus (a)  und  die  kalydonische  .lagd(Z>) 
einerseits,  eine  Quadriga  («),  Bellerophon  (//)  und  Gelage  [a  0) 
andrerseits.  Gelagescenen  [a  l>).  eine  Kentauromachie  (/>)  und 
Theseusthaten  («)  füllen  die  Friese  der  Ostwand  (III ).  Wie- 
der eine  Kentauromachie  (/>)  und  Jagdscenen  (ä)  teilen  sich 
mit  dem  Raub  der  Leukippiden  [ab)  in  die  Nordwand  (IV). 

In  den  Scenen  der  Westwand(V)hat  Benndorf  »'ine  grosse 
Illustration  zu  Aithiopis  und  lliupersis  erkennen  zu  sollen  ge- 
glaubt  und  hat,  dem  Vorgange  Schönborn's  '  folgend,  den  ent- 
sprechenden Teil  seines  Kommentares  überschrieben :  der 
troianische  Krieg  (S.115).  Das  wäre  also,  neben  dem  Freier- 
mord  des  Odysseus  und  der  Landungsschlacht  (s.  o.  I )  die 
einzige  umfangreiche  künstlerische  Behandlung  der  homeri- 
sehen  Sagen,  die  uns  aus  dem  Altertum  erhalten  geblieben 
und  die  sich  ebenbürtig  neben  die  Beschreibung  der  polygno- 
tischen  lliupersis  in  Delphi,  die  uns  bei  Pausanias  überliefert 
ist  2,  stellen  würde.  Auch  für  die  Heconstruction  der  alten 
Epen  wurden  wir  manche  Bereicherung  erfahren.  Allein  ge- 
rade hier  glaube  ich  an  der  von  Benndorf  mit  allen  Mitteln 
feiner  und  gelehrter  Exegese  vorgetragenen  Deutung  zweifeln 
zu  müssen. 

Die  beiden,  je  23,50ra  langen  Friesstreifen  zerfallen  in  drei 
deutlich  geschiedene  Gruppen. 

Die  linke  Gruppe  ( Benndorf  Taf.  IX-XI  )  beginnt  mit  vier 
hintereinander  auf  den  Strand  ^ezosenen  Schiffen.  Auf  dem 
vordersten  sitzt  ein  Mann,  der  den  auf  die  Hand  gestützten 
Kopf  rückwärts  nach  der  Schlacht  zu  wendet,  welche  die  Strand- 
ebene  erfüllt.  Diese  dehnt  sich  über  7  bez.  8  Platten  bis  zu 
den  Mauern   einer  Stadt   aus.    In    lebhaft    bewegten    Gruppen 


1  Vgl.  Benndorf  S.  8  f. 

'-'  Dass  Pausanias  eine  ältere  gelehrte  Beschreibung  und  Erklärung  der 
delphischen  I  lemälde  benutzte,  hal  jetzt  wieder  Robert  a.  a.  <  >.  S.  31  f.  nach- 
drücklich betont,  .Mich  dass  ihn  bei  seiner  Darstellung  viel  mehr  rhetorische 
als  antiquarische  Rucksichten  leiteten.  Beide  Gesichtspunkte  waren  mir 
hei  der  Untersuchung  der  Quellen  der  polygnotiseben  lliupersis  [lliupersis, 

(  Hosen  |^:»n  S.   i  T»  -  7  .~i     iiu-mjcIiciiI. 


ZUM    FRIESE    VON    CJOELBASCHI  309 

entwickeil  sich  der  Kampf;  ein  bestimmter  Erfolg  ist  noch 
nicht  errungen,  doch  hat  man  aus  dem  auf  der  unteren  Reihe 
der  Siadl  zueilenden  und  mit  erhobener  Hand  wie  zum  Rück- 
zug winkenden  Krieger  (Taf.  XI,  B  6)  sowie  aus  dem  der 
Siadl  zugekehrten  Tropaion  im  oberen  Streifen  (Taf.  X,  A  4.5) 
auf  einen  Sieg  der  gelandeten  Feinde  geschlossen.  Die  untere 
Reihe  beginnt  unmittelbar  nach  den  Schiffen  mit  einer  beson- 
ders auffallenden  Gruppe:  ein  kahlköpfiger  bärtiger  .Mann 
stellt  gebückt  und  wie  wenn  er  sich  verstecken  wollte  hin- 
ter einem  jugendlichen,  nach  rechts  eilenden  Krieger,  den  er 
am  Gewand  oder  am  Gürtel  festhält.  Ein  Unterschied  der 
Gegner  in  der  Bewaffnung  ist  nicht  zu  erkennen;  die  einzige 
abweichende  Waffe  zeigt  auf  Seiten  der  Städter  ein  Bogen- 
schütze (Taf.  XI,  B  8). 

Unmittelbar  auf  die  Feldschlacht  folgt  auf  der  7.  (a)  bez. 
9.  (b)  Platte  der  erste  Eckturm  der  bestürmten  Stadt.  Fünf 
zinnenbekrönte  Türme  schützen  auf  der  Frontseite,  je  einer  auf 
beiden  Nebenseiten  die  Stadtmauer,  und  über  diese  blicken  wir 
in  die  innere  Stadt,  von  der  der  Künstler  jedoch  nur  die  Gie- 
bel-und  Dachlinien  eines  hochgelegenen  Tempels  angedeutet 
hat  (Taf.  XII,  A  8).  Die  untere  Reihe  zeigt  die  Angreifer. 
Zwischen  Turm  I  und  II  und  zwischen  IM  und  IV  rücken  je 
drei  Krieger,  die  Schilde  wie  zu  einem  Sehnt/dache  \ereini- 
gend,  über  ein  'wallartiges  Vorwerk'1,  gegen  die  .Mauer  vor. 
Die  erste  Gruppe  wird  von  den  Verteidigern  auf  Turm  I.  II. 
der  dazwischenliegenden  .Mauer  und  dem  linken  Seitenturme 
mit  Speer- und  Steinwürfen  abzuwehren  gesucht.  Der  zwei- 
ten Gruppe  sind  keine  unmittelbaren  Verteidiger  entgegenge- 
stellt.  \\  ie  diese  beiden  Gruppen  nach  links  zu  gegen  die 
Mauern  anrucken,  so  sind  die  beiden  Rotten  zwischen  Turin 
II  und  III  und  zwischen  IV  und  V  nach  rechts  gerichtet.  Von 
zwei  Kriegern  gefolgt  und  einem  Nebenmann  unterstütz!  ist 
der  vorderste  Angreifer  bemüht,   das  neben  Turm  III  sicht- 


1  Ben nd ort  S.  1 25. 


310  F.    NOACK 

bare  Thor1  gewaltsam  zu  erbrechen.  Es  scheint  unbemerkt 
zu  geschehen,  kein  Verteidiger  hindert  sie  daran.  Den  Erfolg 
des  gleichen  Versuches  zeigl  uns  die  Gruppe  /.wischen  Turm 
IV  und  V:  das  Thor  ist  bereits  erbrochen  und  von  dvn  fünf 
Angreifern  dringen  die  beiden  ersten  vorsichtig  gebückt  mil 
vorgehaltenem  Schild  ein  (Taf.  XIII,  B  \'l ).  Gegen  die  hier- 
durch geschaffene  Gefahr  wendet  sich  die  Hauptmasse  der 
Verteidiger.   Noch   ist  der  Erfolg  der  Feinde  nicht  vollkom- 

i  O 

men,  denn,  wie  Benndorf  erkannt  hat,  steht  ihnen  einstweilen 
nur  der  Zugang  zu  dem  hinter  dem  ersten  Thore  Liegenden 
Vorhof   offen.   Die  beiden  en<>«>eschlussenen  Reihen  der  Ver- 

I  o 

teidiger.  die  über  der  Alaner  sichtbar  sind  und  sich  von  links 
und  rechts  zu  dem  erbrochenen  Thore  hinbeugen,  verschwin- 
den—  einem  Versuche  perspectiv ischer  Zeichnung  entspre- 
chend—  mil  ihren  Flügelmannschaften  so  sehr  hinter  den 
Mauerzinnen,  dass  eine  Verteidigung  dieser  sicher  nicht  dar- 
gestellt  werden  sollte.  Man  innss  sich  vielmehr  vorstellen, 
dass  die  Städter  auf  den  Mauern,  die  jenen  Thorhof  umschlies- 
sen,  die  eindringenden  Feinde  erwarten,  um  sie  von  dort 
herab  von  allen  Seiten  angreifen  und  bewältigen  zu  können. 
Vom  Ausgange  dieses  Kampfes2  hängt  es  ab,  ob  die  Feinde 
auch  Herrn  des  inneren  zur  Stadt  selbst  führenden  Thores 
werden  oder  nicht,  und  darum  sehen  wir  von  der  linken  Seite 
her  noch  weitere  Abteilungen  schwerbewaffneter  Krieger  zur 
Verteidigung  herbeieilen.  Sie  kommen  von  dem  Mittelpunkt 
des  ganzen  Stadtbildes  her. 

liier  herrscht,   im  Gegensatze  zu  (U'\-  Aufregung  und  dem 

~  Do 

heftig  lobenden  Kampfe  ringsum,  völlige  Knhe  An  die  beim 
rechten   Thore   drohende   Gefahr   erinnert   nur   links  auf  der 


1  Kann  man  bei  diesen  spilzbogig  abgeschlossenen  Thoren  anstatt  an  'las 
■  in  der  Milte  des  Turmes'  befindliche  Thor  oichl  vielmehr  an  kleinere  Aus- 
fallpforten denken,  wie  sie  gleichfalls  spitzbogig  neben  dem  Turm  /..  B.  in 
Messene,  bei  Eleutherae  und  schon  in  den  Mauern  von  Mykenae  (s.  Stef- 
fen, Karten  von  Mykenai  8.  26)  ->irli  linden? 

-  Der  in  andrer  Weise  freilich  schon  angedeutet  ist,  s.  u.  8.  320. 


ZUM    PRIESE    VON*   GJOELBASCHI  ?,\  | 

Mauer  die  hohe  Gestalt  des  Feldherrn,  der  mit  erhobener  Hand 
zur  Schutzgottheil  der  Stach  betet,  während  der  Diener  neben 
ihm   einen   Widder   /.um    Opfer   schlachtet.    Aber   rechts   von 
ihm,  etwas  mehr  im  Hintergründe  sitzt  zunächsl  auf  hohem 
Sessel  der  greise  König;    mit  der  erhobenen   Rechten  hüll  er 
dns  Scepter,    die  linke  macht    eine    Bewegung   nach   den   ent- 
eilenden Verteidigern   zu.    Ihm   zur  Seite  steht  ein  Trabant; 
hinler  dem  Thronsessel,  unter  dem  ein  Panther  oder  ein  Löwe 
ruht,  kauert  ein  Jüngling.   Weiterhin  und  wol  in  der  Absicht 
perspectiv  ischer  Zeichnung  etwas  höher  gerückt,  sitzt  auf  einem 
Sessel   mit  Armlehnen    und  hoher  Fussbank  eine  hoheitsvolle 
Frauengestalt.  Eine  Dienerin  hält  den  Sonnenschirm  über  sie. 
Während  diese  Personen  inmitten  des  Kampfes  ruhig  ver- 
weilen, verlassen    auf  der    rechten    Seile   des   Mittelbildes  die 
Bewohner  die  gefährdeten  Mauern  und  entfliehen  dem  Kampf- 
gewühl.   Ausserhalb   der  heim  fünften  Turme  umbiegenden 
Mauer  zieht  ein  älterer  .Mann  mit  einer  Frau  in  die  Fremde. 
Ihre    Habseligkeiten   werden   von  einem    Esel   getragen.    Auf 
dem  Friesstreifen  darunter  reitet,  von  einem   Manne  »eleitet, 
auf  einem  Maultier  mit  Sattel  und  Trittbrett  eine  Frau  in  der- 
selben  Richtung  von  (U^v  Stadt  hinweg    Die  unmittelbar  über 
und  neben  dem  Kopfe  des  Maultiers  angedeuteten  Felsen  sind 
wo!  für  beide  Gruppen  giltig:  sieht  man  bei  der  oberen  Gruppe 
deutlich,  wie  sie  aufwärts  zum  Gebirge  flieht,  so  hat  es  auch 
bei   der  Heilerin  darunter,  die  sich,  wie  jene,  von  den  Fein- 
den und  (\w  Seeseite  hinwegbewegt,    vollkommen  den   An- 
schein, dass  sie  in  eine  Thalschluchl  Arv  Berge  einlenkt. 

Noch  auf  derselben  Platte,  unmittelbar  rechts  von  dieser 
Gestall  erscheint  bereits  di'v  erste  Krieger  der  dritten  grossen 
Abteilung  der  Westwand,  liier  erstreckt  sich  eine  lebhaft  be- 
wegte Amazonenschlachl  überjesechs  Platten  Tai'  XIV,  XV). 
Benndorf  hält  d\i'  Schlachtebene  zwischen  Schiffen  und 
Stadt  für  die  des  Skainander  Auf  Grund  di'[-  ersten  Gruppe 
der  unteren  Reihe,  die  er  S:14if.)  'Thersites  hinter  Djo- 
medes  benennt,  isl  es  eine  *\v\-  Amazonenepisode  der  Aithio- 
pis  vorausgehende  Schlacht.    Diese  Episode  mit   Achill  und 


310  F.    NOACK 

Penthesileia  haben  wir  dann  auf  der  rechten  Seite  der  West- 
wand  zu  sehen.  In  der  Mitte  aber  beweisen  'Priamos'  und 
vor  allem  die  thronende  Frau  "als  glaubwürdige  Ursache  des 
ganzen  Krieges'  (S.  146),  dass  wir  das  bestürmte  Troia  vor 
Augen  haben. 

Besitzen  die  Gründe,  die  für  diese  Deutung  vorgebracht 
weiden,  die  volle  Kraft  zu  überzeugen? 

Wir  müssen  zunächst  die  übrigen  Darstellungen  kurz  be- 
trachten,  um  über  die  Arbeitsweise  der  Künstler  ein  Urteil  zu 
gewinnen.  Die  Frage  ist:  Was  haben  die  Künstler  darstellen 
wollen  und  wie  weit  sind  sie  diesem  Bestreben  gerecht  ge- 
worden ? 

Die  äussere  Seite  der  Südwand  zeigt  neben  Kentauren-und 
Amazonenkämpfen  links  vom  Eingang  auf  der  rechten  Seite 
eine  leidenschaftlich  bewegte  Schlacht.  Von  der  an  die  Stadt- 
mauer angelegten  Leiter  stürzt  ein  Krieger  kopfüber  herab  ; 
unweit  davon  versinkt  ein  andrer  mit  seinem  Viergespann  in 
die  Erde.  In  der  ganzen  griechischen  Saue  kommen  beide 
Scenen,  zumal  in  dieser  Verbindung,  nur  einmal  vor:  im 
Kampfe  der  Sieben  gegen  Theben.  Den  also  wollten  die  Künst- 
ler darstellen,  und  sie  haben  die  richtigen  Momente  dafür  ge- 
wählt.  Oder  man  wird  vvol  eher  sagen  müssen,  dass  schon 
ihre  Vorlage  diesen  Gegenstand  mit  der  gleichen  Deutlichkeit 
dargestellt  habe. 

Darunter,  also  auch  auf  der  Aussenseite,  sehen  wir  um  ei- 
nen greisen  Herrscher  auf  hohem  Sessel  sich  wappnende  Krie- 
ger, dann  einige  lebhafte  Kampfscenen,  zwei  zu  Boden  sin- 
kende Verwundete,  einen  auf  grossem  Schild  aus  der  Schlacht 
getragenen  Toten  und  schliesslich  zwei  hervorragende  Krie- 
ger, welche  von  den  noch  nicht  an  den  Strand  gezogenen  '  Schif- 
fen herabgesprungen  sind  und  in  die  Schlacht  eilen,  die  sich 
schon  zu  Ungunsten  der  Landenden  zu  wenden  droht.  Benn- 


1  Benndori  8.  204;  die  Steuerruder  gehen  nach  link^  herab,  'sie  sind  also 
noch  nicht  emporgezogen  und  aufgesteckt,  \\ir  bei  der  Flotte  der  West- 
wand, die  Landung  hl  eben  noch  nicht  erfolgt'. 


ZUM   FRIESE   VON   GJOELBASCHI  313 

dorfs  von  diesem  Friese  gegebere  Deutung  findet  eine  schöne 
Bestätigung  durch  die  neuen  Excerpte  aus  der  pseudoapollo- 
dorischen    Bibliothek   (Rhein.  Museum  1891   S.  108.31  ff.). 

Die  Griechen  nahen  der  troi sehen  Küste  :  'A/O.lil  &  i-:n-i'/j.-<. 
Wert;  upÜTOj  u/r,  xizo^r^x:  töv  veöv  tov  yap  K-jroSecvTOt  7cptöTOv  j.i'/.- 
Xeiv  y,xi  TeXeuTav.  7Cu6öu.Evoi  &s  o'.  ßyp^apo'.  tov  gtÖXov  -/.=iv  eu* 
07w>.oi?  677t  rijv  9xXa<J<yav  wpixr,(Tav  x.a;  ßaXXovxe?  -ä-rca'.:  ot7coor/vat 
BKÜXuov.  Töiv  os  'EXXrjvwN  -ptiJTOi;  a.—i%y)  zr.c,  vyjos  IIcgjtiC'./.v.o;  scai 
x,T£tva<;  oü'/.  öXiyo'j;  u©'  E/.toco;  9vy)<jx,ei  ....  FIpcdTectXaou  os  ts- 
XsuT^TavTCt;  ixßaivei  y-exä  Mupiuöovtov  'A/iAAem;  x.oa  Xiöov  ßa^üv 
st;  rrjv  xe©aXyjv  Kuxvoo  jcxcivet  .  .  .  Erst  als  die  Troer  zur  Stadt 
geflohen  sind,  aveXxooGt  Sk  tsc;  vaö; '.  Die  Absicht,  die  hier  ge- 
schilderte Landungsschlacht  des  troianischen  Krieges  auf  dem 
Friese  darzustellen,  ist  unverkennbar,  und  zugleich  liefert  die- 
ser die  erfreuliche  Bestätigung  dafür,  dass  in  den  Excerpten 
des  rnythographischen  Handbuches  doch  noch  manches  gute 
Stück  alter  epischer  Poesie  enthalten  sein  mag'. 

Wir  treten  in  das  Heroon  ein.  Rechts  die  Quadriga  des 
Stifters.  Bellerophon  auf  dem  Flügelpferd  mit  der  Chimaira. 
dann  ein  Gelage;  links  wieder  zwei  auf  den  ersten  Blick  er- 
kennbare Scenen.  Denn  die  Sage  kennt  nur  ein  grosses  Jagd- 
unternehmen  gegen  einen  mächtigen  Eber,  bei  dem  sich  eine 
Jägerin  beteiligt  (Taf.  VII,  B  2),  die  kalydonische  Jagd  mit 
Meleager  und  Atalante.  Und  die  Sage  kennt  auch  nur  eine 
einzige  Scene,  in  der  ein  sonst  waffenloser  Held,  von  einem 
jüngeren  unterstützt,  gegen  eine  Reihe  \<>n  alleren  und  junge- 


1  Die  Excerpta  Valicana  der  apollodorischen  Bibliothek  (herausgegeben 
von  R.  Wagner  S.  65,  ln-18)  geben  nur  ein  Bruchstück  dieser  Erzählung. 

-  1  las  habe  ich  auch  i  löll ingische  gelehrte  Anzeigeu  1 893  S.  T69  F.  an  meh- 
reren  Stellen  darzuthun  gesucht.  Ebenda  aber  habe  ich  auch  gewarnl  voi 
einer  Überschätzung  dieser  rnythographischen  Handbücher  in  dem  Sinne, 
dass  sie  nun  auf  einmal  für  alle  mögliche  spätere  Litleralm  /  B.  Vergil, 
<  »\id,  Quintus  u.  a.  hauptsächliche  Quelle  gewesen  seien.  Zu  meinei  Freude 
äussert  sich  jetzl  auch  Robert  a.  a.  0.  S.  31  in  ähnlichem  sinne,  indem  er, 
wie  ich  für  Quintus,  so  für  Pausanias  in  vielen  Fällen  anstatt  des  'ima 
nären  rnythographischen  Handbuchs'  Ausgabeu  mit  Scholien  anzunehmen 
geneigt  isl. 


31  i  !'.    NOACK 

pen  bei  einem  Gelage  vereinigten  Männern  von  clor  Schwelle 
des  Saales  her  seine  vernichtenden  Pfeile  richtet,  gegen  die 
sieb  jene  mit  vorgehaltenen  Tischen  umsonst  zu  schützen  su- 
chen, während  die  treue  Gattin  in  edler  Haltung  im  Frauen- 
gemach  des  Ausganges  harrt1.  —  die  Sage  kennt  nur  den  Freier- 
mord  des  Odysseus,  und  die  Künstler  halten  nicht  einmal  die 
Schale  vergessen,  die  den  Händen  des  sterbenden  Antinoos 
entfiel.  Wie  trefflich  der  Raub  der  Leukippiden  (Taf.  XVI) 
charakterisirf  ist.  hat  Benndorf  S.  -65  t'.  gezeigt;  ebensowe- 
nig sind  die  auf  einigen   Bruchstücken  der  Ostwand  darge* 

~  O  CT 

stellten  Theseus- und  Perseusthaten  (Taf.  XIX)  zu  verkennen. 
Dagegen  fordern  die  allgemein  gehaltenen  Jagdscenen  und 
Kentauren  kämpfe  der  Nordseite  (Taf.  XVII)  und  die  übrigen 
Reliefs  der  Ostseile  (Taf.  XVIII)  so  wenig  zu  einer  speciel- 
leren  Deutung  auf,  wie  die  entsprechenden  Scenen  und  die 
Amazonenschlacht*  der  Südmauer  (Taf.  XX.  XXI.  XXI II). 
\\  ir  erwarten  bei  einer  Kunst,  die  so  vollständig;  mit  attischen 
Typen  arbeitel,  dass  in  der  Kenlaurenschlacht  auch  die  Kai- 
neusgruppe  nicht  fehle  (Taf.  XXIII,  B  3). 

Diese  kurze  Musterung  ergiebt,  wie  ich  denke,  dass  die 
Künstler  der  Friese  von  Gjöibaschi  da,  wo  sie  bestimmte  Ge- 
genstände aus  der  Heroensage  darstellen  wollten,  sich  nicht 
mit  kleinen,  unklaren  nAvv  allgemeinen  Andeutungen  be- 
gnügten, sondern  möglichst  die  charakteristischen  Züge  wie- 
dergaben,  die  nur  diesen  Scenen  zukamen  und  das  Wichtigste 
ihres  Inhaltes  erschöpften.  Auch  haben  sie  nicht  selbst  entle- 
gene Züge  und  Versionen  der  einzelnen  Sauen  aufgesucht, 
sondern  sie  haben  mit  den  reichen  .Mitteln  sieh  begnügt,  die 
damals,  in  der  zweiten  Hälfte  des  fünften  Jahrhunderts,  sowol 
für  die  monumentale  Kunst  wie  für  das  Kunsthandwerk  den 
festen  Bestand  an  Darstellungen  gebildet  haben,  den  wir  noch 
heute  controlliren  können. 


1  Für  die  Erklärung  diesei  Gruppe  vgl  Denen  Benndorf  S.  101  f.  die  be- 
rechtigten   Einwände  von   Roheit,   Hermes  XXV  S.  i22f.  Die  Abweichung 
von  der <  idyssee  kommt  lur  uns  nicht  in  Betracht,  da  sie  schon  in  der  Voi 
läge  I  Polygnol  l  voi  banden  wai , 


ZI  M    FRIESE    VON   GJOELBASCHI  H5 

Hiernach  kann  man  nicht  erwarten,  dass  diese  Künstler, 
wenn  sie  an  der  Westwand  gleichfalls  einen  mythologischen 
Stoff  behandeln  wollten,  dein  soeben  festgestellten  Grundsalze 
in  diesem  einen  Falle  untreu  geworden  seien.  Es  giebl  also 
m.  E.  nur  zwei  Möglichkeiten.  Sind  wirklich  jene  Scenen 
der  troianiseben  Heldensage  dargestellt,  so  müssen  sie,  so  gut 
wie  die  anderen  mythologischen  Bilder,  die  sicheren  Merk- 
male aufweisen,  die  eine  solche  Deutung  /.weifellos  machen. 
Oder  aber  —  und  das  ist  die  einzig  übrige  Möglichkeit  —  es 
finden  sich  derartige  bezeichnende  Merkmale  uieht,  es  linden 
sich  vielmehr  Züge,  die  dem  widersprechen,  was  man  in  ei- 
ner troi sehen  Darstellung  dieser  Künstler  nach  dem  Gesagten 
ZU  erwarten  hätte  —  dann  hahen  wir  das  Recht,  an  der  vor- 
getragenen  Deutung  zu   zweifeln. 

Es  muss  hierbei  noch  dem  Vorwurfe  vorgebeugt  werden, 
dass  mit  so  scharf  formulirten  Forderungen  dem  künstleri- 
schen Schallen  Gewalt  angethan  werde.  Ich  denke,  hiei  liegt 
die  Sache  anders.  Wir  hahen  es  wo!  mil  gutgeschulten  .Mei- 
stern zu  tlinn.  nicht  aber  mit  schöpferisch  wirkenden  Künst- 
lern. Benndorf  seihst  hat  ihre  Abhängigkeit  und  Unselbstän- 
digkeit in  dieser  Umsicht  überall  hervorgehoben  und  nachge- 
wiesen, und  ein  Blick  auf  die  übrigen  Bilder  lehrt  uns.  dass 
überall  da.  wo  ihnen  künstlerische  Tradition  zu  Gebote  stand, 
sie  sich  an  diese  gehalten  und  nichts  Neues  geschaffen  hahen. 
Die  troischen  Sagen  alter  gehörten  zu  den  Gegenständen,  die 
sieh  schon  die  darstellende  Kunst  zur  /eil  des  Euphronios 
ebenso  wie  der  ganz  unter  epischem  Einflüsse  stehende  poly- 
gnotische  Kreis  oh  genug  gewählt  hat.  Vorbilder  bot  als.»  die 
attische  Kunst  auch  hier  zur  Genüge. 

Nach  diesen  Erwägungen  gilt  es  nun  die  Reliefs  der  West- 
wand zu  prüfen. 

I.  Dem  Eindruck,  dass  man  hier  auf  der  linken  Seite  he- 
roische Kample  \orsidi  habe,  wird  man  sich  zunächst  nicht 
leicht  entziehen  können.  Was  sprich)  aber  t'ui-  die  troische 
Sage.*    Den    auf  dem    vordersten    Schiffe    sitzenden    .Mann    als 

grollenden  Achill  und  demnach  die  Schlacht  als  eine  der  llias 


316  I".    NOACK 

aufzufassen,  wie  es  Schön born  gethan  hatte  (Benndorf  S.  8), 

hat  Benndorf  mit  Hinweis  auf  das  gleiche  Motiv  in  der  Land- 
ungsschlacht aufgegeben.  Entscheidend  aber  dafür,  hier  eine 
Episode  der  Aithiopis  zu  erkennen,  ist  für  ihn,  wie  erwähnt, 
die  Gruppe  '  Thersites  hinler  Diomedes'.  Da  wir  freilich  keine 
sonstige  Darstellung  des  Thersites  besitzen,  die  herangezogen 
werden  könnte. so  rauss  er  auf  eine  verlorene  Erzählung  schlies- 
sen,  die  sich  glaubhaft  in  den  Gang  der  Ereignisse  einfügen 
liesse.  Jedoch  halte  ich  die  Motivirung  Benndorf s  nicht  für 
überzeugend.  Er  glaubt,  dass  die  Tötung  des  Thersites  durch 
Achilleus  doch  als  eine  zu  ungerechte  und  übertriebene  Strafe 
erscheinen  musste,  so  dass,  wenn  die  Sympathie  für  Achill 
bestehen  bleiben  und  nicht  zu  Gunsten  des  Gelitteten  umschla- 
gen sollte,  Thersites  sich  schon  vorher  in  einer  Weise  habe 
benehmen  müssen,  die  seinen  Tod  gerechtfertigter  erscheinen 
lasse.  Daher  sei  er  vorher  schon  in  der  Aithiopis  eingeführt 
worden,  wie  er  sich  feige  hinter  seinem  Verwandten  Diomedes 
verberge.  Meiner  Empfindung  nach  bedurfte  es  dieses  vorbe- 
reitenden Zuges  nicht,  um  das  gemeine  und  gehässige  Vorge- 
hen  des  hässlichen  Mannes  gegen  die  schöne  sterbende  Ama- 
zone  zu  einem  todeswürdigen  zu  machen.  Die  Feigheit  des  Ther- 
sites  würde  im  Getümmel  der  Schlacht  schwerlich  den  nöti- 
gen Eindruck  gemacht  halten:  wenn  aber  Dichter  oder  Hörer 
noch  etwas  zur  Begründung  dieses  Totschlages  brauchten,  so 
war  in  der  jedem  im  Geiste  vorschwebenden  lliasscene  schon 
ein  genügend  unsympathisches  Thersitesbild  geschaffen.  Und 
erwägt  man  schliesslich  die  Stärke  \on  Ursache  und  Wir- 
kung  in  beiden  Episoden,  so  entspricht  den  Prügeln,  die 
Thersites  für  seinen  feigen  Rat  von  Odysseus  empfängt,  \oll- 
auf,  wenn  nach  der  Schändung  der  Amazone  Ai'v  in  Liebe  zu 
ihr  entbrannte  Held  ihn  niederschlägt1. 

Das  Ausschlaggebende    für  die  Deutung  auf  eine  solche  der 


1  Auch  Hirschfeld,   Berliner  phil.  Wochenschrift    1889  8.  li.'l    zweifeil 
an  der  Ueulunc  aul  Thersi  es. 


ZUM    FRIESE    VON    ilJOELHASCHI 


317 


troischen  Amazonenepisode  vorausgehende  und  mit  ihr  eng 
verbundene  Scene  ist  die  Amazonenschlacht  auf  der  gegen- 
überstehenden Seite  unsres  Frieses.  Mit  dieser  steht  und  fällt 
die  von  mir  bezweifelte  Erkläruno;. 

Bevor  ich  mich  zu  dieser  rechten  Seite  der  Westwand  wen- 
de, möchte  ich  noch  eine  Frage  aufwerfen.  Wenn  man  in  der 
Zeit,  wo  Polygnots  Malerei  vorbildlich  war,  den  Kampf  der 
Griechen  und  Troer  in  der  Ebene  zwischen  der  Stadt  und 
dem  ' Schiffslager '  (Benndorf  S.  115)  darstellen  wollte,  wür- 
de man  sich  da  mit  der  knappen  Angabe  der  Schiffshin- 
terteile begnügt  haben, wie  es  bei  der  ersten  Landungsschlacht 
allerdings  das  allein  Richtige  war?  Polygnot  selbst  hat  sogar 
auf  seinem  Bilde  der  Iliupersis  neben  den  Schiffen  das  Zelt 
des  Menelaos  und  ein  anderes  gemalt1,  an  recht  verkehrter 
Stelle,  da  die  Griechen  vor  ihrer  Scheinabfahrt  nach  Tenedos 
bereits  das  Zeltlager  niedergebrannt  hatten2:  so  unbedingt 
gehörten  in  seiner  Vorstellung  zu  den  Schiffen  am  troi sehen 
Strand  die  Zelte  der  Achäer.  Dürfte  man  nicht  auch  am  Fries 
von  Gjölbaschi  ausser  den  aufwärts  gerichteten  Rudern  eine 
wenn  auch  noch  so  knappe  Andeutung  des  zehnjährigen  Schiffs- 
lagers erwarten  ? 

2.  '  Der  troianische  Krieg  folgt  schon  aus  der  Amazonen- 
schlacht' (Benndorf  S.  138).  Die  mannigfaltigen  Motive,  wie 
wir  sie  ans  dvn  Vasenbildern  und  den  attischen  Friesen  ken- 
nen, sind  hier  in  reicher  Fülle  aneinander  gereiht.  Aber  ge- 
rade bei  den  Aniazononiachien  hat  es  an  individualisirenden 
Momenten  gefehlt,  und  mit  Recht  hebt  Benndorf  hervor,  dass 
hier  das  einzige  Moment,  an  das  sich  die  Deutung  halten 
könne  'die  beiderseitigen  Führer  und  Vorkämpfer  bilden 
(S.  140).  Nun  sehen  wir  auf  der  dritten  Platte  des  unteren 
Streifens   einen    durch    seine    Helmzier   auffallenden   Krieger 


1  Pausanias  X.  25,  3. 

-  Vgl.  Prokloä,  Argument  der  kleinen  Ilias.  Epilome  Vaticana  S.  68 
cerpta  Sabbailica  Rhein.  Museum  1891  3.  172.  500  501.  und  meine  Wuperrit 

s.  54. 


348  P.  NOACK 

sein  Schwert  gegen  eine  Amazone1  ziehen.  Diese  ist  nach 
Benndorfs  schönem  Nachweis2,  in  dein  Augenblicke  darge- 
stellt, wie  sie.  den  linken  Ann  mit  der  IVlta  Hellend  ausge- 
streckt, die  Streitaxt  in  der  herabgesenkten  Rechten,  von  dem 
Pferde,  das  zu  diesem  Zwecke  niederknien  wird,  herabsprin- 
gen  will.  Ich  innss  bekennen,  dass  ich  den  Beweis  nicht  er- 
bracht sehe,  dass  hier  notwendig  Achill  und  Penthesileia  dar- 
gestellt seien.  Ich  will  davon  absehen,  dass  diese  Gruppe  we- 
der eine  beherrschende  Stelle  im  Gesamtbilde  einnimmt  noch 
sich  sj  sehr  \<ui  dem  Übrigen  abbebt;  aber  wenn  der  Krieger 
wegen  seines  Bartes  nicht  Theseus  sein  kann  (S.  140),  muss 
es  dann  Achillens  sein,  weil  diesen  die  attische  Kunst  zuwei- 
len bärtig  gebildet  bat?  Kerner  giebt  es  in  dieser  älteren  Zeil 
meines  \\  issens  nur  zwei  Formen  für  diese  Begegnung.  Die 
eine  zeigt  Achill  und  Penthesileia  im  Elandgemenge.  entweder 
beide  zu  Pferd3,  oder  beide  zu  Fuss,  ohne  Pferde4,  oder  end- 
lich die  Amazone  ist  vom  Pferde  gesprungen  und  kämpft  mit 
dem  IVliden  '.  Die  andere  Form,  die  vielleicht  auf  Panainos 
zurückgeht,  zeigt  Achill,  wie  er  die  sterbende  Feindin  in  sei- 
nen  Armen  auffängt6.  Dass  Penthesileia  sich  ergiebt,  so  lange 
sie  und   ihr   Pferd    unverwundet  sind,   scheint  mir  ein  dieser 


1  Diese  noch  auf  der  vorhergehenden  Platte,  der  /.weilen  von  den  je  sechs 
dieser  Ableitung. 

-  Zu  den  Beispielen  für  das  Abspringen  von  dem  niederknieenden  Pferde 
füge  ich  noch  hinzu  den  Sarkophag  bei  Robert,  Die  antiken  Sarkophagreliefs 
II.  Taf.  28,69  =  Baumeister,  Denkmäler  I  S.  63,  Abb.  66=0 verbeck, Her. 
Galt.  2t,8  =  Clarac  II  117  =  Roseber,  Lexikon  I  S. 279, ferner  Roberia.  a.o. 
II  Taf.  31,75  und  S.  83,  und  vor  allein  die  vorzügliche  Gruppe  des  Alexan- 
dei  5ai  kophages  in  ( lonstantinopel. 

Overbeck,  Her.  < '.all   Taf.  XXI,  5a=Gerhard  A.  V.  III  205. 

•  Gerbard  A.  V.  III  207.  Her.  Call.  XXI,  ä  und  Text  S.  500  Nr,  10.  Zu 
Boden  gesunken  erscheint  Penthesileia  bei  Gerhard  A.  V.  III  2Ö6  =  Her. 
(lall.  XXI,  6.  A.  V.  ill  165,1.  Monumenli  11.  U,2:     Her.  Gäll.  XXI,  7. 

:i  Monumenti  X,  9,-2      Benndorf  s.  142  Abb.  I3j. 

c  Bild  des  Panainos  an  den  Schranken  im  olympischen  Zeustempel,  Paus. 
V.  11,2.  Dann  eine  rf.  Vase  Her.  Gall.  XXI,  15  Benndorf  8.  1 12  Abb. 
136,  sowie  spätere  Sarkophage  Her.  Gall.  XXI,  8.  XXI,  14  und  Texl  8.  b07 
Nr.  18  iL 


ZUM    FRIESE    VON    GJOELBASCIII  319 

Sage  fremder  Zu^  zu  sein  '.  Endlich  vermag  ich  auch  desshalb 

nicht  diese  Gruppe  aul'den  letzten  Kampf  der  Amazonen königin 
zu  deuten,  weiJ  mit  einer  ganz  gerinu-en  Abänderung  das 
Pferd  ist  verwundet;  dasselbe  Motiv  der  ihrem  Gegnersich 
ergebenden  und  sich  zum  Abspringen  anschickenden  Ama- 
zone auch  auf  der  äusseren  Sudwand  Verwendung  gefun- 
den hat  (Taf.  23,  A  2),  hier  aber  sicher  nicht  als  Penthe- 
sileia  vor  Achilleus.  So  gul  Benndorf  also  den  grollenden 
Achill  auf  dem  Schüfe  ablehnt,  weil  derselbe  Typus  in  der 
Landungsschlacht  als  Wächter  der  Flotte  erscheine,  darf  man 
auch  jene  Deutung  bestreiten.  Wie  wir  diese  Kunstler  erkannt 
haben,  würden  sie  für  die  Gruppe,  die  gevs  issermassen  die 
Überschrift  des  ganzen  Hildes  darstellte,  nicht  einen  Typus 
gewähll  haben,  der  auch  an  bedeutungsloser  Stelle  stehen 
kann  '. 

3.  Wie  die  Deutung  der  Feldschlacht  mit  Thersites  ihre 
Stütze  in  der  Amazonenschlacht  fand,  so  war  es  zweifellos  das 
Bild  der  bestürmten  Stadt,  das  die  Erklärung  jener  zweiten 
Episode  beeinflusste.  Nach  seiner  S.  158  gegebenen  Erklä- 
rung der  Gemälde  der  Sloa  Poikile  konnte  sich  Benndorf  so- 
gar  auf  diese  berufen,  obwol  hier  neben  dem  eroberten  Tröia 
die  attische  Amazonomachie  zu  sehen  war.  Aber  dieses  Bei- 
spiel beweist,  dass  selbst  da.  wo  jeder  Zweifel  an  i\vv  lienen- 
nung  des  Stadtbildes  ausgeschlossen  ist,  doch  kein  Schluss 
von  ihm  auf  die  Nebendarstellung  gezogen  werden  darf:  wie 
viel  schwieriger  und  unsicherer  rnuss  ein  solcher  da  sein,  wo 
sich  die  bestürmte  Stadt  nicht  mit  Sicherheit  benennen  lässt  ! 
Dieser  Fall  aber  liegt  hier  vor. 

Wir   sehen    eine    von    den    Feinden  bestürmte  Stadt.   Durch 


1  Wenn  sie  Arliill  um  Gnade  anflehte,  so  geschah  e^  in  einem  späteren 
Momente,  s  Wcleker.  Kp  Oyklus  11  S.  IT!.  I>as  spätere  Vasenbild  Benn- 
dorf fc>.  143  wiederhol!  \\ul  einen  der  Gjölhaschigruppe  ähnlichen  Typus, 
kann  aber  für  die  Deutung  dort  nicht  beweisend  sein;  ebensowenig  das  Va- 
senbild Munumenti  X  28. 

a  Hirschfeld  a  a.  0.  hall  auch  Penthesileia  nicht  'auf  die  ihi  zukom- 
mende Ali  bezeichnet  uml  dillerenzirt'« 


120  '•'•  NOACK 

(las  erbrochene  Thor  dringen  sie  in  den  inneren  Thorhof  ein. 
Hier  begegnen  ihnen  in  Heilien  geordnete  Schaaren  schwer- 
bewaffneter Verteidiger.  Dass  deren  Anstrengungen  schliess- 
lich doch  vergeblich  sein  werden,  dass  auf  den  Sturm  die 
Einnahme  folgen  werde,  wird  durch  die  Gruppe  der  Flücht- 
linge bewiesen1.  Die  Prüfung  der  Momente,  die  aus  der  ho- 
merischen Sage  etwa  in  Betracht  kommen  könnten,  hat  schon 
Benndorf  zu  dem  Resultat,  geführt,  dass  weder  die  kyprien 
noch  die  llias  das  Vorbild  abgegeben  haben2.  Dagegen  würde 
er  es  an  sicli  für  möglich  halten,  dass  die  Scene  der  Aithiopis 
nachgebildet  sei,  in  der  Achill  der  Weissagung  Hektors  ent- 
sprechend evi  X/.a'.Y,^.  nuAYiit  fallt,  so  dass  wir  hier  '  gewisser- 
massen  das  Ende  des  Achill  hinter  der  Scene"  zu  sehen  hät- 
ten. Aber  auch  das  müsste  man  sich  wol  ganz  anders  vorstel- 
len. Halten  wir  uns  an  dvn  Wortlaut  des  Proklos,  so  ist  Achill 
s!<;  t>,v  -öa'.v  vni'.n-inw  getötet  worden  :  das  freilich  könnte, 
für  den  Beschauer  nicht  sichtbar,  im  Innern  des  Thorhofes 
von  Gjölbaschi  sieh  abgespielt  haben.  Aber  man  vergesse 
nicht,  dass  Achill,  die  Troer  verfolgend,  zusammen  mit  den 
flüchtigen  Schaaren  eindringt  und  dann  sicherlich  keine  geord- 
neten Reihen  von  Verteidigern  gefunden  hat,  sondern  nur  Pa- 
ris und  Apollon.  Und  wenn  auch  nicht  der  Gott,  so  müsste 
wenigstens  der  auf  Paris  zu  deutende  Bogenschütze  in  diesem 
Momente  unbedingt  zuließen  sein.  Die  beiden  neuen  Apollo- 
dorexcerpte  vollends  berichten  nur,  dass  Achill  xcö;  tou$ 
Sxaiat?  -'Aol'.c,  fiel,  was  im  Hinblick  auf  den  Kampf,  der  sich 


1  Benndorf  S.  150.  Daher  kann  auch  nicht  einleuchten,  was  neuerdings 
geltend  gemacht  wurde  (Litt.  Central blatt  1890  S.  154  tl'.i,  dass  durch  die 
Reihe  dei  gewaffneten  Verleidiger  die  Einnahme  der  Stadt  fraglich  gemacht 
werde. 

-  Aus  den  Kyprien  weiss  Proklos  von  einem  tst^o(iax_etv,die  Excerpta  Sab' 
baitica  Rhein.  Museum  1891  8.  169  vom  noXiopxetv  zu  berichten.  Auf  einen 
Stürmenden  Angriff  oder  einen  Hinterhalt  etwa  wie  ihn  (»dvsseiis  ;  'iliS  IV. 
schildert,  mögen  auch  die  mit  Unrecht  von  Arislnrch  athelirlen  Verse  Z 
133-438  gehen.  Allem  die  Flüchtlinge  weisen  eben  auf  das  Ende  des  Krie- 
ges, das  Gelingen  dei  Bestürmung  hin. 


ZUM   FRIESE    VON   GJOBLBASCH1  351 

um  die  Leiche  des  Peliden  entspinnt,  wahrscheinlicher  ist. 
Wir  können  uns  diese  Scene  im  Epos  nicht  viel  anders  den- 
ken ;ils  0  515  I'.  und  5,44  f.:  Priamos  lässl  den  (liehenden 
Troern  die  mächtigen  Thorflügel  öffnen,  sie  stürzen  hinein. 
und  wie  Apollon  in  der  llias  Achill  durch  Agenor  ablenkt, 
so  lenkl  er  hier  im  letzten  Momente  den  tötlichen  Pfeil  des 
Paris  auf  ihn. 

Alter  auch  für  Benndorf  rückt  ja  durch  einen  anderen  Um- 
stand die  Scene  des  Frieses  von  Gjölbaschi  erst  in  die  letzte 
Zeit  des  Krieges.  Wie  schon  erwähnt,  gehen  die  stürmenden 
Feinde  in  vier  streng  geschiedenen  Gruppen  vor  und  vereini- 
gen gegen  die  Geschosse  und  Steinwürfe  der  Verteidiger  ihre 
Schilde  wie  zu  einem  Schutzdache.  I  >;i  nun  in  ganz  ähnlicher 
Weise  Quintus  Smyrnaeus  im  XI.  Buche  seiner  Posthomerika 
V.  338  IT.  einen  Sturm  auf  die  Stadt  ausgeführl  hat,  so  glaub- 
te Benndorf  hierin  'den  echten  Zug  einer  allen  lliupersis'  se- 
hen zu  dürfen,  der  seinerseits  durch   den   Fries  eine  Bestäti- 
gung erhalte.  Die  Gefahr,  dass  aus  diesem  zwar  späten,  aber 
allein  erhalleneu  epischen  Gedieht  über  die  nachhomerischen 
Sagen  zu  viel  Kapital  für  das  alle  Epos  selbst  geschlagen  wer- 
de, war  nur  durch  eine  genaue  Untersuchung  der  Quellen  und 
der  Arbeitsweise  des  Quintus  zu  beseitigen.  Diese  ist  inzwi- 
schen erfolgt,  und  es  hat  sieh  u.  a.  auch  ergeben, dass  gerade 
aus  dieser  Scene  hei  Quintus  keine  Schlüsse  auf  das  Epos  zu 
ziehen  sind.  Der  Dichter  besass  ans  dem  Epos  nur  eine  knappe 
Angabe,   etwa  ot  Tcgje<;  woXiopxouvTat,   die  ihm   seine  mytho- 
graphischen   Excerpte  an  die  Hand  gaben,  und  hat  sie  nach 
Euripides'  Phönissen  1104  IV.  ausgeführt;  die  testudo  dage- 
gen erinnert  an  eine  Stelle  <\rv  gleichfalls  von  ihm  benutzten 
Aeneis1.   Also  auch  dieser  Beweisgrund   ist  nicht  stichhaltig. 
und  es  bleibt   schliesslich  als  einziges  Moment,  welche.-  Ende 
und  Ausgang  des  Kampfes  unzweideutig  bezeichnet,  die  Fluchl 
der  Bewohner  aus  der  Stadt  übrig. 


1  S.  meine  Ausführungen  zur  Dissertation  von  Kebmptzo«    Göltingische 
gelehrte  Anzeigen  1892  3.  784,  798,  806 

ATHEN.    MITTHEILUNGEN    Will.  22 


322  F.    NOACK 

So  fasst  Benndorf  wenigstens  die  obere  Gruppe  der  rechten 
Bildseite  auf  (S.  150).  Dagegen  vermag  ich  mich  nicht  davon 
zu  überzeugen,  dass  die  darunter  auf  dem  Maultier  fortreitende 
Frau  mit  ihrem  Begleiter  für  'die  schöne  Herrin,  die  in  der 
Mitte  der  Stadt  wie  eine  Göttin  thronte  und  nun  unter  rit- 
terlichem Schutze  abzieht  und  auf  einem  Maultier  in  die  Weite 
reitet',  für  Helena  mit  Menelaos  zu  halten  sei.  Wäre  die  dar- 
gestellte Stadt  wirklich  Troia,  so  müsste  man  natürlich  in 
der  über  ihren  Mauern  thronenden  Frau  Helena  erkennen. 
In  diesem  Falle  würde  das  die  ganze  ältere  Kunst  durchzie- 
hende Gesetz  verbieten,  auf  einem  Bilde  dieselbe  Person  zwei- 
mal dargestellt  zu  sehen1.  Ausserdem  wäre,  vorausgesetzt 
dass  die  Sage  einen  derartigen  Abzug  der  Helena  kannte,  die 
Stellung,  die  ihr  in  diesem  Falle  der  Künstler  gegeben  hätte, 
neben  den  Flüchtlingen, dem  Gebirge  zu  anstatt  nach  den  Schif- 
fen, sehr  unglücklich  gewählt,  wenig  entsprechend  der  sonst 
beeetmenden  Fähigkeit  der  Künstler,  charakteristische  Züge 
auch  cbarakleristisch  wiederzugeben. 

Eher  könnten  zwei  andere  Scenen  in  Frage  kommen.  Aber 
dass  der  Abzug  der  Antenoriden,  wie  ihn  Polygnot  nach  der 
kleinen  llias  in  der  Lesche  zu  Delphi  malte2,  nicht  gemeint 
sein  kann,  lehrt  ein  Blick  auf  die  Beschreibung  des  Pausa- 
nias  X  27,  3.  4.  Von  dem  der  Uiupersis  vorausgehenden  Ab- 
zug des  Aineias  und  der  Seinen  nach  dem  Gebirge  erzählte 
die  zur  Aithiopis  gehörige  Uiupersis.  Obwol  man  an  einer 
derartigen  Prolepsis  von  künstlerischem  Standpunkte  aus  kei- 
nen Anstoss  nehmen  würde,  so  passt  doch  auch  hierzu  die 
Gruppe  unsres  Frieses  schlecht  und  lässt  vor  allem  Ancliises 
auf  den  Sebuilern  des  Sohnes  vermissen.  Was  aber  das  Ent- 


i  Robert,  Bild  und  Lied  8.  ti  f.  18  Anm.  13.  Hermes  XXV  S.  423. 

-  Während  nämlich  Polygnot  bei  dem  Gegenbilde,  der  Nekyia,  für  die 
Posthomerika  lediglich  die  Aithiopis  heranzog  |  Robert,  Nekyia  S.  77), 
legte  er  seinem  Gemälde  der  Uiupersis  die  kleine  llias  als  Hauptquelle  zu 
Grunde  i  s.  meine  Uiupersis  8.  lö  II'.).  Quintus  Smyrnaeus  XIII  290  IV.  lehnt 
sich  an  T  -203  und  die  Scholien  an  ( Göttingische  gelehrte  Anzeigen  18(J2 
38). 


ZUM   FRIESE   VON    GJOELBASCHI  323 

scheidende  ist —  die  hier  dargestellte  Stadt  ist  nicht  Troia. 

Der  erste  Schritt  zu  ihrer  Einnahme  ist  gethan.  Aher  Troia 
ist  nun  einmal  nicht  auf  diese  Weise,  durch  Sturm,  genommen 
worden.  In  mitternächtlicher  Stunde,  die  bestürzten  Bewoh- 
ner mit  wildem  Kriegsrufe  aus  dem  Schlafe  und  dem  Rau- 
sche aufrüttelnd  sind  die  Griechen  durch  das  offene  bez.  ih- 
nen von  den  Genossen  geöffnete  Thor  verräterisch  in  die  Stadt 
gedrungen,  die  im  offenen  ehrlichen  Kampfe  unüberwindlich 
gewesen.  Das  ist  eine  unerschütterliche,  schon  der  ältesten 
Sage  eignende  Thatsache,  keinem  Epos,  keiner  Version  fremd 
und  jedem  Hellenen  gegenwärtig  schon  allein  durch  den  Ge- 
sang des  Demodokos  in  der  Odyssee.  Der  Sturm  gegen  die 
Thore  mit  Schutzdach  und  Brecheisen,  die  sorgfältige  Be- 
waffnung  der  strenggeordneten  Reihen  der  Verteidiger  auf  den 
Mauern  sind  mit  der  lliupersis  und  der  Nyktomachie  ebenso 
völlig  unvereinbar,  wie  die  beiden  auf  den  Zinnen  thronen- 
den Gestalten.  Darum  also,  mag  man  noch  so  viel  künstleri- 
sche Freiheit  gelten  lassen,  hier  darf  man  Benndorf  seine  eig- 
nen Worte  entgegenhalten  :  es  sei  undenkbar,  dass  der  erfin- 
dende Künstler  auf  der  Westwand  eine  Scene  der  Ilias  im 
Auge  haben  konnte,  'wenn  anders  er  als  Grieche  im  dichte- 
rischen Stoffe  lebte  und  mit  dem  geschichtlichen  Organismus 
der  troischen  Sage  vertraut  war'  (S  147).  Aus  demselben 
Grunde  ist  es  undenkbar,  dass  er  hier  die  Einnahme  von  Troia 
im  Auge  gehabt  habe.  Und  aus  demselben  Grunde  ist  es  nicht 
möglich,  an  eine  Bestürmung  der  in  der  Stadt  befindlichen 
Königsburg  zu  denken  '. 

Aus  der  vorsiehenden  Untersuchung  hat  sich  ergeben,  dass 
keine  der  drei  Abteilungen  der  Westwand,  wenn  wir  sie  auf 


4  Die  Stelle  Aeneis  II  136 ff.  i>i  kenn'  Erfindung  Vergils,  shiiI.mii  al- 
tes Gut.  Die  testudo  Aeneis  il  i'r.u'.,  der  Angriff  und  das  Sprengen  des 
Thores  468  f.,  die  vom  den  Verteidigeru  herabgeschleuderten  Bausteine 
(447.461)  würden  wol  passen.  Dennoch  ist  kein  Zweifel,  dass  in  Gjölba- 
Bcbi  die  ganze  Stadt  dargestellt  sein  sollte,  und  überdies  wäre  sowol  Pria- 
mos,  als  auch  vor  allem  Helena  in  diesem  Augenblick  an  dieser  Stelle  noch 
unerträglicher. 


124  F.    NOACK 

ihren  Inhalt  und  auf  diejenigen  Einzelzüge  hin  prüfen,  die  für 
jenen  beweisend  sein  sollen,  auf  Bilder  der  troischen  Helden- 
sage gedeutel  werden  können,  dass  also  auch  nichl  die  Den- 
tung  einer  einzelnen  Abteilung  die  der  anderen  bekräftigen 
<H\r\'  auch  nur  ermöglichen  könne.  Es  muss  nun  noch  auf  die 
Präge  eingegangen  werden,  oh  die  Composition  als  einheit- 
liches  Ganzes  betrachtet  zu  jener  Auffassung  zwingl  und  ob 
sich  dadurch  die  Notwendigkeil  ergiebt,  auch  die  einzelnen 
Teile  unbedingt  für  troische  Scenen  zu  Indien  und  darnach 
ihre  Einzelgruppen  zu  erklären. 

Benndorf  hat  Überreste  grosser  archaischer  Compositionen 
und  die  polygnotischen  Werke  hierfür  angeführt.  Der  Bilder- 
kreis (\i'\-  Stoa  Poikile  und  t\w  Westfries  \<>n  Gjölbaschi  sol- 
len auf  eine  allere  gemeinsame  Vorlage  zurückweisen.  Aber 
ich  glaube  nicht,  dass  man  bei  näherer  Betrachtung  und  sorg- 
fältiger  Prüfung  den  bestechenden  Darlegungen  beipflichten 
kann. 

So  zeigen  zunächst  die  aus  archaischer  Zeit  herangezoge- 
nen (S.  154. f.)  Darstellungen  litterarischer1  und  bildlicher2 
Tradition  eine  ganz  andere  Einheitlichkeit,  mit  der  ich  die- 
jenige *\^\-  Westwand  von  Gjölbaschi  nicht  gleichzusetzen 
wage.  Wir  linden  dort  nirgends  verschiedene  Schlachten  und 
überhaupl  zeitlich  so  wie  hier  von  einander  zu  scheidende 
Ereignisse  nebeneinander  gereiht.  Um  eine  Schlacht,  um  eine 
zu  bestürmende  Stadt,  um  ein  centrales  Ereigniss  (Troilos', 
Achills  Ende)  dreht  sich  alles,  auch  die  Thätigkeit  der  als 
Nebenfiguren  auf  oder  bei  der  Stadtmauer  behandelten  Perso- 


•  2  509  IV.  Hes.  Aspis  237  IV.  (Sturm  auf  die  Stadt). 

'  a)  Arcb.  Zeitung  1885  Taf.  8  (Landungsscblachl  im  Dipylonstil);  b)  ln- 
.  Im  .um  Pilture  di  vasi  ßtlili  IV  304  (  Feldschlachl  zwischen  zwei  befestigten 
Plätzen);  c)  Kypseloslade  Paus.  V  18,6  (Grosses  Schlachtbild);  d)  Babe- 
lon,  Le  cabinet  des  anliques  Taf.  50  Benndorf  S.  152  Abb.  180  (Schlacht, 
Stadt,  Auswandernde);  e)  Monumenti  I  34  =  Benndorf  Abb.  141  (  Knde  des 
Troilos;  Priamos  sieb!  vom  ßrineos.  die  andern  von  der  Stadtmauer  zu); 
i)  Gerbard,  A.  V.  lll  203  =  Benndorf  Abb.  1 12  i  Hektor  von  Achill  um  die 
Stadl  geja) 


ZUM   FR1ESK    VON    GJOELBASCH1  325 

nen.  Bei  den  Bilderstreifen  der  berliner  Amphiaraosvase  Ber- 
lin Nr.  1655),  bei  dem  Troi losstreifen  der  Francoisvase,  hei 
den  lliupersisscenen,  wie  sie  noch  im  Kreise  des  Euphronios 
entstanden1,  denken  wir  an  grössere  archaische  Compositio- 
nen,  die  ihnen  zum  Vorbilde  dienten  —  so  wissen  wir  z  B 
von  der  'iXtou  xXwci?  des  Kleanthes  von  Korinth,  von  der  Epi- 
nausimachie  des  Kalliphon  von  Samos — .  und  wir  dürfen  uns 
diese  so  vorstellen,  dass  wol  einzelne  Gruppen  und  Typen 
daraus  entnommen  und  zu  neuen  Bildern  verbunden  werden 
konnten,  dass  das  Ganze  jedoch  eine  fortschreitende  Handlung 
darstellte,  ohne  Scenentrennung,  welche  die  archaische  Kunst 
nicht  kennt.  Da  gab  es  also  wol  eine  Keldschlacht  von  den 
Schiffen  bis  zur  Stadt,  eine  lliupersis,  wie  sie  auch  Polygnol 
gekannt  haben  mau.  eine  Amazonomachie,  deren  einzelne 
Gruppen  uns  die  attischen  schwarzfigurigen  Vasen  zeigen  und 
die  auch  Mikon  beeinflusst  halten  kann  Eine  solche  monu- 
mentale Darstellung  der  archaischen  Kunst  setzl  nun  aber 
Benndorf  auch  als  Muster  für  den  gesamten  Westfries  in  Gjöl- 
baschi  voraus.  Getreuer,  d.  h.  mit  Wahrung  der  inneren  Ein- 
heit  (nur  troische  Scenen)  sollen  ihr  die  Künstler  dieses  Frie- 
ses, freier,  zum  Zwecke  (\rv  historischen  Darstellung  sie  um- 
bildend,  sollen  ihr  Polygnot,  Mikon  und  Panainos  gefolgt  sein. 
Ist  aber  jener  Fries  in  Wahrheit  so  viel  einheitlicher.  ist  seine 
' Continuität '  so  viel  grösser,  da»  erst  und  nur  durch  ihn 
Licht  auf  die  Entstehung  des  grossen  Bilderkreises  der  Stoa 
Poikile  Gele?  lud  ist,  vor  allem  dieser  seihst  nicht  der  Art,  dass 
eine  andere  Enlstehungsweise  natürlicher  und  einfacher  er- 
schiene .' 

Beginnen  wir  mit  der  zweiten  Frage.  Die  lange  Wand  der 
Peisianax halle  sollte  mit  Gemälden  geschmückt  werden  ;  die 
Länge  der  Bildfläche  empfahl  eine  Dreiteilung;  die  drei  Mei- 

<  I  c 


1  Ich  halte  noch  an  der  Bedeutung  dei  lliupersis  des  Euphronios  iüi  die 
folgenden  Vasenmaler  fest,  möchte  abei  um  das,  was  ich  '  Ausder  Anomia' 
-    175  gegen  eine  vor  Euplifonios  existirende  grössere  Composilion 
habe,  streichen. 


326  F.    NOACK 

ster,  Polygnot,  Mikon  und  Panainos  bekamen  den  Auftrag. 
Der  erstere,  der  berufene  Maler  der  Heldensage  und  des  Epos, 
wählte  das  Bild  des  eingenommenen  Troia;  nach  der  kurzen 
Angabe  das  Pausanias  muss  das  Gemälde  wenigstens  z.  T. 
der  bald  nachher  in  Delphi  gemalten  lliupersis  sehr  ähnlich 
gewesen  sein1.  Mikon  fiel  vor  allem  die  seinem  Talente  be- 
sonders  naheliegende  Amazonenschlacht  des  Theseus  zu  und 
ausserdem  übernahm  er  mit  Panainos  zusammen  das  dritte 
Gemälde,  tue  Marathonschlacht,  in  ihr  Athen  und  den  gros- 
sen Verwandten  des  Bauherrn  zugleich  verherrlichend.  Inhalt 
und  Symmetrie  führten  ungezwungen  dazu,  das  überdies  von 
dem  grössten  der  drei  Meister  und  dem  Haupt  der  Schule  ge- 
malte Bild  der  Stadt  zwischen  die  beiden  Schlachten  zu  set- 
zen, die  sich  in  der  Ebene  entwickeln.  Denn  es  ist  gewiss 
richtig,  dass  die  drei  Gemälde  die  eine  Langseite  der  Halle 
eingenommen  haben  2.  Nach  dem  oben  Gesagten  muss  zugege- 
ben werden,  dass  jedem  der  drei  Maler  irgend  eine  grössere 
archaische  Composition  vor  Augen  geschwebt  haben  kann,  die 
er  aber  mil  seinem  Geiste  erfüllte,   mit  seinen  Formen  gänz- 


1  Taus.  I  15,2  srci  ös  xaT;  'AiAa£d<nv  "EXXrjve?  siaiv  r(pr)xdi£s  "IXiov,  xcu  oi  ßa- 
aideiQ  r/Jsota[j.£vo'.  Siä  zö  Alarzoc  f'c  Kaooäröpar  zöAfii]tua'  xat  aüxov  f]  Ypa<p*i  tov 
AVavTa  i/v.  /.a;.  fuvaixas  röiv  ai/aaXoiTwv  i'XXac  T£  xat  KaTiävopav.  Auf  der  llill- 
persis  in  Delphi  sah  man  (Paus.  X  26,2  f.)  Polypoites,  Akamas,  Odysseus, 
dann  AlaQ  oi  'O'i'Xs'fo;  j'yov  äirAoa.  ßto|j.tT)  -po^c'atrjxEv,  ojjlvJjaevo;  \>rAp  rov  £q  Kaa- 
oärdfiar  zo.luriuazoq'  rt  oi  xaOr^ai  te  f]  Kaasavopa  /atj.ai  .  .  .  y£ypa[X[j.£vot  h~k  xai 
oi  -auUc  iioir  oi  'Azptuc:  xtX.  Etwas  von  dieser,  einen  Mittelpunkt  des  Ge- 
mäldes bildenden  Gruppe  entfernt,  zur  Linken  sah  mau  die  gefangenen 
Troerinnen  (X  25,9),  deren  Gruppe  alsu  auch  in  der  Stoa  Poikile  nicht 
fehlte.  Aber  auch  Laodike  muss  hier  eine  ähnlich  hervorragende  stelle  wie 
in  Delphi  (X  26,7)  eingenommen  haben,  da  gerade  sie  Polygnol  durch  die 
Portraitzüge  Elpinikes,  der  Tochter  des  Milliades.  ausgezeichnet  hat  (Plut. 

K'in 'i ).  Auch  war  Laodike  die  einzige  tiichl  gefangene  Troerin,  und 

wenn  ich  lliupersis  8.  *iii  richtig  geschlossen  habe,  so  folgte  Polygnot  schon 
in  Athen  derselben  Quelle,  wie  später  in  Delphi,  nämlich  der  kleinen  llias. 
Es  liegen  um  wenige  Jahre  /.wischen  beiden  Werken.  Die  Stoa  Poikile 
wurde  gegen  SljlJ  ausgemalt,  die  delphische  Lösche  bald  nach  458  (s  Ro- 
bert, Hermes  XXV  8.  121.  Nekyia  8.  76). 

-  Klügmann,  Die  Amazonen  S.  44. 


ZUM   FRIESE   VON   GJOELBASCHI  327 

lieh  neu  und  epochemachend  wandelte  und  belebte.  Mir  will 
das  viel  natürlicher  erscheinen,  als  die  Annahme  eines  einzi- 
gen dreiteiligen  Gemäldes  archaischer  Zeit,  das  die  drei  Meister 
unter  sich  verteilt  und  ihren  Zwecken  angepassl  hätten.  Auf 
keinen  Fall  kann  Gjölbaschi  hierfür  angeführt  werden. Wie  man 
bei  jedem  neuen  Blick  auf  diese  langen  Reliefreihen  den  immer 
stärkeren  Eindruck  von  drei  auseinanderfallenden  Bildern  be- 
kommt, so  wird  dieser  Eindruck  zur  festen  Überzeugung, 
wenn  man  die  Wand  der  Stoa  Poikile  damit  vergleicht.  Hier 


die  Flotte      die  Schlacht  in  der  das  eingenom-  die  AmazoneD  seh  lacht 

Marathunehene  mene  Troia  des  Theseus, 

dort  in  Gjölbaschi 

die  Flutte      die  Schlacht  in  der  die  Erstürmung  die  Amazonenschlacht. 

Ebene  der  Stadt 


Die  äusserliche  Übereinstimmung  ist  vollkommen.  Die  Einheit 
wäre  in  dem  zweiten  Werke  nur  dann  weniger  gering,  wenn 
die  doch  nur  hineingelegte  Deutung  von  vorne  herein  Be- 
weiskraft hätte  Wie  wir  sahen,  ist  das  nicht  der  Fall.  Ohne 
diese  Deutung  ist  die  Einheit  hier  nicht  grösser  als  bei  der 
attischen  Composition,  und  damit  lallt  die  Behauptung  ihrer 
Priorität  in  sieh  zusammen.  \\  o  diese  zu  suchen  ist.  kann 
keinem  Zweifel  unterliegen.  Die  Künstler,  die  in  ihren  uhri- 
gen Werken  so  sehr  im  Banne  PolygnotS  und  seines  Kreises 
stehen,  können  die  Grundgedanken  zu  ihrer  dreigeteilten  und 
äusserlich  entsprechenden  Darstellung  des  Westfrieses  nur  aus 
dieser  seihen  Quelle  geschöpfl  hahen.  Die  grosse  Ähnlich- 
keit, die  im  Amazonenbilde  geherrscht  habe,  hat  Benndorf 
seihst  hervorgehoben  und  hat  ans  Arv  Feldschlacht  Rückschlüs- 
se auf  die  Marathonschlacht  gemacht  S.  156.  157)  .Man  wird 
diese  für  berechtigt  halten  dürfen,  auch  wenn  der  Kampf  um 
die  Schiffe,  den  die  Marathonschlacht   zeigte,   hier  nicht  zu 


3-28  F.    NOACB 

finden  ist  '.Gehl  man  von  Benndorf  s  Standpunkl  aus,  so  würde 
sich  dieser  Kampf  erklären  als  ein  Zusatz,  den  Panainos  auf 
Grund  der  historischen  Thatsachen  zu  seiner  archaischen  \  or- 
lage  machte,  <lt'i-  also  für  die  Künstler  vod  Gjölbaschi  gar 
nicht  in  Betracht  kommen  konnte.  Und  wenn  man  sich,  wie 
ich,  zu  der  semeinsamen  archaischen  Vorlage  beider  Werke 
nicht  bekennen  kann,  so  ergiebl  sich  die  Erklärung  jenes  Un- 
terschiedes ans  der  Auffassung  von  der  Abhängigkeit  der  ly- 
kischen  Meister.  Sie  wollten  nicht  die  marathonische  Schlacht 
darstellen,  sondern  sie  nur  für  ihren  Zweck  verwerten.  Die- 
ser alter  war  offenbar,  eine  Schlacht  zu  zeichnen,  in  der  die 
Landenden  gegen  die  Stadt  vorrücken,  und  in  der  ein  der  JYla- 
rathonschlacht  gerade  entgegengesetzter  Erfolg  erreicht  wird. 
Dadurch  alter  war  ein  Kampf  um  die  Schiffe  ausgeschlossen 
und   musste,  wenn  er  in  der  Vorlage  stand,  hier  weggelassen 

O  CO 

werden.  Und  ohwol  jener  Zug  des  Schiffskampfes  in  Gjölba- 
schi fehlt .  so  will  es  mir  dennoch  scheinen,  dass  die  am  Stran- 
de liegenden  Schiffe  ohne  jede  Andeutung  der  Zelte  viel  eher 
zur  Perserflotte  als  zu  dem  homerischen  Schiffslager  passen. 
Vielleicht  hat  auch  das  Tropaion  (nur  in  umgekehrter  Rich- 
tung) auf  dem  Marathonbilde  nicht  gefehlt2.  Ich  /.wedle  da- 
her nicht  daran,  dass  die  Künstler  in  Gjölbaschi  diese  Bilder, 
wenn  auch  nicht  ihren  Gegenstand,  mehr  oder  minder  genau 
nachbilden  wollten. 

Es  bleibt  das  Mittelbild,  das  eingenommene  Troia  Poly- 
gnots.  Das  aber  haben  jene  Künstler  nicht  nachgebildet!  Zwei- 
mal hatte  Polygnot  Troia  gemalt,  wie  es  eingenommen  wird 
und  wie  es  eingenommen  ist,  hier  und  in  Delphi.  Von  letzte- 
rem Hilde  können  wir  soweit  auf  das  erstere  schliessen,  um 
zu  erkennen,  dass  sich  Polygnot,  von  wenigen  Zügen  abge- 
sehen, stets  an  die  Heldensage  gehalten  hat,  und  dass  das 
Mittelbild  des  Frieses  von  Gjölbaschi  auch  nicht  ein  einziges 


1  Robert,  Hermes  XXV  S.  in.  Anno.  I. 

-'  Kritias:  vo  /.%/■>•/  Mapa6ü>vi  cponaiov.  Paus,  I  32,5 


ZF\I    PRIESE    VON    r,.IOELBASCHI  329 

Moment  enthält,  das  jenem  Vorbilde  entnommen  sein  könnte1. 
Wir  kennen  durch  < !  i « •  Beschreibung  bei  Pausanias,  durch  die 
sonstige,  wenn  auch  noch  so  spärliche  litterarische  Überlie- 
ferung der  Epen  und  durch  die  Vasenbilder  eine  lange  Reihe 
von  Motiven,  die  in  keiner  Darstellung  von  der  Einnahme 
und  dem  Ende  Troias  gefehlt  halten  können, vom  Palladionraub 
und  Bau  des  hölzernen  Pferdes  an  bis  zum  Opfer  der  Poly- 
\ena  auf  dem  Grabhügel  Achills.  Jedes  von  ihnen  ist  so  cha- 
rakteristisch, dass  es  allein  schon  irgend  eine  Darstellung  als 
die  der  lliupersis  kenntlich  machen  müsste.  Wir  suchen  auf 
dem  Friese  von  Gjölbaschi  vergeblich  nach  einem  solchen.  1  >;» s 
passt  schlecht  zu  der  Charakteristik,  die  oben  aus  den  ande- 
ren Werken  dieser  Kunstler  erschlossen  werden  konnte,  und 
es  passt  schlecht,  wenn  man  Folgendes  erwägt:  diese  Meislei' 
bilden,  so  niminl  man  an,  eine  troische  Feldschlacht  und 
die  I  ro  ische  Aniazonoinachie  so  getreu  nach  Mikon  und  Pa- 
nainos,  dass  man  von  den  Werken  ihrer  Hand  auf  diese  ver- 
lorenen Gemälde  zurückzuschliessen  vermag;  sie  wollen,  so 
nimmt  man  weiter  an,  in  der  Mitte  ihrer  Composition  dar- 
stellen, wie  Troia  erobert  wird:  da  aber  weichen  sie  von  ih- 
rem Vorbilde  vollständig  ab,  obwol  gerade  dieses  einzig  und 
allein  an  dieser  Stelle  gleichfalls  troische  Sage  nicht  nur, 
nein,  auch  genau  denselben  Gegenstand,  Troias  Eroberung, 
enthielt.  Ein  solches  Verfahren  halte  ich  für  unmöglich,  und 
ich  halte  diesen  letzten  Beweis  für  um  so  stärker,  als  er  auch 
dann  gelten  wurde,  wenn  nicht  die  Stoa  Poikile,  sondern   jene 

angebliche  archaische  Composition  das  Vorbild  abgegeben 
hätte. 

Damit  verneint  sieh  auch  die  Frage,  auf  die  sieh  schliesslich 
die  ganze  Untersuchung  zuspitzt,  ob  man  doch  darum  in  die- 


1  Es  ist  schon  vor  Benndorl  zugegeben  worden,  <l.is-<  'sich  das  ganze  Bild 
viin  den  speciellen  Darstellungen  des  Kampfes  um  llion  aus  polygnolischer 
Schule  im  Grossen  und  Ganzen  entferne  (Petersen,  Reisen  In  Lykien,  Mi- 
l>;i^  und  Kibyratis  II  S,  15).  Ich  sehe  nachträglich,  dass  auch  Robert  (Her- 
mes a.  a,  0.)  siel»  in  demselben  Sinne  ausgesprochen  hat. 


330  F.   NOACK 

sem  Städtebild  Troia  erkennen  müsse,  weil  auf  den  Mauer- 
zinnen  ein  greiser  König  und  namentlich  eine  hoheitsvolle  Frau 
von  ihren  Thronsesseln  ruhig  dem  Kampfe  zuschauen.  Die 
Künstler,  die  sonst  so  richtig  verstanden  haben,  die  Sage,  die 
sie  darstellen  wollten,  durch  solche  Züge  zu  kennzeichnen,  die 
zur  dargestellten  Situation  gehörten,  nicht  aber  diese  störten 
oder  sich  gar  in  Widerspruch  zu  ihr  stellten,  können  so  wi- 
dersinnig nicht  verfahren  sein,  dass  sie  mit  einem  Male  Pria- 
mos  und  Helena1,  so  wie  sie  in  heitrer  Ruhe  vereint  einem 
jeden  aus  der  Teichoskopie  unvergesslich  waren,  in  ein  Bild 
von  Troias  Bestürmung  und  Einnahme  setzten. 

So  bleibt  meiner  Überzeugung  nach  nur  die  zweite  der  oben 
angeführten  Möglichkeiten.  Da  sich  weder,  wie  bei  den  ande- 
ren Friesen,  auch  nur  ein  entscheidendes  Merkmal  in  der  gan- 
zen Composition  der  Westwand  feststellen  lässt,  noch  diese  in 
ihrer  Gesamtheit  die  Deutung  auf  troische  Scenen  befürwor- 
tet,  so  haben  die  Künstler  nicht  diese,  sondern  einen  anderen 
Stoff  darstellen  wollen. 

Was  sie  nun  aber  darstellen  wollten,  dafür  kann  ich  nur 
eine  nicht  einmal  neue  Vermutung  vorbringen.  Ich  möchte 
darauf  hinweisen,  dass  sich  «eradc  auf  dem  Westfriese  orien- 
talische  Züge,  lyki sehe  Waffen  u.  a.  nachweisen  lassen2.  Fin 
lykischcr  Herrscher  bestellt  sich  ein  Grabmal  zu  seiner  und 
seines  Geschlechtes  Verherrlichung.  Sollte  er  nur  mit  griechi- 
schen Sagen  gefeiert  werden  ?  Sollte  nicht  wie  auf  dem  Ne- 
reidenmonument von  Xanthos  an  irgend  einer  hervortretenden 
Stelle  ein  geschichtliches  Freigniss  seiner  Zeit  verewigt  wor- 
den sein?  Wir  kennen  es  nicht,  weil  wir  die  Geschichte  Ly- 
kiensam  Ende  des  fünften  Jahrhunderts  zu  wenig  kennen.  Sonst 
würden  wir  wol  Feldschlacht  und  Erstürmung  der  Stadt  iden- 
tificiren  können.   Nach  welchem  Vorbilde  die  äussere  Anord- 


'  Hierfür  werden  sie  ausser  von  Benndorf  auch  von  Munt zenberg  (Aren, 
epigr.  Mittbeilungen  ans  Österreich  XIII  8.  84)  and  Robert  (  Hermes  XXV 
S.  431 )  gehalten. 

-  Vorlaufiger  Bericht  8. 48.  Giötbaschi  8.  138.  146. 


ZUM   FRIESE   VON   GJOELBASCHI  331 

nung  erfolgte  und  die  Amazonenschlacht  der  Feldschlacht  ge- 
genübergestellt wurde,  wissen  wir  nun.  Üass  historische  Bil- 
der der  Zeit  leicht  eine  mythologische  Färbung  bekommen 
und  eine  gleiche  Deutung  erfahren  konnten,  erklärt  sich  in 
zwiefacher  Weise.  Die  Künstler, weniger  originell  und  selbst- 
schöpferisch, als  vielmehr  trefflich  geschult',  verwerten  den 
reichen  Schatz  von  Motiven  der  Schule,  aus  der  sie  stammen, 
unumschränkt.  So  bringen  sie  Vorlagen  für  mythologische 
und  historische  Stoffe  mit  und  bilden  sie  nach.  Andrerseits 
wird  eine  Marathonschlacht  von  Mikon  und  Panainos  sich 
damals,  wo  die  Heldensage  für  die  Griechen  noch  Geschichte 
war,  in  ihrem  Aussehen  wenig  oder  gar  nicht  von  dem  Bild 
einer  Heroenschlacht  unterschieden  und  der  Überschrift  so  gut 
bedurft  haben  wie  die  Leschebilder  Polygnots.  Schwerer  war 
es  für  die  Künstler  in  Gjölbaschi  das  der  Iliupersis  entspre- 
chende Mittelbild  herzustellen.  Denn  das  Vorbild  trug  zu  deut- 
lich die  speeifisch  troischen  Züge,  als  dass  man  es  einfach  auf 
einen  anderen  Stoff  hätte  übertragen  und  umdeuten  können. 
Daher  müssen  wir  annehmen,  dass  sie  das  Bild  der  Stadt  mit 
ihren  Mauern,  Türmen  und  Zinnen  als  Schauplatz  für  das 
sich  daselbst  abspielende  Ereigniss,  das  ihnen  als  Thema  ge- 
geben worden  war.  sich  nach  lykischen  Vorbildern  selbst  ge- 
schaffen haben.   Ein   Blick   auf  das  Nereidenmonument  und 


'  Es  ist  das  Dämliche  Urteil,  unter  das  auch  der  sog.  lykische  Sarkophag 
in  Constantinopel  fällt.  Hier  ist  die  Kunst  der  Parthenonskulpturen  völlig 
erreicht,  wenn  nicht  übertroffen;  üher  sie  hinaus  weist  der  jugendliche 
Reiter  der  einen  Langseile.  Im  Gegensatz  zur  Profilstell ung  des  Pferdes  bat 
der  Künstler  den  üher-  und  auch  Unterkörper  des  Reiters  möglichst  nach 
vorn  zu  drehen  gesucht.  Im  Übrigen  sind  bekannte  Motive,  an  der  ande- 
ren Langseite  sogar  dasselhe  Motiv  in  einförmiger  Wiederholung,  mit 
ganz  vollendeter  Technik,  die.  man  nur  am  Originale  voll  windigen  kann, 
zur  Darstellung  gebracht.  In  der  virtuosen  Verwendung  des  Angelernten, 
Überkommenen  liegt  hier  die  Kunst ;  Versuche  zu  neuem  gelingen  nicht: 
denn  im  Grunde  und  im  Hinblick  auf  das  Ganze  ist  jene  Gestall  des  Reiters 
ebenso  verzeichnet,  wieder  gewaltsam  unter  das  eine  Viergespann  gezwangt6 
Löwe. 


I".   NOACK,      ZUM    FRIESE    VON   GJOELBASCH1 

Doch  mehr  auf  die  Reliefs  eines  Grabes  von  Pinara  '  dürfte 
diese  Auffassung  bestätigen. 

Ich  bedaure,  dass  ich  mich  in  dieser  Darleunnu  im  \\  esent- 
liehen  auf  die  Ablehnung  einer  so  beredt  und  mit  solch  rei- 
chem Materiaie  vorgetragenen  Deutung  beschränken  muss.  Die 

DO  o 

\\  ichtigkeil  aber,  die  ein  so  grosses  Denkmal,  wäre  seine  Deu- 
tung  unantastbar,  für  die  troische  Sagengeschichte  baben 
wurde,  trieb  mich,  meine  Bedenken  auszusprechen,  wenn 
auch  di'v  Ersatz  nicht  so  voll  befriedigt,  wie  ich  es  wol  seihst 
gewünscht  hätte.  Wir  müssen  uns  an  dn  Freude  genügen 
hissen,  wieder  ein  schönes  bedeutendes  Werk  des  atiischen 
Dunstkreises  gewonnen  zu  haben,  alter  wir  nuissen  darauf 
verzichten,  es  für  die  Erkenntniss  des  Epos  zu  verwerten. 

Athen. 

FERDINAND  NOACK. 


<S>  >r:-* •<*•' 


•    \fonumenti  X  Taf,  16.  Benndorf,  Reisen  in  Lykien  und  Karien  l  B.  54, 
Abb.  36.  i 


INSCHRIFTEN  VON  NYSA 

Die  beiden  folgenden  Inschriften  sind  von  O.  Kein  um 
mir  im  November  1890  abgeschrieben  (vgl.  in  dieser  Zeit- 
schrift XVI,  1891  S.  95). 


Sultan-Hissar.  Hof  des  Koupci  Xar&i  oyXoC  'A/asr  iyot. 
Grosser  Block,  rechts  oben  beschädigt,  1,05  lang,  0,57  hoch, 
0,49  tief.  Späte  Schrift,  nicht  vor  dem  III  Jahrhunderl  n.Chr. 
(0,03-0,04  hoch). 

AlAlOIMOYAlONnpO 
EYBOYAIA    NON    Y    n    A    T 
<  A  I  C    Y    N    K  A  H    T    I     K    W  vC   Y   f 
AIAIA-(|)AABIAE     T     N      A      1 
5  KAnETHAEINA 

HA5IOAOT     W     TATh 
TONEAYTHCCYNBIC 

AfXio[v]  'IoüXiov  [Ip6[-6ov?  -x^ov?  |  EuSouXtocvov  öwarftxöv  ; 
[x]al  t'jv^ti^wv  «xuyfyevyj]  |  AiXia  $Xa6ia  'Eyvarfta]  |  Kawerw- 
Xsiva  |  vi  xC'OXoyöT&Tfy)]  |  tov  ea-j-r/js  auvß«  ov  . 


Beim  türkischen  Kastro  auf  der  Höhe  von  Nysa.  Archi- 
travblock  aus  Kalkstein,  pagl  2,18  aus  der  Erde  hervor;  Höhe 
etwa  0,45,  Tiefe  v.:>x  Daneben,  wir  es  scheint,  »'in  gleichsros~ 
scr  Block.   Rings  herum  verbaute  Werkstücke,  Säulentrom- 


ö34  0.    KERN,      INSCHRIFT   VOM   ATHOS 

mein   u.  s.  w.    Buchstabenhöhe  0,13.    Das  rechte  Ende  der 
Inschrift  steckt  noch  in  der  Erde. 


YNHAYTOYTOXPI 
[6  Ssivx  xa!  r,  yjuvy)  aoTOö  to  j£p[v)<JTY)ptov  xaT£<xxe<ja<javl 
oder  etwas  Derartiges.  Zu  £pn<mr)piov  vgl.  oben  S.  262. 

F.  HILLER  von  GAERTRINGEN. 


INSCHRIFT  VOM  ATHOS 

Marmorfragment  im  Weinberge  des  Klosters  Hagios  Pavlos 
auf  dem  Athos  (vgl.  oben  XVIII  S.  64).  Höhe  0\30,  Breite 
0,30,  Buchstabenhöhe  0,023-0,04.  Hellenistische  Schrift. 

A  H  M  o  2 

HoAaPoY 

Als  Fragment  eines  antiken  Grabsteins  ist  das  Stück  zuerst 
von  dem  UpoSiz-covo;  Kony.xc,  erkannt  worden,  der  es  in  der  Zei- 
tung Kü>vi7TavTivo<jzo)a<;  v.  14  Febr.  1892  von  neuem  publicirt 
hat,  nachdem  es  früher  als  mittelalterlich  angesehen  und  zu 
'  Sy5J7.o;  'A0r,voSü)po-j '  ergänzt  worden  war.  Kocy.x.<;  vermutet 
richtig  ['ApiuTÖ-  oder  Xap  {]<$•/)  f;.o;  [ 'AOnjvoSopou  und  fügt  hinzu: 
ix  TOOTwv  TwItteoco  ort  oi  [/.saa'.tovoXöyot  Oa  r,Guyjx<7coaiv  ävri  vi 
^töt'.  Sr^aov   'AOrjVoScipo'j  et;  t<x<;  ürcupeia;  xoö  "A6d>. 

0.  KERN. 


•(szmst?- 


LITTERATUR 

C  ÜPEIüTOr,  'Apyaiou  iiciypa(pat  Aiyivv];.  IlpGypai/.i/.a.  toö  ev 
Aiyivy)  'EXXtqvdcou  cyoXsiou  etuI  tu  xeXet  toO  TyoX'.y.o'j  Ito-j;  lö92- 
93.  Athen  1893.  [Es  werden  zunächst  drei  Grenzsteine  mit 
ler  Inschrift  "Opo;  tejwvou?  'AxöMcovos  rioGet&övo*;  veröffentlicht 
(vgl.  LeBas,  Inscriptions  II  1680.  1861)  sodann  drei  mit 
"Opo?  repivou?  'AÖ-^vaiac  (vgl.  oben  1888  S.  1 13), es  folgen  kurze 
Notizen  über  Grüber  und  Inschriften  an  und  in  denselben 
(  TiXintz  —  A  D  I  ^  —  \<xy.o/.~kLri]q  — 'ApiGTO^etOr,?  |  E'jrfiibx  £-pioc- 
to  |  Tröcp  Mva<jiTeXeo[?] —  'A<ppoSi<rio?  —  AIE.  .  E02J  + IAONIA  . 
mit  roter  Farbe  geschrieben,   darüber  später  mit  schwarzer 

['I]tctcovuyi  und  an  anderen  Stellen  desselben  Grabes  A 

nEAAAIOZ|AMVNTO,  'Epaoyiv/i;  und  'AwoXTuJmo?  — 
IliTÜa; —  —  co^pcoLvj  |  Mup-ri;  —  Aau.o«JTpicT7i;)  schliesslich  die  In- 
schrift LeBas,  Inscriptions  II  1 705  und  '0  Sr,p.oc  |  Taüo  Nwp- 
€a.va>  |  'hXäx.x.to  j  to>  eauTO'j  TwXTpoJvt  |  xai  süspysTy)]. 

IlPAKTJKA  tt;<;  ev  'Aö/ivan;  äp^aioXoyix.vi;  exatpta;  xoü  etO'ji; 
1890.  Athen  1893. 

XP.  TsOTNTAi: ,  M'jJivivat  kxL  M'jx.-^vaio;  7toXi7i<T[/.ö<;.  Athen 
1893. 

AwiiNA  ,  <jGyypay.(/.a  7T£ptoSix.6v  ty;<;  £v  'A0T)vai$  £r;i'777)u.oviy.r/<; 
6Taip£ia«;  V,  2.  3.  Darin  u.  a.  S.  Ml  V.  N.  XaT^ioa,  Ilspt 
toG  yXoxjcriKoü  ^t7j(x3cto<;  ev  'EXXxSi.  —  S.  231.  Derselbe,  Ilepl 
tti;  dx'jjv-OAoyiai;  TT);  Xe'qeüx;  Mops'a^-Mopjx;. —  S.  345.  A.  --. 
SxaupoxouXou,  'Ep£xp'.*ai  ETrtypacpat  äv£x.SoTOi.  —  S.  371.  T.  A. 
Ila7i;a€a<Ti}.£iO'j  ,  KpiT'.Kx  y.x!  'Epa7)v£UTi>ca  e!$  to'j;  'HpwvSa  u.<.- 
f/.ixp.6ou<;. —  S.3.7.  I.  'Apyupiaöou,  AiopÖaxrEi;  £•!$  tx  'Ac'.stote'Xo'j; 
HoXitucx. — S.  425.  T.  M.  -xxoppxcpo-j,  Tr,<;  Eüpt:;iSou  'AvtiÖ- 
itri$  xa  v£a  ä.r;o(T7:äcaaTa. 

Aeatiün  Ai'XAiüAoriivüN   1892,  September- Dezember. 


336  LITTEIIATUR 

Al'ATlnX    -■},:    lijTQpiXY)?    XCCt    iQvOAOY»«!?    sxaipia«;    tt)<;   'Eaazöoc 

IV,  2. 

Estia   1893  Nr.  25-40.    Darin  u.a.  II  S.  14.   I.  X.  Apa- 

y/Tir,:.  Sty)A7]  avaQ^uaTiKY]  5t;  'Eppjv  *ai.  Nup<pa<;  [vgl.  (ihm  S. 
2121.  —  S.  17.    A.    SxiÖfc?,   'II    ytVVS'JK;   TYK  V606AA7)VIX7K   yAcixrcY)?. — 

S.  33.  --.  A/fAxpo^,  'II  öp'jyo  Tou  KopivÖtaxoC  'IcO|xoö  ev  to  ua- 
pe^öövTi. — S.  64.  Fund  eines  Votivreliefs  bei  der  Kallirroe. — 
S  218.  II.  N.  IIa-ay£<üpyiOM.  Ttj?  äyia?  2o<pta?  t?,<;  ev  ©ßcaotAO- 
vi/.Y]  Tost?  ivexSoTOt  ^7)<piS(i>Tat  iiciypx<pai. — S.  ?22.  Funde  m\- 
kenischer  Epoche  in  Thorikos. 

Eshmgpis  APXAiOAoriKH.  1893  Nr.  1.  2. 

[IAPNASEOE .  IhpiocU/.öv  rrjyypau.i/.a  tou  sv  'A0yjvai$  ojj.crivup.O'j 
suAAÖyo-j  XV,  10-12.  Darin  u.  a.  S.  72I.  801.  M.  Xpoaoxöo«, 
'II  IIcaT'.a:  Xi{Avn  ('inil  einer  Karte  und  einer  Ansicht).—  S.  841 . 
A.  'HAiaxoTCOUAO?,  Ns>tpt)tai  TSAs-rsi  zapa  toi?  acyjxioi;  Jtai  toi? 
v£fa)T£poii;  "Eaayigi. 


20    oktulH-r  1893 


AUS  8AM0THRAKE 

Der  Wunsch,  die  grossen  Cultstütten  der  Hellenen  selbst  zu 
schauen,  die  örtlichen  Bedingungen  kennen  zu  lernen,  wel- 
chen die  Mysterienculte  ihren  Ursprung  verdanken,  hat  mich 
im  Juli  1892  auch  nach  Samothrake  geführt.  Was  sich  mir 
dort  für  die  Entstehung  und  Geschichte  des  Kabirencults  er- 
geben hat,  soll  in  grösserem  Zusammenhange  an  anderer 
Stelle  erörtert  werden  *.  In  diesen  '  Mittheilungen'  erstatte  ich 
von  den  neuen  Einzelfunden  Bericht,  indem  ich  an  die  'Un- 
tersuchungen auf  Samothrake'  anknüpfe.  In  den  beiden  von 
Gonze,  Niemann,  Hauser  und  Benndorf  herausgegebenen  Bän- 
den, welche  über  die  Ergebnisse  der  österreichischen  Cam- 
pagnen  der  Jahre  1873  und  1875  in  Bild  und  Wort  Kun- 
de geben,  liegt  ein  Werk  vor  uns,  welches  zusammen  mit 
Gonze's  'Reise  auf  den  Inseln  des  thrakischen  Meeres'  (Han- 
nover 1860)  Alles  in  sich  begreift,  was  von  den  Altertümern 
in  Samothrake  bis  zum  Jahre  1875  wieder  ans  Tageslicht  ee- 
treten  ist.  Seitdem  sind  beinahe  zwanzig  Jahre  vergangen, 
und  in  dieser  Zeit  hat,  soviel  ich  weiss,  kein  Archäologe  die 
Insel  betreten.  Aber  in  Samothrake  selber  ist  das  Interesse 
für  die  Altertümer  erwacht,  und  es  wäre  zu  wünschen,  dass 
dem  schönen  Beispiele  des  Herrn  N.  B.  Phardys  auch  die 
Bewohner  der  anderen  Inseln  folgten.  In  Thasos,  namentlich 
im  Limenas,  wo  mit  der  Baulust  auch  die  Zerstörungswut 
gleichen  Schritt  hält,  wäre  ein  so  wachsames  Auge  wie  das 
von  Phardys  besonders  willkommen.  Herr  Phardys  ist  auf  der 
Insel  geboren,   hat  in  Griechenland  und  Prankreich  Medizin 


1  Es  bleibt  dies  für  das  Schlusskapitel  der  vom  Institut  vorbereiteten  Pu- 

blicatioD  über  das  Kabirenheiligl bei  Theben  vorbehalten;  einen  Teil 

meiner  Untersuchungen  habe  ich  in  der  Maisüzung  der  hiesigen  archäolo- 
gischen Gesellschaft  vorgetragen  ,  vgl.  Arch.  Anseiger  1893  S.  129. 

ATHEN.    MITTHEILUNGEN    XVIII.  23 


338  0.    KERN 

studirt  und  ist  nun  der  einzige  Arzt  auf  seiner  Heimatinsel. 
Noch  immer  erfreuen  sicli  die  Samothrakier  frischer  Gesund- 
heit (Plinius.  Nat.  hist.  XI  167.  Gonze,  Reise  S.  78),  und 
der  Arzt  braucht  nicht  oft  seine  Kunst  auszuüben.  Deshalb  ist 
Herrn  Phardys  manche  Mussestunde  gewährt,  die  er  gerne 
der  Erforschung  der  Altertümer  widmet,  und  mit  Vergnügen 
gedenke  ich  seiner  liebenswürdigen  und  sachkundigen  Füh- 
rung. Auch  nacli  meiner  Abreise  hat  er  nicht  gerastet,  son- 
dem  Conze  und  mir  über  jeden  neuen  Inschriftfund  brieflich 
berichtet.  So  darf  dieser  Bericht  den  Anspruch  auf  eine  ge- 
wisse  Vollständigkeit  machen,  und  es  soll  hier  Alles  zusam- 
mengefasst  werden,  was  seit  dem  Jahre  1875  bekannt  ge- 
worden ist,  auch  was  Champoiseau  bei  seinen  Grabungen  im 
Jahre  1891  gefunden  hat1.  Ich  glaube  damit  auch  in  dem 
Sinne  Conze's  zu  handeln,  durch  den  Samothrake  aus  jahr- 
hundertlangem Dunkel  wiederentdeckt  ist,  und  dem  ich  für 
mannichfache  Förderung  sowol  bei  den  Vorbereitungen  zur 
Reise  als  auch  später  bei  der  Bearbeitung  ihrer  Ergebnisse  zu 
Dank  verpflichtet  bin. 

Als  die  Ergebnisse  der  zweiten  österreichischen  Gampagne 
verarbeitet  wurden,  ist  es  den  Leitern  der  Ausgrabungen  nicht 
entgangen,  dass  ihr  grosses  Werk  noch  nicht  völlig  abge- 
schlossen sei,  und  Conze  selber  hat  diesem  Gefühl  Ausdruck 
gegeben.  Er  bezeichnet  als  Aufgaben,  die  noch  ihrer  Lösung 
harren,  vor  allem  dreierlei:  Aufräumung  am  Nikehügel  und 
auf  dem  Abhang  vor  der  Ostfront  der  Stoa  (Untersuchungen 
II  S.  8),  völlige  Freilegung  eines  grossen  der  Westseite  des 
neuen  Tempels  parallelen  Fundaments  (II  S.  10,  Tafel  I,  D) 


1  Leider  ist  Champoiseau's  Bericht,  den  Urion  de  Villefosse  in  Aussicht 
gestellt  hat,  bisher  noch  nicht  erschienen,  und  so  wird  vielleicht  bald  man- 
ches nachzuholen  sein.  Über  Champoiseau's  vorzeitig  abgebrochene  Gra- 
bungen hat  Phardys  in  der  in  Smyrna  erscheinenden  Zeitung  'A^aXOaa 
August  1891  berichtet.  Vgl.  Gomptes-rendus  de  Vacadimie  des  inscriptions 
1801  S.  269  (He*ron  de  Villefosse).  Die  von  Champoiseau  gefundenen  In- 
sebrifteo  sind  bereits  mit  dankenswerter  Schneiligkeil  veröffentlicht;  s. 
unten. 


AUS   SAMOTHRAKE  339 

und  Aufsuchung  von  Spuren  der  allerältesten  Gestalt  des  Ka- 
birentempels  (II  S.  16).  Die  zweite  und  die  dritte  Aufgabe 
sind  noch  ungelöst,  und  es  bedarf  hier  nur  eines  neuen  Hin- 
weises auf  die  Notwendigkeit  ihrer  Erledigung.  Die  Lösung 
der  ersten  Aufgabe  aber,  wenigstens  die  ihres  ersten  Teils, 
ist  bereits  von  Ghampoiseau  versucht  worden. 

Charles  Ghampoiseau,  der  glückliche  Entdecker  der  Nike 
hat  nach  dem  Jahre  1803,  in  welchem  er  dies  Meisterwerk 
griechischer  Plastik  gefunden  hat,  nocli  zwei  .Male  den  Spa- 
ten in  Samothrake  angesetzt,  das  erste  Mal  im  Jahre  1879  mit 
der  Absicht  de  retrouver,  d'enlcver  et  d'embarquer,  pour 
la  France,  tous  les  marbres  composant  le  pie'destal  de  la 
Victoirc^.  das  zweite  Mal  genau  ein  Jahr  vor  meiner  Fahrt 
nach  Samothrake,  im  Sommer  1891,  um  den  Abhang  des 
Nikehügels  nach  Resten  der  Statue,  vor  allem  nach  dein  Kopf 
abzusuchen.  Das  Finderglück  ist  ihm  nicht  treu  geblieben  : 
denn  den  gesuchten  Nikekopf  hat  er  wenigstens  nach  den  mir 
von  Phardys  gemachten  Mitteilungen  leider  nicht  gefunden. 
Aber  für  die  Anlage  des  Platzes,  auf  welchem  sich  das  Schilt 
der  Siegesgöttin  erhob,  bat  sich  schon  im  Jahre  1879  Wich- 
tiges ergeben,  und  zur  Ergänzung  des  hauser'schen  Grundris- 
ses vom  Unterbau  des  Schiffes  (II  Taf.  LX,1)  sei  hier  S.  3i0 
eine  Skizze  mitgeteilt,  die  auf  meinen  Messungen  beruht.  Sie 
stellt  den  gegenwärtigen  Zustand  der  Niketerrasse  dar. 

Im  Jahre  1866  haben  bei  ihrem  Besuche  von  Samothrake 
im  Auftrage  der  französischen  Regierung  1*].  Coquart  und  G. 
Devillc  auch  den  Fundplatz  der  Nike  genauer  untersucht,  und 
Coquart  hat  in  den  Archives  des  missions  scientifiques , 
Deu.rieme  serie  IV  (1867)  S.  277  gelegentlich  der  Erklä- 
rung des  von  ihm  gezeichneten  Plans  darüber,  wie  folgt.  \<r- 
riehtet:  En  II,  monument  excave oü  fut  trouvee  la  \  rictaire 
du  houvre^  figure  decorative  </'////>■  e'poque  assez  basst 
Nous  avons  voulu  dSterminer  ä  quel  edip.ee  eile  appaf^ 


1  Brief  Cbampoiseau's  aus  Adrianopel  25  September  1879  (Untersucnun- 
-.Mi  II  s.  55). 


340 


0.    KERN 


tenait.  Quatrc  murs,  iilspöse'S  eh  earre\  formaient  une 
c/iumbre  divise'e  en  deu.r  pttr  uri  cinquieme  /nur.  II  ne  te- 
ste plus  (jue  /es  deu.v  murs  appuye's  ä  la  eollinc  et  la 
base  des  untres .  Cotistruits  en  appare.il  regulier  de  petite 
dimension .  ils  sont  e'videmment  plus  modernes  que  les 
autres    constructions    du   sanctuairc.     Plusieurs   grands 


blocs  de  marbre,  orne's  de  moulures  d'un  goüt  brutal,  avcc 
de  grands  amortisscmcnts  qui  se  rattachaient  au  couron- 
nement  de  iedijice  öü  figurait  la  Victoire.  de  petits  drbris 
de  stuc  rouge  et  bleu,  quelques  petits  fragments  insigni- 
fiants  en  terre  cuite,  sont  tous  les  renseignements  que 
nous  avons  pu  obtenir  sur  ce  monument.  (Tailleurs  Sans 
intc'ret.  Die  Untersuchungen  der  österreichischen  Expedition 
haben  auch  hier  Vieles  aufgeklärt.  Hauser  hat  II  S.  53  ausge- 


AUS   SAMOTHRAKE  341 

sprochen,  dass  die  in  der  Mitte  in  schiefem  Winkel  abgehende 
Mauer  der  Unterbau  eines  SchifTsvorderteils  ist,  auf  welchem 
die  Nike  aufgestellt  war.  Aber  leider  reichte  die  der  Expedi- 
tion verfügbare  Zeit  nicht  zu  einer  genauen  Erforschung  der 
Niketerrasse  aus.  Und  so  ist  (Untersuchungen  II  S.  52)  der 
von  den  beiden  französischen  Gelehrten  aufgestellte  Befund 
mit  Unrecht  als  '  irre  leitend  und  fast  aus  der  Luft  ge- 
griffen '  bezeichnet  worden.  Von  einem  Mauerviereck,  das 
nach  der  Angabe  Coquarts  durch  eine  fünfte  Mauer  in  zwei 
Teile  geteilt  wäre,  soll  nichts  vorhanden  sein.  Wer  einen  Blick 
auf  die  obige  Skizze  wirft,  wird  hier  Coquart  in  einem  Haupt- 
punkte zustimmen  müssen.  Das  Anathem  des  Demetrios,  die 
auf  einer  Prora  stehende  Nike,  war  auf  einer  Terrasse  errich- 
tet, welche  künstlich  hergestellt  und  an  drei  Seiten  durch  ' 
'Zyklopische'  Stützmauern  abgeschlossen  war.  Durch  die 
nicht  unbedeutende  Höhe  dieser  Mauern  —  ich  habe  bis  zur 
Höhe  von  1,80'"  gemessen  —  ist  erreicht,  dass  der  Platz,  auf 
dem  sich  dies  Weihgeschenk  erhob,  isolirt  ist,  und  Benndorf's 
Ansicht,  dass  die  Nike  nach  der  grossen  Stoa  orientirt  sei, 
dünkt  mich  unwahrscheinlich.  Die  Nike  ist  von  der  Säulen- 
halle her  durchaus  nicht  in  ihrer  ganzen  irnponirenden  Er- 
scheinung sichtbar  gewesen  Berechnet  ist  der  gewaltige  Ein- 
druck des  Kunstwerks,  den  uns  gerade  Benndorf's  unver- 
gleichliche Analyse  so  nahe  gebracht  hat,  auf  die  Menseben, 
welche  unten  bei  den  Tempeln  der  Grossen  Götter  standen 
und  hinaufschauten  zu  der  Siegesgottheit,  deren  Majestät  von 
dem  grossen  Seesiei»e  bei  Salamis  verkündigte.  Wenn  Benn- 
dort'  II  S.  68  hervorhebt,  dass  die  Nike  von  drei  Seiten  voll- 
kommen sichtbar  gewesen  sei.  so  gilt  das  nur  von  der  näch- 
sten Nähe,  welche  aber  einen  vollen  Genuas  des  Monuments 
nicht  erlaubt.  Die  Stützmauern  waren  offenbar  mit  Stuck 
verkleidet.  Coquart  spricht  von  stuc  rouge  et  {»Ich,  und  ich 
selber  habe  mir  einige  Fragmente  von  schönem  weissen  Stuck 


'  'L'in1  chambre  ä  trois  c6l6s,sorU  de  grande  niche,oü  <t<ui  platte  la  Niki'. 
Qomples-rendus  de  Vacadimie  des  inscripliuns  1891  S.  270. 


3i?  0.    KERN 

gesammelt.  Parallel  mit  diesen  Mauern  und  zwar  dicht  vor 
ihnen  ziehen  sich  Fundamente  aus  weichen  Steinen  hin:  von 
der  Siidmauer  ist  ein  Stück  bereits  von  Hauser  (Tal*.  LX,  1) 
gezeichnet,  das  sieh  direkt  an  die  '  kyklopische '  Mauer  an- 
schliesst1.  Parallel  der  Südmauer  liegt  auch  im  Norden  ein 
Fundament,  das  ebenfalls  schon  von  Hauser  in  seinen  Plan 
eingetragen  ist.  Grosse  Felsblöcke,  die  zu  einem  mächtigen 
Haufen  aufgeschichtet  in  der  Mitte  dieses  durch  die  angege- 
benen Fundamente  gebildeten  Vierecks  liegen,  stammen  wol 
von  der  '  kyklopischen '  Mauer  im  Westen. 

Jedem,  der  von  der  Niketerrasse  auf  das  Temenos  der  Ka- 
biren  hinabsieht,  lallt  die  Frage  ein:  wo  führten  die  Stufen 
von  den  Kabiren  zur  Nike  des  Demetrios  hinauf?  Phardys, 
welcher  die  französischen  Ausera bunten  im  Jahre  1891  rast- 
los  mit  seinem  Interesse  verfolgt  hat,  ist  mir  die  Quelle  für 
die  folgende  wichtige  Mitteilung.  Ghampoiseau  hat  seine 
Grabungen  unten  am  Hüeel  besonnen,  da  wo  die  miiehtiuren 
Platanen  stehen,  über  welche  heute  der  Blick  nach  dem  Meer 
und  den  thrakisehen  Berten  schweift.  Er  ist  von  unten  nach 
oben  vorgedrungen  und  hat  bei  dem  Fortgang  seiner  Arbeiten 
leider  allen  Schutt  nach  unten  geworfen,  so  dass  er  jede  so- 
eben aus"-e"Tabene  Stelle  sofort  wieder  verschüttete.  So  habe 
ich  von  dem  Oearpov,  das  Ghampoiseau  am  Abhang  dieses 
Hügels  aufgedeckt  hat,  nur  noch  die  Reste  von  vier  Sitzreihen 


'  Nach  Dörpfeld,  der  im  Juli  dieses  Jahres  mit  Brückner,  Rubensohhi 
Burescb  und  anderen  zu  kurzem  Besuch  in  Samothrake  war,  gehören  die 
inneren  Mauern  möglicherweise  einem  Gebäude  an,  wahrend  die  äusse- 
ren Mauern  nur  Stützmauern  sind.  Dann  hätten  die  äusseren  Mauern  kei- 
nen Putz  gehabt,  sondern  die  gefundenen  Stuck fragmente  gehörten  zu  den 
inneren.  Irgend  welche  Architekturstücke  haben  weder  Dörpfeld  noch  ich 
am  Orte  bemerkt.  Ist  Dörpfeld's  Ansieid  richtig,  dass  die  inneren  Mauern 
die  Reste  eines  Gebäudes  sind,  kann  die  Nike  natürlich  nicht  auf  der  im 
schiefen  Winkel  abgehenden  Mauer  gestanden  haben.  Bei  einem  so  her- 
vorragenden Monument,  wie  es  die  Nike  ist,  niiiss  man  wünschen,  dass  der 
Thatbestand  bald  restgestellt  wird.  Durch  eine  Reinigung  des  inneren 
M rvierecks,  *l.^  ganz  erhalten  zu  sein  scheint,  wäre  das  leicht  zu  er- 
reichen. 


AUS    SAMOTHRAKE  343 

gesehen,  etwa  auf  halber  Höhe  des  Hügels  im  Nordwesten. 
Phardys  hat  im  Ganzen  17  Sitzreihen  gezählt.  Das  Material 
derselben  ist  ein  brauner  Stein  ;  |7.<x'jpo7usTpoc  sagen  die  Insu- 
laner. Eine  0,58  tiefe,  0,73,n  breite  Marmorbasis  mit  Stand- 
spuren sah  ich  aus  dem  Schutt  hervorragen.  Von  einer  ver- 
schütteten lateinischen  Inschrift  sprach  Herr  Phardys,  der  mit 
mir  bedauerte,  dass  eine  so  einschneidende  Entdeckung  wie 
die  dieses  xotXov  so  wenig  ausgenutzt  worden  ist,  dass  der 
Spaten  gleich  wieder  mit  Erde  bedeckte,  was  er  der  Wis- 
senschaft eben  geschenkt  hatte.  In  Samothrake  ist  noch  manch 
Stück  Arbeit  zu  erledigen.  Keine  ladet  aber  mehr  zu  ihrem 
Angriff  ein  als  eine  erneute  Untersuchung  am  Abhang  des 
Nikehügels.  Dass  sie  von  Erfolg  begleitet  sein  wird,  zu  dieser 
Hoffnung  berechtigen  uns  die  Resultate  der  Grabungen  von 
Champoiseau.  Und  da  der  Spaten  bald  sichere  Aufklärung 
geben  kann,  soll  jede  Vermutung  über  das  von  der  Nike  gleich- 
sam gekrönte  'Theater'  unterbleiben. 

Der  von  der  türkischen  Regierung  Champoiseau  erteilte 
Ferman  hat  Herrn  Phardys  Gelegenheit  gegeben  auch  noch 
an  anderen  Stellen  in  der  Paläupolis  Versuchsgrabungen  an- 
zustellen. So  ist  von  ihm  der  'Weihbau  der  Milesierin'  (Un- 
tersuchungen II  S.  7.  16.  102.  106)  in  seinen  Fundamenten 
näher  untersucht  worden1.  Die  Stelle  dieses  Baues  ist  auf 
Beckers  Plan  mit  E  bezeichnet;  leider  ist  die  Untersuchung 
und  Aufdeckung  der  hier  zu  Tage  getretenen  Fundamente  eine 
sehr  unvollständige  gewesen.  Der  gegenwärtige  Befund  lehrt 
aber  wenigstens  mit  Sicherheit  das  Eine,  dass  auf  dem  Platz 
E  nicht  nur  der  Weihbau  der  Milesierin,  sondern  mehrere  Bau- 
ten gestanden  haben,  alles  wo!  Analheme  für  die  Grossen 
Götter.  Alle  hier  vorhandenen  Mauere  bestehen  zunächst  aus 
einem  Fundament  von  sehr  porösem  Kalkstein,  darüber  liegt 
nieist    eine   Schicht    aus   graublauen  Steinen.    Ich    notirte    mir 


1  Conze  hat  (Untersuchungen  II  S.  16)  auch  die  Aufdeckung  der  Reste  des 
Weihbaus  der  Milesierin  bereits  als  'wünschenswert'  bezeichnet. 


31'»  0.    KERN 

zwei  ionische  Säulentrommeln  als  hier  in  der  Nähe  liegend1. 
Soweit  die  Grabungen  im  Temenos  der  Kabiren.  Phardys 
hat  aber  auch  noch  an  zwei  anderen  Punkten  gegraben.  Den 
Spuren  der  von  Coquart  und  Deville  aufgefundenen  Nekro- 
polis  ist  er  weiter  nachgegangen.  Die  französischen  Forscher 
haben  darüber  a.  a.  0.  S.  264  (vgl.  auch  277)  berichtet: 
Quelques  se'pultures  que  nous  avons  de'couvertes  nous  fönt 
penser  que  la  voie  fune'raire  e'tait  situe'e  ä  Vouest  de  la 
eilte,  le  long  du  grand  mur  cyclope'en,  et  prenait  nais- 
sance  au  bord  de  la  mer,  oü  s'eleve  aujourd'hui  une  cha- 
/)<•//<■  d'Haghia  Paraskevi.  Ce  sont,  du  teste,  de  simples 
fosses  creuse'es  dans  le  /laue  de  la  colline.  Nous  //  avons 
trouve  des  osse/nents,  des  fioles  de  verre,  des  parcelles 
d'or  provenant  du  bandeau  que  Von  placait  sur  le  front 
du  mort.  Da  reste  ni  inscriptions ,  ni  me'dailtes,  ni  signes 
d'aucune  sorte.  Nous  pensons  que  ces  se'pultures  (latent 
des  plus  bas  temps  du  paganisme:  Die  Lage  der  Kirche 
Hagia  Paraskevi  ist  aus  dem  Plan  Riha's  (Untersuchungen 
I  Taf.  1)  zu  ersehen.  Die  von  Phardys  gefundenen  Gräber  lie- 
gen südlich  vom  Ptolemaion  in  der  Nähe  der  auf  Becker's 
Plan  mit  .r  bezeichneten  iMarmorstücke.  Hier  scheint  der  ganze 
Hügel  voll  von  Gräbern  zu  stecken.  Ich  sah  überall  viel  Zie- 
gelfragmente ,  Stücke  von  Sarkophagen  aus  [/.aopöxsTpo.  (s. 
S.  343)  und  viele  Löcher,  die  von  Phardys'  Tastungen  her- 
rührten. Phardys  hat  mir  aus  seinen  Aufzeichnungen  Fol- 
gendes mitgeteilt.  Sämtliche  von  ihm  aufgedeckte  Gräber 
waren  von  Norden  nach  Süden  orientirt;  den  Schädel  des  To- 
ten fand  er  immer  im  nördlichen  Teile  des  Grabes.  In  den 
meisten  Gräbern  fand  sich  auf  dem  Boden  ein  Lager  von  Kie- 
seisteinen,  auf  dem  der  Tote  gebettet  lag.  Phardys  unterschied 
vier  Klassen  von  Gräbern.  1.  Ziegelgräber,  lang  0,00,  breit 
0,40"',  also  offenbar  Kindergräber.  Neben  den  meist  vollstän- 
dig gefundenen  Skeletten  konstatirte  Phardys  auch  Asche  und 


1  Das  siinl  die  Reste  von  Coquart's  '  U  mple  ioniqw •■'  .  Archive*  des  mis- 
sions  scientifiques  lsiJT  •-;.  274. 


AUS  8AM0THRAKE  345 

Kohlenreste.  Viele  Fragmente  von  Terrakotten  und  Vasen  hat 
er  aufgelesen.  In  einem  unversehrten  Grahe  standen  die  Ge- 
lasse alle  um  den  Kopf  des  Toten  herum.  In  einem  anderen 
fand  Phardys  eine  Elfenbein  buch  se  mit  wolriechendem  Stoff 
und  viele  blaue  Glasgefüsse  in  tausend  Scherben.  Audi  Fin- 
ger-und  Arm-Ringe  aus  Bronze  hebt  er  als  Fundstücke  aus 
diesen  Gräbern  auf.  II.  Zwei  grosse  Pithoi,  welche  als  Sar- 
kophage dienten,  und  viele  Fragmente  von  anderen.  III.  Mar- 
morsarkophag  ohne  Schmuck,  lang  0,60,  hoch  etwa  0,30"'. 
IV.  Sarkophage  aus  uaupd-expa. 

Palaopolis  nennen  die  Bewohner  von  Samothrake  sowol  die 
Uuinenstätte  im  Temenos  der  Kabiren  als  auch  die  gewaltigen 
'  kyklopischen'  Mauern,  welche  ehemals  die  eigentliche  Stadt 
von, Samothrake  umschlossen.  Innerhalb  dieser  Mauern  linden 
sich  wenige  antike  Reste.  Unter  dem  üppig  wuchernden  Ge- 
strüpp dieser  romantischen  Finüde  sah  ich  hie  und  da  nur 
spätes  mit  Mörtel  hergestelltes  Mauerwerk,  wie  es  schien, 
meist  die  Reste  verfallener  Kapellen  und  Kirchlein1.  Phardys 
hat  auch  diesem  überall  verstreuten  Mauerwerk  eine  genauere 
Untersuchung  gewidmet  und  dabei  manche  der  Inschriften 
herausgezogen,  die  im  Folgenden  als  'gefunden  in  der  Stadt 
Palaopolis'  bezeichnet  sind. 

Eine  Versuchsirrabunü  hat  im  Jahre  1891  schliesslich  noch 
Statt  gefunden  auf  dem  Hügel  unmittelbar  nördlich  vor  den 
die  Stadt  nach  Osten  abschliessenden  Felsklippen.  Die  Spitze 
des  Hügels  zeigt  eine  künstliche  Aufschüttung,  welche  im 
Norden  durch  eine  Futtermauer  gestutzt  ist.  Phardys  \ ermu- 
tet hier  ohne  zwingenden  Grund  die  Akropolis.  Er  stiess  bei 
vielfachen  Tastungen  meist  auf  einen  starken  Estrichboden. 
Überall  liegen  hier  Ziegel  umher,  und  ich  las  Stucke  von 
weissem  und  rotem  Stuck  auf.  Auch  Marmorfragmente  lagen 
da,  und  im  Norden  konnte  ich  noch  eine  aus  porösem  Kalk- 
stein bestehende  Mauer  auf  die  Länge  von  V"  80  verfolgen. 


1  Vgl.  das  unten  S.  373  Nr.  it.  375  Nr.  ;"i  über  die  Isidoros-Kirche  '"• 
s.iu'tc  —  Dörpfeld  teilt  mir  mit,  dass  er  im  luncm  der  Stadl  auch  mehrere 
griechische  Stützmauern  gesehen  bat. 


346 


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AUS   SAMOTHRAKE  347 


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348  O.    KERN 

Das  wichtigste  Resultat  meiner  Reise  nach  Samothrake  sind 
die  Inschriften,  und  unter  diesen  hei  weitem  das  hervorra- 
gendste Stück  ein  Psephisma  aus  der  Mitte  des  dritten  vor- 
christlichen Jahrhunderts,  mit  dessen  \\  iedergabe  die  Zusam- 
menstellung sämtlicher  seil  der  letzten  österreichischen  Expe- 
dition gefundenen  Inschriften  eröffnet  sei. 

1 .  Ghora,  Sammlung  der  Schule ;  der  Stein  stammt  aus  der 
grossen  Kirche  des  Dorfs,  bei  deren  Umbau1  er  gefunden 
wurde.  Es  ist  eine  0,47  hohe,  0,51  breite  und  0 , 09 m  dicke 
Marmorplatte;  auf  beiden  Seiten  Schrift,  s.  S.  3 ^ 6  f.  Buchsta- 
benhöhe  0,006-0.013.  Zeilenabstand  etwa  0,005"'.  Die  Schrift 
ist  nicht  sehr  sorgfältig,  ähnelt  aber  im  Allgemeinen  den 
Buchstaben  der  monumentalen  Arsinoeinschrift  (Untersuchun- 
gen I  Tai".  LVIII;  II  S.  111).  Or\Q  sind  kleiner  als  die  übri- 
gen Buchstaben.  Mit  s\  wechselt  die  Form  -o ;  vgl.  darüber 
Literarisches  Central blatt  1893  S.  1433. 


1 tIIyJy](Tt'JTpaTO?    [ '    £7Uei§Y]  ] 

2.  ['ItttuoiasScdv]   'AyntfiXxou  Aax£&ou[[/.övio;  6  xaraerra-] 

3.  [Geis  U7c6  t]oö  ßacrtXe'ü)?  IlToXsaatou  a[Tp]xT[Y)y6<;] 

4.  [toö   'EX]X'/)ax6vTOu  xai  tcöv  iizl  ©pouxY)?  totucov  e[u<j£-] 

5.  fßö]?  Siaxeiu-svos  ~po?  tou?  Oeou?  ti|aö£i  to  xi\  [/.e^oc] 

6.  0u<7iai<;  xai  avaO^aaTtv  kolI  Iffwsuaev  7rapa[yevö-] 

7.  [A6VOC  v.c,  tt)v  v^tov  [xerarr^siv  t<ö|/.  j/.,j'JT[Y)pi(ov,] 

8.  TT}?  T6  xotTa  to  ycopiov  a.<KpaX6ta?  Tzxnx^  xpövoia[v  7cotei-] 

9.  Tai  oLizonTiXktov  tou?  ma(pu>.aQ0VTa(;  i7V7uei?  [ts  xai] 

10.  77£C,0'ji;  CTpaTitOTa;  xai  ße^T)  xat  x,a.TaTCxXTa[;  xatj 

11.  [t]ou<;  ypYiGOfxevou;  toutoi?,  e'i'<;  te  tou$  (/itOou?  [toi?] 

12.  ßpa($£<7'.v  dc^[t]coÖ£l<;  Ttpo^avEiTai  yp7)|./.a.Ta.  eoo)[x6V,J 

13.  ßouX6u.6VO?  UTcaxoüeiv  T^ävTO.  to.  ä.£io'Jiy.£va  [u7co] 


1  Die  stattliche  Kirche  ist  in  den  siebziger  Jahren  umgebaut  worden,  wie 
die  von  Pbardys  verfasste  Inschrift  über  der  Kirchenthür  besagt:  6  vaöj  o5- 
-<j:  tr,:  xoiuifacwg  KVEfipOr]   ex.  ßctöpcov  Bowcavin  iTj{  EvtauOa  y.o'.voTTjXoc  ev  k'xei  1871  . 


AUS   SAMOTHRAKK  349 

14.  xvii  TCOAei,  Siaxeitievo?  Ss  xai  rcpö?  tov  §r}[/.ov  [euvo-] 

15.  <o?  Tzv.nv.-4  1—tiuAEtav  woiSiTat  xai  xotvv)t  ttj[?  wo-] 

16.  aeo)?  xai  tStai  tgjl«.  7upö?  ocutov  äcpixvouuivcdfv,  axo-] 

17.  AouQa  rrpaTTiov  tth  tou  ßar7iAEü)$  aip£T6i,  "/)  [ßou-] 

18.  AT)  tupgSeSquaeuxev  auTuu  7C£pt  ircaivou  xai  )ca06x[tj 

19.  yj  re  TtoXiTEta  xai  xa  AO'.xa  xk  S^opiva  rcapa  t[öv] 

20.  [txoaitJoöv  <piXa[vÖ]pci)7ra.  avaypa^7,<j6Tai  ei?  <7T7)ArjV  [xai] 

21.  [avaTeö]yj(;e[Tai]  iv  töi  i£pän  tt)?   'A ayaOr/.  r[uY7)i] 

B. 

1 .  av  xai 

2.  atpE<r]  £t  tou  ßa'j'.AEco?  xai  tt1[?  ßa-] 

3.  [<yiXi(j<JYi?  ]  xai  <t[itou  e£]ay(i)yrj[v]  xai  <XT£A£tav  Sou[vat...] 

4.  [rot?  £x]  Xeppov/i'jO'j  xat  ocaaoÖev    69ev    auxak  suxaipov  <p[aivy)-] 

5.  xai  e[i]vat,  otaAEyeaOat  §£  auTioi  tou?  [7rps]<76suTa?  x<y[i  XEpi] 

6.  tou  oyjjpcöi/.aTO?  xai  7capaxaAeTv  ocutov  <rut/.7:pä£at  tt)Y.  . 

7.  [.  .  .  .  ]tto  tuvteasgQe'vto?  auTo[u]  xaTa<y[T]a[6YJ]voti  tÖli  w[öXg-] 

8.  [|/.o]v  tou?  xA7)pouvjr,iTovTa?  xai  Y6a>pYT)GOVTa?  tt)v  yüp[av.  .  .  .] 

9.  [.  .  £Jx  lTöJla.  TCpo<yöS[<i)]v  Öuciai  t£  <7uvT6A[<ö]vTai  xai  ä7capy[ai..l 
10.  [...]vo(i)VTa[t]  toi?  Oeoi?  uräp  tou  ßa<JiAe[ü>]?  xai  Tri?  ßa<7i[Ai<j<jr,?] 

A. 

1 .  Hegesistratos  ist  der  damalige  oberste  Beamte  von  Sa- 
mothrake,  der  ßaaiXsu?.  Vgl.  z.  B.  den  Anfang  des  Psephisma 
bei  Conze,  Beise  S.  66  :  "E&o£«v  tyj  ßouAY).  Boutiasu?  A.6o0ap<rc>? 
[Iu6oxa6iöou  elwsv.  'EtceiSy)  IlTOA6t/.a[io?]  'A(i6tvioü  u.s.w.  Als  An- 
tragsteller kommt  freilich  auch  der  Twpds&po?  vor  (  Untersuchun- 
gen I  S.  40  Nr.  6).  Vgl.  Swoboda,  Die  griechischen  Volks- 
beschlüsse S.  00.  93.  118. 

5.  tö  te'[;a£vo?].  wie  in  der  Lysimachosinschrift  aus  Samo- 
thrake,   Dittenberger,   Sylloge  Nr.  138  Zeile  8  i  £u-p  r,?*-.  tö 

T£[A£VO?    TCüV    0£CüV. 

12.  ßpaSecrtv  =  uaTepoöoriv.  Die  Lesung  ist  zunächst  eine  Con- 
jectur  von  U.  von  Wjlamowitz  -  Möllendorff,  drin  ich  auch 
hier  wieder  für  manchen  \\  ink  uml  Ratschlag  Dank  schulde. 


350  0.    KERN 

Erneutes  Studium  des  Abklatsches  hat  die  Vermutung  be- 
stätigt. 

13.  ßou\6t/.svo;  u7;ax.ou£iv  -avTa  toc  ä^iouaeva  [utc6]  tt,i  tcoXsi. 
Ähnlich  lieisst  es  auf  einem  bisher  noch  unedirten  arkadischen 
Psephisma  aus  Magnesia  am  Maiandros:  (ö.  tvöXk;)  toc  O-ö  toi? 

G'j  y  yiv£Gt  *<x».  <piXoi<;  x.a[i  eu]vo[i]o».<;  ä£tü)[/.£va  uxaKOusi. 

17.  7)  [ ßou] | X-yj  7üpo€£SouX£u/.6v  E.  Pernice  nach  dem  Ab- 
klatsch. 

21 .   iv  Teil  Upui  tt,s  'A Man  könnte  wegen  der  unten 

S.  376  Nr.  27  mitgeteilten  Weihinschrift x  an  Artemis  denken, 
aber  auch  der  Cult  der  Aphrodite  ist  für  Samothrake  bezeugt, 
einmal  durch  die  Inschrift  bei  Conze,  Reise  S.  69  Taf.  XVI 
Nr.  10  ( 'A<ppo&tTY)i  KaTaaSi)  und  dann  durch  die  Nachricht  des 
Plinius,  Nat.  bist.  XXXVI  25,  nach  welcher  Skopas  die  Bil- 
der der  Aphrodite  und  des  Pothos  für  Samothrake  (qui  Sa- 
mothraciae  sanetissimis  caerimoniis  coluntur)  gearbeitet 
hat2 .  Aber  der  Raum  scheint  für  'ApT^-iSos  wie  'AtppoSiTvi;  et- 
was knapp,  und  so  ist  vielleicht  die  Ergänzung  'AQyivoU  vor- 
zuziehen, zumal  das  Psephisma  für  den  Tragöden  Dymas  aus 
Iasos  in  Samothrake  im  Heiligtum  der  Athena  aufgestellt  wer- 
den soll:  Greek  inscriptions  in  the  British  Museum  III 
Nr.  444.  —  Die  geringen  Reste  von  u.y<x.&r\i  t[u£7)i  hat  F.  von 
Hiller  erkannt  und  gedeutet. 

B. 

Auf  dem  Stein  selbst  habe  ich  nur  wenig  entziffern  können; 
das  hier  Gegebene  beruht  meistens  auf  dem  Studium  des  Ab- 


4  Artemis  und  die  Kabiren  auf  einer  durch  Cyriakus  überlieferten  Inschrift 
Aas  Milet:  Bulletin  de  corr.  hclUnique  I  S.  288. 

-  Benndorf  meint  (Untersuchungen  118. 101),  dass  man  in  diesen  Wer- 
ken 'die  Cultbilder  des  Neubaus '  vermuten  könne.  Ich  sehe  keinen  Grund, 
der  im-  zwänge  in  <Ier  Aphrodite  des  Skopas  die  angebliche  Hauptgottbeit 
des  Kabiren kreises,  Kybele  zu  erkennen.  Unbegreiflich  ist  mir  aber  gera- 
dezu, wieO.  Rubensolin  ( Myslerieuheiliglümei  S.  I  'rJ )  schreiben  kann,  dass 
wir  für  die  Gruppe  des  Skopas  'in  der  That  keinen  anderen  Aufstellungsort 
als  iiiimiii  Tempel  namhaft  machen  können'.  Glaub4.  Rubensohn  wirklich, 
dass  es  ausser  den  aufgedeckten  Tempeln  in  Samothrake  keine  anderen  gab/ 


AUS   SAMOTHRAKE  351 

klatsches,  wobei  mich  Erich  Pernice  in  wirksamer  Weise  un- 
terstützt hat. 

4.  [toi?  ex]  Xeppovrjffou  Pernice. 

7.  K«.roL<s[r]a  9r  von  ist  sicher;  von  dem  0  kann  man  auf  dem 
Abklatsch  noch  leise  Spuren  erkennen,  tou.  wfoXe]  |  u.ov]  Per- 
nice. 

9.  L]k  [tw]u.  TCpo?oS[(o]v  Pernice. 

Die  Inschrift  ist  die  urkundliche  Bestätigung  einer  That- 
sache,  über  welche  wir  bisher  nur  durch  eine  Bemerkung  des 
Teles  in  seiner  Schrift  wepi  cpuy-?5<;  unterriclitet  waren.  Ich  habe 
Zeile  2  den  Namen   Ilippomedon   ergänzt  und  glaube,   dass 
diese  Ergänzung  den  Anspruch  auf  völlige  Sicherheit  machen 
kann.   Denn   Ilippomedon    ist  der  Sohn  des  Lakedaimoniers 
Agesilaos,   des  Oheims   König  Agis  des  Dritten.  Vater  und 
Sohn  waren   Hauptteilnehmer  an  den  revolutionären  Plänen 
des  Agis  :  'AynffiAOtov   §£   6e£ov   ovtoc  tou  ßaciAeco;  xai  SuvaTÖv  ei- 
tteiv,  öcaaüx;  oe  aa.Xax.ov   x.ai  cpiAoypr,u.aTOv,  £uoxvd>$  akv  6  vnö;  'Itc- 
TToaeSov  £*tv£i  x.at  wapeö&ppuvev,  euSoxtjxo?  ev  ttoaaoi;  ivrjp  -/.xi  uiya 
St'  ßuvoiav  töv  v£ü)v  S'jvaa£vo?  ( Plutarch  Agis  6).  Beide  entka- 
men dem  Geschick,  welches  die  anderen  Revolutionäre  traf, 
Hippomedon  rettete  seinen  Vater  Agesilaos  (Plutarch  16),  und 
wir  wissen  aus  Teles,  dass  Hippomedon  an  den  Hof  des  Kö- 
nigs Ptolemaios  III  Hob  und  von  diesem  bald  zum  Statthalter 
der  Provinz  Thrakien  ernannt  wurde.  Nach   Droysen's  ein- 
schneidender  Untersuchung  hat  Wilamowitz  (Antigonos  S. 
300  ff.)  dargethan,  dass  der  Traktat  icspt  v->yr,;  eine  in  Megara 
um   240  gehaltene  Bede  ist,   und  in  dieser  Bede  linden  sich 
(Hense,    Teletis  reliquiae  S.  16,2)  die  Worte:   'I—ou^cov  6 
AaxESaiaövto;  6  vüv  iizi  0päx.r,;  KaOfiffT&uevoc  u~ö  riTOAEuxiou,  Xps- 
awviS1/]?  x.xi  PAa'r/.wv    ot   'AO'/ivalot,  ou  xa^Spoi  Kai  aoußouXoi :   iva 
u.7)  TflC  ::aXaiä  coi  A£yo>,  aAXa  xa  y.x^r/j.y.;.    Teles  stellt  unter  dein 
Eindruck  dieser  eben  eingetretenen  Ereignisse.    Der  241   aus 
Sparta  verbannte  Hippomedon   ist  von  Euergetes  schnell  auf 
einen    hervorragenden  Platz  gestellt,  und  das  neue  samolhra- 
kische  Psephisma   berichte!   uns  nun   über  seine  Statthalter- 
schaft  von   Thrakien   (6  /.aca<7TaÜ£i;  öwo  t]oö   ßaoiXtuc  Utoa*- 


;.,;•  O.    KERN 

uatoo  «j[Tp]aT[Y)y6?  toü  'EXJXyictcÖvtou  Kai  tüv  erci  0paixv5?  tottcov). 

Es  ist  schwerlich  vor  239  verfasst;  denn  in  ein  früheres  Jahr 
kann  man  Hippomedons  Erhebung  zum  Statthalter  nicht  an- 
setzen. Das  ist  der  ter minus  po st  quem.  Als  äussersten  tcr- 
minus  ante  quem  kann  ich  nur  das  Todesjahr  des  Ptolemaios 
(223) angehen. 

Sehr  bedauerlich  ist  es,  dass  nur  die  eine  Seite  des  Steins 
völlig  zu  entziffern  ist.  Eine  starke  Sinterschicht,  die  ich  nur 
mit  grosser  Mühe  entfernen  konnte,  hat  die  Urkunde  vor  wei- 
terer Zerstörung  geschützt.  Die  andere  Seite  ist  stark  abge- 
treten, und  allein  der  Schluss  ist  hier  einigermassen  erhalten. 
Obwohl  B  offenbar  die  Vorderseite  war,  gehe  ich  bei  der  In- 
terpretation der  Inschrift  von  A  aus.  Denn  sie  giebt  die  Da- 
ten, welche  uns  zu  einem  Verständniss  der  Reste  von  B  ver- 
bellen. 

Die  Samothrakier  ehren  durch  das  vorstehende  Psephisma 
den  Lakedaimonier  Hippomedon,  den  Sohn  des  Agesüaos, 
den  Feldherrn  des  Königs  Ptolemaios  am  Hellespont  und  in 
Thrakien.  Denn  Hippomedon  hat  seinen  frommen  Sinn  gegen 
die  Götter  bewiesen,  im  heiligen  Ilaine  geopfert  und  Weihge- 
schenke aufgestellt  und  hat  sich  beeilt  an  der  Mysterienfeier 
selbst  teilzunehmen.  Aus  den  Worten  ec7ceu<j6v  Tüapafyevöjfuvos 
«5tJjv  VTjffov  [ASTacyeiv  twu,  auar^picov]  darf  man  schliessen,  dass 
Hippomedons  Anwesenheit  in  Samothrake  bald  nach  der 
Übernahme  der  thrakischen  Statthalterschaft  stattfand.  Hip- 
pomedon hat  für  die  Sicherheit  des  Orts  (-/wptov)1  gesorgt,  er 
hat  Heiter,  Fussoldaten  und  Waffen  geschickt  und  den  Säu- 
migen (ßpaSedtv)  Gelder  geliehen,  kurz  er  hat  Alles  erfüllt, 
was  das  Volk  von  ihm  erwartet  hat,  und  all  sein  Handeln 
war  ganz  im  Sinne  seines  Königs.  Deshalb  wird  ihm  die  -o- 
XtTEta  verliehen,  und  die  Stele,  welche  davon  Kunde  giebt,  soll 
im  Tempel  der  Artemis  oder  Aphrodite  aufgestellt  werden. 

Hippomedon  schickt  toü;  S-.xo'Ai;ovTa;  toewei;  [ts  xai]  tte^oo«; 


<  Noch   heule  heissl  die  einzige  Ortschaft  <l<;r  Insel,  wie  so  oft,  Ohora 
(Xc5po  i :  <  Sonze,  Reise  B.  02. 


AUS   BAMOTHRAKE  353 

n-zy.-</,)-y^    y.yj.    ß|AY]    -M\  itaTCMF&*Ta[«    jtai  t]o6?  ypr.coy.sVyj;  TOu- 

rotc.  Wir  (Vagen:  wer  ist  es.  der  den  Frieden  des  samotbra- 
kischen    Heiligtums  damals  störte?   Die   Lysimachosinschrifi 
(Dittenberger,  Sylloge  Nr.  138)  weist  uns  auf  die  Einfälle  von 
Seeräubern,  von  welchen  Samotbrake  schon  früh  heimgesuchl 
worden  ist  (Untersuchungen  II  S.  115.   Rubensohn,   Myste- 
rien helligtümer  S.  220).   Aber  wol  darf  auch  auf  die  Gefahr 
hingewiesen  werden,  welche  den  von  Ptolemaios  III  annektir- 
ten  thrakischen  Ländern  fortwährend  von  Makedonien  drohte, 
wo  der  greise  Antigonos  Gonatas  Alles  aufbot  um  den  Ruin 
seines  Reiches  aufzuhallen.  Und  Samotbrake  lag  jedem  make- 
donischen Herrscher  besondersam  Herzen;  eine  « alte  Tradi- 
tion' wies  die  Mitglieder  des  Könighauses  nach  der  Upr  xuov 
(Orph.  Hymn.  XXXVIII,  i),  deren  Weihen   gerade  in  dieser 
Zeit  an  Ansehen  und   Bedeutung  gewonnen  und. die  helleni- 
stische Welt  erobert  hatten1.   Mögen  es  Piraten  oder  Make- 
donen  gewesen  sein,  zu  deren  Abwehr  Hippomedon  die  Trup- 
pen entsendet,  das  beweist  unsre  Inschrift  jedesfalls,  dass  der 
Frieden   des  Mysterienheiligtums   um    240    kein    ungestörter 
war,    und   dass  der  neue  Statthalter  auf  der  Hut  sein  musste. 
Zunächst  war  es  wol  nur  ein  Akt  politischer  Klugheit,  wenn 
er  vor  Allem  das  Heiligste  der  nördlichen   Hellenen,  die  sa- 
mothrakischen  Mysterien  zu  hüten  suchte.  In  wie  weit  Ptole- 
maios Euergetcs  bei  diesem  Thun  seines  Strategen  persönlich 
beteiligt  war,  wissen  wir  nicht.  Aber  von  dem  Interesse, wel- 
ches das  Haus  der  Lagidefl  den  Mysterien  i\w  Grossen  Götter 
von   Samotbrake  zuwandle,   zeugen   noch  beute  die  Reste  der 
Tholos  (Irr  Arsinoe  und  des  Ptolemaion  ebenso  wie  der  Altar 
von  Sestos  (Athen.  Mitth.  VI  S.  209). 

Wenn  diese  Darlegungen  im  Wesentlichen  richtig  sind. 
wird  man  aus  den  geringen  Resten  der  Inschrift  />'  Bcbliesseii 
können,  dass  zwischen  ihr  und  A  ein  innerer  Zusammenhang 
besteht.  Denn  das  iyy:ow.x  '.  über  welches  die  Gesandten  ?er- 


1  Untersuchungen  II  S.  85.  Rubensohn  8.  1 1  i.  150. 

''  Das  Worl  o/.öpuji«  widerleg!  die  von  Conwj,  Reise S.6I  ausgesprochene 

ATHEN.    MITTHEILUNGBN    Will.  ->  ' 


354  u.    KKItN 

handeln  sollen,  Weist  uns  zurück  auf  die  Schutzmassregelo, 
welche  Hippomedon  nach  der  [nschrift  .1  in  Samothrake  ge- 
troffen hat.  Ist  .1  als  ein  Ehrendekret  der  Samothrakier  für 
den  Statthalter  dv*  Ptolemaios  Euergetes,  den  Lakedaimonier 
Hippomedon,  erkannt,  so  ergiebl  sich  für  l>.  dass  es  der  Be- 
schlüss  der  Bou^yi  ist  in  Betreff  der  Entsendung  der  Gesandten 
an  Hippomedon-  B  steht  auf  der  Vorderseite  des  Steins;  es 
stellt  in  indirekter  Rede  die  lütten  dar,  welche  die  Samo- 
thrakier an  den  neuen  Statthalter  richten.  Leider  bietet  (Irr 
Text  noch  manche  Schwierigkeit,  deren  Lösung  ich  einem 
Kundigeren  überlassen  muss.  Aber  einige  Punkte  sind  klar. 
Z.  2  die  Berufung  auf  den  König  und  seine  Gemalip  (ähn- 
lich A  Z.  17);  Z.  3-1  wird  der  Statthalter  gebeten,  e£xycoy/; 
und  y-ili'.x  den  aus  der  Cherrones  (xat  «XkoQiv  öOsv  auxöi  eö- 
y.xicov  'jzvrr-xi.  elvai)  Kommenden  zu  erteilen,  und  Z.  5  wird 
den  Gesandten  eine  Unterredung  mit  Hippomedon  (auTüi) 
über  die  Befestigung  der  in  ihrem  Frieden  bedrohten  Insel 
aufgetragen.  Besonders  interessant  ist  der  Beschluss  eines  Dan- 
kesopfers  für  das  Königspaar,  interessant  deshalb,  weil  auch 
Lysimachos  für  seine  Bemühungen  um  den  Schutz  der  Insel 
vor  Seeräuberbanden  ein  jährliches  Opfer  von  den  Samothra- 
kiern  erhalten  hat.  Zu  der  Lysimachosinschrift  lässt  sich  über- 
haupt kein  besseres  Gegenstück  denken  als  der  neugefundene 
Inschriftstein  für  Hippomedon,  den  Feldherrn  des  Euergetes. 

2.  Stele  an  beiden  Seiten  gebrochen.  Gefunden  Sommer 
1891  von  Champoiseau  und  publicirt  Revue  des  e'tudes  gree- 
ques  V  S.  197.  Jetzt  in  Constantinopel ?  Die  Stele  trug  eine 
Reihe  von  Proxeniedekreten ;  die  Reste  von  dreien  sind  erhal- 
ten, das  erste  galt  einem  gewissen  Numenios,  das  zweite  dem 
Aitoler  Seirakos,  dem  Sohne  des  Ischomachos  und  das  dritte 
allen  Oitaiern.  Siehe  Umschrift  und  Commentar  bei  Tli.  Rei- 
nach a.  a.  0. 

3.  Chora,  verbaut  im  Hause  des  'Iwocvvyi?  'PejMCOUT^ia.  Alar- 


Ansichl,  dass  sich  die  Insel  nicht  durch  Blauern,  sondern  durch  den  Ruf 
ihrer  I  tcilizkeil  zu  schützen  suchte. 


AUS    SA  MO-TM  HARK  3-5 

mop;  Höhe  0,30,  Breite  0,39.  Buchstäbenhöhe  etwa  0,02"' 
Nach  Abschrift  und  Abklatsch  von  Phardys.  Stark  verrieben 
Deutlich  nur  die  beiden  letzten  Zeilen  : 

|M]  vo;   IIo7ct<$£Ö>[vo<;] 

Scheint  der  Rest  eines  Psephisma  zu  sein. 

I  O 

P  O  Z 
E  I  2 
I  A  O  A  H 
H  MIOY 

KYllKHNftN 
NOIFOIEIA^   Oi 

4.  Haus  des  Nikola  Syka.  Stark  abgeriebener  Marmor- 
Höhe  0,18,  Breite  0,44,  Dicke  0,24'".  Eine  Lesung  am  Stein 
selber  war  nicht  möglich;  was  ich  hier  gebe,  habe  ich  mil 
vieler  Mühe  auf  dem  Abklatsch  entziffert. 

1  •  Unsichere  Reste 

2-  BA^IAEfl) 

3.  TOYEPIXAPO 

^EBE 


4. 

5-  APfiNMH 

6. 

7. 


E  A    H  O  Y  £  E  Y  £  I    bi     . 
EPA<t>PA£EYrOPI    INPPnTO? 
T  O  £  <|)  I  A         O  Y 

2.  [1*1]  ßafftXeo? 

3.  Toö  'E-iyapo[u] 

5. 

"•  su«€ 

7.  'Ezscppä;  6U7COp[8i?]v  -ccüJro: 

8.  to;  'I".>.  (>)t  ou 


356 


O.    KERN 


5.  Chora;  Sammlung  Phardys.  Vgl.  Rubensohn,  Myste- 
rienheiligtümer S.  227.  Ich  veröffentliche  auf  S.  357  zwei 
aach  meinen  Abklatschen  und  Skizzen  gemachte  Zeichnungen 
des  Steins.  .1  giebl  die  wichtige  Vorderseite  und  B  die  Hinter- 
seile.  Auf  der  rechten  Schmalseite  steht  in  0,04  hohen  Buch- 
staben der  Name : 


GCEST 


Nach  meinen  Abschriften  hat  Mommsen  den  Stein  in  dem 
binnen  Kurzem  erscheinenden  Supplement  zum  C.  I.  L.  IM 
unter  Nr.  12322  (S.  2083)  herausgegeben. 

Als  bedeutendere  Differenzen  mit  den  Lesungen  von  Phar- 
dys  und  Bubensohn  notirc  ich  zu  B  Folgendes: 

1.  Ich  lese  BPIMOY,  also  'OJßpijMu.  Auf  dem  Giebel  und 
Hauptinschrift  trennenden  Streif  standen  auch  Buchstaben, die 
später  durch  Rasur  entfernt  sind. 

6.   Die  Lesung  ist  sicher;  also  [/erä  ffTpaTjYjyou  avO-j-ixo-j. 

8.   6'jffe6«t<;,  Bubensohn:  6i><yeß7fc ;  danach  Rasur. 

15.  Der  Vater  des  ßa<riXeu$  'ApiürMz  heisst  nicht  Ti/wEzvo$, 
sondern  $U6faoQ. 

Über  den  auf  A  dargestellten  Bau  bat  Bubensohn  S.  158  ff. 
ausführlich  gebandelt;  denn  es  ist  keine  Frage  und  auch  gleich 
von  Phardys  und  Rubensohn  erkannt  worden,  dass  dies  von 
Rubensohn  im  Anhang  S.  227  besprochene  Monument  in  die 
von  ihm  behandelte  Reihe  samothrakischer  Reliefs  gehört,  auf 
denen  ein  tholosartiger  Bau  dargestellt  ist.  Seine  irrige  ße- 
schreibung,  welche  auf  einer  mangelhaften  Skizze  von  Phar- 
dys beruht,  wird  durch  die  obige  Abbildung  corrigirt,  und 
klarer  als  alle  Worte,  meine  ich,  spricht  die  Gegenüberstel- 
lung von  A  mit  der  |  nach  einem  mionnet'schen  Schwefelab- 
druck  der  pariser  Sammlung;  s.  Rubensohn  S.  169)  hier  an 
erster  Sielle  abgebildeten  kvzikenischen  Münze. 


AI  -    BAMOTHRAKE 


Sicher  ist,dass  auf  der  Münze  ein  Rundbau  dargestellt  ist; 
das  gilt  auch  von  dem   Demokiesstein  (unten  Nr.  6),  wobei 


^Y   ^ 


IniBA^IAEnEAEENIA 
ß  NolltPATZYFAMENol 
HToYAMGYnATOY 
lAPXONTo^ANAPiAKAlTPl 
lEYXEBEH  :■-,■  • 
1 1  ^At^AroPAI  H  AI 2  Y  OY 
rot\proiAtoi<AHiErANAPoy 

y*Mk%         MEAANinros 

t^ENT-nP  EHIBAII 

1&  AXOX      TOY+IAO 

AX  EYZEBHI 


TTYeAro 


/y. 


ich  mich  noch  auf  das  Zeugniss  Dörpfeld's  berufen  darf,  wel- 
cher den  Stein   bei   Phardys  gesehen  und  photographirl  hat. 


Für  die  von  Rubensohn.  aufgeworfene  Frage,  ob  der  Bau  ei- 
nen Altar  oder  eine  Tholos  darstellt,    kann   ich   nichts  Knt- 


358  0.    KERN 

scheidendes  beibringen.  Denn  einerseits  kann  man  sich  lieute 
auf  die  grosse  epidaurische  Urkunde  berufen,  welche  für  Po- 
lyklets  Tholos  die  Bezeichnung  (hj.ilr,  bezeugt,  andererseits 
bleiben  aber  bei  der  Annahme,  es  sei  ein  Altar  dargestellt,  die 
drei  Figuren  oben  auf  dem  Hau  rätselhaft.  Jedesfalls  wird  Nie- 
mand  leugnen,  dass  man  angesichts  der  vorstehend  abgebilde- 
tm  /.weiten  kyzikenischen  .Münze  (Rubensohn  S.175),  auf  der 
unser  Rundbau  neben  einem  Tempel  erscheint,  eher  an  einen 
Tempel  als  an  einen  Altar  denken  muss. 

Schwerlich  ist  er  aber  für  einen  samothrakischen  Bau,  etwa 
das  Arsinoeion  zu  halten.  Ich  meine,  nur  das  ist  völlig  klar, 
dass  die  Kyzikener  eine  Zeit  lang  diesen  Bau  in  ihrem  Wap- 
pen führten.  Anders  kann  ich  die  Darstellung  auf  Reliefs  und 
Münzen  nicht  deuten  und  muss  jeden  Versuch  aus  dem  bis- 
herigen Material  Weiteres  zu  folgern,  ablehnen.  Wie  die 
Magneten  am  Maiandros  den  Reiter,  die  Athener  die  Eule, 
die  Tenedier  Weintraube  und  Doppelaxt,  Pantikapaion  den 
Kopf  des  Pan  als  Wappen  über  ihre  Yolksbeschlüsse  setzten, 
so  auch  die  Kyzikener  über  ihre  Listen  von  Mystcn  und  Epo- 
pten  den  merkwürdigen  Bau  ihrer  Münzbilder1.  Ist  der  Rund- 
bau auf  unserem  Stein  als  Stadtwappen  aufzufassen,  so  halten 
wir  nicht  den  allermindeslen  Grund  anzunehmen,  'dass  in 
diesem  Bau  der  Cultus  (der  Kybele)  gepflegt  worden  sei,  der 
mit  dvn  samothrakischen  Mysterien  so  nahe  verwandt  war, 
und  dass  deshalb  die  in  Samothrake  eingeweihten  Kyzikener 
eine  Darstellung  dieses  Baus  auf  die;  dort  aufzustellenden  Ur- 
kunden gesetzt  hätten'.  Auch  ich  glaube,  dass  sich  der  kyzi- 
kenische  Bau  auf  den  Dienst  der  Kybele  bezieht,  aber  für  Sa- 


1  Über  den  Brauch,  das  Stadtwappen  auf  den  Urkunden  in  Relief  anzu- 
bringen vgl.  Newton,  Ancient  Greeh  inscriptions  in  Hu  British  Museum  II 
11883)  S.  30  und  Lechat,  Bull,  dt  corr.  hell.  XIII  (1889)  S.  516.  Hinzu 
kommen  jetzt  noch  zwei  unpublicirle  Urkunden  aus  Magnesia  am  Maian- 
dros mii  dem  Reiter  in  Relief,  der  als  Stadtwappen  von  Magnesia  auch  auf 
Münzen  und  Ziegelslerapeln  erscheint.  Dieser  Brauch  ist  für  die  Proxenie- 
dekrete  auch  literarisch  bezeugt:  Anligonos  von  Karystos,  llisiur.  Mir  ab. 
Q.  XV  (xaOarcep  lerclv  jfOifxov  reaoi  rcpojJtapatiO^vai). 


AUS   SAMOTHRAKE  3ö9 

mothrake  ist  nichts  damit  gewonnen.  Es  ist  auch  nocli  nie- 
mals der  Nachweis  geführt  worden,  dass  Kyhele  in  irgend  ei- 
ner Cultgemeinschaft  mii  den  Grossen  Göttern  steht,  und  dase 
sie  im  Temenos  von  Samothrake  einen  Tempelsitz  gehabt  hat. 
Die  y.r-r.z  öpeia  gehörl  nicht  in  das  Waldllial  in  der  Nähe  des 
.Meeres;  die  Spitze  des  samothrakischen  Gebirges,  die  hohe 
Warte,  von  der  Poseidon  in  der  Ilias  auf  die  Kämpfe  der 
Achäer  und  Troer  herabsieht,  war  die  Stätte  ihres  Cults. 

In  die  Reihe  der  Rundbaureliefs  gehört  auch  die  folgende 
Nummer,  der  von  Rubensohn  S.  160  ff.  behandelte  Demo- 
klesstein.  Hier  ist  die  Beziehung  zu  Kyzikos  nicht  bezeugt,  ja 
wir  nuissten  den  Bau  nach  der  Inschrift  für  Tralles  in  An- 
spruch nehmen.  Aber  der  Stein  ist  ölten  und  unten  gebrochen, 
und  der  innere  Zusammenhans  des  Reliefs  auf  der  Vorderseite 
und  der  Mystenlisten  auf  den  beiden  Nebenseiten  ist  genau  so 
unwahrscheinlich,  wie  hei  unserm  Relief  der  innere  Zusam- 
menhang der  Darstellung  auf  der  Vorderseite  und  der  Inschrift 
auf  der  Hinterseite.  Die  Mystenlisten  wurden  ebenso  wie  die 
Theorenverzeichnisse  von  Fall  zu  Fall  eingemeisselt,  und  oft 
ist  derselbe  Stein  zu  verschiedenen  Zeiten  dazu  benutzt  wor- 
den. Deshalb  war  die  Demoklesinschrifl  hei  der  engeren  Fra- 
ge, ob  der  'Rundbau'  in  Samothrake  öder  Kyzikos  gestanden 
hat,  von  vorneherein  auszuschliessen ;  sie  beweis!  weder  fin- 
den einen  noch  \'uv  den  andern  Teil1.  Aber  dass  *\vv  Stein 
höchst  wahrscheinlich  in  die  Reihe  der  kyzikenischen  Rund- 
baureliefs gehört,  wii'd  \on  Niemandem  mit  ausreichenden 
Gründen  bestritten  werden  können. 

ti.  Ghora;  Sammlung  Phardys.  \)r\-  Demokiesstein  Vgl. 
Gonze,  Sitzungsberichte  der  berliner  Akademie  1892  S.  213. 
Rubensohn  S.  160  ff.  Th.  Reinach,  Revue  des  e'tudes  grec- 
ques  V  S.  199  Nr.  3.  C.  I.  L.  III  SuppL  S.  Vis::  \r   12323. 

\)cv  Stein,  von  dessen  mit  dem  Rundbaurelief  geschmückter 
Vorderseite  ich  umstehend  eine  nach  meinem  Abklatsche  ge- 
machte neue  Abbildung   mitteile,   ist  im  Jahre  1891  aus  der 


1   Rubensohn  — ^ .  1 T I  micili  andei  s. 


;,,,)  0.    KERN 

kleinen  Kirche  des  Hagios  Stephanos  in  die  Sammlung  Phar- 
dys  gelangt. 

Die  Kirche,ein  sehr  primitiver,  bypäthraler  Bau  hal  schwer- 
lich ein  hohes  Alter.  Cyriakus,  welcher  die  Insel  1444  besucht 
hat,  kann  das  Relief  an  dieser  Stelle  keinesfalls  gesehen  ha- 
ben1. Phardys  hat  mir  den  Platz  gezeigt,  an  welchem  eres 
aufgefunden    und    den   er   jetzt  durch  einen  andern  Stein  hat 


ausfüllen  lassen.  Nach  ihm  lag  das  Relief  mil  drv  Vorderseite 
nach   unten,  und  nur  durch  wiederholte  Tastungen  kam  er 

auf  den  Gedanken,  dass  der  Marmorblock  auf  dem  Allarlisehe 
ein  Rest  des  Altertums  sei.  Danach  ist  Rubensohn's  Ansicht 
S.  1G8  zu  corrigiren. 


'  CoDze  hal  nach  einer  Abschrift  A.  Maus  die  Beschreibung  Samo- 
Ihrake's  mitgeteilt,  welche  sich  in  der  Handschrift  Cod.  Vatic.  6250  fol. 
I:!1  lindel.  Spiro  hal  den  Codes  auf  meine  Bitte  noch  riuni.il  durchgesehen 


AUS   SAMOTHRAKE  361 

Der  Mann. »rblock  ist  0,51'"  hoch.  0,43  breit  und  0,12  dick. 
Auf  der  Vorderseite  befinde!  sich  das  Relief.  Auf  deo  beiden 
Schmalseiten  stehen  Inschriften,  .I  auf  der  rechten  (vom  Be- 
schauer), B  auf  der  linken.  Zu  dem  Rundbaurelief  habe  ich 
nur  das  zu  bemerken,  dass  ich  die  von  Phardys  gezeichneten 
Reste  einer  menschlichen  Figur  in  dem  rechten  unteren  In- 
nenfeld  der  Thüre  auf  dem  Original  nicht  bemerken  konnte. 
Auch  Dörpfeld  kann  nach  einer  genauen  Untersuchung  des 
Steins  nichts  weiter  als  vorhanden  angeben,  als  den  schon  bei 
Rubensohn  gezeichneten  ThürgriiY. 


4 

A.     Rechte 

Schmalseite. 

J  . 

2. 

i 

A  1  V  1  V 

3. 

A  M  P  L  V  c 

4. 

B  A  B  V  E  1    \ 

5. 

MPHILV 

[  Pa]  mphilu  [s] 

6. 

ST  VM  El 

7. 

IIBÄ^IAET 

['E]7Tt    ßa<7l>.£(i)[c] 

8. 

M  O  K  A  E  1  O  Y 

[AY)]i./.oy.>.sto<j(Y! 

(J. 

YP  YOOT  E 

[tojü  Il'jOoyi[vou:] 

und  damit  Rubensohn's  Wuasch  S.  218  erfüllt.  Auf  die  von  Conze  (Unler- 
suchuagen  I  S.  1  Aam.  I)  citirtea  Worte  folgt  aoeh  der  Passus  (f.  II*): 

Epigrammata  ad  triangulärem  basim  ornalam,  marmoreaq*  : 

Ad  Capsulum  nouum  ex  palamede  oppidum.  MHTP04»  ANOY  .  X  A  I  PE. 

Ad  arcem  antiquae  Samoiliraciae  urbis,  quam  hodie  cf. 

Quem  iussu  regio  nouam  iniin  arcem  condidisse  comperimus,  ubi  primum 
praetorianam  ad  aulam  bona  pm  nostri  iueundissimi  itineris  aue  exsaream 
lianc  inscriptionem  martnoreo  in  lapide  conspexi.  Vale,  ei  me  ad  cras  Sainon 
tlireiciam  antiquam  nepluni  sedem  nauigaturum  scito.  Tu  inlerim  uir  bone 
legalum  Optimum  nostrum  praedigne  facito  memorem:  ei  sanetam  illam  par- 
thicam  expeditionem,  quam  apudeum,  ei  alios  iam  diu  tarn  solertissime  fa- 
uiiarr  atijur  iuuare  coepisti,  ad  exoptatum  perducere  finem  die  noctuque  cura- 
Ins.  III.  Kai.  OCtob.  l'i't'i. 

Spiro  schreibt,  das-,  dies  Alles  sei,  was  der  Vaticanus  auf  seinen  ersten 
l?-2  Blättern  über  Samothrake  enthält;  aufBlatl  23  erzähle  Oyriakus  schon 
von  Piacenza.  'Nachher  werden  nur  noch  einmal  in  einer  thrakischen  ln- 
schrifl  zwei  samolbrakiscbcMäuner  unter  anderen  verschiedener  Herkunft 

aul-.'/.alilt  '. 


362 

0. 

KERN 

10. 

YÄAOZ 

11. 

A  N  H  2  1  O  Y 

12. 

2  T  H  2  E  Y 

^|/.u]<7T7]?    6U- 

13. 

BHI 

[cre]€-/i<; 

14. 

TTINAI 

15. 

\  1  o  r  E  N  O  Y 

[AJioyevoufc] 

16. 

\  1  M  Y  2  T  h 

[y.]ai  [AUffT/)[?] 

17. 

1  A  P  O  M  A 

['Av]Sp6{Aflt[xo«] 

18. 

AT  EPO Y 

[Kpjaxe'pou 

19. 

POAA«N 

['A]xoHa)v[\ocl 

20. 

A  H  N  0<|>ÄN 

Mr(vocpav[ou?] 

21. 

Y2TH2EY 

[{x]uGTYJ?    6u[ff6-] 

22. 

H 

[ß]*H 

23. 

YITHIEY 

[u.]u<TT715    6u[g£Stj;] 

24 

T  O 
frei 

25. 

Eni  B  AI  1  A 

'Etci  fiaGtXfews] 

26. 

M  OK  A  E  O  Y 

[A7)][J!.0X>.£0'j[?] 

27. 

OYnYOr 

[t]o>j  IIuOo[y£vou;] 

28. 

A  1 

/>.     Linke 

Schmalseite. 

7. 

"1  1  B  A  2  1  A  E 

['EJtcI  ßaci)v£- 

8. 

7IAHMO 

COg    Ay]|7.0- 

9. 

K  A  E  1  O  Y  2 

)tXeiou? 

10. 

OYPYOO 

[t]o0  II'jOo- 

11. 

TENOYI 

yevou? 

12. 

P  A  A  A  1  A  N  O 

[T]paX).iavo[i] 

13. 

Y  2  T  H  2 

[(X]U(TTY1? 

14. 

IEBHI 

[eüjceoTQ? 

15. 

B  A  1  A  1 

16 

Y2TOY 

[>]uGT0U    [{]- 

17. 

EP  O  Y  K  A  1 

Epou  y.y.1  [<JT6-] 

18. 

\>  A  N  E  1  T 

<pav6ir[ou 

19 

\rfiNOi 

äycövo; 

20. 

Q  N  TT  Y  O 

IT    CÖV     II.jO[l-'l 

AUS  8AM0THRAKE  363 

21.  1  N  K  A  I  uv  y.xl 

22.  ATOPOY 

23.  M  A  P  O  K  O 

24.  H   M   H   T  p 

25.  A 

Ls  leuchtet  beim  Anblick  des  Steins  sofort  ein,  dass  diese 
Inschriften  von  verschiedenen   Händen  eingetragen  sind  ;  das 
hat  Phardys  (bei  Rubensohn  S.  1G2)  auch  gleich  hervorge- 
hoben.  Während  die  Seile  A  vor  der  Zeile  7.  welche  mit  :-~: 
ßaffiA6(i>s  Av;f/.oKAetou;  anhebt,   noch  einige  Reihen  mit  lateini- 
scher Schrift  bietet,  sind  auf  Seite  B  etwa  0,10'"  frei  gelassen. 
Die  lateinische  Inschrift  ist  offenbar  später  eingetragen  wor- 
den ;   aber  auch   bei  A  und  B,  den  Listen  aus   der  Amtspe- 
riode des  Königs  Demokies,  ist  der  Unterschied  der  Hände  klar. 
Meine   nach   den   Abklatschen   revidirte   Lesung  weicht  in 
wesentlichen  Punkten  von  der  bei  Rubensohn  S.  1 6 1   mitge- 
teilten ab.  Ich  notire  hier  Folgendes: 

A.  Z.  20    Rubensohn:     <J)AA.    Ich    lese    deutlich: 

AHNO0AN.    also   M>)vo<pdcvous.  Z.  21    und  23    ist    nach   den 

ganz  unzweideutigen  Resten    beide  .Male  pero?  eu<t66tk  zu  le- 
sen.  Z.   26  [A7j](jt,o>tA60u[<;],   nicht  AT,;y.ox.Aciv,;. 

B.  Z.12  Rubensohn:  BAAAHN.  Z.15  ist  B  sehr  proble- 
matisch; es  könnte  auch  K  sein.  Z.  18  Rubensohn:  B  A  NEI. 
Z.   19.   Rubensohn:  KTTONOZ.  Z.  22.   Rubensohn:    ..EOPO. 

7.  Chora;  Sammlung  Phardys.  Aus  der  Kirche  des  Hagios 
Dimitrios.  Fragment  aus  weissem,  blaugeädertem  Marmor. 
Höhe  etwa  0,20.  Breite  0,21 ,  Dicke  n.M.  Buchstabenhöhe 
0,02,  der  untersten  Reihe  0,015'".  Die  Hauptinschrifl  steht 
;ml'  einer  etwa  1""  vod  der  Fläche  sich  erhebenden  Platte. 
oberhalb  derselben  die  angegebenen  ganz  geringfügigen  Ruch- 
staben  reste. 


i  M  Y  2  T  A  I 
r  E  N  O  Y 
1  F  A  P  X  E  n 

*  P'AHAOs 


164 


0.    KKHN 


Mit  Hilfe  der  Inschrift  C.l.  G.  II  Nr.  "2157  (vgl.  auch 
Rubensohn  S.  172)  kann  man  d'.vsv  Reste  leichl  ergänzen. 
Die  Inschrift  im  Corpus  lautet : 

£tci    AvTyEvoui;  toü   'Epu.ayopo'j 

IZTTXpySO). 

toü  -  -  t^o;  Ilap^.eviT/'.o;   'ApiGTew 

[(Iu>.d];£vo<;  «lu^o^evou 
[(xuirjrai  eüasSei;  'Aa>t>.7i7rtäS-/i? 

'AfxjxaXou  0£p<jiwv  'Hpoy£iT[ovo]<; 

K'J^EpVTJTIOi;   M^VOCplXO'J. 

Danach  lautet  die  neue  Inschrift: 

[Ku£»tY)V<3v  UpoTTOioi  >ta]i  pjcrrat 

[etu    'AvTl]y£VOU 

[toö   'Epj/.ayopou  i]x7rap^£co, 
[w;  $e  ^aty.oOpz>c£?  iwi  ßx<jiXe'<i>$]   'ApiSvjXo'j 

8.  Sammlung  der  Schule ;   Fundort  unbekannt.   Fragment 

aus  weissem  Marmor.   Höhe  0,20,  Breite  0,20,  Dicke  0,95'". 
Allseitig  gebrochen. 


Ku  C'./.r,voi] 


AUS    SAMOTHRAKI-  36S 

9.  Sammlung  Phardys.  Marmorplatte,  hoch  0,26,  breil 
0.22,  dick  0,055m.  Oben  bestossen  und  unten  gebrochen.  Aus 
der  Stadt  Paläopolis.  Nach  einer  Abschrift  \<>n  Phardys  |>u- 
biicirl  bei  Rubensohn  S.  233. 

2.  YOlfiNolToYAPiÄII/  oY 

3.  PoAlttNIEPoPolol 

4.  MYITAIUI       POPTAI 

5.  E  Y  2   E  B  E  I  2 

6.  q2ikahzeykpatey2 

7.  fe'iupathitimäpätoy 

8.  äämätpio:zäm<j>otepoy 

9.  zynetäamoi 

10.  käääikpathsaamAtpioy 

11.  anä5ikpathzanä~ikpa' 

12.  0EYA(lPOIHPAri 

13.  IIIÄOTOI 
1  \  .  A  A  M  A  ~ 

15.  A  r  A  ^ 

1 .  [  Et:!  ßaffiAEöx;] 

2.  [nj'jOtUVO?   TO'J    'ApiSyjAO'J 

3.  Poot(ov  (sporrotoi 

4.  LtüffTat  >cai  [e]7cÖTCT<xt 

5.  6U<56b6i$ 

0.  2   (011XA7)?    E'JXOiTEUr; 

7.  rietaixpaTY}«;  Ttpiap&TOu 

8.  Aau.zrpio;   ?A|A©OT6pou 

9.  — WEySapioi 

10.  KaAAixpaT7)<;  Aay.xTpio'j 

1  1  .  'Ava<;txp&TY)<   'Ava£ixpdc  tsu<; 

12.  06uö(»)po<;  'Hpay[6pou 

13.  'Iciöoto«;  .... 

I  i.             Aauafrpio; .... 
15.  'Ay 

Bei    Hultcnsolin    l'clili    /.  2  der   Vatername   des    Pythion 


366  0.    KERN 

7.  fi  steht  bei  ihm  SoxtiäSto; ;  meine  Lesung  ist  sicher.  X.  12 
hat  er  nur  Seu&wpo?  und  Z.  15  fehlt  'Ay  und  die  darauffol- 
genden unsicheren  Reste. 

Nach  meiner  Abreise  aus  Samothrake  ist  es  <1<mi  Bemühun- 
gen des  Herrn  Phardvs  auch  gelungen,  die  Rückseite  dieser 
Inschrift  von  der  starken  Sinterschicht  zu  reinigen  und  zu 
entziffern.  Aach  seiner  Abschrift  und  seinem  Abklatsch  lau- 
tet die  Inschrift  so: 

1.  EPIB 

2.  Q2AEENPOZ  KOY 

3.  T  O  Y  A  A  I  O  Y 

i.  p    o    a    i    n    N 

5.  IEPOPOIOIMYI YIEBI 

6.  AAAIAAAZANTIPATPO 

7.  A  P  I  2  TO  r  E  N  H  Z  N  I  K  O  M  A  X  O 

8.  N    A    Y    T    A    I 

9.  AIONY2IOIE(|)EI   .    .    . 

10.  OHPON.I..NOIOZ 

11.  EY2YHIE<1)EII.    . 

12.  \OANTEAOI 

13.  IOIENPOA11. 

14.  O  Y  N  T  O  2 

1.  'Etü  ^[y.nCkidiq 

2.  w;  6i  ev  'PoS[iot<;  ewt    ...  ,]xou 

3.  TOU     AXlOU, 

\ .  'l'ooiwv 

5.  iepo7POtot  (AU<j[Tat  £  ]  u<re€  [etc] 

6.  AaX'.ä.^a?  'AvTi7ry.Tpo[u] 

7.  'ApKJToyeV/K  Nucoj/.k£o['j] 

8.  Naurai 

9.  Atovuaios   'E<pecio? 
10.        Srjpwv  ;II  e[pi]v9to? 

1  1  .  EuGUYIS    'E^efflfo;] 

12.  A  N  r  F  \  C  Z 


AUS   SAMOTHHAKE 

13.  10?  iv    'Pol* 

14.         OÖVTO? 

Die  Ergänzungen  rühren  sämtlich  von  Phardys  her.  Nur 
Zeile  12  habe  ich  in  der  Umschrift  sogegeben,  wie  sie  mir  auf 
dem  Abklatsch  erscheint.  Phardys  schreibt  'A-;  x  0?  '-/.(y)ys/'-,;. 

Über  die  eultlichen  Beziehungen  zwischen  Rhodos  und  Sa- 
mothrake  vgl.  Kubensohn  S.  23  i,  dessen  Ausführungen  aber 
nach  dem  zu  ergänzen  sind,  was  F.  Hiller  von  Gärtringen  auf 
meine  Bitte  in  dem  folgenden  Aufsätze  (S.  385)  zusammen- 
gestellt hat.  Auch  die  Theoren  von  Kaunos,  welche  zweimal 
auf  den  samothrakischen  Listen  *  erseheinen,  dürfen  hier  nicht 
unerwähnt  bleiben;  denn  vgl.  über  das  Verhältniss  von  Kau- 
nos zu  Rhodos  Uolleauv,  Bull,  de  corr.  hell.  XVII  S.  Bl  ff. 

10.  Sammlung  Phardys.  Marmorplatte  mit  Giebel,  hoch 
0,2(3,  breit  0,23,  dick  0,05m.  Publicirt  von  Rubensohn  S.  232. 
iMan  kann  sich  hier  mit  der  Umschrift  begnügen. 

1  .  'Et:;.  ßa<jtXI<i>§   'AicoXXo^avouf?] 

2.  TO'J    AlOOGJpO'J 

3.  IflQOTCTai  eucsoei^ 

4.  Aeuxio?  Sixivto?  MaäpKO'j 

5.  'Pcoaaio? 

6.  Kai  äv.öXouOo;  —  i\vr/,rj^ 

7.  auGTat  S'JTeSeif; 

8.  A'jXo;  2ixivto$  Aeuxiou 

9.  I 'wy.y.io;   'A0r(vi(ov 
10.  -pio;  Flepiio;   KoiVTOU 
1  1  .  -X'.o;  AsümSr,; 

ö-r,ctT'./.oO 


12 
13 


T'. 


Die  Neuvergleichung  hat  nichts  Wesentliches  ergeben.  /.   i 
Maäpx.ou;  wegen  Rubensohn's  Anmerkung  zu  der  Stelle  niuss 


1  Conze,  Reise  S.  09.  Untersuchungen  II  8 


368  0.   KERN 

ich  auf  LeBas-Waddington,  Asie  Mineure,  Explication  Nr. 
1572  verweisen.  Danach  gehörl  die  Inschrift  noch  in  die  re- 
publikanische Zeil  Roms. 

/.  9  stehl    das  auffällige  'Pcajixios  'AOvjvitox  in  der  Thal  auf 

dem  Stein.  X.  I  I  lese  ich  TAIOIAEfiN  I  AHI  und 
/.   12  und  13  /FHPETIKOx/ 


I  I .  Nach  dorn  im  Februar  dieses  Jahres  erfolgten  grossen 
Erdbeben  ist  folgende  Inschrift  zum  Vorschein  gekommen, von 
der  mir  Herr  Phardys  Abschrift  und  Abklatsch  zugesandt  hat. 
Marmor,  hoch  0,15,  breit  0,? 3'",  allseitig  gebrochen.  Phardys 

schreibt:  co  y.yoy.acov  touto  eOpiotSTai  l%\  rr,:  sEtoTepiK-/};  eTirpavsiai; 
TT,?  NA  ywvta;,  ~r,:  h  tu>  -/(iipiw  oi>ua<;  too  'IwivvY)  'PefxxouT^ia.,  a*pi- 
£u>:  £-•.  to'j  kutoO  toi/ou,  etti  to'j  c-oio'j  eOpeüv}  y.ai  Y]  E-typa<pY)  tou 
x.Moio-j  A  Conze  (  Reise  S.  67.  Inschrift  aus  dem  Hause  'eines 
gewissen  'A/ayvöxjTTis  Boupyapvic').  Nach  Schriftcharakter  und 
Anordnung  beider  Inschriften  ist  die  Annahme  gerechtfertigt, 
dass  beide  Fragmente  von  demselben  Block  stammen,  und 
deshalb  druckt'  ich  hier  unter  A  auch  die  conze'sche  Inschrift1 
nach  einer  von  mir  an  Stein  und  Abklatsch  vorgenommenen 
Re\  ision  wieder  ab. 

A.      Noch  0,17,  breit  0,2V". 

1.  A 

2  NHOENTEZA 

IE  Ä  2  T  Y  F  A  K 

\.        NOKPATH2FOÄYKÄI 

5.  BÄT/    Ä  NO 

6.  ATAOOKÄHZ 

7.  K     Q     I      O      I 

8.  POY         ÄPI2TÄPXOIA 
!).  a  i 


'  Die  Inschrifl  hatten  bereits  Blau  und   Scbloltmann  gefunden;   s.  Mo- 
natsberichte der  berliner  Akademie  1855  S.  622  Nr.  16. 


aus  SAMOtimAKi:  369 

Z.  3  bemerkt  schon  Conze,  <l;iss  zwischen  ZE  und  A2TY- 
FAÄ  nichts  stand,  man  also  nicht  mit  Blau  und  Schlott- 
mann Ss[vay6p]a?  Tupafvviwvo?]  oder  Ähnliches  ergänzen  darf. 
Conze  hat  'A<?TU7ca>aiEi^  erschlossen;  das  ZE  erklär!  er  nicht. 
Man  imiss  offenbar  Z.  3  und  5  verbinden  und  Sevoxp<fcT»j? 
lesen;  die  Trennung  dieses  Namens  ist  aus  Raummangel  er- 
folgt, der  bei  dem  Charakter  einer  iv<xypa<py]  nicht  verwunder- 
lich seheint.  Z  5BaxaX[o?];  Z.  6  'AyaBo /.).•?, :.  Conze  BAT.  .A 
und  ATA.  Z.  S  scheint  mir  'Api?Tapyo;  siclier;  Conze  las 
AIIZTOI  und  bemerkte  dazu:  'Der  letzte  Name  ein  [ "A plt- 
utg[vixo?]  oder  ähnlich  ? ' 

Danach  lautet  die  Umschrift  so: 

A. 

1  .        .  .a.  .  .   [oiog  -pÖQevoi  syg'vovTO  t*7,<;  xoAewc] 

2.  '     [Oswpoi   ....  7iapay£Jv/)0£VTec  A 

3.  2s-  'AffZVJtaMa  teit;] 

4.  VOXpZTYK    I  IoA'jy.AEO'j; 

5.  I>xTa[_Ao?]  -  -  vo  -  • 
ti.       'AyaGoxXr,? 

7.  Ktütot 

8.  -pou  'ApiTTap/o:  A 

/y.      Hoch  0,15,    breit  0,23'". 

2.  HMOYFAPATI 

3.  KÄAIOMENIOI 

4 .  ÄPOAfiNlÄHIÄHMHTPIO 
:».  FYOlQNÄEPMOrENO 
G. 

7.  AAAbänAeiz 

8.  PATINOIAPTEMlÄfi 

Z    5  Il'/Jiwva  steht  deutlich  auf  dem  Abklatsch.  Man  muss 
ein  Versehen  des  Steinmetzen  annehmen,  der  statt  Av^  Nomi- 

ATHEN.    MITTHEILUNGEN    Will.  25 


370  0.    KERN 

nativs  den  Aceusati\  gesetzt  hat.  Phardys  bemerkt:  To  sc-jpiov 
ovoita  II'jOicüv  siva-  ßeoaiOTaTOv.  Mstx  to  N  o;j.w;  Ewerat  ex  vpÄitaa 
cyr,u.y.-rjc  TCspiTCOii  toio'jtcj  :  A.  to  6—oiov  ($kv  oOva[/.xt  va  [/.avTeüaa). 
Der  Steinmetz  hat  /.   1  auch  ein  Versehen  gemacht,    Atoaw- 

vi?>7)$  Statt    'At:oAAwviSy,c. 

Öewpoi  toÖ  o  |7j{i, O'j  7capaye[v7}8£VT6?] 
Ä  .Idfjiin  'not 

'A-o'XcoviS'ii;  AY!y.T/Tp£o[ul 
Il'jOttüva  'Epu.0Y£vo[u;] 

1  A.la6ctYb*sZQ 
[Kl  paxivo?   'Aot6(aio(»)|  pou 

Diese  Inschrift  gehört  in  die  Reihe  der  Untersuchungen  II 
S.  97  behandelten  Theo ren Verzeichnisse  (zu  Nr.  V),  welche 
'  successive  von  Fall  zu  Fall  eingetragen  wurden'.  Da  die 
Breite  der  hieher  gehörigen  Blöcke  stets  I'"  übersteigt,  ist 
nichts  der  Annahmt'  hinderlich,  dass  beide  Verzeichnisse  auf 
demselhen  Block  standen;  vgl.  z.  B.  Nr.  VI  (Conze,  Reise  S. 
6~).  Ja  man  wird  sogar  behaupten  können,  dass  wahrschein- 
lich folgende,  mir  während  des  Druckes  von  I*.  Wolters  vor- 
geschlagene  Herstellung  richtig  ist: 

o  i  Co 

13  A 

['Eiri  ßaffiXeo>5  tou  Säva]  |  a  [otSe  7:pÖQevo'.  evevovTO    t-7,:  -6'heioc) 
[Oewpot  to'j  0  yj(/.ou  7capaye|v73Ö6VTe?  A 

weil  sich  dann,  wie  zur  Bestätigung  Z.  8  aus  B  und  .1   'Ap- 
T6atSw|po'j  richtig  zusam mensch liesst. 

12.  Chora:  Sammlung  der  Schule.  Block  aus  weissem  .Mar- 
mor. Höhe  0,135,  Breite  0,56,  Dicke  0,26m.  Auf  der  Ober- 
fläche links  Dübelloch  mit  Gusskanal.  Aach  Phardys  isl  diese 
Inschrift  identisch  mil  dem  Untersuchungen  II  S.  (.)1  kurz 
erwähnten  '  Namen verzeichniss'. 


.\i  .-    SAMOTHRA&E 


1 


I      A    P    A    I    E     I    Z  •\<v:y:iii  ? 

ZÖFYP0JF0NA0Y  Züicupo(§)  Stcov&oö 

EYAAlMANOPAtnNo^  EuSaiawN  0px<?6>vo? 

13.  Sammlung  Phardys;  aus  der  Kirche  des  Hagios  Dimi- 
trios.  Links  und  unten  gebrochen,  oben  und  rechts  bestossen. 
Höhe  0,13,  Breite  0.:m.  Dicke  0.09'".  In  der  Mitte  ist  in  Re- 
liefgearbeitet eine  0,16  breite  Ciste.  auf  welcher  die  Haupt- 
inschrift (B)  stellt;  rechts  und  links  Reste  von  anderen:  A  und 
C.  Es  sind  drei  wol  zu  verschiedenen  Zeiten  eingetragene 
Mysten\  erzeieli  n  isse. 

TIMA roPAI 

EBEI  0EOKAEIÄOY 

I  o  I 
ABPO  KAINIKHZ'AE 

H    2 
\  I   E  ft  2 


O  I  M 


O  t 

A  P  I  2 

TT  A  N  T  F 

IYNMYI 

<1>A  N  EA  Z 

E  TT  I 

^fiTEAoYI 


Tiaayopai; 

<->e>coi  :>. . 

BeoKAEiobu 

'Api5[.   ..   . 

v.'j.\  \'./.r,r;iki- 

IlavT[£d); 

w? 

SuvfJLUC  xai 

^cotsao'j: 

'I'y.vc'a; 

ja'jGTai  surr] e€et[(;] 


Em[... 

14.  Chora  :  eingemauert  über  der  Hausthüre  des  Kosta  Le- 
monuda.  Weisser  Marmor.  Höhe  i>..'!'i.  Breite  0,24,  I  >i  ul  i  si  a- 
benhöhe  o,()1.7".  Unten  Stack  verrieben. 

1 .        AIONY2IOY  Aiovuriö'j 

5.        2APIZT^N02  .  .;   'ApwTwvo« 

3.  NAK/xNTOS  ..v  "Axwvtoc 


3T2  0.   fcERtf 

4.  ENANAPOY  [M]ev<*vSpou 

5.  nOAYMniOAAPOY  .  .o?  *<  >Xup;io&G>pou 

6.  I  O  N  Y  2  I  O  Y  [A]iovo«rfou 

7.  HPAKAEIAA  'UpajäsiSa 

8.  SAllOAArv  ..c   'A-oX^wUio'j 

10.  2 

11.  O 

15.  Liste  athenischer  Mysten.  1801  von  Champoiseau  ge- 
funden und  nach  einer  Photographie  publicirt  von  Th.  Rei- 
nach,  Revue  des  e'ludes  grecques  V  S.  -201.  Bulletin  des 
musees  \\\  ( 1 80*2 )  S.  05.  ' Uinscription  parait  etre  de  La 
deuxieme  moltie  du  II  siecle  apres  J-C\  Interessant  ist 
die  Urkunde  vor  allem  wegen  des  <xk  acrews  cTpotT'/iyoö  "AOr,- 
voucov  t(üv  6v  "Ip-^pw.  Siehe  Keinach's  Commentar  S.  203.  Die 
Inschrift  stammt  aus  dem  Jahre  des  Sahinus  (JJaciXeuovros 
Saoeivou). 

16.  Chora ;  Sammlung  Phardys.  Platte  aus  weissem  Mar- 
mor, oben  ein  Giebel  mit  Akroterienschmuck.  Höhe  0,23, 
Breite  0,25,  Dicke  0,05,  Buchstabenhöhe  der  lateinischen 
Schrift  0,05'".  Nach  Abschrift  und  Abklatsch  von  Phardys 
publicirt  C.  I.  L.  III  Suppl.  S.  2083  Nr.  19.320. 

AIIAEÜINOYMHNIOY 
Y  M  H    .    .   O  Y 

O      C      M      A      -1      C      F 

'l']-i  ßjadiXeo)?  Nouay,vtou 
toö  No]uayj[vi]ou 
.    .    .    .  OC  Ma  r  ce- 
llo] 

Mommsen  bemerkt  zu  /.  3:  videtur  fuisse  au/  L.  Paullo 
C.  Marcello  cos,,  id  est  a.  704,  mit  C.  Leu  tu/o  ('.  Mar- 
cello  cos. .  id  est  a.  705. 


AUS   SAMOTHRAKE  373 

17.  Mystenliste  :  Revue  des  e'tudes  grecques  V  S.  203  Nr. 
6.  C.  1.  L.  III  Supjd.  S.  2083  Nr.  12319.Welcber  Stadl  die 
erste  Reihe  der  Mysten  angehört,  ist  nicht  zu  wissen,  da  die 
Platte  oben  gebrochen  ist.  Di«'  untere  Reihe  enthäll  Mysten 
aus  Chios.  Nach  einer  Mitteilung  von  Phardys  ist  die  Inschrift 
in  der  Sladt  Paläopolis  bei  der  verfalleneu  Kirche  (\v^  Isido- 
ros  gefunden.  Diese  Kirchenruine  trägt  erst  seit  1891  ihren 
Namen,  weil  man  dort  eine  Inschrift  mit  dem  Namen  Isi- 
doros  (unten  S.  375  Nr.  24 )  gefunden  hat.  Sie  liegl  etwa 
fünf  Minuten  südwestlich  von  dem  grossen  Turm,  gerade  in 
der  Mille  /.wischen  dem  Bach,  der  auf  Riha's  Karte  verzeichnet 
ist,  und  dem  mittelalterlichen  Kastell.  Champoiseau  undPhar- 
dvs  haben  hier  Versuchsgrabungen  angestellt.  Soviel  ich  se- 
hen  konnte,  steht  die  Ruine  auf  den  Resten  eines  antiken 
Baues  dorischer  Ordnung.  Viele  alte  Werkstücke  lagen  um- 
her,  dabei  auch  ein  byzantinisches  Pfeilerkapitell  und  ein 
Marmorkreuz. 

18.  Mystenliste  der  Kaunier.  Von  Champoiseau  1891  ge- 
funden und  publicirt  Revue  des  e'tudes  grecques  IV  S.  21)9 
Nr.  4  (Kondoleon)  und  V  S.  203  Nr.  5  (Th.  Reinach).  Nach 
Kondoleon  '  caracteres  de  hasse  e/joque,  II i  siede  apres 
J.-C.\  nach  Reinach  ; gros  caracteres  irre'guliers*. 

1!).  Stadt  Paläopolis  am  Bache  unter  den  hohen  Platanen. 
Block  aus  grobkrystallinischem  Marmor,  hoch  1'".  breit  0.96, 
dick  0,22m.  Die  Inschrift  sLeht  auf  der  linken  Schmalseite,  die 
rechte  Schmalseile  ist  nicht  sichtbar.  Von  der  stark  verriebe- 
nen und  sehr  schwer  lesbaren  Inschrift  habe  ich  nur  den  An- 
fang entziffern  können. 


1. 

rniBACiAEw 

\l—\  fiy.c;:'ki(x)[c] 

o 

1  H  T   P   O  A   N   I 

Mr,TCo8töp[o'j] 

3. 

T   O   Y   M   H  T  P 

TOV    Mv)Tp[o]- 

'.. 

A  W  P  O  Y  M 

OÜDO'J    U    'jT  - 

5 

TAIEYCEB 

Tai  i'jii'j   ;■.; 

6. 

TI-WAAEIC 

Tpcoaoeic 

< . 

I  O  Y  A      E     C 

[qua 

8. 

I 

.    .    . 

374  0.   KERN 

20.  Ans  der  Kirche  des  Hagios  Dimitrios  im  Dorfe  Chora, 
jetzt  in  der  Sammlung  der  Schule.  Block  aus  grauem  Mar- 
mor; hoch  0.5W2,  breit  0,18,  dick  0,27,n.  An  allen  Seilen  be- 
stossen. 

O  A  A 


riOYÄIO^  T.   'IoOXio; 

A    Y    0    I   Ä    i    A  AiKptSta- 

\|  O  I  ■     T  vo?. 

A   Ä    E   - 

A   T   A  O    I-!    T  'AyaO-o  t[u-] 

PIBA2I   A  [yy  eJTui  ßaaiX- 

°   1.   <t>    P    C     N  [e]w?  «I>pöv- 

^    N    O  W<övo[s] 
7    K  <D 

21.  Schule  (aus  der  grossen  Dorfkirche).  Marmorplatte 
oben  mit  einem  giebelartigen  Abschlüsse;  hoch  0,49.  breit 
0,36,  dick  0,1 6'".  Nach  meiner  Abschrift  publicirt  C.  f.  L.  III 
Suppl.  S.  2083  Nr.  12321.  A.Vitellius  L.  f.  und  L.Vistanua 
sind  die  Consuln  des  Jahres  48  n.  Chr.  Z.  2  steht  Viteilio 
für   Viteilio. 

S  A  C   R 
V    I    T    E    I    L   I   O  1>    F 
VISTANOCOS 
I    I    I    I    D    V    S    I    V    N 
CITERMYS1 
H     I     L    I    P    P 

22.  Chora;  Sammlung  *\rv  Schule  (aus  einer  kleinen  Kir- 
che bei  Potamia  im  Nordwesten  (\r\-  Insel).  Marmorplatte, 
hoch  0,25,  breit  0,25,  du-k  ü,08m;  Buchstabenhöhe  0,02- 
0,03.  Rechts  und  unten  gebrochen. 


AUS    SAMOTHRAKE  375 

MVSTAEPIEIS 
E  P  O  P  T  A  E 
L-FOVRIVS-L-F         O 

CPASSVPES 
PTEIDIVSPF-POM 


Mustae  pieis 

epoptae 

L.  Fourius  L.  f.  0[uf.] 

Crassupes 
P.  Teidius.  P.  I'.  Pom. 
li  i 


Nach  meiner  Abschrift  publicirt  C.J.  L.  IM  Suppl.  S.2083 
Nr.  12318.  Z.  3  steht  »las  V  von  Öuj\entind)  klein   in  dem  O. 

Mommsen  bemerkt  dazu :  Furii  Crassipedes  ut  rtoti  sunt, 
ita  huius  Hominis  vir  praeterea  non  nominatur.  Sex.  Ti- 
tln senatoris  meminit  Asconius  ad  Milonianam  p.  33  in 
narratione  de  caede  Clodii;  Sex.  Teidius  Catullinus  con- 
sui \  fuit  a.  33;  Teidii  et  Tedii  aetate  imperatoria  non  rari 
sunt . 

23.  Basis  mit  lateinischer  Weihinschrift:  CIL  IM  Suppl. 
S.  11528  Nr.  7367  (Abschrift  des  Cyriakus  Cod.  Ashburnha- 
niian.)  l. 

2't.  Reste  einer  Mysten  liste.  Nach  einer  Kopie  von  Phardys 
publicirt  Revue  des  e'tudes  grecques  IV  S.300  Nr.  5  (Kon- 
doleon).  Die  Inschrift  ist  die  von  mir  S.  373  Nr. 17  erwähnte 
Isidorosinschrift,  welche  einer  Kirchenruine  schnell  den  Na- 
men gegeben  hat.  Le  /not  'IciSüpo-j  u  e'te  grave  posterieu- 
rement  u  la  place  d'une  ligne  grattee.  Peut-etre  faut-il 
retablir  Uy.lr^i.y.  xyiou  'i^iS^pou.  Sonst,  ist  das  Inschriftfrag- 
nieni  ohne  Interesse.  X    2  werden  flspivSioi  erwähnt.  Dieselbe 


1   1  >  1 1  ■  anili  ii'ii  im  ('ni|iiis  unlei  Nr.  7308  7377  stehen  len  Inschriften  sind 
aus  den  'Untersuchungen  auf  Samolhrake1  hrk.iuni. 


376  0.    KERN 

Inschrift  ist  noch  einmal  Revue  V  S.  204  Nr.  1  publicirl  nach 
einer  Abschrift  von  Ghampoiseau.  Aber  mich  dünkt  die  von 
Phardys  genauer  zu  sein. 

25.  Im  Norden  bei  der  Kirchenruine  des  Mag.  Isidoros 
(s.  S.  373  Ar.  17)  ein  o.i  im  hohes,  0,1«)  breites  Inschriftfrag- 
ment.  .Nach  Abschrift  \<>n  Phardys,  der  es  1891  gefunden  hat. 

K    O   A   O   <)>   0  KoXo<pü[vioi] 

E      N      E  £V£ 

Rest  einer  Theoren- oder  My sten- Liste.  Vgl.  Th.  Reinach, 
Revue  des  e'tudes  grecques  V  S.  204  Nr.  3. 

26.  Chora;  Sammlung  der  Schule.  Basis  ans  grauem  Mar- 
mor.  Höhe  0,15,  Breite  0,46,  Dicke  0,26,  Buchstaben  höhe 
etwa  0.02,  Zeilenabstand  etwa  0,01'".  Auf  der  Oberfläche  eine 
0,30  lange,  0,09  breite  und  0,02  tiefe  Einarbeitung  für  das 
Weihgeschenk.  Die  Inschrift  ist  kurz  erwähnt  Untersuchun- 
gen II  S.  91. 

o 

I 

IMoYAlüHHToY  ...  Aio<p&VTou 
IAOKAEI0Y2  LN;  *oxX§  i(o)u« 

AII^AHFIQI  'AffCJtXYjwiö! 

Zeile  2  NaoxXeious?  O  für  O;  der  Punkt  in  der  Mitte  ist 
durch  den  einen  Fuss  des  Zirkels  entstanden,  vgl.  U.  von  VVi- 
lamowitz,  Homerische  Untersuchungen  S.  289. 

27.  Chora;  nach  meiner  Anwesenheit  im  August  1892  bei 
der  'Ayia  Käpa  gefunden  ;  jetzt  ei?  tx  aXüv.a  -k^oc,  votov  toö  /w- 
piou,  h  T/i  o'./.ix  ^<t>pixou  tivo:,  Abschrift  von  Phardys.  Basis  aus 
weissem  Marmor,  hoch  0,41,  breit  0,25  (oben)  bis  0,^6  (un- 
ten), tief  0,20,  Buchstabenhöhe  0,02,  in  der  letzten  Zeile 
0.025"'.  Oben  und  unten  stark   beslossene  Profile;    Die  Schrift 

trägt  deutlich  den  Charakter  der  späteren  Römerzeit. 

1 .  ATAOHITYX  'Ayafojt  Tü^fw] 

2.  KACEIOSEY  Kzw.o;  Eu[tu-1 


AUS  8AM0THRAKE  377 

3.  OZ  K  A  I  A  A    T      I  foilo«  xat  'Aa  Yt>  i  * 

4.  \EIWTICAPTE  .  .XeiWTt?  'Apre- 

5.  MIAirnilKO  f«8i  EWYjxofcoi] 

6.  A    W    P  O   N  Scöpov 

Das  O  in  /.  1  isL  rautenförmig,  Ol  in  Z.  2.  3  Bind  ligirt. 

Der  Cult  der  Artemis  war  bisher  für  Samothrake  aichl  be- 
zeugt, wenn  ich  von  der  zerynthischen  Hekate  absehe.  Ihre 
Verehrung  im   Kreis  der  samotbrakischen   Seegötter  —  denn 

das  sind  die  Kabiren  und  zwar  in  erster  Linie  —  ist  etwas 
Selbstverständliches;  vgl.  über  Artemis  als  Retterin  zur  See 
Preller-Robert,    Griech.  Mythologie   I   S.  301.  317   und  Wi- 

lamowitz,    Euripides'   Hippolytos  S.  33.  Hierzu  stii I  auch 

der  Fundort  der  Basis ;  denn  Herr  Phardys  schreib!  mir: 
|j.£T£Sr(v  gtg  tov  totcgv  otcou  euoeSy]  to  utaauapov  toöto,  touteotiv 
fä;  r//>-  äylar  Kdpar  xai  wapeT/jOTjca  ort  ÜTzpyo'jT'.v  ix-sü  i^vr,  xti- 
pio'j  Ypai/topp(j)i7.ai/t-?j;  e-oyvis,  toO  öicotou  to  üXix.ov  eivai  Xiöot  tceXe- 
3CY)TOt,  aaSsGTo;  xai  Ttva  ^.äpaapa  äxe'yvdx;  s^eipya(T(/.6va.  1  o'.avrr, 
wapiffTarat  |/.oi  r,  iwioaveia  aüxoü,  titi?  elvai  swpo;  aiOwv,  to  ßiöo? 
öaw?  aot  eivai  äyvögtov.  'II  T07co8ecia  o£  tou  XTtpiou  toutovi  bivom 
Xtav  x.aTxAAYiXo;  Stä.  vaöv  rite  'ApTEuuSo?,  Siqti  EupicxsTat  £v  xvoi- 
jctyj  xxi  lxT6Taaevv)  7T£oiäoi,  ou  ~oau  aax.päv  toü  'Axpömrjpiou,  ~xpx 
töj  OTTOtc;),  /.arä  Ttva;  töv  ffuvypaoetöv,  ü-t,z/vj  o  Xi{/.tjv,  ogti{  ex«- 

A£tTO    ATO^Tp'.OV. 

Zeile  5  "ApTsat?  i—^x-oo;   'die  leicht  und  gern  Erhörende 
s.  Preller-Robert,  Griech.  Mythologie  I  S.  .'{-.Ml. 

28.  Im  Hause  des  'AÖxvztio;  M«vi<öt7)$  lindet  sieh  als  Trep- 
penstufe verwandt  ein  0,65™  breiter  und  0, 16  hober  Marmor- 
block, ilvn  bereits  Conze  (Untersuchungen  I  S.  12  Nr.  18) 
gesehen  hat1.  Die  Oberfläche  ist  raub,  die  Unlerfläche  glatt; 
die  Dicke  der  Quader  beträgt  0.37"1.  Auf  der  rechten  Schmal- 


1  Das  \tni  Conze  in  derselben  Haustreppe  aufgefundene  Namen verzeicli 
niss  (Nr.  17)  habe  ich  vergebens  gesucht.  I>.i-  Tbeorenverzeichniss  Unter- 
suchungen II  8.  '.'7  Nr.  III  JConze,    Reise  S   68 j  belindcl   sich   Ii  heule 

an  der  Stelle,  wu  es  Conze  sab,  in  der  Kirche  des  Hagio-s  Nikolaos.  Meine 


378  O.    KERN 

seite  steht  der  von  Conze  notirte  Inschriftresl :   nur  las  ich 
statt  [AEvaXoig 

m  e  i  a  a  q  k 

Auch  die  linke  Schmalseite  trägt  eine  Inschrift,  nämlich: 

2  N  A  -  uva 

i    PQNATHZFOÄEft  [wa^pova  tt}?  *6Xeca[Y] 

'2'.).  Weihinschrift  für  L.  Julius  Caesar  als  cTpaTYiyo?  ävO-J- 
7c«to?"  Revue  des  e'tudes  grecqucs  V  S.  204  Nr.  7.  Die  In- 
schrift lüsst  keine  genaue  Zeitbestimmung  zu.  s.  Th.  Reinacb 
a.  a.  0.  Ein  ffTpaTYiyö?  xv0y7raTos  =  praetor  pro  consule  be- 
gegnet  auch  auf  dem  Mystenverzeichniss  der  Kyzikener  oben 
S.  356  Nr.  5. 

30.  Sammlung  der  Schule.  Aus  der  grossen  Dorfkirche; 
erwähnt  von  Conze,  Untersuchungen  II  S.  16.  91.  Marmor- 
basis, Höhe  0,17,  Breite  0,31.  Dicke  0,28,n.  Auf  der  Ober- 
fläche ein  0,15  langes,  0,12  breites  und  0,09  tiefes  Loch.  Oben 
stark  bestossen ;  die  rechte  Ecke  abgebrochen. 

1.  HP  -  -  •  7)p  -  -  ■  - 

2.  ~¥H<J>ENO¥2,  [EluTxpsvou«  i 

3.  "0¥r¥MNAIIAP/  [t]o'j  yupa«ap[xou] 

4.  xEftMEAONTO^  AewpSovTO? 

5.  O  Y  A  P  '   *  t  O  N  1  V  [t]oö  'ApiffTOvixou 

Z.   2  Eü-oo£vo'jc  ergänzt  von  Wilamowitz.  der  auf  Bechtel, 


Lesung  (vom  stein  und  Abklatsch)  weich I   in  folgenden  Punkten  von  der 

Conze's  ab.  Zeile  \  steht  nach  Conze   El...  A_ Danach  vermutete  et 

richtig  Im.  ßaoiX^ws;  denn   ich   lese  ganz  deutlich:   E  l  '  i  e>  a_ 

Zeile  i  stehl  Mevexpet-cijs  Mevexpgctou  rov  MrjTpo3 und  Zeile  9  laulel  der 

Name  ilc>  /weilen  kolophonischen  Theoren   BioOstfo«.  Conze  las  Ktoratoj, 
Blau  und  Schlottmann  MuOato;. —  Es  sei  bei  dieser  Gelegenheil  auch  noch 
einmal  darauf  hingewiesen,  dass.die  I  ntersuchungen  II  ö    im  Nr.  14  pu- 
blicirte   Inschrifl  aus  Thasos  stammt,  vgl.  Athen   Millhcilungen  1893  S 
261  An  in. 


AUS   SAMOTHRAKE  379 

Abhandlungen  der  göttingiscben  Gesellschafl  der  Wissen- 
schaften XXXII  (1885)  S.  5  Nr.  2,13  verweist. 

31.  ' Petit  fragment  de  marbre,  trouve  aux  environs 
imme'diats  de  la  Victoire'. 

-   -   -  5    'PöSlO? 

Nach  einem  Abklatsch  publicirt  von  Th.  Reinach,  Revue  des 
e'tudes  grecques  V  S.  197.  Champoiseau  hielt  dies  Frag- 
ment, das  er  im  Sommer  1891  gefunden  hat,  für  ein  Stück 
der  Künstlerinschrift  der  Nike.  Aber  Reinach  bemerkt  dazu 
mit  Hecht:  toutefois  iL  //est  pas  impossible  que  le  frag- 
ment appartietine  simplement  ä  un  decret  de  proxe'nie. 
Bei  den  Untersuchungen  über  Stil  und  Datirung  der  Nike  ist 
von  dieser  Inschrift  also  vorläufig  gänzlich  abzusehen.  Vgl. 
auch  Revue  archeologique  Ilt  se'rie,  XXI  S.  85.  Bull,  de 
corr.  hell.  XV  S.  660.  Comptes-rendus  de  Vacademie  des 
inscriptions  1891  S.  969. 

32.  Gefunden  1893  in  der  Nähe  einer  kleinen  Kirche  am 
Kusse  des  II.  Ilias  (vgl.  S.  381).  Nach  Abklatsch  und  Abschrift 
von  Phardys.  Statuettenbasis  aus  weissem  Marmor;  Höhe 
0,055,  Länge  0,1  i,  Breite  0,06m.  Oben  eine  0,02  tiefe  Stand- 
spur. Buchstabenhühe  etwa  0,01.  Unregelmässige  Schrift. 


1.  K  A  6   I   T  O   P   I   o  KXiiTÖpto[<  Ö-] 

2.  fl6   PToYYlo  wep  toö  uio[ö 

3.  

4.  o  A  I  -  -  -  -  öS  -  - 


Z.  \  oAI   Phardys;    Rubensohn   und   Buresch  lasen,  wie 
mir  Brückner  mitteilt,  iAi:  vgl.  unten  S.  381. 

33.    In  der  Sladl    Paläopolis.   Weisser    Marmor.   Oben  stark 

bestossen,  unten  gebrochen,  sehr  verrieben.   Hoch  0,19,  breij 
0,22,  dick  ii. i>:>.V" :  Buchstabenhöhe  0,01. 


O.    KERN 

A   A   A 
I     6THANTIOXOY 
I  h 

A 
PO/         AI 

A  TT  O 
n  O  Y 

\r,'j.yp  }  izr,    'AvtiÖyou 

34.   Gefunden  in  Potamia   in  einer  kleinen  Kirche;  jetzt  in 

der  Schule  zu  Chora.  I loch  0,57,  breit  0,26,  dick  0,0!)"'.  W  «»I 
Min  einem  Grabstein  herrührend. 


Z.   I   $  A   h 
I  '     M    O    ^ 


[  IIa  |  <ji<pxirj 
|  XapiS  ?]7jj/,ou 


Über  das  Vorkommen  von  Grabmälern  in  Samothrake  vgl. 
Untersuchungen  I  S.  43.  II  S.  12.  94.  102. 

35.  Marmorbiock  (Höhe  0,14,  Breite  0,44,  Dicke  0,39m), 
auf  der  Oberfläche  mit  einer  0,31  langen,  0.11  breiten  und 
0,05™  tiefen  Einarbeitung;  aus  der  Kirche  des  Hag.  Dimitrios, 
jetzt  in  der  Schule. 


A    A    M    I   O   Z 
A    O    Y 


Au.u.10? 

.  .  . Xou 


Wol  die  Basis  einer  Grabstele  wie  das  Untersuchungen  II 
S.  10-2  abgebildete  Stuck. 

36.  GEOAfiPO  [?].  ( )hne  nähere  Angabe  von  Th.  Rei- 
n.ich  nach  einer  Abschrift  \<>n  Champoiseau  Revue  des  e'tudes 
grecques  X  S.  20'j  Nr.  2  publicirl ;  dasselbe  i^ilt  \<>n  Nr.  37-39. 

37.  Wnv.  A  H  TT  I  A  A  H  :  .  Revue  des  e'tudes  grecques 
X  S.  204  Nr.   '.. 

38.  lYMAXO|..J'A  TI  o  A  A  O  A  Q  [po?  ?  Revue  des 
e'tudes  grecques  X  S    204  Nr    5. 


AUS    SAMOTHRAKE  3^1 

39.  'Ay/Or/.  T  Y  X  H  I  Revue  des  etudes  grecques  V  S. 
204  Nr.  6. 

Am  Fusse  des  Hagios  lüas  ist  in  der  Nähe  einer  klei- 
nen Panagiakirche  eine  Anzahl  von  Marmorsculpturen  und 
Terrakotten  gefunden  worden,  welche  die  Vermutung  nahe- 
legen, dass  dort  ein  kleines  Heiligtum  zum  Teil  aufgedeckt 
sei'.  Herr  Phardys  hat  mir  die  1892  vorhandenen  Funde  ge- 
zeigt und  mir  Einblick  in  seine  Aufzeichnungen  gewährt.  Ich 

O  CT  i 

konnte  zuletzl  auch  noch  Aufnahmen  und  Notizen  von  Alfred 
Brückner  benutzen.  Darnach  sei  hier  das  Folgende  mitgeteilt. 
Jedem  archäologischen  Beschauer  leuchtet  bei  der  Durch- 
sieht  der  Fundgegenstände  ein.  dass  wir  hier  nicht  Gräber- 
funde,  wie  Phardys  zunächst  meinte,  sondern  die  Weihge- 
schenke eines  llieron  vor  uns  haben.  Die  wenigen  Knochen- 
reste,  welche  von  Phardys  constatirt  worden  sind,  kommen 
nicht  in  Betracht,  zumal  sie  vielleicht  von  'Pieren  herrühren. 
Ausschlaggebend  ist  die  hier  gefundene,  unter  Nr.  32  pu- 
blicirte  Weihinschrift  des  Kleitorios.  Rüben  söhn  und  Buresch 
lesen  i  A  I  statt  O  AI,  und  so  liegt  die  Ergänzung  'Apreui&t 
nahe.  Oh  man  aber  deshalb  mit  Rüben  söhn  annehmen  muss, 
dass  Phardys  die  Grotte  der  zerynthischen  llekate  wiederge- 
funden hat,  ist  eine  Frage,  die  vorläufig  nicht  entschieden 
werden  kann.  Nach  Phardys  sind  zwei  kyklopische  Stütz- 
mauern aufgedeckt  worden  und  die  Reste  einer  Hütte  aus 
schlecht  hehaiienen  Steinen. 

Die  Mehrzahl  der  Fundstücke  besteht  ans  Terrakotten.  Es 
sind  meist  Darstellungen  von  Frauen  in  bekannten  Typen  und 
von  gewöhnlicher  Arbeit.  Als  bemerkenswert  habe  ich  mir 
notirt  die  archaische  Figur  einer  Göttin  mit  Polos.  Kopftuch 
und  Halskette,  welche  in  der  rechten  Hand  einen  Vogel  hüll. 
Brückner  hat  noch  ein  zweites  Exemplar  dieses  Typus  bei 
Phardys  gesehen  und  bemerkt,  dass  sich  derselbe  Typus  auch 
in  der  Sammlung  des   Herrn  Calxcrl  |  Dardanellen)  vertreten 


1  Leider  haben  weder  Brückner  Doch  ich  diesen  Orl  besuchen  k< i. 


382  0.    KEtlN 

findet  Nach  Brückner  gehört  er  in  das  sechste  Jahrhundert; 
aus  derselben  Zeit  stammen  auch  einige  schlecht  erhaltene 
korinthische  Aryballoi  und  einige  Fibeln  aus  Bronze.  Weil 
zahlreicher  als  die  Funde  der  archaischen  Zeit  sind  die  der 
hellenistischen  Epoche,  so  einige  gute  stehende  Gewandfigu- 
ren im  Stile  der  tanagräischen  und  etwa  50  Terrakottaköpf- 
chen. Ausser  der  Figur  eines  jungen  Kriegers,  welcher  mit 
der  Rechten  ein  Schwert  über  seinem  Kopfe  schwingt,  sind 
keine  männlichen  Figuren  vorhanden.  Von  Tiergestalten  ver- 
zeichnete ich  den  Rest  eines  Fisches,  einen  kleinen  Vogel  und 
den  Kopf  eines  Ochsen.  Zu  erwähnen  ist  auch  ein  kleines 
Terrakottarelief,  das  eine  Frau  (Artemis?)  darstellt,  die  auf 
einem  Reh  zu  reiten  scheint. 

Als  das  Besondere  der  Funde  in  dem  Heiligtum  ist  aber 
die  Menge  kleiner  Marmorfiguren  zu  betrachten,  auf  die  Phar- 
dys  gestossen  ist.  Brückner  hat  richtig  bemerkt,  dass  in  dem 
Heiligtum  die  Sitte  bestanden  hat,  wie  anderwärts  Terrakot- 
laligürchen,  so  hier  auch  Figurchen  aus  Marmor  zu  weihen. 
Ich  notirte  mir  zehn  Marmorstatuetlen  (Höhe  0,12-0,20);  ob 
männlich  oder  weiblich,  war  in  den  meisten  Fällen  nicht  zu 
entscheiden:  so  flüchtig  ist  die  Arbeit  und  so  schlecht  die  Er- 
haltung. Eine  solche  Figur  stand  vermutlich  auf  der  Kleitorios- 
basis  (S.  379  Nr.  32).  Wichtiger  sind  die  Reliefs,  vor  allem  ein 
oben,  rechts  und  links  gebrochenes  mit  der  Darstellung  dreier 
Figuren.  Links  stehen  zwei  Frauen,  die  beide  Hände  vor  dem 
Schooss  halten,  rechts  ein  Mann  mit  erhobenem,  im  Ellenge- 
lenk gebogenem  Arm.  Die  Arbeit  ist  roh,  das  Relief  0,20  breit 
und  ebenso  hoch,  0,055ra  dick.  Auch  mehrere  Fragmente  von 
ähnlichen  Reliefs  sind  vorhanden.  Brückner  notirte  noch  eins 
mit  beiderseits  erhaltenem  Rand,  hoch  1,18,  breit  0,135m. 
'Dargestelll  sind  zwei  von  vorn  gesehene  stehende  Figuren. 
Die  Figur  rechts  ist  ganz  verrieben,  die  links  stellt  eine  Frau 
dar,  die  den  rechten  Ann  erhoben,  den  linken  gesenkt  hat, 
in  langem  Chiton  mit  Überschlag'.  Sehr  nahe  liegt  der  Ge- 
danke an  Axieros,  Axiokersa  und  Axiokersos.  Aber  ich  trage 
ihn   nur  mit  aller  Reserve  vor.  Brückner  Bah  auch  noch  ein 


SAMUTHHAKl.  383 

Stück  \<»n  einem  sitzenden  Tier  (Löwe?),  daneben  ein  nackter 

Fl  ISS. 

Sicher  scheint  mir  <lie  Deutung  eines  Votivreliefs  zu  sein. 
das  einen  Fisch  darstellte.  Erbalten  ist  leider  nur  der  linke 
Teil  mit  Kopf  und  Vorderteil  des  Fisches. Weihreliefs  mit  der 
Darstellung  von  Fischen  sind  mir  sonst  nicht  bekannt  und 
ein  Hinweis  auf  den  in  Samothrake  heiligen  Fisch  Pompilos 
wird  nicht  zu  kühn  sein.  In  einem  auf  Erinna  zurückgeführ- 
ten Fragment  wird  zum  Geleit  einer  scheidenden  Freundin  der 
-oa-iXo:  angerufen  mit  den  Worten  : 

7vO(a7rsucai;  Tüfju.vaOsv  eixav  ä&süav  äxaipav, 
und  unter  den  im  Temcnos  der  Grossen  Götter  aufgehängten 
Weihgeschenken  (  Heisch  S.12)  wird  sicli  gewiss  noch  manch 
solches  Votivrelief  gefunden  haben  '. 

An  Hermes  schliesst  der  kabirenkult  in  Samothrake  an  wie 
in  Theben  an  Dionysos.  Ich  halte  dies  trotz  Rubensohn's  Ver- 
wahrung gegen  diese  Ansicht  für  eine  der  wenigen  auf  diesem 
Gebiete  der  Religionsgeschichte  völlig  feststehenden  Thatsa- 
ehen.  So  sei  auch  dieser  Bericht  mit  der  Erwähnung  zweier 
auf  Hermes  bezüglichen  Monumente  beschlossen.  Das  eine  hat 
Champoiscau  in  einer  Sitzung  der  Acade'mie  des  inscriptions 
vorgelegt  [Bulletin  des  muse'es  1802  S.  65)  und  es  gedeutet 
als  divinite  domestique  sans  doute  destine'e  ä  prote'ger 
quelque  dem  eure  particuliere  et  qui  represente  soit  im 
Hermes,  soll  mir  Image  de  Cabiret  cur  eile  offre plus  d'un 
point  </<'  ressemblance  avec  la  ügure  <lu  dieu  cabire  'A;iö- 
x.c:to;  faisant  partie  du  fameux  groupe  ä  triple  face  du 
Vatican,  connu  sous  le  nom  de  marbre  de  Zu  duchesse  de 
Chablais.  Ich  kenne  dies  Monument  nicht,  auch  seinen  Fun- 
dort nicht.  Aber  sicher  aus  dein  oben  erwähnten  Hieron  Stammt 

eine  in  der  Sammlung  Phar.dys  befindliche  0,29  hohe  ithy- 
phallische  Hernie  ohne  Kopf'.  Jedem  wird  dabei  die  berühmte 


1  Atlica.  p.  282e-284o.  Lobeck,  Aglaopbamas  II  8.  1219. 

2  Brückner  nennt  zwei  kleine  Hennen,  eine  tili  in'  Kopf,  die  aielie  bis  zur 

Schani  crballen,  tnil  Mantel  über  der  linken  Schulter.  Höhe  0,'5  0,25m. 


AS]  0.    KERN,      AUS   SAMOTHUAKK 

Herodotstelle  II  51  in  den  Sinn  kommen:  'AönvaioM«  yap  *i&fl 
TTjvuaura   sc  "EMvjva?  ts^eougi    IIsAXGyoi  cuvoutot  eyevovTO   ev  tyj 

yiozr,,  rJ)vi  resp  x.ai  "Elativs*;  vjp^avro  vouu»sÖY}vat.  gctic  <U  xä  Kxbst- 
pwv  opyia  ;x£aOr(Tai,  tx  £au.o6pr,iXEg  iwiTeXeouct  TrxpxAxßövTEc.  rcxpx 
neXorcvtSv,  outo?  üvrip  oios  to  Xey<i>'  tvjv  yäp  — auoOpr,r/.r<v  oi'/.sov 
TCpoTeoov  rie^acyol  outoi  ot  Tisp  'AOr.vaiotTi  cuvowtot  iyevovro,  xat 
-xpx  toütcov  Sap.o6pr(iX6^  toc  opyix  7cxpaAX[x€ävo'j'7i.  öpQx  töv  e/eiv 
tx  xiftoüx  TxyxAuxTX  tou  'Ecu.e'g)  'AQvjvaioi  rpoÜTOi  'Eaat^vcov  jax- 
8ovT6?  «apa  IlEAaayöv  E-oir^xvTG"  oi  oe  IIsAacyoi  ipov  t'.vx  AÖyov 
-Epi  a'jxo'j  eas;xv,  tx  ev  toiii  ev  Sa[£O0pr)»CY)  p.u<JTr(piotfft  &eoV,ai«>- 
tx-..  Vgl.  Hippolylos  Refut.  omn.  haeres.  S.  15*2,82.  Her- 
mes XXV  S.  U1. 

Berlin  .   August  1893. 

OTTO  KEItN. 


-<t> >;->:  <i> 


1  Rubensohn's  Wunsch,  die  von  ihm  8.  235  (vgl.  jelzl  auch  Arch.  An- 
zeiger 1892  8.  120)  besprochene  Basis  mit  der  Darstellung  eines  Schilfes  zu 
revidiren  habe  ich  leider  nicht  erfüllen  können,  da  mir  dies  Monumcnl  nicht 
zugänglich  gemacht  werden  konnte.  80  sei  seiner  aber  wenigstens  in  dieser 
Anmerkung  gedacht. 


DIE  8AM0THRAKISCHEN  GOTTER  IN  RHODOS  l\h 
KARPATHOS 

Im  Folgenden  vereinige  ich,  anschliessend  an  Rcrn's  vor- 
stehenden Aufsatz  (S.  36ß)  die  mir  bekannten  Inschriften  aus 
Rhodos  und  Karpathos,  welche  Rezug  auf  die  Götter  von 
Samothrake  haben. 

1.  Stadt  Rhodos,  aus  den  Trümmern  der  .Johanneskirche, 
jetzt  im  Konak  des  Vau  Foucart.  Revue  arc/i.  XI,  1865  S. 
218  fY.  \  =  Inscri/)tions  ine'dites  1 ,  darnach  Philologus  XXIII 
1866  S.  686,1.  Hirschfeld,  Tituli  statuariorum  71a:  vel. 
Rubensohn,  Mysterienheiligtümer,  1892  S.  234  f.  Löwy,  In- 
sel) riften  griech.  Bildhauer,  1885  Nr.  192. 

[tov  o£iva  toO  osivo;]  |  <T7paT£'j<ja[/.£vov  y.arä  7r6[^£y.ov]  |  i'v  t£  toXc, 
x.aTacppäx.TOi;  va'-xri  |  x„ai  ev  Tpir,aio'Xiaic  x.ai  Tiu.aÖ£VTa  |  xjtzo  aAi)u- 
(OTscv  to'j  /.oivoij  OxaXo'j  I  5  <jT£rpy.vci)i  Kai  yp'jTEcot  äcsTä;  |  £V£x»a  x.ai 
süvoia;  t&?  Et;  auTOÖ?'  |  — x.ai  aTpaTE'j<ja(v.Evov  ö^ö  apyovTa  |  'Av- 
xioyov  xai  TttxaÖEVTa  6tc6  |  Xxu.oOca'.x.'.a'jTav  Me'jOve'gjv  tou  |  '"koivoO 
v/pu<TE(i)i  GT£<pzva>i,  äp£TO.;  |  £vex.x  jeat  £'jvo£x<;  x.ai  ©iAOöo£ia?  |  av  eygjv 
V.aiEAst  V.C,  to  Sxao0pai%tja<7Tav  Meaovecäv  x»o'.vöv  x.3ci.  !  toi  t'jv- 
TTpa.x£'j':xa£vo'.  6Ti(/.acav  |  ,0  2xu.o9p<xiicia«7Tav  x.a-.  AyuviacTav  I  to 
y.oivov  67iatvwt  yp'jiEan  ^TECpivon  |  äpexz;  k'v£x.a  x.ai  E'jvofae  x.ai  oOr,- 
oocjia?  av  £/o>v  biaxsAEi!  e!c  to  SapLo9pa(i)i«a(JTav  j  x.x!.  Ay)u.viaGTav 
Tcüv  <7'jvcTpaT£,j'jaia£'v(i)v  |  zoxoiv6v,  x.ai  TrptopaTEucavxa  TpiTipewv  I 
x,at  ap^avTa  äcppx/txojv  |  x.ai  s'-'.ttx-.  av  y£vöy.£vov  tüjv  ttxiSwv  |  *at 
ispoöuTYjaavTa  |  x.a;.  wpuravsü'javT«  Qeoi$.  j  -' '  'Eici^ap(jt.Q{  SoXsuc,  <*» 
ä  £7C'.^xij.ia    öeöOTXi  |  x.ai    'K~iyap;xo;    'Emvipaou    PoSlO;  iTroiraav. 

Die  beiden  Künstler  waren  Zeitgenossen  des  Plutarchos. 
dessen  Werk  aus  den  Jahren  82-74  v.  Chr  wir  kennen  (vgl. 
Holleaux,  Hevue  de  philologie  XVII,  1893  S.  176  f.  und 
meine  Bemerkungen  im  Jahrbuch  des  Instituts  IX,  1 89  i  i ;  da- 
mit ist  die  Zeil  genügend  bestimmt. 

Der  Geehrte  hat  einen  goldenen  Kran/,  bekommen  uwo  -a- 

ATHEN.    MITTHEILUNGEN   XVIII.  26 


M86  V.    HILLKIl    VON   ÖAERTftlNÖEN 

(Ao0f3UX.'.X<7TXV      MiTOVECOV     TOU     XOtVOÜ.      Dieses      MsGOVSCOV      bedeutet 

nicht,  wie  Foucart  früher  erklärt  hat  (Inscriptions  ine'dites 
de  Rhodes  S.  5),  qui  sont  au  milleu  du  vaisseau,  sondern 
eine  Abteilung  des  rhodischeu  Volkes,  entsprechend  den  'Au- 
(piveisCA^ivewv)  von  Kamiros  in  den  Inscriptions  in  the  Bri- 
tish Museum  II  Nr.  353  (Rubensohn,  Myslerienheiligtümer 
S.  23 'i  f.).  In  einer  unveröffentlichten  Inschrift  der  Stadt  Rho- 
dos wird  ein  Phaselite  geehrt  Circo  'IIpax.\£(oxa[v  Msajoveiuv  »toi- 
[v]o0.  Das  ist  dasselbe  Lokal.  Es  kann  sich  nicht  um  eine 
Landsmannschaft  ans  einem  der  vielen  Herakleia  handeln,  son- 
dern es  mnss  ein  xouov  mit  dem  Kulte  des  Herakles  sein,  den 
die  Mecövsiot  verehrten.  Zweitens  erhält  der  Geehrte  einen  gol- 
denen Kranz  von  den  <j'jvaTpaTeu<ji|/.evoi,  dem  2ap.o0pa(i)>ua<jTav 
y.ai,  Ar,y.vi<x<7Txv  to  »coivöv.  Rubensohn  erklärt  die  Üap.o0par/.ta- 
«jTa!  Meiovicov  für  'eine  lokale  oder  vielleicht  auch  gentilicische 
Gruppe  innerhalb  der  Gesamtgenossenschaft  der  Eap.o8pat>ua- 
n-y.i  in  Rhodos'.  Fs  ist  mir  aber  fraglich,  ob  eine  solche  Ge- 
samtgenossenschaft überhaupt  existirt  hat.  Wir  werden  in  dem 
Saf«>8paiitia<jTav  /.od  A-zjaviacxav  jcotvöv  einfach  eine  aus  Anlass 
der  Seefahrt  und  für  dieselbe  geschaffene  religiöse  Genossen- 
schaft erblicken,  die  sich  in  den  Schutz  der  Seegötter  von 
Samothrake  und  Lemnos  gestellt  hat. 

2.  Stadt  Rhodos,  in  einer  Mauer.  Fragment  aus  rötlichem 
Stein  mit  stark  beschädigter  Oberfläche,  mindestens  0,35  lang 
und  0.17  hoch,  Schrift  1  l/^m  hoch  mit  starken  Apices  ver- 
ziert, welche  im  Verein  mit  den  Formen  (z.  B.  fl)  eine  An- 
setzung  nicht  früher  als  ins  I.  Jahrhundert  v.  Chr.  wahrschein- 
lich machen.  Nach  Abklatsch  des  Nixo^ao;  Kaotp&TTic. 

vf-llOZiTPA     .    .    Hfl    32A2 

A 

AAOAOTOZBIZTHPAKAEY 
A  © '  •      AAKt)PoNolAPIIToM' 
IBTO"      MOIQNIA 
ITAZKOPYP^'TO 
A  M       [  ©  P  A  K  ° 


DTE  SAMOTHRAKISCHEN  COETTER  IX  RHODOS  UND  KARPATHOS 

[lepeis UapcPmoc-  SrpcfcfTt ' --%z  'Ac  .  .  .Vater,  Demos" 

|  [Gott.   'Atco  Xao^oto;    [i '  'Ljtx(vio£).     'H['iK.hr<  o    Seiva   to»j 

Ssivos,  x]xOu(oOeciav  SU)  Axippovo^  'Api<7TO{/,  TjSeu?  ?  Demos      GoW.  6 
Setva]  .  .  .;  ß'  to[ö]  MotomS  £'j;    j  [NeawoA  -  oder  HaXaioiroX-  i~y.z 
Kopv[6dr]i[a>r'    6  oeiva  |  toö  $etvo€,   Demos,   //«ir  2Vi]//[ß]fy/7*L&)v' 
6  Seiva,  Vater,   Demos  . 

Wahrscheinlich  haben  wir  liier  einen  Teil  der  Donatoren 
einer  Statue,  und  zwar  eine  Folge  von  Priestern,  welche  ei- 
nen anderen  Priester  oder  Beamten  desselben  Jahres  eeebrl 
halten  mögen,  wie  dies  auch  für  die  Inschrift  von  Ramiros 
Cauer,  Delectusz  Nr.  187  anzunehmen  ist.  wo  am  Anfange 
der  Name  des  Geehrten  fehlt,  und  wofiir  wir  aus  Lindos zahl- 
reiche Beispiele  halten.  Das  Demotikon  'I<xTx(vto?)  weist  in  das 
Gebiet  von  Kamiros;  daher  halte  ich  auch  in  '/..  5  einen  De- 
mos derselben  Stadt  angenommen  (vgl.  Ross,  Inscriptiones 
ineditae  III  Nr. 277.  [Sottermund,  De  republica  Rhodiorum, 
Halle  18^2  s.  1  \  ).  Für  die  Abkürzung  der  Demennamen  —  in 
'I«jT<fc(viG$) — -bietet  das  Namenverzeichniss  aus  früher  Bavi- 
scher  Zeil  bei  Newton,  Inscriptions  in  the  British  Museum 
II  Nr.  34  \  reichliche  Belege.  Die  anderen  Abkürzungen  un- 
serer Inschrift  sind  bekannt.  Von  den  Göttern  haben  wir  Sa- 
rapis  vertreten  in  den  religiösen  Genossenschaften  der  Akxtgg)- 
TYip'.'/TTy.v  Eapotwta<7T&v  und  der  ExpanacTav  auf  der  Inschrift 
\on  Sü m hüll ii  bei  Rhodos  (Selivanov,  Topographie  von  Rho- 
dos.   Kasan  1892   S.  131    und   epigraphische  Tafel    Nr    13); 

SepowctaiTav -<by  iv  Kaaiptot,  wo  vielleicht  Aioggüjti)- 

piaffTÄv  oder  bloss  2<i>rr)pia<7T«v  zu  ergänzen,  in  der  Insdirift  VOD 
Kamiros  Inscriptions  in  the  British  Museum  II  Nr.  353; 
seinen  Priester  in  Lindos  nannte  die  Basis  des  PythokritOS, 
Löwy,  Inschriften  griech.  Bildhauer  Nr.  174a;  ebenfalls  in 
Lindos  linden  wir  einen  [iepso?  Sxp&mo;  v.y.\  Ikrs-.Sy.vo;  'Itctcigu 
Kai  Aiovuco'j  bei  Ross.  Arch.  Aufsätze  II  S.  603,12  und  nicht 
weit   von  ^vv  Stadt  einen   Felsaltar  mit  der  Aufschrift  -y.:x-'.r,; 

Sö-riipos  (unveröffentlicht),  ferner  aus  Kastellos  südlich  von 
Kamiros  ein  ^aptanr,ptov  an  llekala  und  Sarapis  Löwy,  Aivh.- 
epigraphische  Mittheilungen  aus  Österreich  VII,  1883  S  134, 


388  [.•.  nii.i.i'.i!  \i>n  öaertrIngeN 

67).  An  die  vielfachen   Beziehungen   zwischen    Rhodos  und 
den   Ptolemäern,   an  den    Isiskull   der  Stadl  Rhodos  (Sei iva- 
n<>\  a.  a.  ().  S.  131  f.)  braucht  hier  nur  erinnert   zu  werden. 
Herakles  hatte  in  Kamiros  einen  Priester  (Cauera.  a.  ().):  der 
sonderbare   Kultus  des   Herakles  ßouGoiva;   in   Lindos  isi   l»e- 
kannt,    zudem   versteh!   er  sieii  auf  der  dorischen  Insel  von 
seihst.  Vergleiche  auch  das  "Hpajc^ewTÄv  Micovsiwv  jtoivöv  (oben 
S.  380).  Die  Korybanten  wurden  anscheinend   im  lindischen 
Demos  der  Brasier  verehrt,   und  zwar  als  Söhne  der  Alliena 
und  des  Helios,  eine  Vorstellung,   die  in  die  spätere  griechi- 
sche  Religion   gar  nicht  hineinpasst  und   bei  der  man  daran 
erinnern    kann,    dass   Becker,    De  Rhodiorum  primordäs, 
Jena  1882  S.  117  und  Dittenberger,   De  sacris  Rhodiorum 
II  S.  6  ans  der  Athena   Lindia  eine  ursprünglich  vorgriechi- 
sche Gottheit  machen  wollten.  Der  Beleg  sieht  bei  Strabo  X. 

CT 

3,  19  S.  4 7 2  aus  Demetrios  von  Skepsis,  wo  ja  freilich  Ko- 
rybanten Kurelen  Kabiren  Teichinen  in  der  gräulichsten  Weise 
durcheinander  gemengt  werden     Derselbe  Lautwechsel,  den 

CT  CT 

Selivano\  in  dieser  Zeitschrift  XVI,  1^91  S.  24*2  erkannt 
hat.  IbzT'.o-.  bei  Strabo  =  rhodisch  Bpicioi,  hat  sich  in  neuerer 
Zeil  wieder  rückwärts  vollzögen :  das  Südende  von  Rhodos, 
eine  felsige  Erhebung,   die  durch  einen  mitunter  vom  Meere 

CT  CT' 

unterbrochenen  schmalen  Sandisthmus  von  <\cv  übrigen  Insel 
getrennt  ist,  heissl  heutzutage  npaccwjfft,  und  es  ist,  doch  sehr 
zu  erwägen,  oh  darin  nicht,  wie  in  so  vielen  anderen  Fällen 
auf  Rhodos  (vgl.  in  dieser  Zeitschrift  XVI I  S.  307).  einfach 
der  antike  Name  sich  erhalten  hat. 

Auf  die  Frage  nach  dem  Orte,  an  dem  die  genannten  Kulte 
beimisch  waren,  ist  es  nicht  leicht  eine  ausreichende  Antwort 
zu  geben.  Soweit  die  Demotika  von  Kamiros  zeugen,  dürfen 
v\  ir  jedenfalls  nur  an  Priestertümer  dieses  Ortes  oder  auch  der 
grossen   Stadt   Rhodos  denken,  die  religiös  und  politisch  die 

drei  allen  Gemeinwesen  verband,  schwerlich  an   Lindos:  denn 

dort  war  es  wenigstens  noch  im  III.  Jahrhunderl  eine  Haupt- 
sorge der  Wahlleitung,  darüber  zu  wachen,  dass  sieh  nicht 
homines   novi,   o!  \lt\  kx\  wpÖTepov  [/.exei^ov,   zur  Teilnahme  an 


DIE   8AM0THRAK18CHEN   GOETTEB    IN   RHODOS   UND   KARPATHOS        189 

•  Ich  Opfern  und  Priestertümern  drängten,  d.  h.  alle  Nichtlin- 
dier  auszuschliessen  ( fnscriptions  in  ehe  British  Museum 
II  Nr.  357,  II  ff.).  Sarapis.  Korybanten  und  die  samothra- 
kischen  Götter  können  dagegen  sehr  wol  von  Li n dos  sein. 

3.  Gefunden  in  Sümbüllü  ('PoSivtj)  bei  Rhodos  jetzt  im 
Hause  (\vs  Dr.  jur.  MaXXiapxxux;  zu  "Aytoi  'Avxpyjpoi,  der  mir 
freundlichsl  die  Abschrift  gestattete.  Platte  von  gewöhnlichem 
Kalkstein  mit  erhöhtem  Rahmen,  ehemals  durch  einen  Zapfen 
in  einer  Basis  befestigt,  wol  zu  einem  Grabmonumenl  gehö- 
rig. Oben  gebrochen,  0,40  (mit  Zapfen  0,43)  hoch,  0,285 
breit,  0,05  (mit  Hand  0,06)  dick.  Kleine  gedrängte  ungleich 
hohe  (0,012-0,008,  das  o  oft  0,006)  Schrift  Die  länglichen, 
hohen  aber  schmalen  Kränze  von  Olivenblättern  sind  nichl 
übel  gearbeitet. 

(Resteines  (Kranz)  (Kranz,  darin:) 

Kranzes) 

NON 

IAMO0PAIKIAZTANIOTHPIAITAN 
APIZTOBOYAIAZTAN 

(Kranz)  (Kranz)  (Kranz)  (Kranz) 

AnoAAQNIAZTANOEAlAIAHTElQN 
AZTYMHAEIftN 
( Kranz). 

Im  oberen    Kranze:  [to  |  xoi]|vöv.  Sodann:  SxjwQpxixixiTÄv 

Sü)TY)pia<TTÄV     'AptOTToSoKAiaffTÄV    'Atto  A  A(ov.  XffTÄV      06011     X«    &7)T6tWV 

'AcrTuaYioeiuv. 

In  der  Inschrift  bei  Paton,  Bull,  de  corr.  hell.  XIV,  1890 

S.  276  B  '/..  7  lese  ich  Statt  xxt  rfijxaOsvT  x  dm  töv]  A[tvSt]wv 
mit  einer  wenn  auch  nichl  sicheren  Ergänzung  xai  nu  xÖe'Im  toi 
utco  0eaiö7)  reiwv  |  [<j]ox  Txivtüv  welche  genannt  sind  nach  dem 
Geehrten,  der  sie  gestiftet  haben  wird.  h£,  ft  ,-ov  AÜToxpaxeu?. 
\  ielleichl  hat  diese  Genossenschaft  eine  Umgestaltung  oder 
eine  besondere  Wollha]  erfahr  n  durch  einen  gewissen  "A<ttu- 
['■■r,<U:.   der  zugleich    Apollo  /.um   ^chutzgotl  erhob.    Es  kann 


390  F.   HILLER   VON   GAERTRINGEX 

sicli  aber  bei  den  Seai^reioi  der  beiden  Inschriften  um  zwei 
verschiedene,  von  demselben  Ssa&yjTo^  oder  von  zwei  Trägern 
desselben  Namens  gestiftete  8ta<roi  handeln.  Denn  man  kann 
sieh  die  Leichtigkeit  der  Vereinsbildung  und  der  Umformung 
bestehender  Vereine  auf  Rhodos  gar  nicht  gross  genug  den- 
ken.  Paläographisch  steht  nichts  im  Wege,  die  vorliegende 
Inschrift  für  etwas  später  als  die  von  Paton  herausgegebene 
zu  halten,  welche  ihrerseits  nach  i\vn  Schriftformen  schwer- 
lich älter  ist  als  das  I.  Jahrhundert  v.  (Ihr.  Die  EapoOpaiKia- 
nzcni  ^cdTYjciacTai  'ApiCToßo'Aiaffrai  sind  VOU  einem  'Ac'.T-tooo-j^o? 
gestiftet.  Es  kann  sein,  dass  der  Begrabene,  dessen  Namen 
wol  auf  der  steinernen  l>asis  dieser  Tafel  stand,  eben  dieser 
'Ac'.ttoovj'Xo;  oder  dv\'  oben  genannte  'A-7vj;v.r(<Vr,;  war. 
Wichtig  ist   die  Verbindung  der  ösoi  l'aaoOpaix.s;  mit  den 

—  bi-r^a;,   die  sich   in  den   —  a;/.o0car/.ta<7Tai   —  wTYipiaGTat   'ApiiTO- 

SouXiaffTat  ausspricht.  Es  ist  dies  eine  Bestätigung  der  An- 
sicht, die  Foucart  (Associations  re'ligieuses  S.  102  IT.)  aus- 
gesprochen hat.  dass  wir  in  den  -wTTJpe;  eigentlich  die  Kabi- 
ren zu  erkennen  haben.  Dazu  tritt  mm  auch  die  schon  heran- 
gezogene Inschrift  von  Sümbüllü  (Selivanov  a.  a.  ().)  »tal  uwo 
XcoT-^ptaTTzv  'EpaairTTÄv  Marpo?  9ecov  koivoö,  von  denen  wenig- 
stens llermesi-kasmilos)  sicher  nach  Samolhrake  gehört.  In 
derselben  Inschrift  begegnel  :  uwo  A'.o^cott.oixtt'/.v  -apax'.x<7Tav 
»cotvoQ  (ober  Zeus  l'coT^p  vgl.  Foucart  a.  a.  ().):  ausserdem 
kennen  wir  ans  Rhodos  (0*6)  l\<>Tr,p'.a<7Tzv  AiG^sviafiTy-v  [llav]a- 
0T]va'i(TTav  Aivoiacrav  twv  [t]-jv  raiFtA  xotvoö  (  Ivoss,  Inscripti- 
< m es  ineditae  III  Nr.  282  =  \\ escher,  Revue  arch.  X,  1864 
S.  470  =  Foucart,  Associations  re'ligieuses  S.  230,48)  und 
S&>T7jptaffTav  'ITp[(oiTTäv  schwerlich -oittxv]  (Wescher.  Hcvuc 
arch.  X,   186«  S.  469,  Foucart  a.  a.  0.  S.  230,49). 

•'i .  Lindos,  in  ^\vv  Rüche  des  llx--z  0eo&<i>pir).  Löwy,  Arch.- 
epigraphiscbe  Mittheilungen  ans  Österreich  VII,  1883  S.  136, 
72    nach   Abschrift   von    Xuy.cov    re<i>pvi;fc$r,c.  Viereckiger  Altar. 

r  r  i  C 

oben  gebrochen,  0,36  lang,  0,34  hoch,  0,3hm  tief,  schöne 
Schlaft  (0,01  hoch).  Fs  wird  genügen  hier  eleu  Text  in  Mi- 
nuskeln zu  w  iederholen. 


DIE  SAMOTHRAKISCHEN  GOETTER  IN  RHODOS  UND  KARPATHOS   391 

[Upg'j;  toO  Seivo;  ßeoo  |  6  öeiva]  ,lTCTCO*p&Te[u<;.  |  'i4ar]o./.&y>'oc  /7t>- 
^afTwc]'  |  'Ap'.'jTOu.ayo;  'AXe£a[vöpou].  |  äp-^iepoffvzat;'  |  'AptTTOx-piTr,? 
IIoXu£evov.  |  iepevc  SapdntOQ'  \  Aaj/.wpeXf//]?  IIsituXou  j  &o?c  tt>*<  *V 
SafioBpdixäi  |  yaptTTvjptov. 

5.  Kamiros,  jetzt  im  Britischen  Museum  {Inscriptions  II 

Nr.  353).  Schild  von  weissem  Marmor  mit  Weihinschrift  ei- 
nes 'AptTT^oxpzTE'j;  IIo(vT(i)p£w?)  [toö  'ApiorJouveTOU ?  SiXupiou. 
Von  demselben  lieisst  es  unter  anderem  :  i6po7roir)[(ravTO?  x]al 
e^isptffTEOGavTO?  ....  xoü  (j-rscpavcoOevTOc  ypuffsfwt  <7TS<pocvüu  xal  uwo 
(folgen  mehrere  >cotv&,  von  denen  einige  oben  erwähnt  sind)  xai 
a7C0TTaXe'vT0;  (spoxoioO  6ig  [— ap.oOci'.y.Yiv  xai  e]i;  Ar^avov  y.ai  AiS'j- 
y.iiov  y.x£.  Die  Ergänzung  elc  [Saf/.oOp&HCTQv],  die  Hubensohn  a.  a. 
O.  S.  235  vorgeschlagen,  ist  sehr  ansprechend;  dass  es  11 
Buchstaben  sind  statt  der  von  Newton  angegebenen  9,  ver- 
schlägt nicht  viel.  Dieser  rhodische  iepo-oiö?  ist  ein  Seiten- 
stück zu  den  von  Kern  oben  S.  365  f.  angeführten.  Die  Zeit 
der  Inschrift  wird  nach  der  Schrift  und  der  Orthographie 
(Kau.f/pwi,  stellenweise  Ausfall  des  i  adscr.  in  t5  vk<7<tcoi)  eher 
dem  Ende  als  dem  Anfange  des  I.  Jahrhunderts  v.  Chr.  nahe 
stehen. 

6.  Tristomo  auf  Karpathos,  in  den  Ruinen  einer  Kirche  am 
Ostende  der  Bucht,  nahe  der  Ehreninschrift  für  Nikagoras, 
die  aus  dem  Heiligtum  des  Iloxet^kv  IIöpQuio;  stammt  |  Arch.- 
epigraphische  Mittheilungen  aus  Österreich  XVI,  1892  S. 
102  ff.  Arch.  Anzeiger  1893  S.  129).  Platte  aus  einem  iäsri- 
gen  Stein,  den  man  als  a|AuySaX6w6Tp«  bezeichnet,  0,51  lang, 
0,67  hoch,  0,20'"  dick,  Schrift  sehr  unregelmässig.  Es  ist  ein 
Verzeichniss  von  Priestern,  die  wahrscheinlich  jährlich  neu 
gewählt  und  jährlich  aufgeschrieben  wurden:  vgl.  das  Ver- 
zeichniss der  Prieslei  des  Apollon  'EpeÜiy.'.o:  in  Rhodos:  Ros8, 
Inscriptiones  ineditae  III  Nr.  275.  Teilweise  schwer  lesbar: 
Zeit  wol  II.  Jahrhundert  V.  (Ihr.  X  und  Z  kommen  neben 
einander  vor ;  im  Ganzen  findet  gegen  Ende  hinein  Übergang 
von  S!  zu  2  Statt. 

Die  Inschrift  ist  in  zwei  Columnen  angeordnet,  die  nicht 
scharf  \<>n  einander  gesondert    in    einander    übergreifen,    hier 


.vj-: 


F.    MILLER    VON    GAERTBINGEN 


aber  dos  Raumes  wegen  getrennt  sind.  Über  beide  bin  zieht 
sieb  in  einer  Zeile  die  Überschrift: 

i.vLQNSAMOOPAIKQNIEPEI^ 

Erste  Golumne : 

.     W/Ilf, 


i 
!AKTOI 

n?TOAA 

Ai     XIAAH££IMIAAA 

% T PATIQNEYMAXOY 

K  P  E  il  N  AAMOkPEftNOS 

lENEKPATH^TE  A  E  2  ft  N  O  2 

APKE£iAA£APXIM8POTOY 


f  AT       ,/IMB§TOY 


^lATATIflNArH^ANAPOY 

MO£XO£MO£XlftNO 

I 


DAYMNASTO^POAYrNQTOY 


<|>  i  a  1 2  k  o  s  kaeinoy 

I   l    ZTOAAIAA£PPATArOPA 
AlOrENHSAlorNHTOY 
I,  K  A  P  X   O   £  f /);;    y  IAAMOY 
\MAXO€MAXAONOZ 
AIXEMAXO£APXEKPATEY£ 
MAI^KOITIMAt  IAIKOY 

OAAISNEYPOAIOZ 
0IAHPATOSKAEINIA 
r  A       H  AHJPOAY|Al 

AAMOXAP  f  £  ff  I  A  §  \  K  A  E  Y  S! 
DEP^II  O  Z  O  E  P  £  a  r  '!///§ 

I  E  N  O  i    E  I   T  ft   I  I   A    I   O   K       / 
ANTIOXIAA£ 


|fl    N    H 

Y   k    A 

EPIPA 

n  o  a 


s  c 


h   A  £ 


') 


DIE   8AM0THRAKI8CHEN   GOETTER   IN   KHODOS   UND   KARPATHOS      393 

Zweite  Columne : 

NIKHPATOZAIZXYAOY 
XAPMAAAZEPIKAE     Y 
KAAAIKPATHSANAZIKAEITOY 
APIZTOMENHZANTIZIMOY 
AZKAAPIAAAZKAEYKPATEYZ 
4>E     YPOlfO^      ANTAKAEYZ 

NUANfiPPOAYMNAITOY 
APIITOkPATHITAXlIT/ 
XOPONIKOSPPAZI 

POYKAOYOOESIANAE 
AEZANAPIAA 

[&]sa>r    HHctfioffpdtxcor    ispelQ. 

32.    Nix.yjpaTo;  Aia^uXou. 

•  •  -™a **tos.  33.  Xxppzbxt  'E-iy/AE-:'?'. 

,:5-  *AYA KpariffToXa.    34.   KaXXixp&Tr.«  'ÄvafrxXsiTOu. 

4.  'A'fpJxiaSyj?  SiptaSa.  35.  'Apraropfarc   'AvTiofpou! 

5.  SxpaTiuv  E'J[j.y./ryJ  36.  'AaxXaTCizSa?  £Xsuxp*rtuc. 

6.  Kpeuv  Axy.ox.pswvoc.  37.  <0>EOr.o[p]o;  [II  kvt«A«S;. 

7.  [M]eviJtpÄ«i«  TgXeacüvo;.  38.   Nix&vwp  IloXufAv<x<rrou. 

8.  'ApxecrtXa;  'Ap^e^poxou.  39.  'ApiaToxp&mc  TajrwTfa. 
9 p*T.ip6[pö}rou.  40.    Xopovixo?   llpa?i[w- 

10.  'MxaTuov   'ApidivSpou.  tcou,  xa6'  OoOsciav  c)s 

11.  Mooxo«  Moayjwvo?.  Asfcv&pi&x. 

12.  [IIo]X'juva<7To;  [IoXuyvütou. 

13.  $iXt<7xos  KXetvou. 

14.  [ 'Ap]ic?xoXatSa;   HpaTayöpa. 

15.  AtoyevYic  Aiovvtqtou. 

16.  [Ni]jtap^05  [XapJtSdtpou. 

17.  [Aa?]jxa^o?  Mayiovo;. 

18.  'A[p]^e'(Aa^o?   'Ap^gxpdeTeu?, 

19.  $tX«T)coc  TipaffiXixou. 

20.  [n?]ÖXXi«  NbutcöXio«. 

21.  ^iXyjpaio;  KXeiviac. 


394      F.   HILLER  VON  GAERTRINGEN,      DIE  SAMOTHRAKISCHEN  GOETTER 

22 .Ins  rio>'j[x]X[6Ö?]. 

23.  Aaaöyap^]?   .  .  .  .  tx>.su<;. 

24.  06poi[7C7c]o$  Wspcayfopa]. 

25.  Sevolyjeircov  Aiox.  .  .  . 

26.  'AvTtoyiSa: 

27.  .  .  cov   'IIt.  .  .xaa(?) 

28.  [EJux>[ifc 

29.  'Ewwc 

30.  Hol 

31.  .o 

Man  kann  zweifelhaft  sein,  ob  dies  Heiligtum  der  9soi  üa^.ö- 
öpaixe?  eine  Zweiganstalt  des  rhodisehen  (Nr.  2)  oder  des  lin- 
dischen  (Nr.  4)  ist,  die  sieh  naturgemäss  an  den  angesehenen 
Tempel  des  Iloxsu^äv  IlöpOjj.to«;  anseliloss.  oder  ob  es  direkt  von 
Samothrake  aus  gegründet  ist.  Wahrscheinlicher  ist  wol,  bei 
i\cv  politischen  Abhängigkeit  der  Insel  Karpathos  von  Rho- 
dos, der  erstere  Fall.  Dann  haben  wir  hierein  Seitenstück  zu 
der  Übertragung  der  'AOiv*  Atv&ia  von  Lindos  nach  dem  kar- 
pathischen  Orte  Potidaion  (Beaudouin,  Bull,  de  corr.  hell. 
IV,   1880  S.  278,10.  VIII,  1884  S.  355  IT.). 

Berlin  .  August  1893. 

F.   HILLER  von  GAERTRINGEN. 


<>  >#♦:  o 


AUSGRABUNGEN   IN  TKALLK- 
(Hierzu  Tafel  XII.  XIII) 

I. 

Als  der  Präsident  des  Orient-Comites  zu  Berlin,  Herr  Pro- 
fessor von  Kaufmann  im  September  1888  in  Konstantinopel 
verweilte,  kam  zwischen  ihm,  Hamdy-Bey,  dem  Direktor  des 
Kaiserlich  ottomanischen  Museums  und  dem  Unterzeichneten 
wiederholt  der  schon  mehrfach  angeregte  Plan  zur  Sprache, 
in  Tralles  eine  Versuchs- Grabung  zu  machen,  um  zu  ermit- 
teln, oh  die  Ruinen  dieser  berühmten  Stadt  ergiebig  an  guten 
Fundstücken  seien  und  oh  man  die  Ausgrabung  eines  der 
grösseren  Bauwerke  dort  mit  Hoffnung  auf  Erfolg  unterneh- 
men könne. 

Was  man  bisher  aus  Tralles  kannte  war  zum  Teil  viel- 
versprechend: ich  erwähne  nur  den  Kolossalkopf  eines  Dio- 
nysos im  konstantinopeler  Museum  ',  den  im  Besitz  des  Herrn 
von  Kaufmann  befindlichen  Aphroditekopf2  und  eine  etwas 
mehr  a>s  lebensgrosse  Gewandstatue  in  der  Evangelischen 
Schule  in  Smyrna,  drei  Werke  ersten  Ranges. 

Der  türkischen  Museums  Verwaltung  lau  zunächst  daran,  zu 
dem  genannten  Dionysoskopf  den  Leih  zu  linden,  der  hei  sei- 
ner Grösse  nicht  ganz  verschwunden  sein  konnte.  Um  nun 
zeilrauhende  Formalitäten  zu  vermeiden,  schlug  ich  vor,  dass 
das  ottomanische  .Museum  als  Ausgräber  tigurire.  während 
das  Orient-Comite  die  nötigen  Mittel  gewähre,  was  vom  tür- 
kischen Unterrichtsministerium  genehmigt  wurde.  Auch  wur- 
de ausgemacht,  dass  von  den  Funden  ein  angemessener  Teil 
dem  Orient-Comite  abgetreten  werden  solle. 


i  Revue  archiolugiqm  1888  XI  Tal',  li  8 
-  Antike  Denkmäler  1  Taf.  il  >.  3p 


396  C.    HUMANN    UND   W.    DOEHPFELD 

Am  24.  September  kamen  wir  in  Smyrna  an,  versahen  uns 
mit  dem  nötigen  Werkzeug  und  Aufsehern  und  fuhren  am  27. 
mit  der  Bahn  nach  Aid  in,  der  Hauptstadt  des  gleichnamigen 
Regierungsbezirkes,  die  hart  unterhalb  des  alten  Tralles  liegt; 
am  1.  Oktober  begann  die  Arbeit. 

Bekanntlich  ziehen  zwei  grosse  Gebirgstränge  im  initiie- 
ren Vorder-Kleinasien  von  Osten  nach  Westen  Ins  zur  Küste, 
mit  den  Sammelnamen  Tinolos  und  Messogis  bezeichne!  ;  zwi- 
sehen  ihnen  liegt  die  Ebene  des  kaystros,  nördlich  vom  Tino- 
los die  des  llermos,  südlich  von  der  Messogis  die  des  Mäan- 
der.  Die  beiden  Gebirge  haben  im  Ganzen  die  Eigentümlich- 

CT  CT 

keit,  dass  ihre  Abhänge  nach  der  Kaystrosebene  zu  felsig,  die 

Aussenseiten,  um  mich  so  auszudrücken,  also  Tmolos  nach 
Norden,  Messogis  nach  Süden,  teils  erdig  sind,  teils  aus  ei- 

CT  CT 

nem  Conglomerat  von  Kieseln,  Feldsteinen  und  Erde  beste- 
hen. Wer  je  von  Smyrna  mit  der  Bahn  nach  Sardes  fuhr,  war 
überrascht  von  der  wunderbaren  Bildung  der  Tmolosabhänge, 
die  durch  Tausende  von  Hügeln  mit  so  steilen  Wänden  gebil- 
det  sind,  dass  sie  last  Türmen  gleichen.  Sonne,  Wind,  Regen 
und  Frost  setzen  dem  Conglomerat  arg  zu,  jedoch  bleibt  es 
bei  der  Verwitterung  in  steilen  Wänden  stehen.  Dieser  For- 
mation verdankte   die    Burg   von  Sardes.    von   der  heute  nur 

CT 

noch  ein  schmaler  Grat  steht,  ihre  Uneinnehmbarkeit.  Ähn- 
lich und  doch  abweichend  zeigen  sich  die  Südabhänge  der 
Messogis.  Breite  Erdmassen  schieben  sich  mehr  oder  minder 
abgerundet  von  der  Höhe  des  Gebirges  gegen  die  Ebene  vor, 

e  CT  ~     ~ 

durchschnitten  von  Schluchten  mit  steilen  Wunden.  Nahe  t\i-\- 
Ebene  bilden  sieh  breite  Hochebenen,  die  dann  fast  senkrecht 
zu  ersterer  abfallen.  Eine  solche  Hochebene,  aus  welcher  im 
Norden  sich  ein  UM)1"  hoher  Hügel  heraushebt,  diente  zur 
Anlage  di-v  Stadl  Tralles;  der  genannte  Hügel  ist  als  ihre 
Akropolis  zu  bezeichnen.  Die  beifolgende  Karte  (Taf.  12)  ver- 
anschaulicht die  Laue. 

Im  Norde id  Osten  lallt  die  Hochebene  schroff  und  steil 

in  den  Fluss,  den  allen  Eudon,  im  Westen  weniger  tief  und 
steil  in  mehrere  kleine  Bäche,  im  Süden  in  die  Mäanderebene; 


AUsr.iunrNr.EN  in  tiiali.es 


:j,'i7 


im  Nordosten  hängt  sie  durch  einen  schmalen  Sattel  mit  dem 
Hochgebirge  zusammen.  Das  Stadtgebiet  bildet  eine  unregel- 
mässige Ellipse  von  18011'"  Länge  und  I000ra  Breite.  Das 
ganze  Mittelalter  hindurch  scheint  diese  Stätte  bewohnt  gewe- 
sen  zu  sein  und  nur  ganz  allmählich  die  Wohnungen  sich  von 
der  Stelle  i\cv  allen  Stadt  hinab  in  die  Ebene  gezogen  zu  ha- 
ben, wo  sie  die  heutige  von  35000  Einwohnern  bevölkerte 
Siadt  Aidin  bilden.  Wo  alter  Menschen  wohnen  braucht  man 
Baumaterial  und  da  auf  Meilen  Entfernung  kein  Steinbruch 
vorhanden  ist,  so  hat  man  die  Steine  der  antiken  Bauten  be- 
nutzt. Eine  ganze  Zunft  von  Steinmetzen  arbeitete  bis  zu  un- 
serer Ankunft  in  den  verschiedenen  Trümmerhaufen  um  nach 
Hausteinen  zu  suchen  für  die  Bauten  oder  nach  Marmor  für 
die  Grabsteine  aller  Confessionen. 

So  erklärt  es  sich,  dass  man  auf  dem  Gebiete  der  alten  Stadt 
last  keinen  alten  Mauern  mehr  begegnet.  Die  Stadtmauer  ist 
bis  auf  wenige  Reste  im  Westen,  Süden  und  Norden  verschwun- 
den, zum  Teil  auch  wol  mit  der  Verwitterung  des  Bandes 
hinab  gestürzt,  nur  hoch  im  Norden,  im  entferntesten  Teile, 
stehen  noch  einzelne  wenig  hohe  Reste  derselben, deren  schlech- 
te Ausführung  und  geringes  Material  nicht  darauf  schliessen 
lassen,  dass  sie  der  Blütezeit  der  Stadt  angehören.  Von  allen 
Überbleibseln  des  Altertums  treten  am  meisten  noch  drei  mäch- 
tige Bogen  hervor,  von  den  Einwohnern  Ütsch-gös,  die  drei 
Augen,  genannt  im  Südwesten  der  Stadt  gelegen  mit  folgen- 
dem  Grundrisse  : 


<H*lu>      3»'A     «2.to>  i.u©  »■    L.*l  . 


III] 


Es  ist  eine  spät- römische,  schlechte  Arbeit,  schon  sind  In- 
schriften '  und  fremde  Marmorslucke  hinein  verbaut  ;  ein  Stuck 


«  Vgl.  Alhen.  Mitlhcilungen   VIII   S-  316  ff  j      Popen  o)  l/u    imerican 

sckool  l  S.  94  ff.)  I.  3.  k.  5   8.  9. 


:;'K  r.    humann  und  \v.  dorüpFeld 

überzog  das  Ganze,  auf  dem  man  an  geschützten  Stellen  noch 
die  ziemlieh  rohe  Bemalung  sieht.  Nach  <!<ir  Menge  des  Sehut- 
Les  zu  urteilen  stand  hier  ein  grosser  Bau,  wahrscheinlich  ein 
Gymnasium,  welches  im  Ganzen  ein  Viereck  von  etwa  130  zu 
I201™  rollte.  Das  hauptsächlichste  Baumaterial  sind  gebrannte 
Ziegel  ans  wehdien  riesige  Bögen  und  Gewölbe  bestehen,  die 
zum  Teil  trotz  ihres  Sturzes  noch  zusammenhängend  aus  der 
Schuttmasse  hervorragen.  Ostlich  ist  der  Fuss  einet'  Säu- 
lenstellung teilweise  sichtbar,  von  nachstehender  Form  und 
Grösse : 


•0,7«»  3,»o  "OT* 


c 

■0,7t» 


Das  Innere  dieses  Raumes  muss  einst  reich  geschmückt  ge- 
wesen sein,  denn  hier  wurde  ausser  mehreren  römischen  Kö- 
pfen auch  die  schon  genannte  Aphrodite  gefunden. 

Ein  anderes  grösseres  Ruinenfeld,  auf  dem  noch  allerlei  in 
ihrem  Zusammenhang  nicht  erkennbare  niedrige  Mauern  aus 
Feldsteinen  stehen,  findet  sich  in  der  nördlichen  Stadthälfte, 
30U,n  westlich  vom  Stadion.  Ausserdem  liegen  eine  Anzahl 
von  Schuttbügeln,  die  grössere  Bauten  decken,  auf  dem  Gebiet 
der  Sladt  zerstreut, wie  die  Karte  sie  anzeigt  ( II  /?).Wenn  hier 
und  da  ein  Bauglied  sichtbar  ist.  so  gehört  es  der  römischen 
Zeit  an.  Der  grösste  dieser  Trümmerhügel  liegl  etwas  nörd- 
lich vom  israelitischen  Friedhofe.  Die  Griechen  haben  dort 
eine  byzantinische  Kirche  freigelegt,  deren  Fussboden  zwei 
Meter  unter  der  heutigen  Oberfläche  liegt;  nach  Osten  hin  hat 
sie  drei  Rundnischen.  Da  die  ersten  Christen  mit  Vorliebe 
ihre  Kirchen  auf  den  Trümmern  aller  Tempel  bauten,  so  dür- 
fen wir  hier  in  der  Nähe  einen  solchen  vermuten,  der  nach 
der  grossen  Ausdehnung  des  Schutthügels  nicht  unbedeutend 
gewesen  sein  kann,  liier  soll  die  weibliche  Gewandstatue  ge- 
funden sein,  die  sieh  jetzt  in  der  Evangelischen  Schule  zu 
Smyrna  befindet.  Der  in  Aid  in  ansässige  griechische  Lokal- 
antiquar Herr  Michael  Pappa-Konstantinu  verlegt  nach  einer 


AUSGRABUNGEN    IN    TRALLES 

früher  gefundenen  Inschrift  die  Agora  dorthin.  Dieselbe  wür- 
de dann  ungefähr  im  Mittelpunkt  der  Stadt  gelegen  haben. 

Gehen  wir  von  hier  nach  Norden  zu,  so  gelangen  wir  bald 
an  den  Fuss  der  Akropolis.  Schon  von  ferne  sieht  mau  die  in 
die  Hügel  wand  eingeschnittene  Theater-Mulde.  Noch  ragen 
hoch  in  Gussmauerwerk,  längst  ihrer  Quadern  entkleidet,  die 
Mauerflügel,  die  vorgeschoben  waren,  um  auch  für  die  oberen 
Sitzreihen  das  Halbrund  herzustellen.  Hart  vor  dem  Theater 
und  parallel  mit  seiner  Skene,  liegt  das  Stadion  ;  für  die  Sitz- 
reihen der  einen  Langseite  war  die  Berglehne  benutzt,  für 
diejenigen  der  anderen  Langseite  und  des  Kopfes  hat  man 
einen  Frdwall  als  Unterlager  aufgeworfen.  In  Ephesos  und 
Pergamon,  wo  die  Stadion-Anlagen  analog  sind,  ruhten  die 
Sitze  der  äusseren  Langseite  auf  Gewölben  ;  hier  verbot  das 
der  Mangel  an  Steinen.  Sechzig  Meter  westlich  vom  Stadion 
ist  der  kolossale  Kopf  des  Dionysos  gefunden;  auch  eine  In- 
schrift, die  einem  Dionysosheiligtum  zu  entstammen  scheint, 
ist  hier  später  zu  Tage  gekommen  '. 

Die  Akropolis  steigt  in  zwei  Terrassen  an.  die  von  einer 
langen,  schmalen  Kuppe  überragt  sind.  Die  untere  Terrasse 
zieht  sich,  50-8üm  breit,  in  der  Höhe  der  obersten  Thealer- 
stufe  nach  Nordwesten  fast  horizontal  durch;  50"'  höher  liegt 
eine  zweite,  durchaus  schmale  Terrasse,  die  kaum  Raum  für 
Gebäude  liess,  ebensowenig  wie  die  letzte  Burgspitze,  die  sieh 
darüber  erhebt.  Nach  Norden  und  Osten  lallt  hier  der  Hoden 
mehr  als  100  Fuss  senkrecht  in  die  Tiefe  ab.  jeden  Zugang 
unmöglich  machend.  Überhaupt  ist  der  Abfall  an  der  ganzen 
Ostseite  der  Burg  bis  zur  türkischen  Schule,  vom  Plateau  ab 
zunächst  auf  eine  gewisse  Höhe  senkrecht.  Man  erkennt  in 
dieser  Wand  viele  viereckige  Löcher  von  einigen  Fuss  Höhe 
und  Breite  und  geringer  Tiefe;  es  waren  Gräber,  einst  in  der 
Bergwand  angelegt  und  dann  verschlossen.  Die  Verwitterung 
der  Bergwand  hat  den  Verschluss  und  den  vorderen  Teil  der 
Grabhöhlung   hinab  stürzen    lassen.    Ahnliche   Löcher  liegen 


i  Bull,  de  eorr.  kell,  Xlll  3   280. 


400  C.    HDIfANN  UND  W.    DOERPFELD 

auch  in  der  Bergwand  auf  dem  linken  Hier  des  Eludon.  Die 
Hochebene,  «1  it»  sich  hier  erstreckt,  hat  gleiche  Höhe  mit  der 
von  Tralles,  als  hätten  sie  einsl  zusammen  gehangen  und  der 
Fluss  habe  sieh  hindurch  gewühlt.  Zwei  nichl  sehr  ansehn- 
liche Tumuli  stehen  auf  der  Höhe  östlich  des  Eludon. 

Das  ganze  Gebiet  des  allen  Tralles  ist  heule,  wie  die  Karte 
zeigt,  mit  geringen  Ausnahmen  ein  prächtiger  Olivenwald, 
der  den  Bewohnern  von  Aidin  als  Lustort  dient,  wobei  die 
grösstenteils  offene  Röhren  Wasserleitung  gutes  Trinkwasser 
liefert.  Die  Besitzer  von  Ölbäumen  machten  uns  bei  den  Gra- 
bungen  keine  Schwierigkeiten  ;  sie  sehen  es  im  Gegenteil  gern, 
wenn  das  Erdreich  gewendet  und  gelockert  wird  oder  wenn 
Gräben  <j;ezo<>en  werden,  in  denen  sich  das  Regenwasser  sam- 
mein  kann. 

Wir  begannen  am  1 .  Oktober  mit  90  Arbeitern  die  Ausgra- 
bungen  an  drei  Stellen,  am  Fundort  des  Dionysos- Kopfes 
(vgl.  Bali,  de  cor/-,  hell.  XIII  S.  280.),  im  römischen  Gym- 
nasium nnd  in  der  Orchestra  des  Theaters.  Hier  halten  wir 
eine  sicher  griechische  Anlage  vor  uns,  die  bei  der  Steilheit 
der  Böschungen  wahrscheinlich  sehr  früh  zugeschlemmt  war, 
mithin  manches  Interessante  bieten  konnte. 

Die  ganze  Woche  vom  1 — 6.  Oktober  halten  wir  bis  zu  100 
Arbeitern.  Im  römischen  Gymnasium  wurden  die  Leute  schon 
am  dritten  Tage  auf  17  reduzirt,  da  die  Absicht  bestand,  nur 
einen  10-12™  langen  Graben  bis  auf  den  alten  Pussboden  zu 
ziehen.  In  der  ganzen  Woche  fand  sich  hier  nichts  als  Zie- 
gelschutt  und  in  4"'  Tiefe  auch  der  Fussboden  aus  Ziegelplat- 
ten. Am  Ende  der  Woche  wurde  die  Arbeit  hier  ganz  aufge- 
geben. 

Ebensowenig  erschien  irgend  etwas  Nennenswertes  am  Fund- 
orte des  Dionysos-Kopfes,  nichts  als  Humus  und  dann  Kalk- 
schutt bis  in  2™  Tiefe. 

Im  Theater  hatten  wir  damit  begonnen,  dass  ein  o™  breiler 
Graben    vom  oberen  Rande   des  Stadions   gegen  die  .Mille  der 

Orchestra  vorgetrieben  wurde.  Bald  landen  wir  verschiedene 
Bruchstücke  griechischer   Architektur,    ferner  einen    halben 


AUSGRABUNGEN    IN  THALt.ES  40! 

Frauenkopf,  kleine  Gliedmassen,  eine  Hand,  die  eine  Pans- 
flöte  hielt,  einen  halben  Stierkopf,  Ziegenbeine  u.s.w.  Am  5. 
Oktober  fanden  wir  ein  grösseres  Fragment,  einen  Knaben 
(Eros?)  au  feinem  Tiger  reitend  und  waren  nun  ziemlich  sicher, 
dass  der  Fries,  der  einsl  die  Skene  schmückte,  einen  diony- 
sischen Festzug  darstellte  '. 

Die  Leute,  die  ans  dem  Gymnasium  fortgenommen  worden 
waren,  wurden  nebsteinigen  anderen  zu  Tastungen  verwandt. 
Zunächst  liessen  wir  oberhalb  des  Theaters  auf  der  grösseren 
Terrasse  des  Burgberges  einen  (nahen  ziehen,  wie  die  Karte 
zeigt,  landen  indess  in  1-1  '/.,'"  Tiefe  nur  einige  mittelalter- 
liche Gräber  und  dann  den  gewachsenen  Boden.  Östlich  vom 
Theater,  wo  sich  einiges  Gemäuer  zeigte,  wurde  ebenfalls  auf- 
geräumt und  einige  kleine  Zimmer  mit  Fussböden  von  Zie- 
geln oder  rohem  .Mosaik  gereinigt,  ohne  dass  wir  darin  einen 
Fund  gemacht  hätten. 

Sonntag,  7.  Oktober,  hallen  wir  nur  24  türkische  Arbeiter, 
die  sämtlich  im  Theater  beschäftigl  w  urden.  Die  zweite  \\  oche 
arbeiteten  wir  mit  100-110  Mann,  von  denen  7(1-70  im  Theater 
verwand!  wurden  Gefunden  wurden  wieder  viele  kleine  Mar- 
morfragmente;  der  Plattenbelag  der  Orchestra  zeigte  sich 
ziemlich  intakt,  aber  mehrere  verschüttete  Kalköfen,  die  bis 
auf  den  Fussböden  hinabreichten,  belehrten  uns  über  den  Ver- 
bleib der  Marmore.  Am  Freitag,  12.  Oktober,  wurden  die  un- 
tersten Stufen  des  Theaters  in  der  Mitte  des  Halbrunds  er- 
reicht. Sie  waren  von  Marmor.  Der  Schutt  lag  l-l1/.,'"  hoch 
auf  der  Orchestra. 

Die  Grabung  am  Fundort  des  Dionysoskopfes  wurde  mit 
8-10  Mann  fruchtlos  fortgesetzt;  kleines  Mauerwerk  von  Woh- 
nungen mit  einer  marmornen  Thürschwelle  kam  zu  Taue,  ein 
Säulenstumpf  und  in  :V"  Tiefe  der  gewachsene  Boden.  Auf 

1  1 1  ).in  Bruchstück  könnte  zu  einer"  Darstellung  des  Autumnus gebö\  i  haben, 
wie  sie  F.  Marx,  Rom.  M in heilungen  1892  S.  26  nachweist;  drei  weitere 
Kxemplare:  Revue  arclUologique  1692,  XX  Taf.  23,1  8.  290,  Rangabe*,  La 
partie  miridionale  de  l'ile  d'Eubte  [Mimoives  de  VacacUmie  des  inscriptions 
1852)  Taf.  2  8.  13  und  wol  auch  Compte-rendu  1867  8.  161  181  beweisen 
die  grosse  Beliebtheit  des  Gegenstandes.] 

ATHEN.    M1TTHEIL1  NGBN    XVIII.  27 


402  C.    Hl' MANN    UND    W.    DOEHPFELD 

der  Burgterrasse  wurden  nun  noch  weitere  Gräben  gezogen, 
die  nur  unansehnliche  Fundamente  kleiner  Wohnungen  erga- 
ben, so  dass  man  fast  sicher  sagen  kann,  dass  auf  der  eigent- 
lichen Akropolis  ein  grösserer  Prachtbau  nicht  gestanden  hat, 
zumal  auch  nirgends  ein  Trümmerhaufe  darauf  hinweist.  So 
wurden  denn  verschiedene  Tastungen  auf  dem  Stadtgebiet 
gemacht,  besonders  an  dem  Ruinenfeld  westlich  vom  Stadion, 
wo  ein  Knabenkopf  gefunden  wurde,  ferner  in  der  Gegend  der 
Agora  und  sonst.  Fast  überall  bedeckten  2-3'"  Schutt  und 
Humus  den  Boden. 

Die  dritte  Woche  vom  15-19.  Oktober  (der  20.  verregnete) 
hatte  ich  nur  4  5  Arbeiter,  die  im  Theater,  an  dem  Fundort 
des  Dionysos,  und  an  verschiedenen  Stellen  der  Burgterrasse 
und  der  übrigen  Stadt  Taslungen  ausführten.  Zugleich  be- 
gann  ich  den  beifolgenden  Stadtplan  aufzunehmen.  Am  16. 
fand  sich  bei  einer  Tastung  nur  wenig  südlich  vom  israeli- 
tischen Friedhof,  in  eine  Mauer  verbaut,  eine  römische  Kai- 
serstatue  ohne  Kopf,  am  17.  ein  schöner,  etwas  beschädigter 
Frauenkopf  bei  den  Ruinen  westlich  vom  Stadion. 

Wir  arbeiteten  jetzt  noch  eine  vierte  Woche  mit  'i5  Mann, 
wobei  wieder  die  Hauptkraft  auf  das  Theater  verwendet  wur- 
de. Dabei  wurde  die  östliche  Hälfte  der  Skene  gereinigt  und 
die  westliche  Ecke  der  Theaterstufen  freigelegt,  sowie  in  der 
Mitte  eine  Rinne  nach  rechts  und  links  verfolgt.  Über  die  ar- 
chitektonischen Ergebnisse  dieser  Untersuchungen  ist  der  Ibl- 
gende  Abschnitt  zu  vergleichen.  Wir  landen  im  Theater  noch 
zwei   Relief bruchstücke,    das  eine  das  Vorderteil  eines  Pferdes 

darstellend,  eben  darum  wichtig,  weil  an  demselben  die  ganze 

Höhe  des  Frieses.  I  .().">"',  erhallen  war.  das  andere  der  Torso 
e'iner  geflügelten  Gestalt. 

Bei  den  Tastungen  wurde  nichts  mehr  gefunden.  Es  gelang 
mir  in  flieser  letzten  Woche  den  Plan  von  Tralles  fertig  zu 
»teilen.  Die  Fundstücke  liess  ich  gut  verpacken  und  nach 
Smyrna  schaffen,  von  wo  sie  dann  nach  Konstantinopel  gin- 
gen. Später  erhielten  wir  \on  dort  einen  befriedigenden  An- 
teil zurück. 


AÜSGItABL'NlJEN    IN   TliALLES  403 

Einige  Monate  später  erfuhr  ich,  dass  der  Dionysostorso 
von  Arbeitern  im  Jahre  1887  mit  dem  Kopfe  zugleich  gefun- 
den, verschleppt  und  versleckt  worden  war.  Es  gelang  ihn  zu 
erwerben  und  ihn  gegen  die  Siele  des  Assarhadon  aus  Sind- 
jirli  einzutauschen,  wodurch  die  Ausgrabungen  noch  einen 
besonders  günstigen  Abschluss  erhielten. 

Die  Funde,  die  in  Tralles  gemacht  sind,  ausgenommen  die 
Theaterreliefs,  sind  rein  dem  Zufalle  zu  danken,  können  also 
keine  Aufmunterung  bieten,  in  dieser  Weise  fortzufahren, 
wenngleich  sie  den  Beweis  liefern,  dass  der  Boden  der  einst 
so  reichen  Stadt  noch  manchen  Schatz  birgt.  An  der  eigent- 
lichen Akropolis,  beim  Theater  und  Stadion,  beim  Fundort 
des  Dionysos,  wo  man.  auch  schon  wegen  der  grossen  Ent- 
fernung von  der  heutigen  Stadt,  am  ehesten  hätte  darauf  rech- 
nen dürfen,  auf  reichere  Reste  hellenistischer  Anlagen  zu  stos- 
sen,  wurde  diese  Hoffnung  getäuscht.  Ein  grösseres  Ruinen- 
feld, zumal  in  der  Nähe  der  vermuteten  Agora,  besonders  das 
neben  der  altchristlichen  Kirche,  genügend  in  Angriff  zu  neh- 
men.  um  wenigstens  zu  ermitteln,  welche  Art  Gebäude  hier 
verschüttet  sind,  war  es  dann  zu  spät. 

Es  scheint  nach  dem.  was  w  ir  bis  jetzt  wahrgenommen, dass 
das  ganze  Gebiet  des  alten  Tralles  mit  einer  über  1'"  dicken 
Schicht  von  Humus  und  Schult  bedeckt  ist  und  dass  die  ein- 
zelnen Ruinenhügel  2-5™  hoch  auf  dem  einstigen  Estrich  la- 
gern.  Sollte  jemals  wieder  ein  Versuch  in  Tralles  gemacht 
werden,  so  würde  er  in  der  Gegend  der  Agora  zu  empfehlen 
sein  und  durfte,  zumal  wenn  die  Gebäude  durch  Erdbeben 
zerstört  sind,  manches  schöne  Resultat  zu  erzielen  sein,  wenn 
auch,  wie  es  nach  dem  äusseren  Aussehn  scheint,  römische 
Reparaturen,  Zuthaten  oder  Neubauten  die  hellenistischen  An- 
lagen zum  Teil  verdecken. 

Sm\  rna. 

CARL  HUMANN. 


(',.    III 'MANN    UND    \V.    DOKlU'KKI.ll 


II 


Der  jetzige  Zustand  des  Theaters  von  Tralles,  seine  Lage 
innerhalb  der  allen  Stadt  und  seine  im  Jahre  1888  erfolgte 
Aufdeckung  sind  oben  von  G.  Humann  geschildert.  Wie  die 
Ausgrabungen  in  Tralles  nur  ein  Versuch  waren,  so  ist  auch 
die  Untersuchung  der  Theaterreste  keine  abschliessende  Ar- 
beil gewesen.  F,s  kann  desshalb  auch  weder  eine  \olle  Be- 
Schreibung  noch  eine  Geschichte  des  Baues  gegeben  werden. 
Wenn  ich  trotzdem  die  Resultate  der  Ausgrabungen  im  Thea- 
ter  hier  in  Wort  und  Bild  veröffentliche,  geschieht  dies  haupt- 
sächlich, weil  der  Bau  in  seiner  Gestalt  und  seinen  Einrich- 
tungen einige  Eigentümlichkeiten  besitzt,  welche  ihn  ans  der 
Reihe  der  übrigen  Theater  herausheben  und  ihm  in  der  Frage 
nach  der  Form  der  griechischen  Theater  einige  Wichtigkeit 
verleihen. 

Weicht!  Teile  des  Baues  freigelegt  sind,  ist  einigermassen 
aus  dem  Grundrisse  (Tat*.  13)  zu  ersehen.  Im  Zuschauer- 
räume wurden  nur  vier  Stellen  aufgedeckt,  nämlich  die  Mitte 
(D)  und  die  beiden  Enden  (A  und  F)  der  untersten  Sitzrei- 
hen und  eine  Stelle  am  obersten  Hände  des  Theaterrundes. 
Von  der  Orehcslra  wurde  ein  grösseres  Stück,  namentlich 
das  südliche  Drittel  ausgegraben.  Obwol  der  freigelegte  Teil 
des  Sken  en  gebäu  des  nur  seine  östliche  vordere  Hälfte  um- 
fasst,  liess  sich  sein  Grundriss  so  wiederherstellen,  wie  es  im 
Plane  mit  punktirten  Linien  geschehen  ist. 

1.  Der  Zuschauerraum.  Wie  last  alle  griechischen 
Theater,  so  ist  auch  dasjenige  von  Tralles  an  einem  nalür- 
lichen  Bergabhange  in  der  Weise  angelegt,  dass  für  den  mitt- 
leren Teil  des  Zuschauerraumes  der  Teste  Boden  oder  Felsen 
als  Unterlage  t\rv  steinernen  Sitze  benutzt  werden  konnte.  Nur 
für  die  beiden  äusseren  Flügel  sind  Stützmauern  und  Erd- 
anschüttungen  erforderlich  gewesen.  Diese  mussten  besonders 
Btark  und  umfangreich  sein,  weil  der  Grundriss  des  Zuschauer- 
raumes   dem   griechischen   Gebrauche    entsprechend   grosser 


AUSGRABUNGEN    IN    TRALLES 


105 


als  ein  Halbkreis  ist.   Die  Vergrösserung  ist  so  angelegt,  dass 
die  beiden  Enden  l 
Halbkreises  bilden 


die  beiden  Enden  geradlinige  tangentiale  Verlängerungen  des 


Fig.  i. 


Zwei  runde  Mittelgänge  (Diazomata)  scheinen  vorhan- 
den gewesen  zu  sein,  durch  welche  der  ganze  Sitzraum  in  drei 
über  einander  liegende  Ränge  geteilt  wurde  (vgl.  die  vor- 
stehende Skizze  Fig.  1).  Zu  dem  oberen  Mittelgange  gelangte 
man  durch  zwei  bedeckte  Zugänge,  deren  Gewölbe  noch  jetzl 
erhallen  sind.  Auf  welchem  Wem'  man  dagegen  Am  unteren 
Mitlelgang  erreichte.  lässi  sich  nur  vermuten;  vielleicht  wa- 
ren an  beiden  Flügeln  Deben  dem  Skenengebäude  treppenför- 
mige  Zugänge  vorhanden,  welche  \on  aussen  an  die  Stütz- 
mauern  angebaut  waren. 

Die  Zahl  Av['  Keile,  in  welche  die  ein/einen  Ränge  geteill 
waren,  isi  nur  für  den  untersten  Rang  mit  einiger  Sicherheil 
festzustellen';  es  gab  dort  wahrscheinlich  9  radiale  Treppen 
und  demnach  8  Keile. 

Die  wenigen  Sil /.sin  Ten.  welche  erhallen  sind,  bestehen 
aus  weissem  Marmor,  aber  uichl  aus  je  einem  einzigen  Stein, 


C.     HUMANN    UND    W-    DOEHPFELD 


wie  os  in  Griechenland  meist  der  Fall  ist,  sondern  sind  aus 
je  zwei  Steinen  der  ApI  zusammengesetzt,  dass  die  eigentliche 
Sitzbank  von  dem  einen,  die  für  die  Füsse  bestimmte  Platte 
von  dein  zweiten  Steine  gebildet  wird.  Ob  alle  Sitzreihen  bis 
obenhin  in  gleicher  Weise  hergestelll  waren,  konnte  beider 
gänzlichen  Zerstörung  des  oberen  Sitzraumes  nicht  ermittelt 
werden.  Hinter  der  obersten  Sitzreihe  lag  ein  Umgang,  der 
vielleicht  als  Säulenhalle  ausgestattet  war,  denn  so  erklären 
sieh  am  besten  die  beiden  Mauern  von  verschiedener  Stärke, 
welche  an  einer  Stelle  der  nördlichen  Peripherie  gefunden 
und  in  Fig.   1  rings  um  das  Theater  herum  gezeichnet  sind. 


URSTE  SITZREIHE 
t^:"  .  -P  SESSELREIHE 


X"  7 

-I.    I     I     I     I     i      i      '     -* 


Fig    2. 


Die  unterste  Sitzreihe  war  mit  Rücklehne  und  an  den  Trep- 
pen mit  Seitenlehnen  versehen  und  bot  bevorzugte  Plätze  für 
die  mit  dem  Recht  (\rr  Proedrie  geehrten  Zuschauer.  Sie  liegt 
auf  einer  Unterstufe,  welche  als  gemeinsame  Fussbank  ge- 
staltel  isl  |  vgl.  den  Durchschnitt  Fig.  2).  In  der  Mitte  dieser 
Sesselreihe,  wo  im  athenischen  Theater  ein  besonderer 
Thron  für  den  Dionysos -Priester  steht,  scheint  in  Tralles  eine 
grössere  Loge  m\r\-  eine  altarförmige  Basis  vorhanden  gewesen 
zu  sein.  Man  sieht  dort  jetzl  (bei  D  auf  Taf.  13)  den  Kern 
und  zum  Teil  auch  noch  die  Verkleidung  eines  Mauerkörpers, 
welcher  offenbar  erst   in  späterer  Zeil  eingebaul   ist.    Seim; 


AUSGRABUNGEN  IN   TRALLtS  407 

ganze  Form  kann  nur  durch  weitere  Ausgrabung  festgestellt 
werden. 

2.  Die  0  relies  t  ra.  Von  der  untersten  Sitzreihe  durch 
einen  etwa  1"'  breiten  Umgang  getrennt,  liegl  in  der  .Mitte  des 
Zuschauerraumes  die  Orchestra.  Sic  war  mit  Marmorplat- 
ten gepflastert,  von  denen  bei  G  noch  einzelne  an  ihrem  alten 
Platze  liegen  ;  an  den  übrigen  freigelegten  Stellen  sieht  man 
nur  das  Mörtelbett,  welches  den  Platten  als  Unterlage  diente. 
Dieses  Marmorpflaster  gebort  nicht  zu  dem  ursprünglichen 
Bau,  sondern  ist  hei  einem  nachträglichen  Umbau  angelegt 
worden.  In  früherer  Zeit  scheint  die  Orchestra  einen  einfa- 
chen Erdfusshoden  gehabt  zu  haben,  der  mit  einem  offenen 
Wassercanal  umgehen  war.  Letzterer  ist  an  zwei  Stellen  (hei 
B  und  C)  unterhalb  des  Mörtelbettes  gefunden  worden. 

Der  Grundriss  der  Orchestra  bildete  nach  dem  Umbau 
einen  überhöhten  Ilaihkreis  oder  richtiger  einen  Halbkreis  mit 
anstossendem  Hechteck.  Wie  er  früher  gestaltet  war,  ist  nicht 
mit  Bestimmtheit  nachzuweisen;  wahrscheinlich  bildete  er 
einen  vollen  Kreis,  wie  es  hei  fast  allen  griechischen  Thea- 
tern der  Lall  war.  Der  Durchmesser  betrug  zu  der  Zeit,  als 
der  offene  Canal  noch  vorhanden  war.  25™  (  gegenüber  19, 60™ 
im  Dionysos-Theater  von  Athen).  Später,  als  der  Canal  zur 
Orchestra  hinzugezogen  war.  wuchs  dieses  .Mass  auf  26 ,40™. 

Eine  besondere  Eigentümlichkeit  unserer  Orchestra  ist  der 
unterirdische  begehbare  Canal,  von  dem  im  Centrum 
des  Kreises  |  hei  //  )  ein  T-förmiges  Stuck  aufgedeckt  worden 
ist.  Er  hat  eine  Breite  von  0,58-0,60,n  und  liegl  '2.1(1'"  unter 
dem  Fussboden  ^v  Orchestra.  Die  Bedeutung  dieses  Gangi  3 

haben  wir  während  (Jer  Ausgrabung  nicht  erkannt  Wir  hiel- 
ten ihn  für  einen  grossen  Wassercanal  und  verzichteten  auf 
seine  vollständige  Ausräumung.  Nachdem  aber  von  dem  ame- 
rikanischen archäologischen  Institut  in  dem  Theater  von  Ere- 
tria  und  \on  E.  Hiller  von  Gärtringen  hei  seiner  Ausgrabung 
des  Theaters  \on  Magnesia  ähnliche  unterirdische  (länge  ge- 
funden sind,  deren  Form  und  Lage  jeden  Gedanken  an  Ab- 
flusscanäle  aussen! iessen,  kann  es  nicht  mehr  zweifelhaft  sein. 


f..    HUMANN    ÖND   W      DOERPFELD 

dass  auch  der  ("anal  unseres  Theaters  nichts  mit  Wasser  zu 
ilnm  hat,  sondern  zum  Verkehr  von  Personen  bei  irgend  wel- 
chen Aufführungen  gedienl  haben  nuiss. 

Die  wichtige  Frage,  welcherlei  Aufführungen  dies  gewesen 
sein  mögen  und  welchen  Zweck  der  unterirdische  Gang  dabei 
erfüllte,  muss  hier  unerörtert  bleiben,  zumal  wir  nicht  einmal 
wissen,  wo  und  wie  i\vv  Gang  beiderseits  endete  und  WO  die 
zu  ihm  führende  Treppe  lag.  Hier  mag  nur  daraufhingewie- 
sen werden,  dass  in  dem  Theater  von  Magnesia  Reste  von 
zwei  verschiedenen  Gängen,  einem  griechischen  mit  Quadern 
erbauten  und  einem  römischen  mit  Kalk  gemauerten,  erhalten 
sind.  Dem  letzteren  gleicht  unser  Gang  in  Tralles  in  Bauarl 
und  Grundriss  und  muss  demnach  (\w  römischen  Zeit  zuge- 
schrieben werden:  der  erslere  dagegen  ist,  soweit  seine  Reste 
ein  Urteil  gestatten,  dem  griechischen  Gange  von  Eretria  ähn- 
lich. Wenn  unser  Gang  hiernach  römisch  ist.  darf  er  nicht 
ohne  Weiteres  zur  Erklärung  von  Erscheinungen  und  anderen 
scenischen  Vorgängen  der  altgriechischen  Dramen  benutzt, 
sondern  muss  mit  Aufführungen  oder  Schaukämpfen  der  rö- 
mischen Zeit  in  Verbindung  gebracht  werden. 

3.  Das  Skenengebäude.  Obwol  die  Ausgrabung  (\^^ 
neben  der  Orchestra  gelegenen  Skenengebäudes  keine  \ oll- 
ständige  gewesen  ist,  lässt  sich  aus  dem  aufgedeckten  Teile 
schon  erkennen,  dass  seine  Form  zu  den  gewöhnlichen  grie- 
chischen und  römischen  Skenen  gar  nicht  passt.  \)r\-  Grund- 
riss zeigl  nämlich  eine  aus  drei  parallelen  Säulenreihen  ge- 
bildete Halle,  welche  nach  der  Orchestra  zu  mit  einer  mas- 
si\en  Wand  abgeschlossen  war  und  auf  der  anderen  Seile  an 
die  eigentliche  Skene  anstiess,  von  der  alter  bis  jetzt  nichts 
anderes  als  geringe  Mauerspuren  gefunden  sind. 

In  dem  freigelegten  Teile  (\{>v  Halle  l  vgl.  Tal'.  13)  sind  die 
viereckigen  Fundamentsteine,  auf  denen  die  Säulen  standen, 
noch  last  sämtlich  vorhanden;  auf  ihrer  Oberfläche  erkennt 
iii;iii  die  Lücher  für  die  zur  Befestigung  der  Stützen  dienen- 
den Dübel  und  die  zugehörigen  Gusscanäle ;  auf  einigen  sind 
auch  die  Standspuren  dn-  Säulen  selbst  noch  deutlich  zu  Be- 


AUSGRABUNGEN   IN   TR ALLE 8  400 

hcn  und  auf  einer  einzigen  (Q)  stellt  so^ar  noch  eine  Säulen- 
trommel  aufrecht.  Ans  diesen  verschiedenartigen  Resten  er- 
giebt  sich,  dass  jede  der  drei  Säulenreihen  16  Stutzen  ent- 
hielt, und  dass  die  beiden  äusseren  Reihen  aus  einfachen  run- 
den, die  mittlere  aber  ans  gekuppelten  Säulen  oder  sogenann- 
ten Zwillingssäulen  bestand. 

Wenn  man  nach  dem  Grunde  dieser  Verschiedenheil  der 
Stiit/.en  forscht,  möchte  man  in  erster  Linie  glauben,  dass  die 
kräftigeren  Zwillingssäulen  desshalb  für  die  mittlere  Reihe 
genommen  sind,  weil  sie  dort  mehr  zu  tragen  hallen  als  die 
äusseren  Säulen,  welche  sieh  unmittelbar  an  je  eine  geschlos- 
sene Wand  anlehnten.  Aber  es  kann  nicht  bestritten  werden. 
d;ss  bei  der  geringen  Spannweite  von  nicht  ganz  2,n  auch  für 
die  mittlere  Keihe  einfache  Säulen  vollkommen  ausgereicht 
hätten,  um  eine  steinerne  oder  hölzerne  Decke  zu  trauen. 
Überdies  ist  es  unverständlich,  wozu  die  äusseren  Saiden  vor- 
handen sind,  weil  die  neben  ihnen  liegenden  Wände  auch 
ohne  die  Saiden  eine  genügende  Tragfähigkeil  besassen.  Diese 
Schwierigkeit  legt  uns  die  Vermutung  nahe,  dass  die  vordere 
zur  Orchestra  gerichtete  Wand  ursprünglich  nicht  vorhanden, 
und  also  die  vordere  Säulenreihe  damals  von  dem  Zuschauer- 
raum aus  sichtbar  war.  Bei  i\w  grossen  Zerstörung  der  Vor- 
derwand lässt  sieb  diese  Vermutung  aber  nicht  erweisen.  In 
/.weiter  Linie  könnte  man  sich  drv  gekuppelten  Pfeiler  der 
meisten  griechischen  Proskenien  (/..  B.  in  ßpidauros  und 
Oropos)  erinnern  und  darnach  die  Vermutung  aussprechen, 
dass  die  Zwillingssäulen  ursprünglich  die  Passade  des  Ske- 
nengebäudes  gebildet  hätten,  und  die  Vorderwand  einschliess- 
lich der  vorderen  Säulenreihe  eine  spätere  Zuthal  wäre.  Al- 
lein auch  für  diese  Annahme  vermag  ich  keinen  durchschla- 
genden Beweis  beizubringen.  Die  grössere  Wahrscheinlichkeit 
spricht  im  Gegenteil  entschieden  dafür,  dass  die  drei  Säulen- 
reihen gleichzeitig  mit  der  Vorderwand  errichtet  worden  sind. 

Welchen   Zweck   halle  der  mit  den  drei  Säulenreihen  aus- 
gestaltete Vorbau?  War  er  drv  l  nlerhan    eines    Logeion  einer 

erhöhten  Bühne,  auf  welcher  die  Schauspieler  aufzutreten 


410  C.    HUMANN   UND  W.    DOERPFELD 

pflegten,  oder  müssen  wir  in  ihm  ein  Proskenion  sehen, 
welches  den  Hintergrund  für  die  in  der  Orchestra  stattfinden- 
den Aufführungen  bildete  ? 

Zunächst  wird  wol  jeder  an  die  erstere  Möglichkeit  den- 
ken, weil  (]w  Vorbau  im  Verbältniss  zum  Zuschauerraum  last 
genau  an  derselben  Stelle  liest,  wie  das  Logeion  des  Phaidros 
im  athenischen  Dionysos-Theater.  Dazu  passt  es  sehr  gut, 
dass  vor  der  Mitte  der  Vorderwand  zwei  Mauerklötze  erhalten 
sind  (bei  AT  auf  dem  Plane),  welche  kaum  etwas  Anderes  sein 
können  als  die  Reste  einer  doppelarmigen  Treppe,  auf  wel- 
cher man  von  der  Orchestra  hinaufsteigen  konnte  zu  dem 
Podium  über  der  Säulenhalle. 

Aber  die  Höhe  und  Breite  des  Podiums,  soweit  sie  sich  er- 
mitteln lassen,  gestatten  meines  Erachtens  nicht,  es  als  Lo- 
geion in  Anspruch  zu  nehmen. 

Was  zunächst  die  Höhe  anbetrifft,  so  müssen  die  Säulen. 
da  ihr  Durchmesser  0,4  8'"  beträgt  und  sie  architektonisch 
ausgebildet  sind,  mindestens  2,50'"  hoch  gewesen  sein.  Das- 
selbe Minimalmass  ergiebt  sich  auch  aus  der  später  zu  be- 
sprechenden Thatsache,  dass  die  Zugänge  zur  Orchestra  bei- 
derseits zwischen  den  Saiden  hindurch  gingen.  Rechnen  wir 
noch  für  Gebälk  und  Decke  etwa  0,50m  hinzu,  so  erhalten  wir 
als  Höhe  des  imnzen  Vorbaues  3'".  Bei  einer  solchen  Höhe 
inuss  die  doppelarmige  Treppt»  im  Grundriss  eine  T-lörmige 
Gestalt  gehabt  haben.  Ihre  beiden  von  rechts  und  links  kom- 
menden  Arme  müssen  sich  zu  einem  einzigen  rechtwinklig 
zu  ihnen  gerichteten  Laufe  vereinig!  haben;  das  mittlere  Po- 
dest las  dabei  in  einer  solchen  Höhe  über  dem  Orchestrabo- 
den. dass  gerade  eine  Thür  unter  ihm  angebracht  werden  konn- 
te.  Im  Gegensätze  zu  dem  nur  annähernd  bestimmbaren  Hö- 
hen masse    kann    die  Breite  des  Podiums  aus  den  erhaltenen 

Bauresten  ohne  Weiteres  festgestellt  werden,  sie  betrug  6ra. 

Auf  einer  Bühne  von  3™  Höhe  und  6ra  Breite  können  aber 
keine  Aufführungen  stattfinden,  wenn  die  auf  i\<'v  unteren 
Sesselreihe  sitzenden  Zuschauer  und  namentlich  dir  an  den 
beiden  Flügeln  Sitzenden  etwas  von  il^i  Darstellung  sehen 


AUSGRABUNGEN   IN   TRALLES  4M 

sollen.  Diejenigen  Archäologen,  welche  noch  jetzt  die  Ansicht 
vertreten,  dass  die  10-12  Fuss  hohen  Proskenien  der  griechi- 
schen Theater  die  gewöhnlichen  Standplätze  der  Schauspieler 
waren,  betonen  stets,  dass  die  auffallend  geringe  Breite  A^v 
Proskenien  durch  die  Möglichkeit  i\r*  Sehens  bedingt  sei  So- 
bald der  Fussboden  einer  Bühne  höher  liegt  als  das  Auge  der 
Zuschauer,  werden  letztere  um  so  weniger  von  den  Schauspie- 
lern sehen,  je  breiter  die  Bühne  ist  Wird  (\rv  Höhenunter- 
schied so  gross  wie  in  unserem  Falle  (nämlich  etwa  1 .30'").  so 
werden  sowol  die  Schauspieler  als  auch  die  hinter  ihnen  be- 
findlichen Decorationen  bei  grosser  Buhnenbreite  fast  ganz 
unsichtbar. 

Da  sich  nun  meines  Wissens  kein  Grund  finden  lässt.  wel- 
cher den  Erbauer  unseres  Theaters  veranlasst  haben  könnte, 
trotz  der  damit  verbundenen  Mängel  eine  so  hohe  Bühne  zu 
errichten,  so  halte  ich  es  für  sicher,  dass  der  von  den  Saiden 
getragene    Bau    kein  Logeion .   sondern   ein   Proskenion    ist. 

Die  Vorderwand  d^s  Vorbaues  bildete  also  den  Hintergrund 
des  in  der  Orchestra  stattfindenden  Spiels.  Sie  enthielt  ver- 
mutlich drei  Thüren,  weil  in  dein  ähnlich  gestalteten  Theater 
von  Magnesia  noch  die  Schwellen  von  drei  Thüren  erhallen 
sind.  Sicher  nachgewiesen  ist  in  unserem  Bau  allerdings  bis- 
her nur  das  Vorhandensein  der  mittelsten  Thür.  Zum  Schmuck 
der  Proskenion-Wand  waren  jedenfalls  die  über  1'"  hohen 
sculptirten  Friesplatten  aus  Marmor  verwendet, welche  C.  Hu- 
man n  oben  S.  401  erwähnt. 

Wenn  der  Vorbau  hiernach  ein  Proskenion  und  kein  Lo- 
geion war.  so  erhebt  sich  die  weitere  Frage:  Warum  hat  das 
Proskenion  eine  so  auffallende  Breite  oder  Tiefe,  dass  es  Ins 
an  die  Ecken  des  Zuschauerraumes  heranreicht? 

Der  Zweck  dieser  Anordnung  kann  meines  Frachten*  nur 
die  Herstellung  einer  möglichst  abgeschlossenen  Arena  und 
die  damit  verbundene  Erzielung  einer  guten  Akustik  für  die 
in  der  Orchestra  stattfindenden  Aufführungen  gewesen  sein, 
luden  meisten  griechischen  Theatern  konnte  die  Orchestra 
an  den  Seilen  nicht  ganz  abgeschlossen  werden,   hier  dagegen 


U2  C.    HUMANN    UND   W.    DOURPFELD 

waren  die  seitlichen  Zugänge  in  Fortfall  gekommen  und  so 
die  Orchestra  von  allen  Seilen  eingeschlossen. 

Dass  die  Orchestra  trotz  dieser  Vorschiebung  der  Proske- 
uionwand  gross  genug  war  für  Aufführungen  aller  Art,  zeigen 
ihre  Abmessungen;  bei  einer  Tiefe  von  18,25"'  hatte  sie  eine 
Breite  von  26,  10™. 

Ein  Nachteil  war  freilieb  mit  dieser  Anordnung  verbunden: 
die  beiden  seitlichen  Zugänge  der  Orchestra,  durch  wel- 
che gewiss  ein  grosser  Teil  der  Zuschauer  das  Theater  betrat, 
waren  versperrl  worden.  I^s  hätten  daher  gewölbte  Zugänge, 
wie  siez.  I>.  in  Magnesia  und  Ephesos  vorkommen,  einge- 
richtet werden  müssen.  Statt  dessen  hat  man  an  den  beiden 
Ecken  des  Zuschauerraumes,  nämlich  bei  F  und  A  im  Plane, 
Stücke  (\r\-  linieren  Sitzstufen  abgeschnitten  und  so  neue  Zu- 
gänge  zur  Orchestra  geschaffen.  Von  der  Thür  der  östlichen 
Parodos,  zu  welcher  der  auf  dein  Plane  gezeichnete  Pfeiler  T 
gehört  zu  haben  scheint,  trat  man  zunächst  in  das  Innere  des 
Proskenion,  also  in  den  von  den  drei  Stützreihen  gebildeten 
Saal,  und  konnte  dann,  nach  rechts  umbiegend,  durch  die 
beiden  äusseren  Intercoluinnien  und  durch  den  neuen  Zugang 
F  in  die  Orchestra  gelangen.  Ks  versteht  sich  von  selbst,  dass 
diese  Intercolumnien  und  demnach  auch  das  ganze  Proske- 
nion so  hoch  sein  inussten,  dass  der  Eintretende  bequem  hin- 
durchgehen konnte. 

Wie  i\r\-  hinter  dem  Säulen  bau  gelegene  hintere  Teil  des 
Skenenge b ä u d es  gestaltet  war.  ist,  vollkommen  unbe- 
kannt, weil  die  Ausgrabung  nichl  bis  dorthin  ausgedehnt  wer- 
den konnte.  In  drv  Axe  des  Theaters,  wo  eine  Versuchsgra- 
bung gemachl  wurde,  zeigten  sich  keine  Mauern,  sondern  nur 
geringe  Fundamentreste;  es  schien  dort  das  Skenengebäude 
ganz  zerstör!  zu  sein.  Nur  durch  umfangreiche  Ausgrabungen 
könnte  daher  sein  Grundriss  noch  bestimmt  werden. 

Unterliegl  es  nach  dem  oben  Gesagten  auch  keinem  Zwei- 
fel, dass  am  Skenengebäude  und  namentlich  am  Proskenion 
ähnliche  l  mbauten  vorgekommen  sind,  wie  sie  bei  i\i'v  Or- 
chestra festgestelll   werden  konnten,  so  isl  es  doch  nicht  mög- 


AüSÖRAÖUNÖEN    IN   TRALLES  413 

lieh,  die  einzelnen  Bauperioden  genau  zu  sondern  und  zeit- 
lich zu  bestimmen.  Ersl  wenn  es  gelingt,  noch  andere  hes- 
8er  erhaltene  Theater  von  ähnlicher  Gestalt  auszugraben  —  ich 
nenne  hier  als  Beispiel  nur  das  Theater  in  Ephesos — .wei- 
den sich  mich  in  unserem  Bau  die  noch  dunklen  Punkte  auf- 
klären und  seine  besonderen  Einrichtungen  ganz  verstehen 
lassen. 

WILHELM  DÖRPFELD. 


g  1  <    - 


EIN  ATHENISCHER  GRABFUND  DER  GEOMETRISCHEN 
PERIODE 

(Hierzu  Tafel  XIV) 

Zur  Ergänzung  der  oben  S.  101  ff.  besprochenen  Gräber- 
funde aus  der  geometrischen  Periode  dient  ein  Fund,  von  wel- 
chem ich  aus  dem  Inventar  der  Sammlung  der  Archäologischen 
Gesellschaft  Kenntniss  erlangt  habe.  Der  mit  gütigst  erteilter 
Erlaubniss  der  Gesellschaft  auf  Tat'.  I  \  abgebildete  Dreifuss 
ist  von  ihr  im  Jahre  1 8 M 3  erworben  und  war  bei  dem  athe- 
nischen Schlachthause  in  der  Ebene  südwestlich  des  äussersten 
Ausläufers  des  Pnyxsebirses  gefunden  worden  ( Inventar XoCktä 
1010).  Er  ist  0,45'"  hoch.  Das  Erz,  aus  welchem  er  besteht, 
ist  von  einer  schönen  blau-grünen  Palina  überzogen.  Jedes 
der  drei  Beine  hat  in  der  Mitte  das  Fischgrätenornament, 
wie  es  ähnlich  an  der  knöchernen  Leiste  oben  S.  120  wieder- 
kehrt. Über  dem  oberen  Ende  eines  jeden  Beines  liegt  eine 
dem  Muster  des  ionischen  Kapitells  entsprechend  aufgerollte 
Doppelspirale.  Der  Reifen,  welchen  die  drei  Beine  tragen,  ist 
durchbrochen  gearbeitet  und  enthält  in  seiner  Mitte  S-för- 
mige Spiralen  an  einander  gereiht.  Der  Dreifuss  diente  dazu 
eine  bronzene  Urne  zu  tragen,  in  ihr  dünnes  Erz  hat  sich  der 
feste  Rand  des  Dreifusses  eingedrückt:  ihr  grösster  Durch- 
messer misst  0,53'".  Sie  hatte  keine  Standfläche,  sondern  ging 
wie  die  oben  S.  93  abgebildete  rund  zu,  oben  war  sie  durch 
einen  Deckel  geschlossen.  Die  zweite  Abbildung  auf  Taf.  I  ! 
zeigl  den  Dreifuss  mit  der  Urne  in  der  ursprünglichen  Anord- 
nung. Im  den  Dreifuss  herum  standen  acht  Thonvasen  be- 
malt mil  den  üblichen  Mustern  der  Dipvdonzeit ;  eine  davon 
('Ayyeio.  2876)  ist  eine  Amphora,  hoch  0,47"',  ähnlich  der  bei 
Conze,  Zur  Geschichte  der  Anlange  griechischer  Kunst  Taf. 
III,  4;   drei  (28S1-2883)  sind  bauchige   Ilydrien  mit  Drei- 


.1.    H.    MOHDTMA.NN,      INSCHRIFTEN   AUS    EDESSA  415 

blattmündung,  0,21-23  hoch  (vgl.  oben  Taf.  8,  5  und  8);  und 
vier  (2877-2880)  haben  die  Form  der  breiten  Skyphoi  wie 
ebenda  Nr.  2  und  einen  Durchmesser  von  0,1 'i-16m. 

Es  ist  mir  nicht  bekannt,  dass  unserem  üreifuss  entspre- 
chende Geräte  sonst  in  Gräbern  bemerkt  worden  seien.  Die 
ganze  Aufstellung  setzt  voraus,  dass  das  Grab  der  Dipylonzeit 
ein  abgedeckter  Hohlraum  war,  wofür  oben  Belege  angeführt 
wurden  sind.  Die  Form  des  Behälters  lässt  ohne  weiteres 
schliessen,  dass  die  darin  ehemals  enthaltenen  Knochen  nach 
einer  Verbrennung  in  ihn  gesammelt  waren. 

Berlin. 

ALFRED  BRÜCKNE    . 


INSCHRIFTEN  AUS  EDESSA 

Bei  einem  Ausflüge  nach  Vodena,  wie  das  makedonische 
Edessa  seit  dem  Mittelalter  heisst1,  kamen  mir  folgende  In- 
schriften zu  Gesicht: 

1.  Auf  einer  Siiide  im  Vorhofe  der  Kirche  zur  'Ay.-/  Tpik? 
in  Vodena. 

a)  auf  dem  oberen  vorspringenden  Bande  : 

CrMCCe  LACTO  OYKAiGNTMHN 

*       ;OYK     ANAOY        n  <s        C  i'A        ' 


1  Tafel,  DeTliessalon  iS.  JOS  f.;  \  -I  die  Beschreibung  bei  l  irisebach,  Reise 
durch  Kumelien  I!  8.82  ff.— Inschriften  aus  Vodena  bei  LcBas  II  S  315Nr. 
1345  IV..  Griscbach  s.  91,  Halm.  Reise  von  Uclgrad  nach  Salonik  S.  2  I 2 
(vgl.  Reise  du  ich  die  Gebiete  des  Drin  und  Wardar  S.  I69),vEx8eoi«  ri|«  '*-x 
~\''  &**px/"v  BoSevöv  8tavoT)Ttxf){  xvaicrJÜEtoc  [6^6  A.  II. i  'Ev  KwvatavTtvouj; 
1874  (daraus  Bayel-Duchesne  Nr.  135-1481,  Ilapaptjjji«  zum  17.  Bande  der 
Schrillen  des  konslanlinopeler  Syllogos  S.  156  ir.  Das  Reisewerk  des  rus- 
Bisohen  Archimandrilen  Antonio  ist  mir  unzugänglich. 


.1.    II.    MORDTMANN 

h)  auf  der  Hohlkehle : 

YnenOIKeAKAITACCTOACTHOeUÜ 
EtO'j  ;  yy.;  ^j^xttvj  ro[ö  v.\t\  Ovr  ;^'/]v|ö; 

/     ;'.  :    TOt]    UTC6TCOllt£a    (So!    |    X.y.:.    77.:    TTOX;   T"?i   0  •(;'>. 

Das  Jahr  3:)!)  =243  Aug.  entsprich!  dem  Jahre  1  T>  Okto- 
ber 1/212  11.  Chr.  (Kubitschek,  Arch  -Epigraphische  Mitth. 
aus  Österreich  XIII  S.  120  IT.). —  \)cn  Monatsnamen  zu  Anfang 
der  2.  /eile  vermag  ich  nicht  zu  entziffern;  jedenfalls  scheint 
\\-0j.y.'//j  oder  Awou  ausgeschlossen. 

c)  auf  der  Säule  darunter : 

AYTP^NIATAIAEXAPI  AuTp&ma  Faia  e/xpt- 

EATOMHTPI0EQN  goito  Mr.rpi  Oeüv 

IEPATEYOY2HZAYPH  LepaTeuoucYi?  AupYj- 

AIAIAOYKIANHIKOPA  Xia<;  Ao'jy.iavr(;  *opa- 

CIONONOMATINEIKHN  s-.ov  ovöpxTi  Neixnv 

EZlAIAZTTAIAIZKHZIAl  e;  iSia?  tcociSickvk  töi- 

ONOIKOTENEIETOYZ  ov  oiscoysve?.   "Etoo; 
E         TT       T  stct'. 

Das  makedonische  Jahr  385  entspricht  237/'?38  n.  Chr. 
Neben  Z  ist  die  Form  E  zu  bemerken. 

2.  Bbendaselbst.  Kalkschieferplatte. 

Taube  *b  Tau  he 

M  H  M  O  P  I  O  N  Mr^.öpiov 

6YTYXIAOY  Eutux^ou 

KAITHCCYN  xal  tt,c  ^v- 

BIOYAYTOY  ßiou  äutoü 
Y   N  I  K  H  C    ',-  Nix*)? 

3.  Ebendaselbst. 

Taube   *   Taube 

T 
M  H  M  O  P  I  O  N  Mr)(xöpiOv 

A  r  A  0  W  K  A  I  'AyaOoJiXi- 


INSCHRIFTEN  AUS  EDESSA  41T 

ACFfAP06N  a?  wapöefv) 

N  O  Y  vo-j 

KAIAIAkUUNNS  *al  8taxo(v)vou 

4.  Ebendaselbst. 

Kreuz 

M-M   O   P    I   C   N     I-   O   P  My^öpiov  Top- 

AAN8ITTTTOIATP8  8*vou  l-rcoiaTpou 

K  A  I  T  HC  C  Y  M  3  I  8  A  Y  v.xi  TT,;  cuugio'j  au- 

T  8   A   HVH  T  M  A  C  j  toö  Ar^rpia; 

Vgl.  Lebas  1321  (Dium)  zweimal  bcwoiaxpo?. 

5.  Ebendaselbst. 

M  H  M  O  P  I  MTjjAÖpt- 

O    N   T  UU   N  ov  TÄv 

A    r    I    UU    N  iyio>M 

n  e  t  p  o  y  nixpou 

K    A    I    TT   A    Y  itai  Ilau- 

A  O  Y  Xou 

6.  Ebendaselbst. 

Kreuz. 
Taube  Taube 

M    H    M   O  P   I   O    N  M-flfWpiov 

AlOrGNOYC  Aioylvou« 

K  A  I  T  H  C  T  O  Y  kx\  -rij?  tou- 

T  O  Y  A  A  G  A  0  H  C  tou  i^or,; 

TTPOKOTTIAC  TTpoxo^ia? 
Kreuz  zwiscben  zwei  Blättern. 

Ähnliche  Inschriften  (als  pjuöpiov  bezeichnet)  aus Yodena  bei 
Curtis  im  angeführten  Ilapipxr^aa  und  Hahn  S.  242  Nr.  XXI. 
Das  hybride  Wort  piaöpiov  (aus  u.vr.y.-iov  und  memoria)  findet 

sich  sonst  nicht  in  Makedonien;  vgl.  indess  Lebas  1  124. 

ATHEN.   MITTHEILUNGEN   XVIII.  28 


418  .1.    H.    MOHDTMANN 

7.  In  den  Ruinen  der  jetzt  als  'Ay.  NucöXao?  bezeichneten 
Kirche.  Kalkstein 

-;-KY(3l6nANTOKl'ATUUl3CABAUUeCTH(5IZ6TONOIKONT 
K'jp-.s  navTOx.pxTwp   ^xoaüO  ffT7)pi£s  xöv  oixov  t[oütov  usw. 

S.  Am  See  von  Ostrovo,  in  der  Nähe  der  Ruinen  der  Ada- 
Djamissi  genannten  Moschee1,  etwa  20  Minuten  von  dem 
Dorfe  Ostrovo,  befindet  sich  eine  grosse  Stele  aus  Kalkslein. 
Ich  nahm  von  der  Inschrift  eine  mangelhafte  Abschrift;  Herr 
Ingenieur  Meissner  in  Vodena  liess  später  den  Stein  ausgra- 
ben und  umwenden  und  fertigte  einen  vollständigen  Abklatsch 
an,  nach  welchem  der  Text  lautet: 


APKEAIANHAN>     EIAE 

£AAE2ANAP£T£  \¥K¥ 

T£ANAPIEKT£NE  A  I  £  N 

NHMHEXAPINOC  ^   A   E 

OYTONB^MONAO  A 
NHA^CIT^dpICK^ 
X  \  d) 

MJxpaeAiavrj  'Avyeia  'E[Xij(p  'AXe^avSpcp  tö  [y]Xu>tu[Tä]Tü)  avSpt 
ix  T(üv  e[i]ottt>v  [{XJV7JJAY1?  X^Plv  o?  [<*]v  öl  [tJoütov  ßioaöv  Ao[iazijvy) 
Scoc.  tu)  cpiax.ct)  X  9'. 

Herr  Meissner  schreibt  mir  ferner:  'Am  meisten  bedauere 
ich  eine  Ruine  nicht  besucht  zu  haben,  etwa  1  Stunde  von 
Patclic,  deren  Inschriftensteine  verschiedentlich  verschleppt 
worden  sind.  Einen  derselben  fand  ich  in  Patelic;  derselbe 
enthält  zu  oberst  neben  einer  Fra uengestall  einen  Opferaltar; 
darunter  eine  griechische  Inschrift,  unter  dieser  drei  stark 
verstümmelte  Köpfe;   von  denen  3er  mittlere  der  einer  Frau 


1  Vgl.  Hahn  n.  a.  0.  8.  122,  Barth,  Heise  durch  die  Eur.  Türkei  S.  157. 


INSCHRIFTEN   AUS   EDESSA  419 

ist'.   Die   Inschrift  lautet  nach  dem  von   H.  Meissner  einge- 
sandten Abdruck : 

ABloYAMMlAnAPAMONoYÄYCI 

PATOYC 

$Xjx6to*i"    'Aaata  IIsepaiMvou'  Ai>«i[aTp<fct7]  2lü>/.  paTOug. 

In  Ekscliisu  befindet  sich  eine  Inschrift,  von  welcher  ich 
durch  die  Güte  des  Herrn  Meissner  folgende  Abschrift  des 
H.  Meyer  erhielt 

ET-BoKEPIA* 
*    T    A    A     I    O    I    E 
K   A   T   O    N 

'Ey  Boxepiag  ar&Oiot  ä/carcv. 
Offenbar  ein  makedonischer  Meilenstein.  Die  Masse  sind  :  9  iri" 
lioch.  40Hn  breit,  1 6C,U  stark.  Gefunden  ist  das  Denkmal,  wie 
auf  der  Abschrift  bemerkt  wird,  '  im  Einschnitte  bei  Kil.  170, 
450  auf  2m  Tiefe;  Landstrasse  auf  Zicka  20m  entfernt  Wohn- 
stätten in  der  Nähe  keine'. 

Die  Stadt  Bokeria  wird  von  keinem  alten  Schriftsteller  er- 
wähnt; es  liegt  aber  nahe,  an  den  lacus  Degorrites  bei  Livius 
42  c.  53  zu  denken.  Perseus  marschirt  von  Citium  toto  exer- 
citu  (d.  i.  nach  c.  51  §  11:  39000  Mann  Infanterie  und  1000 
Reiter)  nach  der  Landschaft  Eordaea,  lagert  beim  See  Begor- 
rites  und  kommt  am  nächsten  Tage  an  den  Haliacmon  (jetzt 
Kara-indjesu).  Da  die  Lage  von  Citium  unbekannt  ist.  so  ist 
es  auch  schwer  Avn  See  zu  identificiren.  Früher  hielt  man 
ihn  für  den  Sarigöl  bei  Kailari;  Barth  a.  a.  0.  S.  157  ent- 
scheidet sich  für  den  See  von  Ostrovo,  weil  der  802.  Saricöl 
eigentlich   gar   kein    See   ist   (vgl.  S.  161)  und  es  dürfte  ihm 


hierin  zu  folgen  sein  '. 


J.  II.  MORDTMANN. 


1  Die  Topographie  dieser  Gegenden  studiri  man  jetxl  am  besten  ao  der 
Hand  der  österreichischen  Generalstabskarte. 


LITTERATUR 

ÜPAKTlKA  T'o;  ev  'AOyivxk;  ipy atoXoyt>tY)c  STaipia;  tou  etou? 
1891. 

Estia  1893  Nr.  41-46.  Darin  u.  a.  II  S.  239.  Sw.  A<fywcpoc, 
Xcovo^oytxov  i-avöpOcoaa  [zu  der  von  Papageorgiu  S.  218  mit- 
geteilten Inschrift]. —  S.285.  A.  MriXtapscjcvi:,  Xytvvou<7s<x  [Kurze 
Beschreibung  des  Inselchens;  auf  dein  höchsten  Punkte  sind 
antike  Reste  erhalten,  auch  Gräber  finden  sich].  —  S.  288 
Fund  einer  Inschrift  in  Delphi,  die  einen  Ilymnos  auf  Apol- 
lon  mit  Noten  enthält  [also  eine  Parallele  zu  Philologus  18  '3 
S.  160].  —  S.  289.  I.  ^Fu/ipr,;,  Tö  <piM  [Der  Kuss,  haupt- 
sächlich in  der  antiken  Litteratur  und  im  neugriechischen 
Volkslied,  aber  auch  mit  einiger  Berücksichtigung  antiker 
Denkmäler,  historisch  betrachtet].  —  S.  316.  A.  M.,  XapTYi? 
Tr,vo-j  [Anzeige  der  neuen  Karte  von  Tinos  von  T.  I.  E'jysvtou 
u.  a.].  —  S.  3 1  7 .  0.  N.  Ilx-ayecopyioo.  — 'ji/.7rl7)pci>aaTiKÖ.  ei?  xa? 
ETuypaoa«;  Tv^'Aytai;  Sotpia?  tt,;  sv  ©eccaXovt/.-/)  [vgl.  oben  S.  336]. 

E$ilmepie  APXAiOAoriKH   1893  Nr.  3. 

IlAPNAiSOE,  rispioSi/CÖv  Guyypa^aa  toö  ev  'AO^va'.g  6tjuovuiao<j 
GuXXoyou.  XVI,  1.  Darin  u.  a.  S.  5.  N.  Ylolir^,   'ApKJToxeXou; 


NACHTRAG  ZU  S.  389 

Zu  der  Inschrift  3  ist  zu  vergleichen   Rhein.  Museum   IV, 
1845  S.  194  =  Ross,  Arch.  Aufsätze  II  S.  613,  14 
OIETIMAIAN 
HAHOEAIAHTOY 
[AivS'.]oi  eTiu-ocTav  ['AffTUM.]y)07i  Ösaio^TOu  usw. 
Das  xoivov   hat  sich   also   nach  Vater   und   Sohn    benamst, 
nachdem  es  zunächst  vom  Vater  allein  aus  Anlass  des  Feld- 
zuges  (0£a^r,T£iwv  T'jvc/.ävwv )  ins  Leben  gerufen  war. 

c-X>*£o<X> 

5.  Dezember  1893. 


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Braittlgraber 
Ziegel  gröber 

I  Schathtgnäber 

('(fasse 

O      Kopflage 


j   Lehm zicgel 
Porös 

(irer/zc  ,les  Brandphrtzcs 

Tiefen  angäbe  der  Grab  sohle  w 
der  modernen  Erdeber fl . 
Abstand  der  Süa         :.?s  Rechtecks  von 
derr06dg  ßaöiAiuc  HpauÄäov  12  T, 
von  der  OSoc.  ^apofvnWffOV  1  ™ 

Maasstab  1 1 
*  '■  *  \  1 


Modernes  Haus 

Die  Ostecke  desselben  liegt 
15,is  ~  von  der  'OS. /Tcipaiür 
lO,ion  von  der  öS  Baeikiuc 
Hpaufatov  entfernt 


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Ilipyltiiujrithrr 

]    Brandqrnbrr 

~\    Ziegeigräbtr 

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Sarkophage 

~J    Scharhtqralicr 

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Gefdsst 

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Kn/iflage 

Lehmziegel 

Tt/fenantjfaie  der  (irabsonle  * 


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.Maasstab  1:109 


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LICHTDRUCK      v     RHOMAIOES 


I.üh.  K  Grundmann 


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TRALLES 

aufgenommen  gelegentlich  der  daselbst 
7i    Auftrage  des   Orient  -  Comites 
emachten  Ausgrabungen  im  Oktober  1888. 


Die  Zahlen  bezeichnen  die  Höhe  über  dem  Meere 

Masstab  1 :  10,000 

•  |  i  Oelbaum  Pflanzungen. 
^  Ausgrabungen 


Christi Kirrhe      .  ^ <        ;    .  -      '   i   ,  ,   '    .\  '      '     ' 

^T^L4  ,    >    ,     $  «.Vi  tf,/<™,  y  , 

,    ,    \  /       4&      Iheate\ 

'    '    t  l      *  >  Akropofis.' 

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